Urteil des VG Aachen vom 08.09.2006

VG Aachen: gemeinde, grundstück, gebühr, internet, bekanntgabe, zahl, beweislast, entsorgung, abwasserbeseitigung, satzung

Verwaltungsgericht Aachen, 7 K 2481/04
Datum:
08.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2481/04
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Kläger die Klage
zurückgenommen haben.
Im Übrigen wird der Bescheid über Grundbesitzabgaben für das
Grundstück G1, vom 3. Februar 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. März 2004 und der Klarstellung vom
25. August 2006 insoweit aufgehoben, als mit diesem Bescheid für das
Jahr 2003 Kanalbenutzungsgebühren von mehr als 1.326,10 EUR
festgesetzt werden.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 5/6 und der Beklagte zu
1/6.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Die Kläger sind - verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 5 -
Miteigentümer des Grundstücks G1 in O. , das an das im Trennsystem verlegte
öffentliche Kanalnetz angeschlossen ist.
2
Mit einem im allseitigen Einvernehmen an den Eigentümer der Wohneinheit 2
adressierten Bescheid vom 30. Januar 2003 "für Eigentümergemeinschaft U. 7" setzte
der Beklagte Vorauszahlungen wegen für das Haushaltsjahr 2003 zu zahlender
Kanalbenutzungsgebühren in Höhe von 2.055,90 EUR fest. Mit Bescheid vom 3.
Februar 2004 erstattete er der Eigentümergemeinschaft für das gleiche Haushaltsjahr
123,20 EUR (32 m ³ x 3,85 EUR/m ³). Des Weiteren setzte er Vorauszahlungen für das
Jahr 2004 in Höhe von 1.932,70 EUR (502 m ³ x 3,85 EUR/m ³) fest.
3
Gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren legten die Kläger Widerspruch
ein und führten im Wesentlichen aus, die Berechnung der Kanalbenutzungsgebühren
anhand des Frischwassermaßstabes sei für die Beseitigung des Regenwassers nicht
sachgerecht. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.
März 2004 mit der Begründung zurück, der Frischwassermaßstab entspreche den
Anforderungen der Rechtsprechung, zumal die Gemeinde O. eine homogene
Bebauungsstruktur aufweise.
4
Die Kläger haben am 27. April 2004 Klage erhoben. Sie tragen vor, der angegriffene
Heranziehungsbescheid sei an die "Eigentümergemeinschaft U. 7" gerichtet. Der
Eigentümer der Wohneinheit 2 teile die Grundbesitzabgaben auf die
Eigentümergemeinschaft auf. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sei von
einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides auszugehen.
Die Heranziehung zu Kanalbenutzungsgebühren sei aber gleichwohl zu beanstanden.
Die vom Beklagten vorgelegten Zahlen über der Schmutz- und
Niederschlagswasserbeseitigung zuzurechnende Kostenanteile seien unzureichend. Er
habe die Kosten des Kanalnetzes im Verhältnis 50:50 der Schmutz- und der
Regenwasserentsorgung zugeordnet. Die Beiträge zum Wasserverband F. -S. in Höhe
von mehr als 2.000.000 EUR habe er hingegen allein der Schmutzwasserentsorgung
zugerechnet. Die erheblichen betriebswirtschaftlichen Kosten für
Regenrückhaltebecken und ähnliche Bauwerke, die auch der Regenwasserbeseitigung
dienten, habe der Beklagte trotz gerichtlicher Anfrage nicht dargelegt. Die Kosten der
Niederschlagswasserbeseitigung würden zweifellos mehr als 12 % der Gesamtkosten
ausmachen. Die Gemeinde O. weise zudem keine homogene Bebauungsstruktur auf.
Das Verhältnis von Frischwasserverbrauch zu versiegelter Grundstücksfläche, das bei
dem vom Beklagten genannten Normaltyp des 1 bis 1,5-geschossig bebauten
Grundstücks vorliege, sei in zahlreichen hiervon abweichenden Fällen nicht gegeben.
Bereits Grundstücke, die mit Zweifamilienhäusern bebaut seien, würden durch den
einheitlichen Frischwassermaßstab in einer nicht zu vernachlässigenden
Größenordnung (von jährlich ca. 1.300,00 EUR gegenüber einer Gebühr von ca.
1.000,00 EUR bei Einführung getrennter Gebührenmaßstäbe) belastet. Hinzu kämen
gewerblich genutzte Grundstücke, die über große befestigte Flächen bei eher geringem
Frischwasserverbrauch verfügen würden, wie vorrangig Betriebe in den
Gewerbegebieten I. /T. und P. sowie weitere 20 gewerbliche Betriebe in den
umliegenden Ortsteilen der Gemeinde O. und 48 landwirtschaftliche Betriebe bzw.
ehemalige landwirtschaftliche Betriebe. Bei Verbrauchermärkten mit einer
Verkaufsfläche von ca. 700 m ², die kaum Frischwasser bezögen, sei von einer
jährlichen Gebührenersparnis aufgrund des einheitlichen Frischwassermaßstabes in
der Größenordnung von ca. 9.000,00 EUR jährlich auszugehen. Die Gebührenhöhe sei
zudem im Hinblick auf die Schätzung des Straßenentwässerungsanteils, der mit 15,5 %
bemessen worden sei, zu beanstanden. Zudem habe der Beklagte methodisch
fehlerhaft 15,5 % der Gesamtkosten als Straßenentwässerungsanteil abgezogen,
obwohl die Straßenentwässerung nichts mit der Schmutzwasserbeseitigung zu tun
habe. Die Angaben zu den kalkulatorischen Kosten (Abschreibungen und Zinsen) seien
nicht prüffähig, da der Ermittlungsansatz und der Zinssatz nicht angegeben seien.
Zudem sei offen, ob in den Vorjahren Kostenüberdeckungen entstanden seien, die in
der Kalkulation hätten berücksichtigt werden müssen.
5
Die Kläger haben zunächst schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
6
den Bescheid des Beklagten vom 3. Februar 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. März 2004 aufzuheben, soweit mit diesem Bescheid
Kanalbenutzungsgebühren für das Jahr 2003 und Vorauszahlungen für das Jahr 2004
angefordert werden.
7
Nachdem die Kläger die endgültige Heranziehung zu Kanalbenutzungsgebühren für
das Jahr 2004 haben bestandskräftig werden lassen, haben sie mit anwaltlichem
Schriftsatz vom 16. Januar 2006 die Klage hinsichtlich der Heranziehung zu
Vorauszahlungen für das Jahr 2004 fallen gelassen. Zugleich haben sie die Klage
dahingehend eingeschränkt, dass lediglich die anteilig auf ihre Wohneinheit
entfallenden Kanalbenutzungsgebühren für das Jahr 2003 Klagegegenstand sein
sollen. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2006 teilten sie ergänzend mit, sie hätten für
dieses Jahr Kanalbenutzungsgebühren in Höhe von 606,60 EUR gezahlt (d.h. bei
einem Frischwasserverbrauch von 157,569 m ³ x 3,85 EUR je m ³).
8
Im Übrigen hat der Beklagte in der mündliche Verhandlung seinen Bescheid in der
Fassung des Widerspruchsbescheides dahingehend konkretisiert, dass mit diesem
Bescheid eine Heranziehung zu Kanalbenutzungsgebühren für das Jahr 2003 in Höhe
von insgesamt 1.932,70 EUR erfolge, und er für dieses Jahr einen Betrag von 123,20
EUR erstatte.
9
Die Kläger beantragen nunmehr,
10
den Bescheid des Beklagten vom 3. Februar 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. März 2004 und der in der mündlichen Verhandlung
vom 25. August 2006 erfolgten Konkretisierung hinsichtlich der Festsetzung von
Kanalbenutzungsgebühren für das Jahr 2003 in Höhe von 606,60 EUR aufzuheben.
11
Der Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung nimmt der Beklagte Bezug auf den Inhalt seines
Widerspruchsbescheides, wonach die Heranziehung zu einer einheitlichen Gebühr für
die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung auf der Grundlage der bezogenen
Frischwassermenge schon deshalb zulässig sei, weil der Kostenanteil für die
Regenwasserentsorgung unterhalb der nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts maßgeblichen Grenze von 12 % der Gesamtkosten liege.
Ferner trägt er vor, die Gemeinde O. habe im streitigen Gebührenjahr von den gesamten
Kosten der Regenwasserentsorgung in Höhe von 535.665 EUR einen
Straßenentwässerungsanteil in Höhe von 498.030 EUR getragen. Die Gebührenzahler
seien für die Regenwasserentsorgung lediglich mit einem geringfügigen Betrag in Höhe
von 37.635 EUR belastet worden. Zudem weise O. eine homogene Bebauung mit einer
Regelbebauung von 1 bis 1,5- geschossigen Gebäuden auf. Nach seinen Unterlagen
für das Jahr 2002 hätten 4.292 Grundstücke über einen Vollanschluss an den Kanal
verfügt. Von dem üblichen Verbrauchsverhalten würde nicht in mehr als 10 % der Fälle
abgewichen. Nur bei 335 Grundstücken liege der jährliche Frischwasserverbrauch über
270 m ³. Die Heranziehungsfälle, in denen Grundstücke große versiegelte Flächen, aber
geringe Frischwasserverbräuche aufwiesen, seien in Anwendung des Grundsatzes der
Typengerechtigkeit nicht zu berücksichtigen, da die Betroffenen durch den
Frischwassermaßstab nicht belastet würden.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
15
Entscheidungsgründe:
16
Das Klageverfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Kläger die
Klage teilweise zurückgenommen haben. Hiervon ist zunächst hinsichtlich der
Heranziehung zu Vorauszahlungen für das Jahr 2004 aufgrund des klägerischen
Schriftsatzes vom 16. Januar 2006 und deren Angaben in der mündlichen Verhandlung
auszugehen, zumal sie die endgültige Heranziehung für das Jahr 2004 haben
bestandskräftig werden lassen. Die teilweise Klagerücknahme ergibt sich ferner daraus,
dass nicht mehr die gesamten für das Grundstück G1 festgesetzten
Kanalbenutzungsgebühren angefochten werden, sondern eine Anfechtung lediglich in
Höhe des von den Klägern für ihre Eigentumswohnung gezahlten Gebührenanteils von
606,60 EUR (= 1.932,70 EUR - 1.326,10 EUR) erklärt worden ist.
17
Die insoweit weiterverfolgte Klage ist begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid
vom 3. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2004
und der Konkretisierung vom 25. August 2006 ist hinsichtlich der mit ihm festgesetzten
Kanalbenutzungsgebühren für das Jahr 2003, soweit diese noch angefochten werden,
rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18
Der angefochtene Bescheid ist nicht bereits aufgrund einer fehlerhafter Bekanntgabe
formell rechtswidrig. Dessen Bekanntgabe ist rechtlich nicht zu beanstanden, da der
Bescheid dem Eigentümer der Wohnung 2 im allseitigen Einverständnis
bekanntgegeben wurde. Nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht
ist dieser Eigentümer als Zustellungsbevollmächtigter der Eigentümergemeinschaft U. 7
anzusehen. Ansonsten ist der angefochtene Bescheid auch bestimmt genug im Sinne
des § 12 Abs. 1 Nr. 3 b) und Nr. 4 b) KAG NRW in Verbindung mit §§ 119, 157 Abs. 1
Satz 2 AO. Durch den Zusatz "für Eigentümergemeinschaft U. 7" läßt der Bescheid
ausreichend erkennen, dass durch ihn die einzelnen Mitglieder der
Eigentümergemeinschaft als Gesamtschuldner zu den in ihm aufgeführten
Grundbesitzabgaben herangezogen werden sollen.
19
Vgl. insoweit: BVerwG, Beschluss vom 10. November 2005 - 10 B 5.05 -, NJW 2006,
791 f. und KStZ 2006, 75 f.
20
Der Bescheid ist aber - soweit er noch angefochten wird - materiell rechtswidrig, da eine
wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung von Kanalbenutzungsgebühren für das
Veranlagungsjahr 2003 nicht vorliegt. Die §§ 2 - 7 der für diesen Zeitraum maßgebliche
Satzung über die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen, Abwassergebühren,
Kleinleiterabgaben und Kostenersatz für Grundstücksanschlüsse vom 27. Juni 2000
(KGebS) in der Fassung der 4. Änderungssatzung vom 13. Dezember 2002 (KGebS
2002) sind nichtig, da es an einer gültigen nach und nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW
erforderlichen Maßstabsregelung fehlt.
21
Der in § 3 Abs. 2 KGebS für die Heranziehung zu Kanalbenutzungsgebühren im Jahre
2003 sowohl für die Schmutz- als auch für die Niederschlagswasserentsorgung als
einheitliche Bemessungsgrundlage geregelte Frischwassermaßstab stellt keinen für die
22
Gemeinde O. nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW zulässigen
Wahrscheinlichkeitsmaßstab dar. Nach dieser Bestimmung kann ein
Wahrscheinlichkeitsmaßstab der Heranziehung zu Benutzungsgebühren zugrunde
gelegt werden, wenn es - wie bei der Entsorgung von Schmutz- und
Niederschlagswasser - besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, die
Gebühr nach einem Wirklichkeitsmaßstab zu berechnen. Der
Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf jedoch nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis
zur Inanspruchnahme der gebührenpflichtigen Abwasserbeseitigung stehen. Es muss
für das Maß der Inanspruchnahme auf Bemessungsgrößen abgestellt werden, die sich
jedenfalls nach einer pauschalierenden Betrachtungsweise des Zusammenhangs
zwischen Höhe der Gebühr einerseits und dem Maß der Inanspruchnahme andererseits
als noch plausibel rechtfertigen lassen, und danach als sachgerechte
Differenzierungsmerkmale anerkannt werden können.
Soweit es lediglich um eine realitätsnahe Erfassung des Umfanges der
Inanspruchnahme der gemeindlichen Kanalisation durch häusliches Schmutzwasser
geht, ist die Eignung des Frischwassermaßstabes allgemein anerkannt. Es ist nämlich
ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Menge des dem Grundstück zugeführten
Frischwassers in etwa der anfallenden Schmutzwassermenge entspricht.
23
Vgl. unter anderem OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 - 9 A 5715/98 - und Urteil
vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, KStZ 1994, 213; sowie Urteil der Kammer vom 11.
März 2005 - 7 K 1430/02 -.
24
Ein solcher Wahrscheinlichkeitszusammenhang besteht indessen nicht, soweit es um
die Ableitung von Niederschlagswasser geht. Die Menge des bezogenen Frischwassers
erlaubt grundsätzlich keinen (verlässlichen) Rückschluss darauf, wie viel
Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück in den Kanal gelangt. Die
Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers hängt vielmehr von der Intensität des
Niederschlags und der Größe der versiegelten Grundstücksfläche ab.
25
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 1972 - VII B 117.70 -, KStZ 1972, 111, 112; OVG
NRW, Urteil vom 8. April 1984 - 2 A 2501/78 -, StuGR 1985, 388, 390 und Beschluss
vom 5. Februar 2003 - 9 B 2482/02 -; VG Arnsberg, Urteil vom 15. Januar 2002 - 11 K
1994/00 -; VG Köln, Urteil vom 11. Juni 2002 - 14 K 8221/00 -; VG Düsseldorf, Urteil vom
30. Dezember 2004 - 5 K 1060/00 -: jeweils mit weiteren Nachweisen; Tillmanns, Ein
Plädoyer für die getrennte Kanalbenutzungsgebühr, KStZ 2001, 101.
26
Trotz der grundsätzlich fehlenden Aussagekraft des Frischwasserverbrauchs für das
Maß der Inanspruchnahme des Abwassersystems bei der
Niederschlagswasserbeseitigung kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts - ohne Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip und den
Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes - eine gesonderte Erfassung des
Niederschlagswassers unterbleiben und eine Berechnung der Gebühr ausschließlich
nach der bezogenen Frischwassermenge erfolgen, wenn die durch Gebühren zu
deckenden Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung geringfügig sind. Als
geringfügig hat das Bundesverwaltungsgericht Kosten angesehen, die nicht mehr als 12
% der gesamten Entwässerungskosten betragen.
27
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Juni 1972 - VII B 117.70 -, a.a.O.; vom 26. Januar
1973 - 7 B 21.72 -, KStZ 1973, 92; vom 25. März 1985 - 8 B 11.84 -, KStZ 1985, 129, 130
28
und vom 19. September 2005 - 10 BN 2.05 - (Juris).
Von einer Geringfügigkeit der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung, die es
rechtfertigen würde, eine einheitliche Kanalbenutzungsgebühr zu erheben, kann für den
Bereich der Gemeinde O. nicht ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang ist von
Belang, dass ein Ortsgesetzgeber, der trotz der aufgezeigten mit dem einheitlichen
Frischwassermaßstab verbundenen Probleme an diesem Maßstab festhalten will, dem
Gericht im Streitfall die für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der
Maßstabsregelung erforderlichen Tatsachen mitzuteilen und zu belegen hat. Das
Gericht kann - sofern wie hier entscheidungserhebliche Fragen nicht ohne Mithilfe des
Beklagten zu klären sind - die Wirksamkeit der Gebührensatzung einer Gemeinde nur
feststellen, wenn die jeweilige Behörde im Rahmen ihrer prozessualen
Mitwirkungspflicht nachvollziehbare Tatsachen vorträgt und gegebenenfalls belegt, die
die vom Rat beschlossene Satzung rechtfertigen. So trägt eine Gemeinde auch die
Nachweislast dafür, dass bei ihr die Voraussetzungen vorliegen,
Kanalbenutzungsgebühren wegen der Geringfügigkeit der Kosten der
Niederschlagswasserentsorgung auf der Grundlage eines einheitlichen
Frischwassermaßstabes zu erheben.
29
Vgl. allgemein zur Beweislast: BVerwG, Beschluss vom 1. November 2003 - 7 B 190.93
-, NJW 1994, 468 f. mit weiteren Nachweisen; zur Beweislast beim einheitlichen
Frischwassermaßstab: BayVGH, Urteil vom 31. März 2003 - 23 B 02.1937 -, BayVBl.
2004, 20 ff., und Urteil vom 17. Februar 2005 - 23 BV 04.1732 -, BayVBl. 2005, 596 f.;
VG Arnsberg, Urteil vom 15. Januar 2002 - 11 K 1994/00 -, VG Aachen, Urteil vom 1.
September 1995 - 7 K 1005/92 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht -
Rechtsprechungsreport - (NVwZ-RR) 1996, 702, 704; VG Schleswig, Urteil vom 29.
April 2005 - 4 A 94/04 - (Juris).
30
Der Beklagte ist den - ihm obliegenden - Nachweis dafür, dass der Kostenanteil der
Niederschlagswasserentsorgung geringfügig war (d.h. unterhalb von 12 % der
Gesamtkosten lag) schuldig geblieben. Zwar hat er mit Schreiben vom 22. März 2006
eine Kostenaufstellung betreffend das Haushaltsjahr 2003 nachgereicht, wonach der
von den Gebührenpflichtigen zu zahlende Kostenanteil für die Regenwasserentsorgung
lediglich 37.636 EUR betragen haben soll. Danach sollen bei Gesamtkosten in Höhe
von 3.200.30 EUR lediglich 535.666 EUR auf die Regenwasserentsorgung entfallen
sein, und die Gemeinde O. will hiervon als Straßenentwässerungskosten 498.030 EUR
übernommen haben. Die Kosten der Schmutzwasserbeseitigung hätten 2.665.166 EUR
betragen. Dieser Kostenaufteilung kann jedoch kein Gewicht beigemessen werden, weil
der Beitrag der Gemeinde an den Wasserverband F. -S. in Höhe von 2.145.000 EUR
lediglich als Teil der Schmutzwasserentsorgungskosten eingestuft wird. Die seitens des
Beklagten mit Schreiben vom 4. August 2006 erfolgte Erläuterung, der
Wasserverbandsbeitrag sei der Kostengruppe "Abwasserwesen" zugeordnet, führt nicht
weiter. § 51 Abs. 1 Satz 1 des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LWG
- (Landeswassergesetz) definiert sowohl das durch häuslichen, gewerblichen,
landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und
das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) als auch
das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen
abfließende und gesammelte Wasser (Niederschlagswasser) als Abwasser.
Dementsprechend ist auch in § 2 Ziffer 1 der Entwässerungssatzung der Gemeinde O.
vom 15. Dezember 1995 (EWS) geregelt, dass auch Niederschlagswasser als
"Abwasser" anzusehen ist. Aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt sich,
31
dass der (im Wege der "Spitzabrechnung" ermittelte) Wasserverbandsbeitrag Kosten für
in der Gemeinde O. betriebene Bauwerke (Pumpwerke, Regenüberlaufbecken,
Regenrückhaltebecken, Regenklärbecken, Kläranlagen und Sonderbauwerke etc.)
enthält, welche in erheblichem Umfang auch der Regenwasserentsorgung dienen. Trotz
entsprechender Rügen der Klägerseite und gerichtlicher Nachfragen sahen sich der
Beklagte und der Wasserverband F. -S. nicht in der Lage, den Wasserverbandsbeitrag
näher aufzuteilen. Ebensowenig ist der Kammer eine nachvollziehbar geschätzte
Kostenaufteilung vorgelegt worden. Nach den oben aufgezeigten Grundsätzen geht es
zu Lasten des Beklagten, wenn sich aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen der
Kostenanteil für die Regenwasserentsorgung nicht sachgerecht ermitteln lässt.
Im Übrigen erscheint der Kammer die vom Beklagten vorgenommene Aufschlüsselung
der Kostenanteile für die Schmutz und Niederschlagswasserentsorgung nicht
realistisch. Ebenso wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland,
Landesverband NRW e.V. (im folgenden: BUND NRW e.V.) in einer im Internet
abrufbaren Stellungnahme vom 28. April 2003 zu dem Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 31. März 2003 - 23 B 02.1937 - geht auch die erkennende
Kammer aufgrund ihrer in zahlreichen gebührenrechtlichen Streitigkeiten gewonnenen
Erfahrung davon aus, dass die untere Grenze für die Kosten der
Niederschlagswasserbeseitigung im Regelfall bei etwa 30 % der Gesamtkosten der
Abwasserbeseitigung liegen dürften. Der BUND NRW e.V. geht in der erwähnten
Stellungnahme aufgrund vorgetragener bundesweiter Recherchen sogar von einem
entsprechenden Kostenanteil zwischen 30 % und 50 % der Gesamtkosten aus.
32
Vgl. in diesem Zusammenhang auch: BayVGH, Urteil vom 31. März 2003 - 23 B 02.1937
-, a.a.O., wonach im dortigen Verfahren aufgrund von Verwendungsnachweisen des
Wasserwirtschaftsamtes lediglich 58,04 % der Kosten für Pumpwerke,
Regenüberlaufbecken etc. auf die Schmutzwasserentsorgung entfielen.
33
Ausgehend von einem 30 %-Kostenanteil für die Niederschlagswasserentsorgung sind
in den vom Beklagten für die Schmutzwasserentsorgung genannten Kosten in Höhe von
2.665.166 EUR noch 643.000 EUR (= 30 % des Wasserverbandsbeitrages von
2.145.000 EUR) enthalten, welche der Niederschlagswasserentsorgung zuzuordnen
sind, so dass der durch Gebühren auszugleichende Kostenanteil für die
Niederschlagswasserentsorgung über 12 % der Gesamtkosten liegt.
34
Auch wenn aus der Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 12 % nicht
(zwangsläufig) geschlossen werden kann, dass der vom Satzungsgeber gewählte
einheitliche Frischwassermaßstab gegen das Äquivalenzprinzip verstößt,
35
vgl. klarstellend zum Verständnis der Geringfügigkeitsgrenze: BVerwG, Beschluss vom
19. September 2005 - 10 BN 2.05 - a.a.O.,
36
ist gleichwohl die vom Rat der Gemeinde O. beschlossene Maßstabsregelung des
Frischwasserbezuges nichtig.
37
Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen,
38
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2003 - 9 B 2482/02 - unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des Senats und mit weiteren Nachweisen,
39
kann, abgesehen von den Fällen, in denen die Entsorgung der Niederschlagswässer
geringe Kosten verursacht, der einheitliche Frischwassermaßstab noch als ein
sachgerechter - und dem Äquivalenzprinzip genügender - Maßstab angesehen werden,
wenn und soweit die jeweilige Kommune durch eine verhältnismäßig homogene und
wenig verdichtete (Wohn-)Bebauung ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger
Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit
kleinem Wasserverbrauch geprägt ist. Es kann insoweit noch plausibel dargelegt
werden, dass die Zahl der Bewohner bzw. die Intensität der Nutzung des Grundstücks,
die die Menge des dem Grundstück zugeführten Frischwassers und damit die
Schmutzwassermenge beeinflusst, zugleich einen Schluss auf die Größe des
befestigten Teils des Grundstücks und auf das hiervon abgeleitete
Niederschlagswasser zulässt. Der Frischwassermaßstab beruht damit auf der
Annahme, dass im Durchschnitt der Benutzungsfälle eine ungefähr gleichbleibende
Relation zwischen der vom Grundstück abgeleiteten Schmutzwassermenge und der
Regenwassermenge besteht. In Anwendung dieses Maßstabes werden die Kosten der
Niederschlagswasserbeseitigung ungefähr entsprechend dem Regenwasseranfall der
einzelnen Grundstücke auf die Benutzer der kommunalen Entwässerungsanlage
verteilt.
40
Diese für die Gültigkeit des Maßstabes unverzichtbare Relation zwischen den
abgeleiteten Schmutz- und Niederschlagswassermengen kann jedoch durch
Grundstücksnutzungen gestört werden, bei denen das in Rede stehende Verhältnis
deutlich von dem bei den übrigen Benutzern abweicht. Die Struktur der Nutzung der
Grundstücke im Gemeindegebiet muss weitgehend gleichartig sein, damit die Annahme
gerechtfertigt ist, dass trotz unterschiedlich bezogener Frischwassermengen eine
ungefähr gleichbleibende Relation von Schmutz- und Niederschlagswassereinleitung in
der überwiegenden Zahl der Fälle besteht. Ist dies nicht der Fall, ist der
Frischwassermaßstab kein tauglicher einheitlicher Maßstab für die Bemessung der
Kanalbenutzungsgebühren.
41
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. September 1997 - 9 A 3373/96 -, NVwZ-RR 1998, 392
mit weiteren Nachweisen; vom 1. September 1999 - 9 A 3342/98 -; sowie vom 8. August
1984 - 2 A 2501/78 -, a.a.O.; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2004 - 5 K
1060/00 -; Urteil der erkennenden Kammer vom 11. März 2005 - 7 K 1430/02 -; Cosack,
Juristische Grundlagen bei der Erhebung einer getrennten Kanalbenutzungsgebühr,
KStZ 2002, 1 ff.; Queitsch, Die getrennte Regenwassergebühr - Ein Segen ?, KStZ
2006, 121 ff..
42
Ergeben sich für eine größere Zahl von Grundstücken Abweichungen von der
maßgeblichen Relation, muss der Satzungsgeber Regelungen treffen, die deren
Besonderheiten Rechnung tragen. Der Ortsgesetzgeber darf nur solange an Regelfälle
des Sachbereichs, den er zu regeln hat, anknüpfen, als die Besonderheiten nicht in
mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Einzelfällen dem Regeltyp
widersprechen, auf den die Maßstabsregelung zugeschnitten ist.
43
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 - a.a.O.; vom 19. September
1997 - 9 A 3733/96 -, a.a.O.; Cosack, KStZ 2002, 1, 4.
44
So kann die Relation zwischen abgeleiteten Schmutz- und
Niederschlagswassermengen durch inhomogene Bebauungsstrukturen, d.h. durch
45
sogenannte "Ausreißer", aus dem Gleichgewicht gebracht werden.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Februar 2003 - 9 B 2482/02 -; und vom 28. Juni
2004 - 9 A 1276/02 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2004 - 5 K 1060/00 - mit
weiteren Nachweisen.
46
Für die Beurteilung der Verhältnisse kommt es insoweit maßgeblich darauf an, ob die in
O. bewohnten oder gewerblich genutzten Grundstücke hinsichtlich des Verhältnisses
von jeweiliger Personenzahl/jeweiligem Wasserverbrauch sowie jeweiliger versiegelter
Fläche eine gewisse Gleichartigkeit erkennen lassen und welchen Anteil eventuell
abweichende Fallgruppen (nämlich Wassergroßverbraucher mit relativ kleinen
versiegelten Flächen sowie großflächig versiegelte Grundstücke mit relativ geringem
Wasserverbrauch) an der Gesamtzahl der betroffenen Fälle ausmachen. Dabei lässt die
bloße pauschale Gegenüberstellung der verschiedenen Gebietsarten weder
hinreichend aussagekräftige - vergleichende - Feststellungen zu dem jeweils
maßgeblichen Verhältnis zwischen Personenzahl/Wasserverbrauch und Größe der
versiegelten Flächen auf den Grundstücken in den betroffenen Gebieten zu, noch
erlaubt sie eine verlässliche Beurteilung der Frage, ob von dem anzunehmenden
Regelfall abweichende Fallgestaltungen in ihrer Gesamtheit bereits derart erheblich
sind, dass sie gebührenrechtliche Relevanz entfalten. Allein hieraus können für die
gezeigten wesentlichen Fragestellungen zwar Ansatzpunkte, nicht aber ausreichend
tragfähige Schlussfolgerungen in die eine oder in die andere Richtung hergeleitet
werden.
47
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2003 - 9 B 2482/02 -.
48
Des Weiteren obliegt es einem Ortsgesetzgeber selbst, soweit er an dem einheitlichen
Frischwassermaßstab festhalten will, unter Berücksichtigung der örtlichen
Gegebenheiten zu prüfen, ob die vorgenannten Voraussetzungen hierfür vorliegen.
49
Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 15. Januar 2002 - 11 K 1994/00 - mit weiteren Nachweisen
zur Rechtsprechung des OVG NRW; VG Aachen, Urteil vom 1. September 1995 - 7 K
1005/92 -, a.a.O..
50
Wie bereits im Zusammenhang mit der Geringfügigkeitsgrenze aufgezeigt, trägt danach
der Beklagte das Risiko der fehlenden Erweisbarkeit der Ordnungsgemäßheit der von
ihm gewählten Maßstabsregelung. Er hat die erforderlichen Tatsachen mitzuteilen und
zu belegen.
51
Nach dem zuvor Gesagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass für den
Bereich der Gemeinde O. die Voraussetzungen gegeben sind, die es erlauben, die
Gebühren für die Schmutz- und Regenwasserentsorgung auf der Grundlage eines
einheitlichen Frischwassermaßstabes zu erheben.
52
Der Beklagte macht zwar unter Vorlage von Luftbildern geltend, die Gemeinde O.
verfüge über eine "Regelbebauung", in Form einer 1 bis 1,5-geschossigen Bebauung
mit "gleichstrukturierten Einfamilienwohnhäusern". Hochhäuser seien nicht vorhanden,
und es gebe ca. 20 Mehrfamilienhäuser mit 2 bis 3 Vollgeschossen. Eine derart
pauschale Einschätzung ohne konkrete Datenbasis ist hingegen allenfalls geeignet,
erste Anhaltspunkte bezüglich der Frage der Homogenität der gemeindlichen Bebauung
zu ergeben. Entsprechendes gilt hinsichtlich Aufstellungen über Flächenanteile
53
bestimmter Gebietsarten in einzelnen Gemeindeteilen. Zur Abklärung der wesentlichen
Aspekte bedarf es, wie bereits erwähnt, vielmehr tatsächlicher Ermittlungen darüber, ob
die im Gemeindegebiet bewohnten oder gewerblich genutzten Grundstücke hinsichtlich
des Verhältnisses von jeweiliger Personenzahl/jeweiligem Wasserverbrauch und
jeweiliger versiegelter Fläche eine gewisse Gleichartigkeit aufweisen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2003 - 9 B 2482/02 - mit weiteren
Nachweisen.
54
Der Beklagte hat aber auf eine gerichtliche Anfrage vom 8. Dezember 2005 bezüglich
einer an die Beteiligten mitgesandten Tabelle über den Wohnungsbestand in der
Gemeinde O. (Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW, Düsseldorf
2005), wonach z.B. im Jahre 2002 (die entsprechenden Zahlen für 2003 dürften nicht
wesentlich hiervon abweichen) 3.912 Wohngebäude vorhanden waren, von denen
3.185 über eine Wohnung, 534 über zwei Wohnungen und 193 über drei und mehr
Wohnungen verfügten, keine konkreten Angaben über die Anzahl der Grundstücke mit
"Regelbebauung" und zu deren versiegelten Flächen machen können. Entsprechendes
gilt hinsichtlich der Größe der versiegelten Flächen der Grundstücke, welche
gewerblichen Zwecken dienen, obwohl der Beklagte bereits im Jahre 1997 im Rahmen
von Vorüberlegungen ein Planungsbüro mit der Erfassung der intensiv befestigten
Flächen in den einzelnen Vororten des Gemeindegebietes beauftragt hatte. Ohne Daten
über die versiegelten Flächen lässt sich trotz der vom Beklagten vorgelegten Luftbilder
und Wasserverbrauchslisten nicht belegen, dass die für eine Homogenität wesentliche
ungefähr gleichbleibende Relation zwischen der vom Grundstück abgeleiteten
Schmutzwassermenge und der Regenwassermenge in 90 % oder mehr der
Benutzungsfälle vorliegt.
55
Auch die bloße Auflistung des Anteils der intensiv befestigten Flächen in den einzelnen
Ortsteilen O. ist nicht geeignet, nach den oben dargestellten Grundsätzen, den für die
Heranziehung zu Kanalbenutzungsgebühren bestimmten Frischwassermaßstab zu
rechtfertigen. Die Anteile der befestigten Flächen weichen in den einzelnen Ortsteilen
der Gemeinde O. deutlich voneinander ab (z.B. sind in Ellen von der Gesamtfläche 3,79
% intensiv befestigt, in L. hingegen 17,55 %). Gleiches gilt hinsichtlich des Verhältnisses
der befestigten Flächen zu den Einwohnerzahlen der jeweiligen Vororte. Je Einwohner
betrug die Größe der versiegelten Fläche z.B. in F1. 8,57 m ², in I1. 28,10 m ² und in L.
65,21 m ².
56
Abgesehen davon, dass der Beklagte den ihm obliegenden Nachweis der Homogenität
der Bebauungsstruktur im Gemeindegebiet O1. schuldig geblieben ist, gelangt die
Kammer nach Auswertung des ihr vorgelegten Materials sowie unter Berücksichtigung
weiterer allgemein zugänglicher Unterlagen (wie einer im Internet abrufbaren
Gewerbeliste O1. ) zu der Einschätzung, dass vieles für eine inhomogene
Bebauungsstruktur spricht.
57
Schon die seitens der Kammer den Beteiligten übersandte Tabelle des Landesamtes für
Datenverarbeitung und Statistik NRW über den Wohnungsbestand der Gemeinde O.
(insgesamt 5205 Wohnungen) enthält starke Indizien dafür, dass nicht von den
erforderlichen homogenen Verhältnissen ausgegangen werden kann. So sind bei 727
Grundstücken zwei bzw. drei und mehr Wohnungen vorhanden; dies sind 17 % der vom
Beklagten genannten 4.292 Grundstücken mit Vollanschlüssen. (Abweichende Zahlen
für 2003 hat der Beklagte nicht genannt und diese dürften auch nicht wesentlich vom
58
Vorjahr abweichen). Bei diesen Grundstücken kann man schon im Hinblick auf die
Wohnungsanzahl davon ausgehen, dass der Frischwasserverbrauch bei einer
durchschnittlichen Belegung von 2,78 Personen je Wohnung (im Schreiben vom 11.
Februar 2003 an den Abwasserberatung NRW e.V. hatte der Beklagte die
Einwohnerzahl mit 14.485 beziffert; 14.485 Personen / 5.205 Wohnungen = 2,78
Personen/Wohnung) deutlich höher ist, als bei den Grundstücken, welche lediglich mit
einer Wohnung bebaut sind. Ob in diesen Fällen das Verhältnis von
Frischwasserverbrauch und versiegelter Grundstücksfläche sich von den Grundstücken
mit einer Wohnung maßgeblich unterscheidet, kann aufgrund fehlenden
Zahlenmaterials des Beklagten letztlich nicht geklärt werden. Insoweit verbleibende
Unklarheiten gehen, wie oben erwähnt, zu Lasten des Beklagten. Im Hinblick darauf,
dass die Anzahl der Personen und der damit einhergehende Frischwasserverbrauch
schon bei Grundstücken mit zwei Wohnungen erfahrungsgemäß höher als bei
Grundstücken mit nur einer Wohnung ist, aber der Anteil der versiegelten
Grundstücksfläche sich nicht im gleichen Maße erhöhen dürfte, spricht einiges dafür,
dass das Verhältnis von versiegelter Fläche zur Frischwassernutzung in mehr als nur 10
% der Grundstücke von dem Verhältniswert des Regelbebauungstyps abweicht.
Auch die übrigen vom Beklagten vorgelegten bzw. ansonsten verfügbaren Materialien
wie Frischwasserbezugsdaten, Luftbilder und Kartenmaterial mit intensiv befestigten
Flächen in den einzelnen Vororten, sprechen eher dafür, von einer inhomogenen
Bebauungsstruktur im Gemeindegebiet des Beklagten auszugehen. Er selbst nennt 355
Fälle von 4.292 in denen mehr als 270 m ³ Frischwasser bezogen wurden und geht bei
dieser Gruppe von sogenannten Großverbrauchern aus. Ein abweichendes
Nutzungsverhältnis liegt aber auch bei denjenigen Grundstücken vor, die große
versiegelte Flächen und einen eher niedrigen Frischwasserverbrauch aufweisen.
59
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2004 - 9 A 1276/02 -.
60
Zu den danach einzubeziehenden Fällen dürften 26 landwirtschaftlich genutzte (bzw.
ehemals landwirtschaftlich genutzte) Grundstücke, mit einem jährlichen
Frischwasserverbrauch unterhalb von 270 m ³, aber erfahrungsgemäß großen
versiegelten Hofflächen zählen. Ferner sind aus den Gewerbegebieten I. -T. und P. ca.
29 Grundstücke zu berücksichtigen, auf denen Betriebe wie Lebensmittelmärkte,
Discounter oder Kfz-Gewerbe angesiedelt sind, die weniger als 270 m ³ Frischwasser
jährlich verbrauchen aber große versiegelte Flächen aufweisen. Gleiches dürfte für die
in den Ortsteilen der Gemeinde vorhanden Kirchengrundstücke sowie zahlreiche in dem
Internet-Firmenverzeichnis der Gemeinde aufgeführte Betriebe gelten, die nicht in den
beiden oben genannten Gewerbegebieten liegen und vergleichsweise geringen
Frischwasserverbrauch haben, aber größere versiegelte Flächen aufweisen. Zur
letzteren Gruppe können nach Einschätzung der Kammer z.B. Grundstücke von
Bauunternehmen, Getränkemärkten und Kfz-Betrieben gehören. Zudem ist anzumerken,
dass die im Internet verfügbare Gewerbeliste keinen Anspruch auf Vollständigkeit
erhebt, da es den Gewerbetreibenden freigestellt war, sich kostenlos in diese Liste
aufnehmen zu lassen.
61
Der Beklagte kann die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabes für die
Kanalbenutzungsgebühren auch nicht unter Berufung auf den Grundsatz der
Typengerechtigkeit und Praktikabilitätsgründe rechtfertigen. Hierbei kann offen bleiben,
ob nicht der fehlende Nachweis der Homogenität bzw. die unzulässige
Maßstabsregelung bereits der Berufung auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit
62
entgegensteht,
so: VG Arnsberg, Urteil vom 15. Januar 2002 - 11 K 1994/00 - , mit weiteren
Nachweisen; offen gelassen aber in dem diesbezüglichen Beschluss des OVG NRW
vom 28. Juni 2004 - 9 A 1276/02 -, womit der Antrag auf Zulassung der Berufung
abgelehnt worden ist.
63
Mangels konkreter Daten zu den maßgeblichen Parametern (Verhältniswerte der
versiegelten Flächen zum Frischwasserverbrauch) kann er schon nicht belegen, dass
die Voraussetzung für eine den Gebührenmaßstab rechtfertigende Anwendung des
Grundsatzes der Typengerechtigkeit gegeben ist. Im Hinblick auf die obigen
Ausführungen und die statistischen Daten des Landesamtes ist dies zudem eher
unwahrscheinlich.
64
Unter diesen Umständen bedarf es ebenfalls keiner Vertiefung, ob es in O. nicht auch
Fälle (insbesondere großflächiger Grundstücke mit nur geringem bzw. keinem
Frischwasserverbrauch) gibt, aufgrund derer wegen ihres erheblichen Gesamtanteils an
der versiegelten Fläche die Heranziehung zu Kanalbenutzungsgebühren nach dem
einheitlichen Frischwassermaßstab unzulässig ist.
65
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2004 - 9 A 2522/03 - bezüglich eines
Einzelfalles, wonach die Voraussetzungen des Grundsatzes der Typengerechtigkeit
nicht gegeben waren, da ein einziger Großbetrieb, welcher fast 50 % der
Klärwerksleistung in Anspruch nahm, zu nicht unerheblichen Belastungen der übrigen
Gebührenschuldner beitrug.
66
So verfügen die ca. 56 Betriebe im Gewerbegebiet I. /T. über ca. 63 % (619.417 m ² von
insgesamt 983.760 m ²) der intensiv genutzten Flächen im Gemeindegebiet.
67
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Bei der
Kostenquotelung wurde berücksichtigt, dass die Kläger nach der teilweisen
Klagerücknahme nur mit ca. einem Sechstel des ursprünglichen Klagebegehrens
obsiegt haben.
68
Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit
den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
69