Urteil des VG Aachen vom 09.11.2005
VG Aachen: auflage, grundstück, pflicht zur duldung, stand der technik, kanalisation, bebauungsplan, belastung, stadt, angemessene entschädigung, eigentum
Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 803/03
Datum:
09.11.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 803/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Beteiligten streiten, weil der Beklagte auf Antrag des Beigeladenen durch den mit
der Klage angefochtenen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss das im
Eigentum der Kläger stehende Grundstück Gemarkung U. G. G1. teilweise als
Retentionsfläche für ein mit dem Planfeststellungsbeschluss genehmigtes
Hochwasserrückhaltebecken in Anspruch genommen hat.
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Am 25. Januar 2001 beantragte der Beigeladene beim Beklagten, ein
Planfeststellungsverfahren gemäß § 31 WHG zum Bau von vier
Hochwasserrückhaltebecken im Einzugsbereich Oberer S. im Stadtgebiet H.
durchzuführen. Aufgrund mehrfach aufgetretener Hochwasserereignisse gerade im
Einzugsbereich des S1. , bei denen es zu nicht unerheblichen Schäden gekommen ist,
hält der Beigeladene den Bau der vier Hochwasserrückhaltebecken für notwendig, um
die Ortsteile H1. , O. und H2. der Stadt H. vor Hochwasser zu schützen. Zur Begründung
des gestellten Antrags führte er aus:
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Eine im Jahre 1990 durchgeführte modelltechnische Gewässeruntersuchung habe
ergeben, dass der Bau von vier Hochwasserrückhaltebecken erforderlich sei, um die
Ortslagen H1. , O. und H2. vor Hochwassereinwirkungen bis zum 50-jährlichen Ereignis
zu schützen. Die Längsprofile des betroffenen G2.---- grabens und des S2. wiesen
einige flache Talabschnitte auf, in denen Wasser in großen Mengen zurückgehalten
werden könne, ohne dass das Relief verändert werden müsse. Voraussetzung für die
Rückhaltung sei, dass der Abfluss aus den Talräumen durch einen Damm oder Wall
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verlängert werde. Teilweise seien bereits durch Straßen und Wege entsprechende
Wälle vorhanden. Für das Projekt nutzbare Talabschnitte befänden sich an insgesamt
vier Stellen, u.a. vor der ehemaligen Kläranlage U. - In der G3. -, wo das
Hochwasserrückhaltebecken 1 errichtet werden solle. Trotz der erforderlichen höheren
Bemessungssicherheit durch die teilweise mehrfache Rückhaltung des Wassers sei die
verteilte Anordnung der kleineren Retentionsräume die günstigste Lösung, weil kein
Einschnitt in das Gelände und keine flächige Umgestaltung der Landschaft erforderlich
sei, nur linienhaft vorhandene Verkehrswege oder -wälle bis maximal 2,5 m über
Gelände angehoben werden müssten und die Rückhalteflächen eventuell zu einem
späteren Zeitpunkt für eine ökologische Aufwertung des Talraumes genutzt werden
könnten.
Schon vor der Beantragung des Planfeststellungsverfahrens hatte anlässlich eines sog.
"Scopingtermins" am 4. Februar 2000, der zur Bestimmung des der
Umweltverträglichkeitsprüfung zu Grunde zu legenden Untersuchungsrahmens
durchgeführt worden war, der Vertreter des Beigeladenen erläutert, die Maßnahme sei
aufgrund der Überschwemmungsproblematik im Jahre 1999 notwendig geworden,
wiewohl bereits im Jahre 1970 erste Planungen erfolgt seien. Der S. sei eine reine
Abflussrinne ohne Quelle und ohne Trockenwetterabfluss. Bei einem
Hochwasserereignis flössen aus befestigten Flächen ca. 30.000 cbm und aus den
restlichen Flächen ca. 100.000 cbm zu. Dies erfordere ein zusätzliches
Rückhaltevolumen von etwa 90.000 cbm, da in T. bereits ein Rückhaltebecken mit
einem Rückhaltevolumen von rund 26.000 cbm vorhanden sei. Laut einer
Umweltverträglichkeitsstudie von Dezember 2000 befänden sich im Einzugsbereich der
geplanten Hochwassermaßnahme lediglich ländliche Ortsteile, die in einem
Mischsystem entwässert würden. Die Hochwasserrückhaltebecken würden planmäßig
etwa alle fünf Jahre einmal anstauen und einmal in 50 Jahren komplett gefüllt sein.
Dass bei derart seltenen und starken Ereignissen Abwasser aus der
Mischwasserkanalisation in ein Hochwasserrückhaltebecken überlaufen könne, könne
hingenommen werden. Denn selbst wenn im ungünstigsten Fall das gesamte
Schmutzwasser aus den Regenüberlaufbecken in den S. überlaufen würde, ergebe sich
nur ein Mischverhältnis von 1:48; damit liege die Belastung des abgeschlagenen
Mischwassers deutlich unter den zulässigen Grenzwerten für Kläranlagenabflüsse.
Durch die sehr hohen Drosselabgaben würden die Stauräume sehr schnell entleert. So
betrage die Abflussdauer beim 50-jährlichen Bemessungsereignis am
Hochwasserrückhaltebecken 1 nur fünf Stunden.
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Nachdem die Wehrbereichsverwaltung schon unter dem 31. Januar 2001 darum
gebeten hatte, den Bereich des Hochwasserrückhaltebeckens 1 von Röhrichtbewuchs
freizuhalten, um Auswirkungen auf die militärische Flugsicherheit durch Vogelschlag
auszuschließen, forderte der Beklagte mit Schreiben vom 13. Februar 2001 u.a. die
Landwirtschaftskammer Rheinland zur Stellungnahme im Planfeststellungsverfahren
auf. Sie machte mit Schreiben vom 15. März 2001 geltend: Aus den Planunterlagen
seien keine Anstrengungen des Beigeladenen ersichtlich, die durch
Hochwasserereignisse betroffenen und im Wert geminderten Flächen zu erwerben. Dies
halte man für erforderlich, jedenfalls aber die Vereinbarung eindeutiger vertraglicher
Regelungen über den Gebrauch der Grundstücke. Außerdem weise man darauf hin,
dass durch die Zuführung von Mischwasser aus der Kanalisation während der
Vegetation infolge anhaftender Krankheitserreger Aufwuchs für eine landwirtschaftliche
Verwertung ausfalle. Eine Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung werde
dagegen nicht befürwortet, da nur in 10- bis 50-jährigen Zeitabständen mit einer
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tatsächlichen Überflutung der Flächen zu rechnen sei.
Am 26. März 2001 machte der Beigeladene die Auslegung des Plans für den Zeitraum
vom 2. April 2001 bis zum 2. Mai 2001 ortsüblich bekannt. Außerdem wurden die von
der Hochwassermaßnahme betroffenen Eigentümer gesondert unter dem 2. Juli 2001
informiert, dass die Planunterlagen vom 4. Juli 2001 bis zum 3. August 2001 bei der
Stadtverwaltung H. eingesehen werden könnten.
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Die Kläger, denen es im Schwerpunkt darum geht, den Bau des
Hochwasserrückhaltebeckens 1 - In der G3. - zu verhindern, wendeten daraufhin
schriftlich ein: Im Bereich des Bebauungsplans Nr. 83 der Stadt H. sei nördlich der
Parzelle 43 ein Regenüberlaufbecken vorgesehen, das in der Einstaufläche des
geplanten Hochwasserrückhaltebeckens liege und damit unvereinbar sei. Obwohl eine
Bebauung des G. 10 Nr. 43 grundsätzlich möglich sei und das Grundstück auch noch
nie unter Wasser gestanden habe, sei es nicht in den Bebauungsplan aufgenommen
worden. Werde das Hochwasserrückhaltebecken gebaut, führe dies zu einem
erheblichen Wertverlust, weil damit endgültig ausgeschlossen sei, dass die Parzelle 43
jemals in einen Bebauungsplan aufgenommen werde.
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Der Beigeladene erwiderte den Klägern am 28. August 2001, in dem seit dem 7. Juli
2001 rechtskräftigen Bebauungsplan sei festgesetzt, dass ein naturnah angelegtes
Regenrückhaltebecken nur hergestellt werden solle, wenn die S. - rückhaltung bei
Bebauung des Plangebietes noch nicht realisiert sei.
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Im Erörterungstermin vom 14. September 2001 führte der Beklagte u.a. aus, dem
Wunsch der Landwirtschaftskammer Rheinland nach einem Erwerb jedenfalls der von
einem 10-jährlichen Ereignis betroffenen Grundstücke könne nicht nachgekommen
werden, da alle Grundstücke geteilt und neu vermessen werden müssten. Auf den von
einem 50-jährlichen Ereignis betroffenen Grundstücken sei der Einstau nur selten; auch
seien die hiervon betroffenen Flächen für einen Erwerb zu groß. Trete tatsächlich auf
den durch die Hochwasserrückhaltung im Fall eines 50- jährlichen Ereignis betroffenen
Grundstücken ein Schadensfall ein, solle im Einzelfall entschädigt werden. Die
Landwirtschaftskammer machte in diesem Zusammenhang geltend, sie sehe eine
enteignende Wirkung des Vorhabens auch für die Retentionsflächen. Über die
Entschädigung sei daher im Planfeststellungsverfahren zu entscheiden. Bedenken
würden auch hinsichtlich der Folgen des Abschlags aus der Kanalisation erhoben. Im
Mischwasser befänden sich auch kleinste Partikel, die direkt an den Pflanzen
anhafteten. Insoweit sei ein Entschädigungstatbestand erfüllt. Darauf erwiderte der
Beklagte, die vorgetragene Belastung durch Kleinstpartikel sei geringer als die
Belastung von Aufwuchs durch eine - zulässige - Klärschlammaufbringung. Schließlich
führte der Beklagte aus, die Einwendung der Kläger betreffend das Grundstück G. 10
G1. 43 sei unerheblich, weil sie nicht das Planfeststellungsverfahren betreffe, sondern
im Kern nur bemängele, dass dieses Grundstück der Kläger nicht als Bauland in einen
Bebauungsplan aufgenommen werde.
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Nach öffentlicher Bekanntmachung fand am 4. Oktober 2001 ein erneuter
Erörterungstermin statt, zu dem jedoch niemand erschien.
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Die Kläger betonten im Folgenden schriftlich nochmals, es sei zu befürchten, dass durch
die Abscheider an der Kanalisation Fäkalien auf ihre Grundstücke gelangten. Außerdem
solle in Betracht gezogen werden, das Hochwasserbecken hinter den Q. Weg in
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Richtung des Ortsteils H2. zu verlegen; dort könne ein noch größerer Retentionsraum
geschaffen werden. Da die Stadt dort über einen doppelt so großen Abscheider verfüge,
könne das Wasser dann aus beiden Abscheidern in dieses alternative Becken fließen.
Der Beklagte hielt dem entgegen, im Bereich des Hochwasserrückhaltebeckens liege
ein Regenrückhaltebecken, das die Zulaufwassermenge mit gedrosseltem Ablauf in das
Kanalnetz speichere. Ein Notüberlauf in den Vorfluter erfolge erst nach vollständiger
Füllung des Beckens. Die Schmutzfracht verbleibe größtenteils im Becken, so dass eine
grobmechanische Reinigung des Abwassers erfolge. Die Notüberlaufmenge sei so
genehmigt, dass es zu keiner schädlichen Verunreinigung komme.
In Absprache mit dem Beklagten führte der Beigeladene sodann weitere Gespräche mit
den von der Hochwassermaßnahme betroffenen Grundstückseigentümern mit dem Ziel,
Einverständniserklärungen aller Eigentümer einzuholen, deren Grundstücke als
Retentionsflächen in Anspruch genommen würden. Am 7. Oktober 2002 fand ein
Gesprächstermin mit den betroffenen Eigentümern, Vertretern des Beklagten und des
Beigeladenen, einem Vertreter der Landwirtschaftskammer I. sowie einem Vertreter des
Planungsbüros statt, in dessen Verlauf die Kläger ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des - genehmigten - Notüberlaufs wiederholten, über den am Teverener Bach bei
starkem Regen häusliche Abwässer auf ihr Grundstück gelangen. Auf den Hinweis der
Eigentümer, die als Retentionsflächen vorgesehenen Flächen verlören durch die
Verwirklichung der Planung an Wert, führte der Vertreter des Beigeladenen aus, es sei -
bezogen auf die als Retentionsfläche vorgesehene Teilfläche des Grundstücks -
beabsichtigt, für den Wertverlust eine einmalige Entschädigung in Höhe von 20 % des
Bodenrichtwertes, der zum Zeitpunkt der Anordnung des Planfeststellungsbeschlusses
gelte.
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Am 13. März 2003 erließ der Beklagte den vom Beigeladenen beantragten
Planfeststellungsbeschluss zum Bau von vier Hochwasserrückhaltebecken. Der
Planfeststellungsbeschluss enthält unter anderem eine Beschreibung des Vorhabens,
die zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen sowie
eine Auseinandersetzung mit Planungsvarianten und mit den nicht durch
Nebenbestimmungen erledigten Einwendungen öffentlicher und privater Dritter.
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Im Einzelnen lautet die Nebenbestimmung Ziffer 6.13 in Teil A (Entscheidung): "Da die
Flächen, die im Einstaubereich liegen, sich nicht im Eigentum des Maßnahmeträgers
befinden, ist die Höhe der Entschädigungsleistung zwischen dem Maßnahmeträger und
den Grundstückseigentümern in Abstimmung mit der Landwirtschaftskammer zu regeln."
Ziffer 8 Teil A enthält den Hinweis darauf, dass Einwendungen, die Entschädigungs-
oder Erstattungsansprüche (wegen beanspruchter Grundflächen, Erschwernisse,
Wertminderungen oder sonstiger Nachtteile) beträfen, nicht Gegenstand des
Planfeststellungsbeschlusses seien, soweit nicht dem Grunde nach über die
Voraussetzungen dieser Ansprüche in der Planfeststellung zu entscheiden sei. Solche
Forderungen könnten mit dem Ziel einer gütlichen Einigung zunächst an den
Beigeladenen gerichtet werden. Könne eine Einigung nicht erzielt werden, so werde
über die Forderung in einem besonderen Entschädigungsverfahren durch die
Bezirksregierung Köln entschieden. Sollten Entschädi-gungsansprüche auch in diesem
Verfahren nicht abschließend geregelt werden können, stehe den Betroffenen der
ordentliche Rechtsweg offen.
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Unter B Ziffer 5 (rechtliche Würdigung) wird ausgeführt, aufgrund der Gebiets- und
Siedlungsstruktur im Einzugsbereich des S1. sei die Notwendigkeit zum
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Hochwasserschutz gegeben. In der Vergangenheit sei es im Oberlauf mehrfach zu
Hochwasserereignissen gekommen. Um die Ortschaften H1. , O. und H2. zu schützen,
sei der Bau eines entsprechenden Rückhaltesystems erforderlich. Man habe eine Reihe
von möglichen Varianten untersucht.
Als Variante A sei die vollständige Renaturierung des gesamten Bachverlaufes
untersucht worden. Bei dieser Maßnahme könnten die Abflussspitzen jedoch lediglich
um 20% verringert werden. Das Bachtal sei relativ steil, so dass das im Vorland
gehaltene Wasser sehr schnell wieder abfließe.
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Die Variante B - Reduzierung der Zuflüsse von den Wiesen- und Ackerflächen - sei in
angemessener Zeit nicht zu realisieren, weil ohne Flurbereinigung die Flächen nicht
beschafft werden könnten.
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Variante C - Ausbau der Verrohrung O. auf HQmax und Bau eines
Hochwasserrückhaltebeckens vor H2. - könne nur durch hohe Verwallungen und tiefe
Einschnitte in das Gelände hergestellt werden. Dies sei zwar die technisch einfachste
Lösung, aber mit entscheidenden Nachteilen verbunden. Für die Herstellung sei ein
Eingriff in das Gelände erforderlich, der Beckenbereich könne daher nur wenig naturnah
hergestellt werden. Des Weiteren sei ein zusätzlicher Bachausbau in H2. und eine
Verlegung des Ölbachs erforderlich. Der notwendige Grunderwerb würde sich schwierig
gestalten. Die Vergrößerung der Verrohrung O. würde unverhältnismäßige Kosten
verursachen.
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Variante D - die letztlich ausgewählt worden sei - sehe die Errichtung von vier
Hochwasserrückhaltebecken vor. Dabei würden die Becken an bestehenden Tal-
Querungen (Straßen- und Wirtschaftswegen) angelegt, an denen bereits im nicht
ausgebauten Zustand kleinere Retentionsräume vorhanden seien. Diese Variante sei
im Vergleich zu Variante C technisch ungünstiger umzusetzen und erfordere eine
höhere Bemessungssicherheit, da ein Teil des Wassers mehrfach zurückgehalten
werden müsse. Allerdings sei für die Errichtung der Becken kein Einschnitt in das
Gelände sowie keine flächige Umgestaltung der Landschaft erforderlich. Die
Rückhalteflächen könnten für eine ökologische Aufwertung des Tal-Raumes genutzt
werden. Es müssten lediglich die linienhaft vorhandenen Verkehrswege und Wälle bis
maximal 2,5 m über Gelände angehoben werden. Aus landschaftspflegerischer Sicht sei
diese Ausbauvariante als die verträglichste anzusehen, da sich die notwendigen
Rückhalteräume an der vorhandenen Topographie orientierten. Hinsichtlich des
Einwands der Landwirtschaftskammer - es sei zu befürchten, dass durch den Einstau
von Abwässern auf Ackerflächen landwirtschaftliche Kulturen beeinträchtigt würden - sei
richtig, dass bei einem Abschlag aus der Mischwasserkanalisation die Abschlagsfracht
auf die Ackerflächen gelange. Allerdings sei die Belastung so gering, dass die
Beeinträchtigung kaum von Bedeutung sei. Auch im nicht ausgebauten Zustand komme
es im Hochwasserfall zu einer Überschwemmung der Ackerfläche und einem Einstau
mit Anhaftung auf den Pflanzen. Gleichwohl seien hierzu noch gutachterliche
Untersuchungen vorzulegen.
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Das im Bebauungsplan Nr. 83 ausgewiesene Regenrückhaltebecken sei mit dem Bau
des Hochwasserrückhaltebeckens 1 vereinbar, weil es nur angelegt werde, wenn die
Hochwasserschutzmaßnahme bei Umsetzung des Bebauungsplans noch nicht realisiert
worden sei. Soweit wegen des Hochwasserrückhaltebeckens 4 die Heranziehung der in
der Flurbereinigung der Stadt H. zugewiesenen Flächen gefordert worden sei, habe der
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Beigeladene dargelegt, dass die Parzelle als Standort nicht in Betracht komme, da ein
ausreichend dimensioniertes Becken an dieser Stelle einen wesentlich
einschneidenderen Eingriffs in die Umwelt erfordere. Im Übrigen sei die Zuweisung der
Flächen in der Flurbereinigung zeitlich vor den nunmehr vorgenommenen Planung
erfolgt. Soweit Einwender wegen der befürchteten wirtschaftlichen Beeinträchtigungen
die Festlegung einer Entschädigung im Planfeststellungsbeschluss begehrten,
beabsichtige der Antragsteller, entsprechende Entschädigungsregelungen mit den
betroffenen Grundstückseigentümern zu vereinbaren, die auf der Grundlage der
Richtsätze der Landwirtschaftskammer ausgearbeitet würden. Die Festlegung der
Entschädigungsregelung sei jedoch nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens.
Im Übrigen werde auf die Nebenbestimmung 6.13 hingewiesen. Dass das Grundstück
G. 10 Nr. 43 nicht in den Bebauungsplan Nr. 83 aufgenommen worden sei, müsse im
Planfeststellungsverfahren unberücksichtigt bleiben. Was die Forderung angehe, der
Beigeladene möge für das Hochwasserrückhaltebecken 1 eigene Flächen hinter der
Kläranlage verwenden, habe die Modelluntersuchung von 1990 ergeben, dass der
Hochwasserschutz in dem betroffenen Gebiet nur dann ausreichend gewährleistet sei,
wenn die Becken an den jeweils dafür vorgesehenen Standorten errichtet würden.
Soweit Einwender vorgetragen hätten, sie befürchteten Beeinträchtigungen
landwirtschaftlicher Kulturen durch das Mischwasser aus dem Abschlag der
Kanalisation, sei bereits zuvor (Ziffer 5.3.3) ausgeführt worden, dass die Belastung als
sehr gering einzustufen sei. Zudem komme es auch in dem nicht ausgebauten Zustand
im Hochwasserfall zu Überschwemmungen der Ackerflächen, bei denen Mischwasser
aus der Kanalisation auf die Fläche gelange.
Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sei der Bau der geplanten
Hochwasserrückhaltebecken unter Berücksichtigung und Abwägung der
unterschiedlichen Interessen, Belange und Planungsvorgaben aus Gründen des
Gemeinwohls die verträglichste Lösung, die Hochwassergefahr in den betroffenen
Ortsteilen wirksam zu bannen. Der Plan entspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
und sei den untersuchten Alternativen vorzuziehen; insbesondere sei eine Nullvariante
mit Blick auf das hohe Schadenspotential nicht in Betracht zu ziehen. Auch eine in der
Dammhöhe niedrigere Variante bleibe außer Betracht, weil sie nicht den für ein 50-
jährliches Ereignis notwendigen Stauraum schaffe. Für den angestrebten Schutzzweck
bedürfe es dann eines in das Gelände eingegrabenen Beckens mit den entsprechend
größeren Eingriffen in das vorhandene Bodengefüge und die bestehenden
Vegetationsstrukturen.
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Am 15. April 2003 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie geltend machen: Der
Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Sie seien
in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer des Grundstücks Gemarkung U. G. 10 G1.
43 in H. -U. . Das Grundstück liege nördlich der U1.-----straße und westlich des U.
Baches, der die östliche Grundstücksgrenze bilde. Damit liege es im Bereich des
geplanten Hochwasser-rückhaltebeckens 1. In Nachbarschaft dazu werde derzeit ein
Regenrückhaltebecken errichtet, das im Rahmen des Bebauungsplans Nr. 83
vorgesehen sei. Dadurch habe das Hochwasserrückhaltebecken 1 seinen Sinn
verloren; die kumulative Errichtung beider Maßnahmen sei nicht erforderlich. Damit
übereinstimmend habe im Erörterungstermin auch der Beklagte erklärt, nur eine der
beiden Wasser- rückhaltemaßnahmen sei erforderlich. Die anders lautende Feststellung
im Plan- feststellungsbeschluss sei unverhältnismäßig. Außerdem befinde sich
unmittelbar am Grundstück der Kläger der Überlauf der Kanalisation. Aus diesem
Überlauf solle bei einer Hochwassersituation das von der Kanalisation nicht mehr
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aufzunehmende Mischwasser im Graben bis zur Kläranlage abfließen und dort gereinigt
werden. Dieser geordnete Ablauf werde durch die Hochwasserrückhaltebecken gestört,
weil sie auch in die Kanalisation eingriffen,. Es sei damit zu rechnen, dass im Falle
eines Überlaufs bei Hochwasser die ungelösten Schmutzpartikel und Fäkalien auf den
vorgesehenen Überflutungsflächen verteilt würden. Das Grundstück der Kläger sei
daher in erheblichem Maß betroffen. Auch dies stelle eine unverhältnismäßige
Belastung dar, weshalb sie damit verbundene Entwertung ihres Grundstücks nicht
hinzunehmen hätten. Das Hochwasserrückhaltebecken 1 sei zudem ursprünglich weiter
in Richtung H2. (Q. Weg) geplant gewesen. Dagegen habe sich die Bundeswehr
gewandt, weil die dort nistenden Wasservögel eine Gefahr für den Flugverkehr
dargestellt hätten. Dies habe dann wohl zur Verlegung des Standorts an die jetzt
geplante Stelle geführt. Dort sei aber in gleichem Maße eine Gefährdung des
Flugverkehrs zu befürchten, und zwar insbesondere dann, wenn die Start- und
Landebahn nicht nach Westen, sondern nach Osten in Richtung des
Hochwasserrückhaltebeckens 1 verlängert werden sollte.
Die Kläger beantragen, den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. März
2003 aufzuheben,
24
hilfsweise
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den Planfeststellungsbeschluss dahin gehend zu ergänzen, dass eine Alternativlösung
gefunden wird, durch die das Grundstück der Kläger nicht beeinträchtigt wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das klägerische Grundstück G. 10 G1. 43 liege in der Einstaufläche für ein 50-jährliches
Hochwasserereignis. Es treffe zu, dass in diesem Bereich im Rahmen des
Bebauungsplans Nr. 83 ein Regenrückhaltebecken vorgesehen sei, das derzeit auch
errichtet werde. Die Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens 1 sei dennoch als
Bestandteil des kompletten Rückhaltesystems S. zum Hochwasserschutz des
betroffenen Bereiches weiter zwingend erforderlich. Die Entwässerung des Baugebiets
habe ursprünglich über das Hochwasserrückhaltebecken erfolgen sollen. Das
Regenrückhaltebecken sei lediglich für den Fall vorgesehen gewesen, dass bei
Umsetzung des Bebauungsplans die im Plan festgestellte
Hochwasserschutzmaßnahme noch nicht realisiert worden sei. Was die Belastung
durch Mischwasserabschläge angehe, so lägen im Bereich des
Hochwasserrückhaltebeckens 1 die Regenüberlaufbecken U1.- ----straße und U. -Nord.
Dabei handele es sich um Becken zur Speicherung der Zulaufwassermenge mit
gedrosseltem Ablauf in das Kanalnetz. Bei Regenwasserzuflüssen in das städtische
Kanalnetz könne es dazu kommen, dass die Leistungsfähigkeit der Kanalleitung und
des Speicherraumes überschritten werde. Es komme dann zu einem Abschlag von
Mischwasser in den S. . Dieser Zustand sei notwendig und entspreche dem Stand der
Technik. Aufgrund der hohen weitergeleiteten Drosselwassermengen komme es selten -
bei starken Regenereignissen - zu einem Abschlag in den S. . Die
Hochwasserrückhaltebecken griffen nicht in die bestehende Kanalisation ein. Die
Wässer würden über den Vorfluter abgeführt. Zutreffend sei, dass bei einem Abschlag
die Abschlagsfracht auf die umliegenden Grundstücke gelangen könne. Die Belastung
sei jedoch als gering anzusehen. Zudem komme es auch im jetzigen Zustand zu einer
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Überstauung auf den vorgenannten Flächen. Es komme auch nicht zu einer Entwertung
des Grundstücks. Der Beigeladene als Maßnahmenträger beabsichtige, entsprechende
Vereinbarungen mit den Eigentümern zu treffen, um eine Nutzung der Grundstücke als
Retentionsflächen zu ermöglichen. Es seien Preisvorstellungen genannt und Angebote
gemacht worden, die auch von der Landwirtschaftkammer als angemessen angesehen
worden seien. Im Falle eines Einstaus würden die Kläger entsprechend entschädigt
werden, so dass keine finanziellen Nachteile zu erwarten seien. Laut Schreiben des
Planungsbüros vom 17. September 2002 müsse das Regenrückhaltebecken ein
Volumen von mindestens 286 cbm aufweisen, wenn durch das Baugebiet keine
Verschärfung der Abflusssituation im Vorfluter S. entstehen und die zusätzliche
Abflussmenge beim 50-jährlichen Ereignis aufgenommen werden solle. Das
Rückhaltebecken werde auf der Parzelle 168 unterhalb der Parzelle 43 am linken
Bachufer angelegt. Es entstehe durch teilweises Eingraben ins Gelände und einen
Rundwall, der neben dem Wirtschaftsweg liege. Der Nutzraum, der zwischen den NN-
Höhen 84,25 m und 85,00 m liege, betrage 360 cbm. Über diesem Nutzraum sei ein
weiterer rund 175 cbm großer Reserveraum vorhanden, bevor das Becken bei einem
Niveau von 85,3 m in der Nordecke überlaufen würde. Der Ablauf werde durch eine
Rohrdrossel so begrenzt, dass beim 50-jährlichen Ereignis nicht mehr Wasser im Bach
abfließe als bisher. Das Grundstück G. 10 G1. 43 liege oberhalb der Einleitungsstelle.
Da sich die Wassermenge beim Bemessungsereignis des S1. nicht erhöhe, könne für
die Parzelle 43 eine Verschlechterung nicht eintreten. Eher - so das Planungsbüro in
einer aktuellen Stellungnahme - sei eine marginale Verbesserung der Einstausituation
zu erwarten.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung vom 9. November 2005 verwiesen.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und
Planunterlagen des Beklagten Bezug genommen.
32
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
33
Die Klage ist zulässig.
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Die Kläger sind im Sinne des § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
klagebefugt. Als die Eigentümer eines im Retentionsraum des geplanten
Hochwasserrückhaltebeckens 1 gelegenen Grundstücks können sie geltend machen,
durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss möglicherweise in ihrem
Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt zu sein. Denn dafür
reicht aus, dass nach dem Vortrag der Kläger jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass
sie durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss - als so genannte schlichte
Rechtsbetroffene - jedenfalls in ihrem Anspruch auf die gerechte Abwägung ihrer
eigenen Belange im Rahmen der Planfeststellungsentscheidung und in der Folge
davon in ihrem grundrechtlich geschützten Eigentum rechtswidrig betroffen sind. Die
schlüssige Darlegung eines schwerwiegenderen Eigentumseingriffs wie etwa die
Behauptung, ihr Grundstück solle unmittelbar für den geplanten Deichausbau in
Anspruch genommen werden, oder die Behauptung, sie würden zwar nur mittelbar
durch die Auferlegung einer Pflicht zur Duldung des Hochwasserrückhaltebeckens
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betroffen, darin liege aber dennoch ein schwerer und unerträglicher Eingriff in ihr
Eigentum, der ein enteignungsgleiches Ausmaß erreiche, ist demgegenüber für die
Bejahung der Klagebefugnis nicht erforderlich.
Vgl. m.w.N. Zeitler in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 231, 233,
265ff. zu § 31 WHG, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, Rdnr. 80 zu § 74 VwVfG.
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Ebenso wenig steht der Zulässigkeit der Klage das Fehlen eines Vorverfahrens
entgegen. Die Durchführung eines Vorverfahrens nach §§ 68ff. VwGO war vorliegend
nämlich entbehrlich, vgl. §§ 74 Abs. 1, 70 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das
Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW).
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Die Klage ist allerdings mit Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.
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Die Kläger haben nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des
Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. März 2003 keinen Anspruch auf
dessen mit dem Hauptantrag begehrte Aufhebung, weil der Planfeststellungsbeschluss
rechtmäßig ist und sie nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO. Ebenso
wenig können sie - bezogen auf die insoweit maßgebliche Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - mit Erfolg einen Anspruch auf die hilfsweise
begehrte Planergänzung geltend machen, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO.
39
Vgl. zu der jeweiligen Klageart: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 22.
Juni 1979 - 4 C 8/76 - BVerwGE 58, 154-; Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, Rdnr. 45
zu § 42 VwGO, Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, Rdnr. 32 zu § 42 VwGO.
40
Die gerichtliche Überprüfung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ist auf
eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Demgegenüber entziehen sich
Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte als Ausdruck des umfassenden, wenn auch nicht
schrankenlosen planerischen Gestaltungsspielraums der Behörde - insoweit ähnlich der
Überprüfung von Verwaltungsakten, die im freien Ermessen der Behörde stehen -
grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung. Daraus folgt, dass die Wahl, welche der
abwägungsfehlerfei möglichen Planvarianten letztlich umgesetzt werden soll, originär
und abschließend der Planfeststellungsbehörde obliegt.
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Die für die Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichts maßgeblichen rechtlichen Bindungen
der Planfeststellungsbehörde ergeben sich in formeller Hinsicht aus dem für die
Planung vorgeschriebenen Verwaltungsverfahren nach den Vorschriften der §§ 72 ff.
VwVfG NRW. In materieller Hinsicht folgen Planungsschranken vor allem aus der
behördeninternen Bindung an vorrangige Planungsentscheidungen, aus dem
Erfordernis der Planrechtfertigung, aus zwingenden materiellen Rechtssätzen und aus
den Anforderungen des Abwägungsgebotes, das sich sowohl auf das
Abwägungsergebnis als auch auf den Abwägungsvorgang erstreckt, bei dem die
maßgeblichen öffentlichen und privaten Belange ins Verhältnis gesetzt werden und eine
Entscheidung darüber getroffen wird, welche Belange bevorzugt werden und welche
zurücktreten.
42
So schon: BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 - 4 C 21/74 - BVerwGE 48, 56; Urteil
vom 22. Juni 1979 - 4 C 8/76 - BVerwGE 58, 154, Knack, VwVfG, 8. Auflage 2004, Rdnr.
76ff. zu 74 VwVfG, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, Rdnr. 20a zu § 74 VwVfG;
Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, Rdnr. 91 zu § 42 VwGO und Rdnr. 35 zu §
43
114 VwGO; Zeitler in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 205 zu §
31 WHG.
Davon ausgehend können die Kläger die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses
nicht bereits aufgrund von Verfahrensfehlern begehren. Formelle Fehler führen
grundsätzlich nur dann zur Aufhebung des Beschlusses, wenn der verletzten
Verfahrensvorschrift drittschützender Charakter zukommt
44
- vgl. m.w.N: Obermayer, VwVfG, 3. Auflage 1999, Rdnr. 187 zu § 73 VwVfG -
45
und - insoweit abweichend vom Wortlaut des § 46 VwVfG - die konkrete Möglichkeit
besteht, dass die Entscheidung bei Vermeidung des Fehlers anders ausgefallen wäre.
46
Vgl. m.w.N.: BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1996 - 4 A 27/95 - NVwZ 1996, 270ff.;
Knack, VwVfG, 8. Auflage 2004, Rdnr. 120 zu § 73 VwVfG; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9.
Auflage 2005, Rdnr. 114 zu § 73 VwVfG; Obermayer, VwVfG. 3 Auflage 1999, Rdnr. 189
zu § 73 VwVfG.
47
Jedenfalls an Letzterem fehlt es. Beteiligen sich die Betroffenen nämlich - wie hier -
tatsächlich am Anhörungsverfahren und machen sie dabei alle Gesichtspunkte geltend,
die nach Lage der Dinge in Betracht kommen, so führt das zur Heilung, sofern
auszuschließen ist, dass sie weitere Mängel gerügt oder vorgebrachte Rügen mit
besserer Erfolgsaussicht gerügt hätten, wenn das Verfahrensrecht eingehalten worden
wäre. Nur wenn Betroffene durch Mängel etwa der Auslegung gehindert waren,
ausreichend Einsicht in den Plan zu nehmen, und wenn diese Mängel trotz einer
entsprechenden Rüge nicht behoben wurden und deshalb kausal dafür geworden sein
können, dass die Betroffenen wegen unzulänglicher Kenntnis des Plans keine
entsprechenden Einwände erhoben haben bzw. die Erörterung bestimmter Fragen im
Erörterungstermin nicht erreichen konnten, können diese Mängel im Klageverfahren
überhaupt noch geltend gemacht werden. Insoweit müssen im Rechtsbehelfsverfahren
Gesichtspunkte benannt werden, die bei ordnungsgemäßer Durchführung des
Verfahrens vorgetragen worden wären und die, weil sie nicht vorgetragen wurden, von
der Behörde im Planfeststellungsverfahren nicht oder nicht mit dem ihnen für die
Entscheidung zukommenden Gewicht gewürdigt wurden.
48
Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, Rdnr. 115 zu § 74 VwVfG.
49
Die Kläger haben das Vorliegen derartiger Gesichtspunkte nicht geltend gemacht.
50
Der Planfeststellungsbeschluss ist auch in materieller Hinsicht nicht zu bemängeln. Er
widerspricht - bezogen auf den Zeitpunkt seines Erlasses - weder zwingenden
rechtlichen Vorgaben noch liegen erhebliche Abwägungsmängel vor.
51
Allerdings prüft das Gericht Abwägungsvorgang und -ergebnis nur auf solche Fehler,
die im Rahmen der Gewichtung eigener Belange der Kläger relevant werden. Nur
insoweit können die Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend machen. Eine -
durch das Kausalitätserfordernis zwischen Fehler und konkreter Entscheidung stark
eingeschränkte - objektive Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses unter jedem
denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt nach Art einer mittelbaren Subjektivierung auch
rein öffentlicher Belange über das Eigentumsrecht des Art. 14 GG kommt nur bei
enteignender oder enteignungsgleicher Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses
52
in Betracht.
Vgl. Knack, VwVfG, 8. Auflage 2004, Rdnr. 61 zu 74 VwVfG; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9.
Auflage 2005, Rdnr. 85 zu § 74 VwVfG; Obermayer, VwVfG, 3. Auflage 1999, Rdnr. 223
zu § 74 VwVfG; Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, Rdnr. 18 zu § 113 VwGO;
Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, Rdnr. 112 zu § 42 VwGO; Zeitler in Sieder-
Zeitler-Dahme, WHG, Rdnr. 276, 277 zu § 31 WHG.
53
Indessen belastet die geplante Maßnahme das Eigentum der Kläger nicht in einer - hier
allein in Betracht kommenden - enteignungsgleichen Weise. Die konkret zu
erwartenden tatsächlichen Auswirkungen auf das Grundstück erreichen kein schweres
und unerträgliches, das Eigentum gleichsam aushöhlendes Ausmaß. Das im
Außenbereich gelegene und landwirtschaftlich genutzte Grundstück der Kläger liegt am
äußersten Ende des Einwirkungsbereichs des Hochwasserrückhaltebeckens 1. Es wird
maximal zu etwa einem Drittel seiner Gesamtfläche als Retentionsraum in Anspruch
genommen, und dies auch nur bei einem 50-jährlichen Ereignis, d.h. der als
Retentionsfläche ausgewiesene Grundstücksteil wird statistisch nur einmal in 50 Jahren
überhaupt von einer Überschwemmung betroffen sein. Das Hochwasser fließt für diesen
Fall zudem innerhalb von nur fünf Stunden ab. Eine unerträgliche Beeinträchtigung des
Grundstücks - etwa bei seiner weiteren landwirtschaftlichen Nutzung oder auch
hinsichtlich seines Wertes - ist angesichts dieser zeitlich und flächenmäßig ersichtlich
untergeordneten Dimension nicht zu erkennen. Auch der Umstand, dass bei diesen
Ereignissen Mischwasser aus der Kanalisation auf den betroffenen Grundstücksteil
gelangen kann, vermag diese Beurteilung nicht zu erschüttern, und zwar nicht nur
wegen der geringen Frequenz solcher Ereignisse, sondern auch wegen des geringen
Belastungsgrades des Mischwassers selbst in dem - ungünstigsten - Fall, dass das
gesamte Schmutzwasser in den S. abgeschlagen werden muss.
54
Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich nach alledem darauf, ob Belange der Kläger
bei der Planfeststellung gewahrt wurden bzw. abwägungsfehlerfrei überwunden werden
konnten. Weitergehenden Rügen, die sich mit der Würdigung öffentlicher Belange - wie
hier die vorgebrachten Belange der militärischen Flugsicherheit - befassen, muss
dagegen nicht nachgegangen werden. Gesichtspunkte, die ausschließlich zugunsten
anderer Betroffener sprechen, sind sogar dann unerheblich, wenn eine aus deren
fehlerhafter Gewichtung ggf. resultierende Aufhebung des Beschlusses faktisch auch
den Klägern zu Gute kommen würde.
55
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, Rdnr. 92 zu § 42 VwGO.
56
Dem Abwägungsgebot wurde dann ausreichend Rechnung getragen, wenn überhaupt
eine Abwägung stattgefunden hat, die entsprechenden entscheidungserheblichen
Belange eingestellt und nicht in ihrer objektiven Bedeutung verkannt wurden und der
Ausgleich der betroffenen Belange mit anderen Belangen in einer Weise vorgenommen
wurde, die nicht außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit steht.
57
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1996 - 4 A 27/95 - NVwZ 1996, 1011ff.;
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, Rdnr. 51ff. zu § 74 VwVfG; Kopp/Schenke,
VwGO, 14. Auflage 2005, Rdnr. 91 zu § 42 VwGO und Rdnr. 35 zu 114 VwGO.
58
Im Ergebnis darf der Inhalt des Plans dem objektiven Gewicht des betroffenen Belangs
auch unter Einbeziehung aller sich ernsthaft anbietenden Planungsalternativen nicht
59
widersprechen. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht
verletzt, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in der Kollision zwischen
verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise
für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Bewertung der
privaten und öffentlichen Belange und ihrer Gewichtung im Verhältnis untereinander
macht das Wesen der Planung als einer im Kern politischen und als solcher nur auf die
Einhaltung des rechtlichen Rahmens gerichtlich überprüfbaren Entscheidung aus.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1996 - 4 A 27/95 - NVwZ 1996, 1011ff. und vom 21.
März 1996 - 4 C 19/94 - BVerwGE 100, 370ff.
60
Nach § 75a VwVfG NRW sind Mängel bei der Abwägung schließlich nur dann
erheblich, wenn sie offensichtlich sind und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss
waren. Erhebliche Abwägungsmängel führen nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW im
Übrigen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht
durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können.
61
Vgl. hierzu etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, Rdnr. 14ff. zu § 75 VwVfG.
62
Die hieran und am Maßstab der §§ 31 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), 107 und
100 des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (WassG NRW) zu
messende Planungsentscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
63
Die Planungsbefugnis folgt aus § 31 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 WHG. Danach bedürfen
die dem Gewässerausbau nach § 31 Abs. 2 Satz 1 gleichgestellten Deich- und
Dammbauten, die - wie hier - den Hochwasserabfluss beeinflussen, der Planfeststellung
durch die zuständige Behörde. Aus der Planungsbefugnis folgt zugleich auch das
Planungsermessen des Beklagten.
64
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 - 4 C 21/74 -, BVerwGE 48, 56; Zeitler in
Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 201 zu § 31 WHG.
65
Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen zwingendes Recht oder sonstige
zwingende Vorgaben.
66
Insbesondere waren bindende vorrangige Planungsentscheidungen nicht zu beachten.
Dies gilt auch, soweit der Stadt H. in dem im Jahre 2000 abgeschlossenen
Flurbereinigungsverfahren das auf der anderen Seite der Verbindungsstraße H1. /T.
gegenüber dem Hochwasserrückhaltebecken 4 gelegene Grundstück Gemarkung U. G.
5 Nr. 57 zugewiesen wurde und auch Überlegungen für den Bau eines
Regenrückhaltebeckens auf diesem Grundstück angestellt, aber nicht verwirklicht
wurden. Denn die insoweit von Amts wegen erfolgte Sachverhaltsaufklärung hat
ergeben, dass keine Rechtsverpflichtung der Teilnehmer an der Flurbereinigung
bestand oder besteht, aus Anlass der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes
gerade in dem in Frage kommenden Bereich ein Regenrückhaltebecken zu errichten.
Die zuständige Flurbereinigungsbehörde hat zweifelsfrei dargelegt, dass sie zu keiner
Zeit eine entsprechende Anordnung getroffen hat.
67
Für das Eingreifen zwingender Versagungsgründe bestehen ebenfalls keine
Anhaltspunkte. Insbesondere war der Planfeststellungsbeschluss nicht deshalb nach §
31 Abs. 5 Satz 3 WHG, § 100 Abs. 2 WassG NRW zu versagen, weil von dem Ausbau
68
eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und
dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr oder eine Zerstörung
natürlicher Rückhalteflächen zu erwarten wäre bzw. von dem Ausbau eine
Beeinträchtigung überwiegender Belange des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten
wäre, die nicht verhütet oder ausgeglichen werden könnte. Ziel der festgestellten -
gemeinnützigen - Maßnahme ist im Gegenteil die Verringerung der
Hochwassergefährdung der gefährdeten Ortsteile der Stadt H. . Dass natürliche
Rückhalteflächen verloren gingen oder die Maßnahme nicht den allgemein anerkannten
Regeln der Technik, vgl. § 100 Abs. 1 WassG NRW, entsprechen würde, drängt sich
nicht auf.
Auch die für jede Planfeststellung erforderliche - der vollen gerichtlichen Überprüfung
unterliegende - Planrechtfertigung ist gegeben. Allerdings trägt - worauf der
Planfeststellungsbeschluss zu Recht hinweist - auch eine hoheitliche und
gemeinnützige Planung ihre Rechtfertigung nicht schon in sich selbst. Sie ergibt sich
auch nicht allein aus der Planungsbefugnis als solcher. Die Planfeststellung ist dann
gerechtfertigt, wenn die Maßnahme nach Maßgabe der wasserrechtlichen Ziele objektiv
erforderlich ist. Erforderlich in diesem Sinne ist eine Maßnahme allerdings nicht erst
dann, wenn sie unabweislich ist, sondern schon dann, wenn sie gemessen an den
fachplanerischen Zielen des Wasserrechts objektiv und vernünftigerweise geboten ist.
69
Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 - 4 C 59/82 - BVerwGE 72, 282ff; Zeiler in
Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 212 zu § 31 WHG.
70
Der Beigeladene hat sich aufgrund mehrfach aufgetretener Hochwasserereignisse
gerade im Bereich des Einflussbereichs des S1. , bei denen es zu nicht unerheblichen
Schäden gekommen ist, zur Errichtung einer Hochwasserschutzmaßnahme veranlasst
gesehen. Insoweit fehlt es auch in tatsächlicher und prognos-tischer Hinsicht nicht an
einem hinreichenden Bedarf für die Durchführung der Maßnahme. Die Rechts- und
Wirtschaftsgüter, die in den Genuss der Schutzwirkung der Maßnahme kommen, stellen
sich nicht als derart untergeordnet dar, dass sie - zur Häufigkeit der
Hochwasserereignisse ins Verhältnis gesetzt - zu vernachlässigen gewesen wären.
71
Auch der Abwägungsvorgang weist keine offensichtlichen Fehler auf, die auf das
Ergebnis von Einfluss gewesen wären. Im Planfeststellungsbeschluss entscheidet die
Behörde gem. § 74 Abs. 2 VwVfG NRW über die Einwendungen, über die bei der
Erörterung vor der Anhörungsbehörde keine Einigung erzielt worden ist. Sie hat dem
Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen
aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger
Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Sind solche Vorkehrungen oder
Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so hat der Betroffene Anspruch
auf angemessene Entschädigung in Geld. Nach § 31 Abs. 5 Satz 2 WHG sind in dem
Verfahren Art und Ausmaß der Ausbaumaßnahme sowie die Einrichtungen, die im
öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte andere
erforderlich sind, festzustellen; auch ist der Ausgleich von Schäden anzuordnen. Davon
ausgehend kann ein Abwägungsausfall hier unproblematisch verneint werden.
72
Auch ein offensichtlicher Abwägungsfehler lässt sich in Bezug auf die von den Klägern
angeführten Belange nicht feststellen. Der Beklagte hat dargelegt, auf welche
Materialen er bei seiner Abwägung zurückgegriffen hat. Dass er - darauf aufbauend -
anerkennenswerte Belange der Kläger fehlerhaft gewichtet und dadurch die Grenzen
73
seines Ermessens überschritten hätte, ist schon nicht ersichtlich, geschweige denn
offensichtlich.
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Beklagte sämtliche Einwendungen der
Kläger im Planfeststellungsbeschluss behandelt und in die Abwägung mit eingestellt
hat. Die Kläger haben im Einzelnen eingewendet,
74
das geplante Vorhaben stehe nicht im Einklang mit dem im Bebauungsplan Nr. 83 der
Stadt H. ausgewiesenen Regenrückhaltebecken oberhalb ihres eigenen Grundstücks;
75
ihr Grundstück werde unzumutbar beeinträchtigt, weil im Hochwasserfall verunreinigtes
Mischwasser aus der Kanalisation auf das Grundstück geschwemmt werde;
76
die alternative Errichtung eines Rückhaltebeckens auf dem in Richtung O. und Q. Weg
gelegenen Gelände im Besitz der Stadt H. sei sinnvoller.
77
Außerdem haben sie erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen,
78
der Inanspruchnahme ihres Grundstücks als Retentionsfläche hätte es nicht bedurft,
wenn im Rahmen des Bebauungsplans Nr. 93 ("Hinter den Höfen") ein
Regenrückhaltebecken ausgewiesen worden wäre.
79
Dass der Beklagte sich mit einer dieser Einwendungen - abgesehen von dem in der
mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragenen Einwand - nicht auseinander gesetzt
hätte, sagen die Kläger selbst nicht. Vielmehr bemängeln sie - nur -, dass der Beklagte
im Rahmen der Abwägung ihre Einwendungen zurückgewiesen hat und dem Interesse
an der Durchführung der geplanten Hochwassermaßnahme Vorrang eingeräumt hat.
Indessen geht auch dieser Einwand fehl, weil die Abwägungsentscheidung des
Beklagten aus den nachfolgenden Erwägungen ersichtlich nicht auf einem nicht mehr
vertretbaren Verkennen des objektiven Gewichts der klägerischen Belange beruht.
80
Soweit die Kläger sich - allerdings nicht mehr im Klageverfahren - darauf berufen haben,
dass das Grundstück infolge der Maßnahme endgültig nicht zum Bauland aufgewertet
werden könne, fehlt es bereits an einem schützenswerten Interesse. Die bloße
Hoffnung, ein Außenbereichsgrundstück werde irgendwann zum Bauland aufgewertet,
kann abwägungsfehlerfrei vernachlässigt werden. Sie ist auch nicht Bestandteil der
Eigentumsgewährleistungen.
81
Auch durfte das Interesse der Kläger, von jeglicher Kontamination mit Mischwasser -
auch im Extremfall eines 50-jährlichen Hochwassers - bewahrt zu werden,
abwägungsfehlerfrei dem öffentlichen Interesse an der Umsetzung der
Hochwassermaßnahme hintangestellt werden. Den Klägern kann selbst mit Blick auf
den planfeststellungsrechtlichen Grundsatz der umfassenden Problem- und
Konfliktbewältigung
82
vgl. etwa Zeitler in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 199 zu § 31
WHG,
83
angesonnen werden, diese Folgewirkungen hinzunehmen. Zu Recht hat der Beklagte
dieser Einwendung im Rahmen der Abwägung entgegengehalten, dass der
Maßnahmeträger für zu erwartende Wertverluste im Einstaubereich generell die
84
Zahlung einer Entschädigung beabsichtige. Zu einem weitergehenden Ausgleich der
den Klägern durch den Planfeststellungsbeschluss auferlegten Lasten war der Beklagte
nicht verpflichtet.
Bei dieser Wertung geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte im
Planfeststellungsbeschluss eine Entschädigung der Kläger dem Grunde nach festgelegt
hat. Dies ergibt sich im Rückschluss aus der Nebenbestimmung 6.13, wonach (nur) die
Höhe der Entschädigungsregelung noch zwischen dem Maßnahmeträger und den
Grundstückseigentümern der Retentionsflächen in Abstimmung mit der
Landwirtschaftskammer zu regeln und nicht Gegenstand des
Planfeststellungsbeschlusses ist. Die Richtigkeit dieser Auslegung des
Planfeststellungsbeschlusses hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen
Verhandlung auf Nachfrage bestätigt. Die damit alleine noch offene Regelung der Höhe
der Entschädigung im Schadensfall macht die Abwägungs-entscheidung und das
Abwägungsergebnis des Beklagten nicht angreifbar. Denn die Regelung der Höhe der
Entschädigung ist selbst in den Fällen nicht zwingend Gegenstand des
Planfeststellungsbeschlusses, in denen mittelbar - über das Maß des billigerweise ohne
Ausgleich Zumutbaren - Betroffene Anspruch auf eine Entschädigungsregelung haben -
vgl. § 31 Abs. 5 Satz 2 WHG, § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG NRW -, weil physisch-
reale Schutz- oder Ausgleichsauflagen untunlich oder unverhältnismäßig gewesen
wären.
85
Zeitler in: Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 310 zu § 31 WHG
sowie zum Surrogatcharakter der Entschädigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG:
BVerwG , Urteile vom 14. Mai 1992 - 4 C 9/89 - NVwZ 1993, 477ff. und vom 24. Mai
1996 - 4 A 39/95, NJW 1997, 142ff. -
86
Da eine Entschädigungsregelung dem Grunde nach Gegenstand des
Planfeststellungsbeschlusses geworden ist, bedarf die Frage, ob die Kläger dieserart
qualifiziert betroffen sind, keiner abschließenden Entscheidung. Auch hier gilt jedoch,
dass nicht jede Wertminderung infolge mittelbarer Beeinträchtigungen unterhalb der
Enteignungsschwelle bzw. unterhalb der Schwelle vor Maßnahmen mit
enteignungsgleicher Wirkung die Pflicht zum tatsächlichen oder finanziellen Ausgleich
begründet, sondern eben nur solche Beeinträchtigungen, die das Maß des billigerweise
nicht mehr ohne Ausgleich Zumutbaren erreichen.
87
Vgl. hierzu schon BVerwG, Urteil vom 9. März 1979 - 4 C 41/75, BVerwGE 57, 297ff;
auch: BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1992 - 4 C 9/89 - NVwZ 1992, 477ff. und m.w.N.
Zeitler in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 288 zu § 31 WHG,
Knack, VwVfG, 8. Auflage 2004, Rdnr. 46 zu § 75 VwVfG.
88
Dass vorliegend die von den Klägern vorgetragenen Beeinträchtigungen ihres
Grundstücks durch Kontamination mit Mischwasser aus der öffentlichen Kanalisation im
seltenen Fall eines 50-jährlichen Hochwassers das Maß des billigerweise nicht mehr
ohne Ausgleich Zumutbaren erreicht, sieht die Kammer angesichts der oben
geschilderten Grundstückssituation nicht. Im Übrigen hat der Beigeladene in der
mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass ein infolge einer
Überschwemmung eintretender weiterer wirtschaftlicher Schaden - etwa an
landwirtschaftlichen Kulturen - von ihm ohnehin ersetzt werden müsse.
89
Auch die vorgenommene Gewichtung des Umstandes, dass im Bebauungsplan Nr. 83
90
ein - im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch im
Planungsstadium befindliches - Regenrückhaltebecken ausgewiesen war, ist nicht zu
beanstanden. Ausweislich des Bebauungsplans sollte dieses Becken nur für den Fall
errichtet werden, dass die Hochwasserschutzmaßnahme bei Umsetzung des
Bebauungsplans noch nicht errichtet sein würde. Darauf durfte der Beklagte im Rahmen
der Abwägungsentscheidung auch abwägungsfehlerfrei verweisen. Entwicklungen, die
sich erst für die Zukunft abzeichnen, müssen nur dann umfassend einbezogen werden,
soweit sie mit hinreichender Gewissheit oder doch hoher Wahrscheinlichkeit zu
erwarten waren.
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, Rdnr. 63 zu § 73 VwVfG.
91
Dass die beiden Maßnahmen tatsächlich "kollidieren" würden, war im Zeitpunkt des
Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch ungewiss.
92
Die Kläger dringen wegen der eingetretenen Sachverhaltsänderung - bezogen auf den
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - auch nicht mit dem Hilfsantrag in der Weise
durch, dass sie eine Abänderung oder Ergänzung des Plans derart verlangen könnten,
dass vom Bau jedenfalls des Hochwasserrückhaltebeckens 1 abgesehen wird. Sie sind
durch die simultane Verwirklichung beider Maßnahmen nicht nachteilig in ihren Rechten
betroffen. Ausweislich der Mitteilung des Planungsbüros vom 17. September 2002
verschlechtert sich die Situation des klägerischen Grundstücks schon deshalb nicht,
weil die Einleitungsstelle des Regenrückhaltebeckens in den S. oberhalb des
klägerischen Grundstücks liegt. Ausweislich des Schreibens vom 17. Oktober 2005
verbessert sich die Einstausituation des Grundstückes infolge der Errichtung des
Regenrückhaltebeckens sogar, wenn auch nur marginal.
93
Die Hochwasserschutzmaßnahme wird infolge der Errichtung des
Regenrückhaltebeckens auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nicht mehr
erforderlich und damit hinfällig geworden wäre. Zwar wäre ausweislich der
Erläuterungen zum Bebauungsplan die Notwendigkeit der Errichtung des
Regenrückhaltebeckens mit der Umsetzung der Hochwasserschutzmaßnahme
entfallen, weil das Hochwasserrückhaltebecken dessen Funktion hätte mit übernehmen
können. Dagegen vermag das Regenrückhaltebecken die weitergehende Funktion des
Hochwasserrückhaltebeckens allenfalls zu einem sehr geringen Teil zu übernehmen.
Dies ergibt sich - ohne, dass es insoweit weiterer Prüfungen zum
Hochwasserabflussverhalten bedürfte - eindeutig schon aus der unterschiedlichen
Zweckbestimmung und Dimensionierung der Becken. Zwar sind beide Becken für 50-
jährliche Ereignisse ausgelegt. Das Hochwasserrückhaltebecken soll jedoch ein
Wasservolumen von 26.000 cbm zurückhalten, während das Regenrückhaltebecken,
das allein die ordnungsgemäße Entwässerung der durch die Bebauung versiegelten
Flächen ohne zusätzliche Verschärfung der Abflusssituation am S. sicherstellen soll, nur
einen Nutzraum von 360 cbm aufweist.
94
Dasselbe gilt, soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals anführen, der
Inanspruchnahme ihres Grundstücks als Retentionsfläche hätte es nicht bedurft, wenn
im Rahmen des Bebauungsplans Nr. 93 ("Hinter den Höfen") ein
Regenrückhaltebecken ausgewiesen worden wäre. Diese Schlussfolgerung drängt sich
nicht auf. Auch mit der - spekulativen - Errichtung eines solchen, zusätzlichen
Regenrückhaltebeckens hätte bei gleicher Zweckrichtung und Dimensionierung
(nämlich Entwässerung der neu versiegelten Flächen) das Rückhaltevolumen des
95
Hochwasserrückhaltebeckens 1 bei weitem nicht erreicht werden können.
Auch die Wahl der im Plan festgestellten Hochwasserschutzmaßnahme lässt
Abwägungsmängel nicht erkennen. Dem Gebot, alternative Planungen in tatsächlicher
Hinsicht zu prüfen und das Ergebnis bewertend in die Abwägung einzustellen,
96
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 - 9 A 7/02 -; m.w.N. auch Zeitler in Sieder-
Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 232 zu § 31 WHG,
97
ist der Beklagte nachgekommen. Die Entscheidung für die festgestellte Variante mit
einem System von vier Hochwasserrückhaltebecken ist auch inhaltlich nicht zu
beanstanden, auch wenn die von den Klägern angeführte Variante in Höhe des Q.
Weges diese nicht belastet hätte. Dieser Umstand allein genügt zu einer
durchgreifenden Kritik an der gewählten Ausbauvariante nicht. Es ist die Aufgabe und
das Recht der Planfeststellungsbehörde, sich selbst auf der Grundlage der jeweiligen
Vor- und Nachteile ein wertendes Gesamturteil zu bilden.
98
Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1996 - 4 A 27/95 - NVwZ 1996, 1011ff., vom 20.
Mai 1999 - 4 A 12/08 - Buch. 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 und vom 26. Februar 2003 - 9 A
7/02 -.
99
Der Beklagte hat hinsichtlich der von den Klägern wohl eher favorisierten Planvariante
C (Errichtung eines Hochwasserrückhaltebeckens mit einem Volumen von 55.000 cbm
vor H2. ) angeführt, sie sei, obwohl die technisch einfachste Lösung, aus anderen
Gründen ungünstiger als die gewählte. Es hätte insoweit der Errichtung hoher
Verwallungen oder aber tiefer Einschnitte in das Gelände bedurft. Eine Verlegung nur
des Hochwasserrückhaltebeckens 1 widerspreche dem an der Modelluntersuchung von
1990 ausgerichteten Gesamtkonzept mit der Folge, dass ein ausreichender
Hochwasserschutz nicht mehr gewährleistet sei. Dasselbe gelte für den Vorschlag, den
Damm mit einer niedrigeren Dammhöhe zu planen. Um ausreichenden
Hochwasserschutz für ein 50- jährliches Ereignis zu erreichen, hätte es bei einer
geringeren Dammhöhe tieferer Einschnitte in das Beckengelände bedurft. Auf dieser
Grundlage ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die von den Klägern
gewünschte Variante eindeutig besser ist, damit näher liegt, sich dem Beklagten also
geradezu hätte aufdrängen müssen.
100
Vgl. hierzu m.w.N. Zeitler in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, Stand August 2004, Rdnr. 232
zu § 31 WHG, Vgl. Knack, VwVfG, 8. Auflage 2004, Rdnr. 117ff., 119 zu 74 VwVfG.
101
Die Klage war nach allem mit Haupt- und Hilfsantrag mit der Kostenfolge der §§ 154
Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Mangels der Stellung eines Antrags entspricht
es der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt;
denn er hat sich selbst auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
102
Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708
Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
103