Urteil des VG Aachen vom 05.10.2005
VG Aachen: öffentliche sicherheit, fahrzeug, verkehr, vwvg, form, fahrbahn, gefahr, nacht, obg, bekanntgabe
Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 805/03
Datum:
05.10.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 805/03
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 150,01 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. April 2003 zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin ist Halterin des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen . Dieses Fahrzeug
stellte einer ihrer Gesellschafter, Herr Rechtsanwalt I. , eigenen Angaben zufolge in der
Nacht vom 29./30. Oktober 2002 gegen ein Uhr morgens auf dem unter anderem vor den
Häusern C.--graben 22-28 in B. befindlichen Parkstreifen, etwa in Höhe der Häuser 24-
26, ab.
2
Für diesen Bereich hatte das Straßenverkehrsamt der Beklagten im Hinblick auf für den
30. Oktober 2002 in der Zeit von 7.30 Uhr bis 19.00 Uhr geplante Umzugsarbeiten durch
Verkehrsanordnung vom 21. Oktober 2002 die - durch Mitarbeiter des
Umzugsunternehmens, der Fa. S. Möbeltransporte GmbH, vorzunehmende - Einrichtung
einer Haltverbotszone mit den Zeichen 283-10 StVO und 283-20 StVO (Haltverbot
Anfang und Ende) auf einer Länge von 15 m verfügt. Weiter hatte das
Straßenverkehrsamt angeordnet, die Haltverbotsschilder mit dem Zusatzschild "Am 30.
Oktober 2002, 7.30 - 19 h wegen Umzug" und für die Seitenstreifen mit dem
Verkehrszeichen 1052-37 StVO (Haltverbot auch auf dem Seitenstreifen) zu ergänzen.
3
Nachdem eine durch das Umzugsunternehmen benachrichtigte Überwachungskraft der
Beklagten, die Zeugin Q. , am 30. Oktober 2002 festgestellt hatte, dass das Fahrzeug
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der Klägerin mindestens in der Zeit von 8.00 Uhr bis 8.40 Uhr in dem fraglichen Bereich
abgestellt war, ließ sie das Fahrzeug abschleppen und auf das Betriebsgelände des
Abschleppunternehmers verbringen. Dort wurde das Fahrzeug am gleichen Tag gegen
eine Zahlung von 150,01 EUR ausgehändigt.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2002 forderte die Klägerin die Beklagte zur
Rückerstattung der ihr entstandenen Abschleppkosten in Höhe von 150,01 EUR sowie
der ihr entstandenen Taxikosten in Höhe von 6,-- EUR auf. Zur Begründung wies sie
darauf hin, dass hinter der Parktasche, in der ihr Fahrzeug abgestellt gewesen sei,
mehrere Parktaschen frei gewesen seien, in denen der Umzugswagen auch hätte
abgestellt werden können. In diesem Bereich, in dem tatsächlich "private"
Haltverbotsschilder aufgestellt gewesen seien, habe der Umzugswagen nach der
Auskunft eines Mitarbeiters des Umzugsunternehmens ursprünglich auch abgestellt
werden sollen. In der vorderen Parktasche, in der der Pkw der Klägerin gestanden habe,
habe zunächst der Wagen mit dem Außenaufzug aufgestellt werden sollen. Wegen des
andauernden Regens an diesem Tag sei aber auf den Einsatz des Außenaufzuges
verzichtet worden. Den Umzugswagen habe man dann in der vorderen Parktasche, in
der ihr Pkw abgestellt gewesen sei, abstellen wollen, um nicht so weit laufen zu
müssen. Für diese Parktasche sei aber kein Haltverbotsschild aufgestellt gewesen. Die
Abschleppmaßnahme sei daher rechtswidrig gewesen.
5
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 eine Rückerstattung der
Abschleppkosten ab, da die Abschleppmaßnahme nicht zu beanstanden sei. Zur
Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf, dass für den am 30. Oktober 2002
geplanten Umzug bereits am 25. Oktober 2002 um 14.15 Uhr eine Haltverbotszone
eingerichtet und ordnungsgemäß ausgeschildert worden sei. Das Fahrzeug der
Klägerin habe daher in einer wirksam eingerichteten Haltverbotszone gestanden und
vor diesem Hintergrund auch abgeschleppt werden dürfen.
6
In einem weiteren Schreiben vom 23. Januar 2003 wies die Klägerin zur Begründung
ihres Rückerstattungsbegehrens ergänzend darauf hin, dass die fraglichen Schilder, die
das Umzugsunternehmen aufgestellt habe, nicht den gesetzlichen Vorgaben und auch
nicht den Vorgaben der Verkehrsanordnung der Beklagten entsprochen hätten. An
zentraler Stelle dieses Schildes sei nicht etwa die Verbotsanordnung angebracht
gewesen, sondern ein Logo der Umzugsfirma. Für Verkehrsteilnehmer habe dieses
Schild daher wie eine Werbetafel aussehen müssen. Das auf dieser Trägerfläche
angebrachte Haltverbotsschild sei auch zu klein gewesen und habe den Abmessungen
nicht entsprochen, die die Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung
vorsähen. Ebenfalls im Widerspruch zu diesen Verwaltungsvorschriften sei das mit
Pfeilen versehene Haltverbotsschild nicht schräg, sondern parallel zur Fahrbahn
aufgestellt gewesen. Schließlich habe auch das Zusatzschild, das auf den Zeitraum der
Verbotsanordnung habe hinweisen sollen, nicht den gesetzlichen Anforderungen
entsprochen.
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Die Klägerin hat am 15. April 2003 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihr
Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Sie weist darauf hin, dass für
den fraglichen Bereich eine Haltverbotszone nicht wirksam eingerichtet worden sei. Die
aufgestellten privaten Verkehrszeichen hätten nicht den gesetzlichen Anforderungen
entsprochen und seien daher nichtig. Im Übrigen seien die Verkehrszeichen für den
Fahrer, Herrn Rechtsanwalt I. , in der Nacht vom 30./31. Oktober 2002 auch nicht
erkennbar gewesen. Das am Morgen des 30. Oktober 2002 dort vorgefundene
8
Verkehrsschild sei hinter einem Baum abgestellt gewesen. Es sei aber bereits fraglich,
ob dieses Verkehrsschild in der Nacht bereits dort gestanden habe. Schließlich erweise
sich die Abschleppmaßnahme als unverhältnismäßig. Wie die Rückfrage bei den
Mitarbeitern des Umzugsunternehmens ergeben habe, sei der von ihrem Pkw in
Anspruch genommene Raum für die Umzugsarbeiten überhaupt nicht benötigt worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2005 hat die Kammer das
Verfahren, soweit die Klägerin beantragt hat,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie entstandene Taxikosten in Höhe von 6,-- EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2002 zu zahlen,
10
zur weiteren Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen -6 K 2067/05-
abgetrennt. Mit Verweisungsbeschluss vom 21. September 2005 hat die Kammer in dem
abgetrennten Verfahren -6 K 2067/05- den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig
erklärt und das Verfahren an das Landgericht B. verwiesen. Die Klägerin hat gegen den
Verweisungsbeschluss Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
11
Die Klägerin beantragt im vorliegenden Verfahren nunmehr noch,
12
die Beklagte zu verurteilen, an sie entstandene Abschleppkosten in Höhe von 150,01
EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2002
zu zahlen.
13
Die Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Sie bezieht sich zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages auf den Inhalt des
Schreibens vom 4. Dezember 2002. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die fraglichen
Verkehrszeichen wirksam gewesen seien. Insoweit sei erforderlich, aber auch
ausreichend, dass der Inhalt der Verkehrszeichen eindeutig bestimmbar sei. Dies sei
hier unproblematisch der Fall. Insbesondere werde kein Verkehrsteilnehmer durch das
auf der Trägerfläche des Verkehrsschildes aufgebrachte Logo des
Umzugsunternehmens darüber getäuscht, dass es sich um eine verbindliche
Verkehrsanordnung handele. Dies habe dem verständigen Betrachter ohne weiteres
deutlich werden können. Dass das Haltverbotsschild hinsichtlich seiner Größe leicht
von den Vorgaben der Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung abweiche,
sei irrelevant. Ebenfalls sei im Ergebnis unbedeutend, dass die Verkehrszeichen
parallel zur Fahrbahn und nicht schräg oder quer aufgestellt gewesen seien. Jeder
Verkehrsteilnehmer sei verpflichtet, sich über etwaige Verkehrsanordnungen für den
Bereich, in dem er sein Fahrzeug abstellen wolle, zu informieren. Dies sei vorliegend
ohne weiteres möglich gewesen. Die Haltverbotszone sei schließlich auch rechtzeitig
eingerichtet und regelmäßig kontrolliert worden.
16
Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2005 zu den
Umständen der Einrichtung der Haltverbotszone und der streitgegenständlichen
Abschleppmaßnahme Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Q. Q1. , L. T. , K.
S. und Q2. -V. S. . Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens -6 K 2067/05-, auf den
beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und auf die beigezogene Akte der
Staatsanwaltschaft B. (Az.: 408 Js - OWi 302/03) Bezug genommen.
18
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
19
Die Klage hat überwiegend Erfolg. Sie ist zulässig und im tenorierten Umfang
begründet.
20
Die Klägerin kann von der Beklagten die begehrte Zahlung im Wege eines öffentlich-
rechtlichen Erstattungsanspruches verlangen. Denn die von der Klägerin
vorgenommene Zahlung an den Abschleppunternehmer erfolgte rechtsgrundlos.
21
Der Beklagten, die in rechtlicher Hinsicht Empfängerin der Zahlung gewesen ist, stand
gegen die Klägerin aus § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 der Kostenordnung zum
Verwaltungsvollstreckungsgesetz (KostO NRW) i.V.m. §§ 77 Abs. 1, 59, 57 Abs. 1 Nr. 1,
55 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen
(VwVG NRW) i.V.m. § 14 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NRW) ein
Anspruch auf Erstattung der entstandenen Abschleppkosten in Höhe von 150,01 EUR
nicht zu.
22
Nach den vorgenannten Vorschriften kann die Ordnungsbehörde die notwendigen
Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Die Ordnungsbehörde kann insbesondere einen
Dritten auf Kosten des Betroffenen mit der Vornahme einer zur Gefahrenabwehr
erforderlichen Handlung beauftragen oder auf Kosten des Betroffenen die Handlung
selbst ausführen, wenn dieser seine Verpflichtung zu der entsprechenden Handlung
nicht erfüllt. Bei der angeordneten Abschleppmaßnahme handelt es sich um eine
Ersatzvornahme im Sinne der vorgenannten Vorschriften.
23
Die in § 14 Abs. 1 OBG NRW i.V.m. § 55 Abs. 2 VwVG NRW als Voraussetzung für das
ordnungsbehördliche Eingreifen vorgesehene gegenwärtige Gefahr für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung bestand vorliegend jedoch nicht. Die öffentliche Sicherheit
umfasst neben dem Schutz von Leib und Leben die öffentliche Rechtsordnung
schlechthin. Eine Gefahr bzw. Störung liegt daher bereits dann vor, wenn gegen
öffentlichrechtliche - hier straßenverkehrsrechtliche - Vorschriften verstoßen wird. Im
Zeitpunkt des Einschreitens der Beklagten lag ein derartiger Verstoß jedoch nicht vor.
Insbesondere lag kein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 6 a) der Straßenverkehrsordnung
(StVO) vor. Denn das Fahrzeug der Klägerin war in einem Bereich abgestellt, in dem
das Halten und Parken nicht wirksam durch Verkehrszeichen Z 283 nach § 41 Abs. 2
Nr. 8 StVO verboten war.
24
Das Haltverbotsschild Z 283 ist wie jedes andere Verkehrszeichen ein Verwaltungsakt
in der Form der Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Er
wird gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG NRW gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist
oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm
bekanntgegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt in Form der öffentlichen Bekanntgabe
durch Aufstellen des Verkehrszeichens. Sie setzt voraus, dass es von dem, der selbst
oder dessen Fahrzeug in den Wirkungsbereich des Verkehrszeichens gelangt, bei
25
Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabes ohne weiteres
wahrgenommen werden kann. Nach diesem durch die bundesrechtlichen
Spezialvorschriften der StVO geprägten Bekanntgabebegriff ist es für die Wirksamkeit
des Verkehrszeichens unerheblich, ob der Betroffene es tatsächlich wahrgenommen
hat,
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11. Dezember 1996 -11 C 15.95-,
DAR 1997, 119; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW), Urteile vom 23. Mai 1995 -5 A 2092/93-, NWVBl. 1995, 475, und vom 15. Mai
1990 -5 A 1687/89-, NWVBl. 1990, 387.
26
Grundsätzlich muss der Verkehrsteilnehmer, an den sich das Verkehrszeichen richtet,
beim Eintreffen Gelegenheit erhalten, durch Betrachten des Verkehrszeichens von der
darin verkörperten behördlichen Anordnung Kenntnis zu nehmen. Verkehrszeichen,
deren Inhalt nicht mehr zuverlässig erkennbar ist, sind daher wirkungslos,
27
vgl. zu diesem sog. "Sichtbarkeitsgrundsatz": Hentschel, Straßenverkehrsrecht,
Kommentar, 37. Aufl. 2003, § 39 StVO Rdnr. 32 m.w.N.; Kodal, Straßenrecht, 6. Aufl.
1999, Kapitel 42 Ziff. 1.33.
28
Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass an die Sichtbarkeit von
Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen, niedrigere Anforderungen zu
stellen sind als an solche für den fließenden Verkehr. Einen Verkehrsteilnehmer, der
sein Fahrzeug abstellt, treffen andere Sorgfalts- und Informationspflichten als einen
Teilnehmer am fließenden Verkehr. Während Verkehrsschilder für den fließenden
Verkehr so aufgestellt oder angebracht sein müssen, dass ein durchschnittlicher
Kraftfahrer sie schon "mit einem raschen und beiläufigen Blick" erfassen kann,
29
vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 -11 C 15.95-, a.a.O.,
30
ist ein Teilnehmer am ruhenden Verkehr gerade in einer Großstadt, wo er mit Park- und
Haltverboten zu rechnen hat, grundsätzlich verpflichtet, sich nach etwa vorhandenen
entsprechenden Verkehrszeichen mit aller Sorgfalt umzusehen,
31
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. November 2004 -5 A 850/03- und vom 11. Juni
1997 -5 A 4278/95-, DAR 1997, 366, sowie Urteil vom 15. Mai 1990 -5 A 1687/89-,
a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 13. November 1978 -6 Ss Owi 2744/78-, VRS 57,
137.
32
Wird die Anbringung oder Aufstellung eines - auch vorliegend in Rede stehenden -
mobilen Park- oder Haltverbotsschildes von Unbefugten verändert, verliert es
regelmäßig selbst dann, wenn es umgedreht worden ist, nicht seine Wirksamkeit,
solange es weiterhin eindeutig einem bestimmten Straßenabschnitt zugeordnet werden
kann,
33
vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. November 2000 -5 A 4522/99- und Beschluss vom 11.
Juni 1997 -5 A 4278/95- .
34
Ausgehend von diesen in der Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Verkehrsschildern
entwickelten Grundsätzen ist es für die Wirksamkeit des fraglichen Haltverbotsschildes
zwar unerheblich, ob der Fahrer des abgeschleppten Fahrzeuges das Schild tatsächlich
35
wahrgenommen hat. Deshalb konnte die fehlende Wahrnehmung des Schildes durch
Herrn Rechtsanwalt I. auch als wahr unterstellt und der in der mündlichen Verhandlung
zu diesem Beweisthema gestellte Beweisantrag abgelehnt werden.
Gleichwohl ist die Wirksamkeit eines Haltverbotsschildes nicht ausschließlich am
spezifischen Bekanntgabebegriff der StVO zu messen, sondern auch an den
allgemeinen, für alle Verwaltungsakte gültigen Regeln. Unwirksam und nicht lediglich
anfechtbar sind Verwaltungsakte hiernach (nur) dann, wenn ein Nichtigkeitsgrund nach
§ 44 VwVfG NRW vorliegt. Nichtige Verwaltungsakte haben von Anfang an keine
Rechtswirkung und lösen deshalb für die Verkehrsteilnehmer keine Befolgungspflicht
aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob dem Verkehrsteilnehmer der Nichtigkeitsgrund
bekannt ist. Abgesehen vom Vorliegen der enumerativ aufgezählten Nichtigkeitsgründe
des § 44 Abs. 2 VwVfG NRW ist ein Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 VwVfG NRW
nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei
verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist,
36
vgl. zur Anwendbarkeit auf Verkehrszeichen u.a.: OVG NRW, Urteil vom 28. November
2000 -5 A 4522/99-, NJW 2001, 1961; Berr/Hauser, Das Recht des ruhenden Verkehrs,
1993, Abschnitt VI. Ziff. 1. und 2., Rdnr. 439 ff., 442 ff.
37
Ausgehend hiervon sind Verkehrszeichen insbesondere bei offensichtlicher Willkür oder
Sinnwidrigkeit und dann nichtig, wenn es sich bei ihnen um Fantasiezeichen handelt,
wenn sie ohne Anordnung der Straßenverkehrsbehörde aufgestellt wurden oder wenn
die Verkehrsregelung eine wesentliche Abweichung von einer
straßenverkehrsbehördlichen Anordnung darstellt,
38
vgl. Berr/Hauser, a.a.O., Rdnr. 443; Hentschel, a.a.O., § 41 StVO Rdnr. 246, 247, jeweils
m.w.N.
39
Nach diesen Kriterien erweist sich das hier fragliche Verkehrszeichen als unwirksam
und damit unbeachtlich. Entscheidend für diese Wertung der Kammer ist nicht die
Bewertung jeder einzelnen Abweichung von den straßenverkehrsrechtlichen bzw.
straßenverkehrsbehördlichen Vorgaben, sondern vielmehr eine Gesamtbetrachtung des
Verkehrszeichens, die bei verständiger Würdigung das Verkehrszeichen nicht mehr als
amtliche, allgemein verbindliche Verkehrsregelung erscheinen lässt.
40
Die Straßenverkehrsbehörde der Beklagten hatte dem Umzugsunternehmen, der Fa. S.
Möbeltransporte GmbH, zur Durchführung von Umzugsarbeiten eine verbindliche
Verkehrsanordnung nach § 45 StVO erteilt und hinsichtlich Form, Größe und
Ausstattung der für die Einrichtung der Haltverbotszone zu verwendenden
Verkehrszeichen auf die Bestimmungen der §§ 37, 39 und 43 StVO sowie der hierzu
ergangenen Verwaltungsvorschriften (VwV-StVO) hingewiesen. Weiter hatte sie
angeordnet, für die Seitenstreifen das Zusatzzeichen Z 1052-37 zu verwenden. Diesen
Vorgaben entsprechen die verwendeten Verkehrszeichen, wie sie sich aus Bl. 4 (dort
als "Muster"), 15 und 16 der Verwaltungsakte der Beklagten (Beiakte I) ergeben, in
mehreren wesentlichen Punkten nicht,
41
vgl. zu lediglich unwesentlichen Abweichungen einer Verkehrsregelung vom behördlich
genehmigten Verkehrszeichenplan: OVG NRW, Urteil vom 28. November 2000 - 5 A
4522/99-, a.a.O.
42
Dabei ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Haltverbotszeichen mit
zusätzlichen Anordnungen gemeinsam auf einer Trägerfläche aufgebracht worden ist
(vgl. § 39 Abs. 2 Satz 5 StVO). Ebenfalls führt nicht zu ihrer Unwirksamkeit, dass die
Verkehrsschilder ausweislich der Lichtbilder nicht, wie von der VwV-StVO zu Zeichen
283 und 286 (dort Rdnr. 5) gefordert, schräg, sondern parallel zur Fahrbahn aufgestellt
worden sind. Zu beanstanden ist jedoch, dass die verwendeten Verkehrsschilder nicht
den in der StVO vorgesehenen oder vom Bundesministerium für Verkehr im
Verkehrsblatt zugelassenen Verkehrszeichen entsprechen. Ausschließlich diese
Verkehrszeichen dürfen jedoch Verwendung finden (arg.e. § 39 Abs. 2 Satz 6 StVO; vgl.
auch Rdnr. 6 der VwV-StVO zu §§ 39 bis 43),
43
vgl. hierzu auch Hentschel, a.a.O., § 39 StVO Rdnr. 31 und § 41 StVO Rdnr. 246;
Berr/Hauser, a.a.O., Abschnitt VI Ziff. 3, Rdnr. 454 (jeweils m.w.N.).
44
Ausweislich der in der Gerichtsakte befindlichen Farblichtbilder (dort Bl. 13 und 14) sind
die Verkehrszeichen nicht wie üblich auf einer neutralen, weißen Trägerfläche
angebracht worden (vgl. hierzu Rdnr. 25 der VwV-StVO zu §§ 39 bis 43). Verwendet
wurde als Rahmenfarbe vielmehr die Firmenfarbe des Umzugsunternehmens, ein
kräftiges Türkis. Angesichts dessen, dass der größte Teil der Trägerfläche von dieser
Rahmenfarbe dominiert wird, weicht das Verkehrsschild bereits allein wegen seiner
Farbgebung erheblich von den im Straßenverkehr üblicherweise verwendeten
Verkehrsschildern ab. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass an zentraler Stelle
auf der Trägerfläche das Firmenlogo des Umzugsunternehmens ("S. & Sohn
UMZÜGE") abgebildet ist, und zwar in einer Schriftgröße, die die Schriftgrößen der
übrigen textlichen Aufdrucke deutlich übersteigt und bei verständiger Würdigung beim
Betrachter den Eindruck hervorrufen muss und wohl auch soll, dass der Aufdruck
Werbezwecken dient. Demgegenüber ist der Aufdruck der Ronde des
Haltverbotszeichens Z 283 ausweislich der Lichtbilder kleiner erfolgt, als dies die VwV-
StVO zu §§ 39-43 (dort Rdnr. 9) fordern (420 mm). Eine exakte Überprüfung ist mangels
entsprechener Feststellungen im Verwaltungsvorgang der Beklagten zwar nicht
möglich. Den Lichtbildern ist jedoch ohne weiteres zu entnehmen, dass es sich
jedenfalls um eine verkleinerte Ausführung dieses Verkehrszeichens handelt. Eine
Verkleinerung von Verkehrszeichen ist aber grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie
ist straßenverkehrsrechtlich ausdrücklich zugelassen oder sie ist - dies allerdings
lediglich bei kleinen Abweichungen - aus besonderen Gründen notwendig und bewirkt
keine auffällige Veränderung der Zeichen (vgl. Rdnr. 14 der VwV-StVO zu §§ 39-43),
45
vgl. auch Berr/Hauser, a.a.O., Rdnr. 452.
46
Für eine Verkleinerung des Verkehrszeichens Z 283 gibt es weder eine ausdrückliche
straßenverkehrsrechtliche Zulassung, noch bestand hierfür vorliegend eine
Notwendigkeit.
47
Im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben des § 39 Abs. 2 Satz 3 StVO sind auch
die Zusatzschilder nicht auf weißem Grund mit schwarzem Rand und schwarzer
Aufschrift ausgeführt. Wenn auch hinsichtlich des einen Zusatzschildes, das die
zeitliche Geltungsdauer des Haltverbots beschreibt, zu konstatieren ist, dass es
jedenfalls dem im Verkehrszeichenkatalog hierfür vorgesehenen Zusatzschild Z 1040-
30 ähnelt und von diesem lediglich durch die handschriftliche Aufschrift und den
fehlenden schwarzen Rand abweicht, so trifft dies nicht für das nach der
Verkehrsanordnung von der Straßenverkehrsbehörde geforderte Zusatzschild Z 1052-
48
37 zu. Bei diesem Zusatzschild, durch das das Haltverbot auch auf den Seitenstreifen
erstreckt werden soll, handelt es sich um ein Piktogramm (vgl. hierzu auch Rdnr. 45 der
VwV-StVO zu §§ 39-43). Das Umzugsunternehmen hat sich dieses Piktogramms jedoch
nicht bedient, sondern eine textliche Aufschrift gewählt. Hierfür hat sie aber nicht das
einschlägige Zusatzschild Z 1052-39 verwendet, sondern lediglich - zudem in weißer
Schrift - einen textlichen Aufdruck ("auch auf dem Seitenstreifen") gewählt, der aufgrund
seiner kleinen Schriftgröße und der überdimensionierten Größe des Firmenlogos und
der übrigen Aufdrucke auf der Trägerfläche hinsichtlich seiner Erkennbarkeit hinter
diesen Aufdrucken deutlich zurücksteht. Dies ist um so mehr vor dem Hintergrund
bedenklich, dass gerade dem Zusatzschild Z 1052-37 deswegen entscheidende
Bedeutung zukommt, weil erst durch dieses Zusatzschild das Haltverbot auf den
Seitenstreifen und damit grundsätzlich auch auf den Bereich, in dem das Fahrzeug der
Klägerin abgestellt gewesen ist, erstreckt werden konnte. Abgesehen davon, dass die
verwendete Aufschrift nicht der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung entsprach,
fehlt es insoweit auch an allem, was § 39 Abs. 2 Satz 3 StVO für Zusatzschilder fordert,
namentlich an einem weißen Grund, einem schwarzen Rand und einer schwarzen
Aufschrift. Die für Zusatzschilder der geforderten Art erforderliche Größe (231 mm X 420
mm, vgl. Rdnr. 9 der VwV-StVO zu §§ 39-43) ist ebenfalls erkennbar bei weitem nicht
eingehalten.
Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass
Zusatzschilder grundsätzlich beliebige Anordnungen durch Zeichen oder Aufschriften
enthalten können,
49
vgl. Hentschel, a.a.O., § 39 StVO Rdnr. 31 a.
50
Denn sie müssen ungeachtet einer etwaigen inhaltlichen Gestaltungsfreiheit jedenfalls
den Anforderungen des § 39 Abs. 2 StVO genügen. Dies ist hier für das Zusatzschild,
das das Haltverbot auf den Seitenstreifen erstrecken soll, nicht festzustellen. Im
Ergebnis dürfte es insoweit an einem Zusatzschild im Sinne des § 39 Abs. 2 Satz 2 und
3 StVO damit sogar gänzlich fehlen (vgl. auch Rdnr. 45 der VwV-StVO zu §§ 39-43).
Das "Zusatzschild", wie es das Umzugsunternehmen verwendet hat, kann damit keine
Rechtswirkungen entfalten, was dazu führt, dass - im Übrigen selbst wenn man von
einer Teilbarkeit der Verkehrsregelungen und im Ergebnis daher von einer
Teilnichtigkeit dieser einzelnen Regelung ausginge - das Haltverbot nicht wirksam auf
den Seitenstreifen erstreckt worden ist,
51
vgl. hierzu: Hentschel, a.a.O., § 12 StVO Rdnr. 29 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 29.
Januar 2004 -3 C 29/03-; OLG Hamburg, Beschluss vom 25. Mai 1976 -1 Ss 60/76 OWi-.
52
Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 6 a) StVO liegt daher bereits aus diesem Grunde
nicht vor. Die aufgezeigten erheblichen Abweichungen der Verkehrsregelung von den
rechtlichen und behördlichen Vorgaben erfassen aber sogar das gesamte
Verkehrsschild. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich einige
der Anforderungen, die an die Verkehrszeichen gestellt werden, lediglich aus den nur
Binnenwirkung erzeugenden VwV-StVO ergäben, rechtlich damit nicht verbindlich
seien. Die Beklagte verkennt dabei, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit und
gegebenenfalls auch der Nichtigkeit eines Verkehrszeichens entscheidend auf den
Verständnishorizont des Verkehrsteilnehmers als des Adressaten der Regelung
abzustellen ist. Die Erkennbarkeit einer Verkehrsregelung hängt danach maßgeblich
auch davon ab, dass Verkehrsteilnehmer mit solchen Verkehrszeichen konfrontiert
53
werden, die ihnen geläufig sind, weil sie regelmäßig verwendet werden. Dies gilt
insbesondere für Verkehrszeichen, die - wie das Haltverbotszeichen Z 283 nebst den
üblichen Zusatzschildern - im Rahmen der Regelung des ruhenden Verkehrs in
überdurchschnittlich hoher Zahl Verwendung finden. Gerade bei derartigen
Verkehrsregelungen, die allen Verkehrsteilnehmern geläufig sind, ist die Verwendung
derjenigen Verkehrszeichen, die in aller Regel und massenhaft im Straßenverkehr
Gebrauch finden, für ihre Erkennbarkeit und Akzeptanz durch den Verkehrsteilnehmer
von entscheidender Bedeutung.
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass das fragliche Verkehrsschild in einer Vielzahl
von Punkten so erheblich von den Vorgaben der StVO, den VwV-StVO und den
straßenverkehrsbehördlichen Anordnungen abweicht, dass beim Adressaten der
vermeintlichen Verkehrsregelung der Eindruck entstehen muss, es handele sich nicht
um eine amtliche, für jeden verbindliche Anordnung. An dieser Wertung ändert -
selbstverständlich - auch der oben auf der Trägerfläche des Schildes in kleiner Schrift
aufgebrachte Aufdruck "Absperrung durch die Stadt B. genehmigt" nichts. Denn das
äußere Erscheinungsbild des Schildes bleibt hiervon unberührt. Dass sich beim
Betrachter des Schildes der Eindruck aufdrängen muss, es handele sich um ein
"privates" Verkehrsschild eines Umzugsunternehmens und gerade nicht um eine
behördlich genehmigte und allgemeinverbindliche Verkehrsregelung, wird dadurch
verstärkt, dass sich unten auf der Trägerfläche in Großbuchstaben der für amtliche
Verkehrsschilder unübliche Aufdruck "BITTE FREIHALTEN" befindet. Ein derartiger,
seinem Wortlaut nach eher für einen Wunsch und damit für eine unverbindliche
"Anordnung" sprechender Aufdruck ist dem Straßenverkehrsrecht und seinen
Regelungen zu Vorschriftszeichen fremd und begegnet Verkehrsteilnehmern sonst
allenfalls bei "privaten" Schildern.
54
Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung erweist sich das fragliche Verkehrsschild
wegen der aufgezeigten erheblichen Abweichungen von rechtlichen und behördlichen
Vorgaben damit als lediglich "privates" Verkehrsschild, als bloßes Fantasiezeichen, das
jedoch keine Wirksamkeit für sich beanspruchen kann. Das Verkehrszeichen ist damit
nichtig und für die Klägerin unbeachtlich gewesen. Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 6
a) StVO liegt damit nicht vor.
55
Die Klägerin hat auch nicht gegen die allgemeine Regel des § 1 Abs. 2 StVO verstoßen.
Danach hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein Anderer
geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder
belästigt wird. Ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob das
Fahrzeug der Klägerin an seinem Abstellort die Durchführung der Umzugsarbeiten
überhaupt in nennenswerter Weise beeinträchtigt hat, soll das hier allein in Betracht
kommende Behinderungsverbot des § 1 Abs. 2 StVO allein Verkehrsteilnehmer davor
schützen, zu einem anderen als dem von ihnen beabsichtigten Verkehrsverhalten
gezwungen zu werden,
56
vgl. Hentschel, a.a.O., § 1 StVO Rdnr. 32; VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 30.
November 1989 -18 A 105.87-, NZV 1990, 248.
57
Die Durchführung von Umzugsarbeiten stellt aber keine Verkehrsteilnahme dar,
weshalb ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO ausscheidet,
58
vgl. VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 30. November 1989 -18 A 105.87-, a.a.O. (für
59
Fassadenarbeiten).
Da nach alledem das Fahrzeug der Klägerin nicht verbotswidrig abgestellt war, erweist
sich die von der Beklagten angeordnete Abschleppmaßnahme mangels Vorliegens
eines Gefahrentatbestandes als rechtswidrig. Die Klägerin ist daher auf der Grundlage
des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 KostO NRW i.V.m. §§ 77, 59, 55 Abs. 2 VwVG NRW zur
Zahlung der Abschleppkosten nicht verpflichtet gewesen. Ihr steht ein Anspruch auf
Erstattung der bereits verauslagten Abschleppkosten zu.
60
Der geltend gemachte Zinsanspruch der Klägerin ist jedoch unbegründet, soweit sie
einen Zinsanspruch für die Zeit vor Klageerhebung geltend macht. Dieser Zinsanspruch
könnte allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzuges in entsprechender Anwendung
der §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 286 Abs. 1, 284 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
gerechtfertigt sein. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften im öffentlichen
Recht kommt aber nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich oder sonst rechtlich
besonders vorgesehen ist. Für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch fehlt es
indessen an einer gesetzlichen oder sonst rechtlich gebotenen Verweisung auf die
Verzugsvorschriften des BGB,
61
vgl. im Einzelnen: BVerwG, u.a. Urteile vom 27. Oktober 1998 -1 C 38.97-, BVerwGE
107, 304, und vom 12. März 1985 -7 C 48.82-, BVerwGE 71, 85; OVG NRW, Urteile vom
30. September 1997 -24 A 5373/94-, BB 1998, 377, und vom 26. April 1996 -12 A
2765/94-.
62
Die Klägerin kann deshalb in entsprechender Anwendung des § 291 BGB lediglich
Prozesszinsen seit Klageerhebung beanspruchen. Die Erstattungsforderung ist daher
von diesem Zeitpunkt an in der mit dem Klageantrag geltend gemachten Höhe von 5 %
über dem Basiszinssatz zu verzinsen (vgl. § 88 VwGO i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Der weitergehende Zinsanspruch ist unbegründet.
63
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; die Entscheidung über
ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung.
64