Urteil des VG Aachen vom 23.09.2004

VG Aachen: abtretung, sozialhilfe, uvg, jugendamt, form, entmündigung, abschlagszahlung, zivilprozessordnung, mittellosigkeit, ermessensfehlgebrauch

Verwaltungsgericht Aachen, 2 L 854/04
Datum:
23.09.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 854/04
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, in dem
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu
verpflichten, den Antragstellern Hilfe zum Lebensunterhalt in der im einstweiligen
Anordnungsverfahren erstreitbaren Höhe für die Zeit ab Antragstellung bis zum Ende
des Monats, in dem die gerichtliche Entscheidung ergeht, gegebenenfalls
darlehnsweise zu bewilligen,
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hat keinen Erfolg.
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Dem Antrag fehlt zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mittlerweile das
Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsgegner hat nach Abtretung der
Kindergeldansprüche der Bedarfsgemeinschaft die begehrte Hilfe zum Lebensunterhalt
im hier streitbefangenen Umfang bewilligt und wöchentlich ausgezahlt. Die Antragsteller
haben sich trotz der Klaglosstellung nicht mehr schriftlich oder vor der
Rechtsantragsstelle des Gerichts geäußert, insbesondere haben sie keinen
weitergehenden Hilfebedarf geltend gemacht. Dementsprechend besteht keine
Veranlassung für das Gericht, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen
Anordnung zur Hilfegewährung zu verpflichten.
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Im Übrigen hätte der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg gehabt.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht
eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der jeweilige Antragsteller muss glaubhaft
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machen, dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht
(Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in
einem Hauptsacheverfahren für ihn mit schlechthin unzumutbaren Nachteilen
verbunden wäre (Anordnungsgrund), vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit §
920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
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Die Kammer vermag nach den in der Zeit seit März 2004 bis August 2004 erbrachten
zusätzlichen Zahlungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für die sechsköpfige
Bedarfsgemeinschaft in Höhe von fast 2.000 EUR und der jetzt bis zum Eingang des
Kindergeldes am 20. September wieder eingetretenen Mittellosigkeit keinen
Ermessensfehlgebrauch des Sozialamtes darin zu erkennen, dass es vor der
Auszahlung weiterer zusätzlicher Hilfen die Abtretung des Kindergeldes von der
Antragstellerin zu 1.) verlangt und die nach unmittelbarer Abführung der monatlichen
Abschlagszahlung an das Energieversorgungsunternehmen verbleibende
regelsatzmäßige Hilfe zunächst im wöchentlichen Rhythmus auszahlt.
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Zwar ist der Antragstellerin zu 1.) einzuräumen, dass die vom Sozialamt geforderte
Abtretung sie in ihren wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten erheblich einschränkt,
sie dies nach ihren ausdrücklichen Bekundungen gegenüber der Rechtsantragsstelle
des Gerichts sogar als "Entmündigung" empfindet. Andererseits ist festzustellen, dass
sie die ihr bisher eingeräumten Dispositionsmöglichkeiten in den letzten Monaten nicht
so genutzt hat, dass die Bedarfsgemeinschaft ohne zusätzliche Hilfe zum
Lebensunterhalt auskam. Auch unter Berücksichtigung der besonderen persönlichen
Situation der Antragstellerin zu 1.) als alleinerziehender Mutter mit fünf minderjährigen
Kindern und des Umstandes, dass die Bedarfsgemeinschaft ihren Lebensunterhalt aus
Leistungen verschiedener Sozialleistungsträger (Sozialhilfe vom Sozialamt, Kindergeld
von der Kindergeldkasse, UVG-Leistungen vom Jugendamt) bestreiten muss, lässt sich
nicht feststellen, dass das Bestehen des Antragsgegners auf der Abtretung des
Kindergeldes rechtswidrig ist. Die (zunächst vorübergehende) Zusammenführung dieser
Hilfen in einer Hand ist aus Sicht der Kammer eine wirksame Möglichkeit, um den
Risiken in Bezug auf das Entstehen zusätzlichen sozialhilferechtlichen Bedarfs, die in
den unterschiedlichen Zahlungszeitpunkten der verschiedenen Sozialleistungen
begründet sind, entgegenzuwirken.
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Auch der wöchentliche Auszahlungsrhythmus unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
Er ist insbesondere nicht offensichtlich rechtswidrig oder willkürlich. Nach § 4 Abs. 2
BSHG steht die Entscheidung über Form und Maß der Hilfe - wozu auch die
Feststellung des Auszahlungsrhythmus der Hilfe gehört - im Ermessen des
Sozialhilfeträgers. Nur aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird der im Grunde
täglich neu regelungsbedürftige Hilfefall im Regelfall durch monatliche Hilfezahlungen
gesichert. Ist es - wie sich hier aus den Verwaltungsvorgängen des Sozialamtes ergibt -
in der Vergangenheit mehrfach erforderlich geworden, zusätzliche Hilfe zum
Lebensunterhalt zu leisten, kann zur Vermeidung weiterer zusätzlicher Leistungen auch
ein kürzerer Bewilligungszeitraum bestimmt werden. Nach ständiger Rechtsprechung
der Kammer ist im Eilverfahren bezüglich der Bestimmung des Auszahlungsmodus der
Sozialhilfe ein Anordnungsgrund nur dann glaubhaft gemacht, wenn der Hilfe Suchende
darlegt, dass er eine bestimmte Bedarfssituation durch diesen Zahlungsrhythmus nicht
decken kann. Eine solche Konstellation lässt sich dem Vortrag der Antragstellerin zu 1.)
nicht entnehmen. Unter diesen Umständen ist die Ermessensentscheidung des
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Antragsgegners, die Hilfe zunächst einmal nur wöchentlich auszuzahlen, im Rahmen
eines Eilverfahrens rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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