Urteil des VG Aachen vom 02.08.2007

VG Aachen: aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, vollziehung, schule, interessenabwägung, unterricht, kinderheilkunde, besuch, gewährleistung, gemeinschaftspraxis

Verwaltungsgericht Aachen, 9 L 250/07
Datum:
02.08.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 250/07
Tenor:
1. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster
Instanz bewilligt und Rechtsanwalt T. aus E. beigeordnet.
2. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Mutter des
Antragstellers vom 11. Juni 2007 gegen den Bescheid des
Antragsgegners vom 5. Juni 2007 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Dem Antragsteller ist für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen,
da der gestellte Sachantrag aus den nachfolgenden Gründen hinreichende Aussichten
auf Erfolg hat (§ 116 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 114
der Zivilprozessordnung).
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Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Mutter des Antragstellers gegen den
Bescheid des Antragsgegners vom 5. Juni 2007 wiederherzustellen,
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ist begründet.
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Die Kammer hat im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Abwägung
vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung des
angefochtenen Verwaltungsakts und dem privaten Interesse der Antragsteller an einem
Aufschub der Vollziehung. In diese Interessenabwägung fließt die Beurteilung der
Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der vollzogen werden soll,
ein. Erweist sich der Rechtsbehelf eines Antragstellers als offensichtlich begründet,
besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse an der Durchsetzung des
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angefochtenen Verwaltungsaktes. Demgegenüber wird der Eilantrag regelmäßig
abzulehnen sein, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offen- sichtlich rechtmäßig ist.
Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung
nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige
Vollziehung sprechenden öffentlichen Interessen einerseits und dem Interesse des
Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung
im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch
unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind,
umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die
Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung der Ordnungsverfügung stärker ins Gewicht.
Danach fällt die Interessenabwägung vorliegend zu Gunsten des Antragstellers aus,
weil die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache nach der im
Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung überwiegen.
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Zwar steht nach Auffassung der Kammer - diese teilt nach Lage der Akten offenbar auch
die Mutter des Antragstellers - außer Frage, dass für den Antragsteller
sonderpädagogischer Förderbedarf besteht. Dies ist dem vom Antragegegner
eingeholten Gutachten zur Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 15.
Februar 2007 wie auch dem Bericht der Grundschullehrerin C. vom 18. Dezember 2006
eindeutig zu entnehmen. Anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Antragsteller im
Verfahren vorgelegten Stellungnahmen. Der Bericht der Praxis für Ergotherapie S. vom
13. Juni 2007 hält weitere intensive Fördermaßnahmen für notwendig, das ärztliche
Attest der Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde Dres. H. , Q.
und Q1. vom 26. Juli 2007 spricht sich lediglich für die Beschulung des Antragstellers an
einer Regelschule und gegen den Besuch einer Förderschule aus. Die Entscheidung
über sonderpädagogischen Förderbedarf, Förderschwerpunkt und Förderort obliegt
nach § 19 Abs. 2 Satz 1 des Schulgesetzes (SchulG) sowie §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs.
1 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die
Schule für Kranke (Ausbildungsordnung gemäß § 52 SchulG - AO-SF) dem
Antragsgegner als zuständiger Schulaufsichtsbehörde. Nach dem vorgenannten
sonderpädagogischen Gutachten ergibt sich als Förderort die allgemeine Schule mit
dem Gemeinsamen Unterricht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 AO-SF. Dem kann nicht
entgegengehalten werden, dass der Gemeinsame Unterricht an der Grundschule in L.
aus Kapazitätsgründen nicht möglich sei. Um der Gewährleistung des
Schulformwahlrechts Rechnung zu tragen, hat die Schulaufsichtsbehörde den Förderort
allein unter fachpädagogischen Gesichtspunkten aufgrund der Förderungsfähigkeit des
Schülers und den Förderungsmöglichkeiten der in ihrem Zuständigkeitsbereich
gelegenen Schulen abstrakt unter Benennung aller dem sonderpädagogischen
Förderbedarf des Schülers gerecht werdenden Schulen unabhängig von deren
augenblicklichen Aufnahmekapazitäten zu bestimmen,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. September 1995 - 19 B 2507/95 -.
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Insofern kommt es vorliegend nicht darauf an, ob an einer einzelnen Schule im
Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners die Kapazität des dort eingerichteten
Gemeinsamen Unterrichts erschöpft ist.
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Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 des
Gerichtskostengesetzes, wobei der anzusetzende Auffangstreitwert im Hinblick auf den
vorläufigen Charakter des Eilverfahrens zu halbieren ist.
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