Urteil des VG Aachen vom 05.08.2003

VG Aachen (höhe, 1995, erziehung, aufenthalt, mutter, örtliche zuständigkeit, zuständigkeit, form, antrag, beginn)

Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 2855/99
Datum:
05.08.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 2855/99
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage
zurückgenommen hat.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin
a) die ihr entstandenen Aufwendungen der Hilfe zur Erziehung in Form
der Vollzeitpflege für C. in der Zeit vom 1. November 1995 bis 30. April
1999 in Höhe von 24.210,69 EUR (= 47.352,00 DM) zuzüglich 4.%
Zinsen seit dem 29. November 1999, ferner
b) die ihr entstandenen Aufwendungen der Hilfe zur Erziehung in Form
der Heimerziehung für C. in der Zeit vom 17. April 1999 bis 30. April
2000 in Höhe von 46.214,86 EUR (= 90.388,40 DM) zuzüglich 4 %
Zinsen seit dem 7. Dezember 2001 sowie
c) die ihr entstandenen Aufwendungen der Hilfe zur Erziehung in Form
der Heimerziehung für C. in der Zeit vom 1. Mai 2000 bis 27. August
2001 in Höhe von 63.281,57 EUR (= 123.768,00 DM) zuzüglich 4 %
Zinsen seit dem 7. Dezember 2001
zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagten werden die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens
zu 6/7, der Klägerin zu 1/7 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten, die sie im Rahmen
der Hilfe zur Erziehung für den am 29. August 1984 geborene C. in der Zeit vom 1.
November 1995 bis zum 27. August 2001 aufgewendet hat.
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Bei der Geburt von C. lebten seine Eltern bereits getrennt. Durch Urteil des Amtsgerichts
B. vom 10. Dezember 1985 - 25 F 53/85 - wurde die Ehe der Eltern geschieden und die
elterliche Sorge für C. der Mutter übertragen. C. lebte bis zum August 1987 im Haushalt
seiner Mutter. Nachdem dem Jugendamt des Kreises B. zugetragen worden war, dass
die Mutter das Kind vernachlässige, wurde er am 11. August 1987 für einen Tag in eine
Bereitschaftspflegestelle und danach in einer Pflegefamilie untergebracht. Am 18.
Dezember 1987 wurde C. aufgrund eines - von ihm nicht zu vertretenden - Vorfalles in
der Pflegefamilie im St. K.-Kinderheim in F. untergebracht. Am 14. März 1990 wurde C.
vom Jugendamt des Kreises B. im Haushalt seines in L. lebenden Onkels G. und
dessen Ehefrau, die sich seit geraumer Zeit um C. bemüht hatten, untergebracht. Herr G.
ist der leibliche Bruder der Mutter von C.. Er blieb bis zum 16. April 1999 in der Familie
seines Onkels. Nachdem es in der Pflegefamilie mit ihm erhebliche erzieherische
Schwierigkeiten gab, wechselte er auf Veranlassung der Klägerin ab diesem Zeitpunkt
in das Jugendhilfezentrum N. in L..
3
Mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom 26. Januar 1988 - Sch VIII 6367 - wurde im
Wege der Ergänzungspflegschaft dem Kreisjugendamt B. das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für C. übertragen. Mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom
7. März 1990 - 25 F 233/87 - wurde in Abänderung der Regelung zur elterlichen Sorge
aus dem Scheidungsurteil vom 18. Dezember 1985 die Personen- und Vermögenssorge
für C. vorläufig dem Kreis B. übertragen. Mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom 10.
September 1990 wurde sein Onkel, Herr G., zum Vormund bestimmt und der Kreis B.
aus dem Amt des Vormundes entlassen. Das Amtsgericht L. hat mit Beschluss vom 28.
April 2000 - 53 VIII Sch 90/97 - Herrn G. aus dem Amt des Vormundes entlassen und
das Jugendamt der Stadt L. zum Vormund bestellt.
4
Von Februar bis August 1987 hatte die Mutter von C. ihren Wohnsitz in I., wo sie in
dieser Zeit mit ihrem Sohn in Haushaltsgemeinschaft lebte. Nach den dem Gericht
vorliegenden Unterlagen des Kreisjugendamtes B. wurde zumindest am 11. August
1987 noch ein Hausbesuch in dieser Wohnung durchgeführt. Auch wenn es schon
Indizien gab, die auf eine beabsichtigte HaushaltsaufIösung hindeuteten - so war etwa
mit dem Verkauf von Möbeln begonnen worden, häufiges nächtliches Alleinlassen von
C., um den neuen Freund und späteren Ehemann der Mutter, Herrn J., in B. zu
besuchen -, so kehrte die Kindesmutter bis dahin dennoch regelmäßig in die I. Wohnung
zurück. An diesem Tag brachte das Kreisjugendamt B. aus dieser Wohnung in einer
Bereitschaftspflegestelle unter. Im Herbst 1987 - vermutlich September 1987 - verzog
die Kindesmutter nach B.. Zum 1. Januar 1991 wohnte sie in V. Im weiteren Zeitablauf
kehrte sie zunächst nach B. zurück und verlegte in der Folge ihren Wohnsitz zunächst
nach I., dann nach J., kehrte wieder zurück nach B., zog nach S., um sich schließlich in
Bad E. niederzulassen. Der Vater hatte während des gesamten hier genannten
Zeitraums seinen Wohnsitz stets in C..
5
Die Kosten für die Jugendhilfeleistungen in der Zeit von 11. August 1987 bis zum 13.
März 1990 wurden vom Oberkreisdirektor des Kreises B. als örtlich zuständigem
Jugendhilfeträger aus Jugendhilfemitteln getragen. Nach dem Wechsel in den Haushalt
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der Eheleute G. wurde der Lebensunterhalt für C. ab dem 14. März 1990 zunächst vom
Sozialamt der Klägerin sichergestellt, da nach den Regelungen des damals noch
geltenden Jugendwohlfahrtsgesetzes - JWG - (wirtschaftliche) Jugendhilfe im Rahmen
der Verwandtenpflege in der Regel ausgeschlossen waren. Das Sozialamt des Kreises
B. hat diese in der Zeit vom 14. März 1990 bis zum 31. Dezember 1990 erbrachten
sozialhilferechtlichen Aufwendungen der Klägerin als örtlichem Sozialhilfeträger
erstattet. Zum 1. Januar 1991 trat das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz - SGB VIII - in
Kraft, das das JWG ablöste und u.a. eine andere Behandlung der Verwandtenpflege
ermöglichen sollte. Für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 30. April 1999 wurde
deshalb von der Klägerin für C. an den Vormund Hilfe zur Erziehung zunächst in Form
von Vollzeitpflege nach den §§ 27, 33 SGB VIII gewährt. Seit dem 17. April 1999
übernahm die Klägerin die anfallenden Kosten im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in
Form der Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII.
Mit Schreiben vom 5. und 25. November 1996 hat die Klägerin bei der Beklagten
rückwirkend Kostenerstattung für die Zeit ab dem 1. November 1995 beantragt. Diesem
Begehren trat der Beklagte im Wesentlichen mit der Auffassung entgegen, dass im
vorliegenden Fall ohne die Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII wegen der an die
örtliche Zuständigkeit geknüpfte Kostenerstattungsverpflichtung auf den gewöhnlichen
Aufenthalt der Mutter abzustellen sei; dieser Aufenthalt habe nach dem Beginn der Hilfe
nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich bestanden. Auch den von der Beklagten für die Zeit
der Heimpflege ab dem 17. April 1999 mit Schreiben vom 5. Juli 1999 gestellten Antrag
auf Kostenerstattung nach § 89 e SGB VIII hat die Beklagte mit gleichen Erwägungen
zurückgewiesen.
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Die Klägerin hat am 22. November 1999 Klage erhoben, mit der sie zunächst die
Kostenerstattung für die Zeit vom 1. November 1995 bis 30. April 1999 begehrt. Am 7.
Dezember 2001 hat sie die Klage bezüglich des Zeitraums vom 17. April 1999 bis zum
27. August 2001 erweitert. Die unter dem letzt genannten Datum zusätzlich anhängig
gemachte Feststellungsklage auf Kostenerstattung für die Zeit nach dem 27. August
2001 hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2003
zurückgenommen und auch die zunächst geltend gemachten Erstattungsbeträge für die
Zeit vom 17. April 1999 bis zum 27. August 2001 reduziert. Ihr Erstattungsbegehren
begründet sie mit der Auffassung, dass für die Bestimmung der Zuständigkeit auf den
Beginn der Jugendhilfeleistungen zum 1. Januar 1991 abzustellen sei. Zu diesem
Zeitpunkt sei auch das neue Jugendhilferecht im SGB VIII in Kraft getreten, das im
Gegensatz zum früheren Jugendwohlfahrtsgesetz - JWG - die Verwandtenpflege
zulasse. §§ 1 Abs. 3, 6 JWG habe das vormals in der Regel ausgeschlossen. Zum 1.
Januar 1991 hätten die Eltern von C. unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalte gehabt
und seien auch beide nicht mehr personensorgeberechtigt gewesen. Bei diesen
Verhältnissen sei es nach den gesetzlichen Vorgaben zur Bestimmung des örtlich
zuständigen Jugendhilfeträgers auf den gewöhnlichen Aufenthalt von C. in den letzten
sechs Monaten vor Leistungsbeginn angekommen. Dieser habe seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in der Pflegefamilie G. in L. besessen und damit in einer durch § 89 e SGB
VIII geschützten Einrichtung. Da er vorher in gleichfalls durch diese Norm geschützten
Einrichtungen - im Kinderheim St. K. und einer weiteren Pflegefamilie - untergebracht
gewesen sei, komme es letztlich auf den Aufenthalt C. vor Beginn der ersten
Unterbringung in einer geschützten Einrichtung an. Dies sei im August 1987 der
Haushalt der Mutter in I. gewesen. Er mache Kostenerstattung erst jetzt geltend, da er
erst jetzt durch eine Spruchstellenentscheidung auf die Möglichkeit der Kostenerstattung
aufmerksam gemacht worden sei.
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Die Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin entstandenen ungedeckten
Aufwendungen der in der Zeit vom 1. November 1995 bis 30. April 1999 für C. nach den
§§ 27, 33 SGB VIII gewährten Hilfe zur Erziehung in Höhe von insgesamt 47.352,00 DM
entsprechend 24.210,69 EUR, zuzüglich Zinsen seit dem 29. November 1999 in Höhe
von 4 % an die Klägerin zu zahlen,
10
2. die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin entstandenen ungedeckten
Aufwendungen der in der Zeit vom 17. April 1999 bis 30. April 2000 für C. nach den §§
27, 34 SGB VIII gewährten Hilfe zur Erziehung in Höhe von insgesamt 90.388,40 DM
entsprechend 46.214,86 EUR, zuzüglich Zinsen seit dem 29. November 1999 in Höhe
von 4 % an die Klägerin zu zahlen,
11
3. die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin entstandenen ungedeckten
Aufwendungen der in der Zeit vom 1. Mai 2000 bis 27. August 2001 für C. nach den §§
27, 34 SGB VIII gewährten Hilfe zur Erziehung in Höhe von insgesamt 123.768,00 DM
entsprechend 63.281,57 EUR, zuzüglich Zinsen seit dem 1. Mai 2000 in Höhe von 5 %
über dem jeweiligen Basiszinssatz der Klägerin zu erstatten.
12
Die Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Sie ist der Auffassung, dass zur Beurteilung der Verpflichtung zur Kostenerstattung auf
die Lebensverhältnisse bei Beginn der jugendhilferechtlichen Maßnahme zum 11.
August 1987 abzustellen sei. Die Jugendhilfe sei während des Zeitraums von März bis
Dezember 1990 nicht unterbrochen gewesen. Die Unterbringung C. in der Pflegefamilie
G. sei vom damals zuständigen Jugendamt des Kreises B. unter Mitwirkung des
Jugendamtes der Klägerin behutsam geplant und unter engmaschiger Betreuung
durchgeführt worden. Bereits im August 1987 habe die Großmutter mütterlicherseits auf
die Bereitschaft der Familie G. hingewiesen, C. aufzunehmen. Die Familie G. habe auch
in der Folge selbst gegenüber dem damaligen Jugendhilfeträger ihr Interesse an der
Aufnahme C. bekundet. Auch während des ersten Jahres der Aufnahme des
Pflegekindes habe das Jugendamt der Klägerin das Pflegschaftsverhältnis weiterhin
beobachtet. Dies spreche weiterhin deutlich für eine Fortführung der im August 1987
begonnenen Jugendhilfemaßnahme. Im Übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht in
den späten 80iger Jahren seine vormals strikte Auffassung zur Unzulässigkeit der
Verwandtenpflege modifiziert. Bei sachlich zutreffender Behandlung dränge sich
geradezu auf, dass der damals zuständige Jugendhilfeträger Kreis B. sachlich und
rechtlich verpflichtet gewesen wäre, die Jugendhilfe auch über dem 14. März 1990
hinaus fortzuführen. Aus dem Umstand, dass in der Zeit vom 13. März 1990 bis 31.
Dezember 1990 der Lebensunterhalt C. durch Leistungen der Sozialhilfe sichergestellt
worden sei, wäre es rechtlich fehlerhaft, daraus der Schluss zu ziehen, dass damit die
Jugendhilfe eingestellt gewesen sei und erst nach dem Inkrafttreten des SGB VIII erneut
aufgenommen worden sei. Maßgeblich sei deshalb für die Kostenerstattung auf die
Lebensverhältnisse im Jahr 1987 abzustellen; C. habe damals bis zur Unterbringung in
einer Pflegefamilie im Haushalt der damals noch personensorgeberechtigten Mutter
gelebt. Die Kostentragung müsse deshalb hier an den gewöhnlichen Aufenthalt der
Mutter und nicht den des Kindes anknüpfen. Dieser sei zwar im August 1987 vermutlich
15
noch in I. gewesen. Die Zuständigkeit zur Kostenerstattung sei aber in der folgenden
Zeit nach den gesetzlichen Vorgaben mit den Wohnsitzwechseln der Mutter
mitgewandert. Da die Mutter in der hier streitbefangenen Zeit von November 1995 bis
August 2001 zu keinem Zeitpunkt in I. ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe, sei
die Beklagte auch nicht zur Kostenerstattung verpflichtet. Selbst wenn seine Auffassung
zu § 89 a SGB VIII unzutreffend sei, scheide ein Kostenerstattung hier deshalb aus, weil
die Hilfe rechtswidrig seit 1991 geleistet werde, da der Personensorgeberechtigte
keinen entsprechenden Antrag gestellt habe.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Klägerin, der Beklagten und des Jugendamtes des Kreises B.
sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
16
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
17
Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang begründet.
18
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der in der Zeit vom
1. November 1995 bis zum 30. April 1999 entstandenen Kosten in Höhe von 24.210,69
EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 29. November 1999 bezüglich der
jugendhilferechtlichen Betreuung des C. in Form der Vollzeitpflege; sie hat weiter
Anspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich der in der Zeit vom 17. April 1999 bis 27.
August 2001 entstandenen Kosten in Höhe von 109.496,43 EUR, zuzüglich 4 % Zinsen
seit dem 7. Dezember 2001 bezüglich jugendhilferechtlichen Betreuung des C. in Form
der Heimerziehung. Soweit das Klagebegehren sich darüber hinaus auf Prozesszinsen
für den letztgenannten Erstattungsbetrag vor dem 7. Dezember 2001 erstreckt, ist die
Klage indes als unbegründet abzuweisen.
19
Der Klage steht nicht bereits § 111 SGB X entgegen.
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Anzuwenden ist § 111 SGB X hier in der Fassung, die die Vorschrift durch Art. 10 Nr. 8
des Gesetzes zur Einführung des EURO im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur
Änderung anderer Vorschriften (4. EURO-Einführungsgesetz) vom 21. Dezember 2000,
BGBl. I S. 1983, erhalten hat. Diese Vorschrift ist nach Art. 68 Nr. 1 EURO-
Einführungsgesetz zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten und besagt in § 111 Satz 1 SGB
X - gleichlautend mit dem bisherigen Recht -, dass der Anspruch auf Erstattung
ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate
nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.
21
Diese Frist war nach Auffassung des Gerichts zum Zeitpunkt der erstmaligen
Geltendmachung des hier streitigen Erstattungsbegehrens ab 1. November 1995 noch
nicht abgelaufen. Anknüpfungspunkt für den Lauf der Ausschlussfrist kann allein die
Leistungsgewährung an den Sozialleistungsbezieher sein,
22
vgl. Eichenhofer in Wannagat, SGB X, Stand: 32. Lieferung, § 111 Rdnr. 5; von Wulffen
in von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 111 Rdnr. 7; VG Aachen, Urteil vom 11. Dezember
2001 -2 K 2277/97-.
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Denn allein diese Auslegung ermöglicht logisch eine Anknüpfung an die gesetzliche
Vorgabe des "Ablauf(s) des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde". Da hier
24
ein Erstattungsbegehren für Leistungen ab dem November 1995 in Rede steht, musste
das Erstattungsbegehren vor dem Dezember 1996 bei der Beklagten eingehen. Dies ist
hier der Fall, denn der Beklagte hat mit Schreiben vom 5. und November 1996
Kostenerstattung geltend gemacht.
Das mit der Klage verfolgte Erstattungsbegehren ist auch nicht verjährt. Nach § 113 Abs.
1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des
Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der
Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht
Kenntnis erlangt hat. Hier geht es um Erstattungsansprüche der Klägerin für die Zeit ab
dem 1. November 1995. Diese Ansprüche wären nach der angeführten gesetzlichen
Regelung ab dem 1. Januar 2000 verjährt, wenn die Klägerin sie nicht vorher gerichtlich
geltend gemacht hätte. Dies hat sie hier mit der Klageerhebung am 29. November 1999
getan, so dass für die Annahme einer Verjährung für die Erstattungsforderung für das
Jahr 1995 kein Raum ist. Da das Klagebegehren der Klägerin von vorneherein auf die
zukünftige Kostenerstattungsverpflichtung der Beklagten gerichtet waren, ist während
der Rechtshängigkeit dieser Klage eine Verjährung auch nicht für das die
nachfolgenden Zeiträume betreffende Erstattungsbegehren eingetreten.
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Der Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung scheitert im Lichte der
höchstrichterlichen Rechtsprechung,
26
vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 28. September 2000 - 5 C
29.99 -, BVerwGE 112, 98 ff. = DVBl. 2001, 1060 ff. = FEVS 52, 532 ff.,
27
auch nicht deshalb, weil die Hilfegewährung zu Beginn des Jahres 1991 nicht
ausdrücklich schriftsätzlich beantragt worden und - wie von der Beklagten vorgetragen -
schon deshalb rechtswidrig sei. Aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts B. vom
10. September 1990 wurde Herr G. zum Vormund bestimmt. Auch wenn sich aus den
Akten in Tat aus der Zeit Jahresende 1990 und Januar/Februar 1991 kein schriftlicher
Antrag auf Bewilligung von Hilfe zur Erziehung entnehmen lässt, so waren die
Pflegeeltern in der Folge so in das Hilfeplanverfahren eingebunden, dass nach
Auffassung des erkennenden Gerichts davon auszugehen, dass die Hilfe zur Erziehung
- mangels anderweitiger Anhaltspunkte - mit ihrem Einverständnis gewährt wurde,
28
vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2001 - 5 C 6.00 - NJW
2002, 232 f. = FEVS 53,105 ff. = NDV- RD 2002, 7 ff.; Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein- Westfalen - OVG NRW -, Urteil vom 12. September 2002 - 12 A
4352/01 - soweit ersichtlich nicht veröffentlicht.
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Dies gilt insbesondere ab dem hier in Streit stehenden Zeitraum ab November 1995 bis
August 2001.
30
Da die von der Klägerin verfolgten Kostenerstattungsansprüche für die für C. erbrachte
Jugendhilfeleistungen unterschiedliche Rechtsgrundlagen haben, werden die Zeit der
Vollzeitpflege (I.) und der institutionalisierten Hilfe (II.) sowie die Fragen der Verzinsung
(III.) im Folgenden getrennt abgehandelt.
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I:) Soweit die Klägerin mit dem Antrag zu 1.) die Kostenerstattung für die Zeit der
Vollzeitpflege vom 1. November 1995 bis 30. April 1999 erstrebt, ist der Klage in Höhe
von 24.210,69 EUR zu entsprechen.
32
Entgegen ihrer Auffassung kann die Klägerin ihr Erstattungsbegehren für den Zeitraum
der Gewährung der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege vom 1. November
1995 bis 30. April 1999 in der Sache allerdings nicht auf den den Schutz von
Einrichtungsorten sichernden Kostenerstattungsanspruch nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII
stützen.
33
Nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII ist der örtliche Träger zur Erstattung der Kosten verpflichtet,
in dessen Bereich die Person vor der Aufnahme in eine Einrichtung, eine andere
Familie oder sonstige Wohnform den gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn sich die
Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteiles, des
Kindes oder des Jugendlichen richtet und dieser in einer Einrichtung, einer anderen
Familie oder sonstigen Wohnform begründet worden ist, die der Erziehung, Pflege,
Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient.
34
Die Anwendung des § 89 e SGB VIII ist aber nur möglich bei Leistungen, bei denen sich
die Zuständigkeit nach § 86 Absätze 1 bis 5 SGB VIII richtet nicht aber einer
Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII. Hat sich die Zuständigkeit zunächst nach den
§ 86 Absätze 1 bis 5 SGB VIII gerichtet und ist deshalb ein Kostenerstattungsanspruch
nach § 89 e SGB VIII entstanden, so entfällt dieser mit der Begründung der
Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII,
35
so auch Wiesner in Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Aufl. 2000, §
89 e Rdnr. 2.
36
Zwar war die Klägerin im Jahr 1991 nicht nach dem damals geltenden § 85 Abs. 5 SGB
VIII, der eine inhaltlich vergleichbare Sondervorschrift über die örtliche Zuständigkeit für
die Vollzeitpflege wie der heutige § 86 Abs. 6 SGB VIII enthielt, zuständig geworden.
Denn zu Beginn der Hilfe im Januar 1991 hielt sich C. erst 9 Monate und somit noch
keine 2 Jahre in der Pflegefamilie G. auf. Zu Beginn des hier maßgeblichen Zeitraums -
also November 1995 - waren indes die Voraussetzungen des durch das 1. Gesetz zur
Änderung des Achten Buches vom 16. Februar 1993, BGBl. I S.239 eingeführten und
durch das 2. Gesetz zur Änderung des Achten Buches vom 15. Dezember 1995, BGBl. I
S. 1775 leicht modifizierten heutigen § 86 Abs. 6 SGB VIII gegeben, da das Pflegekind
länger als 2 Jahre in der Pflegefamilie G. untergebracht und sein Aufenthalt nach der
damaligen Prognose dort auf Dauer zu erwarten war.
37
Als Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Klägerin kommt deshalb
allein § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in Betracht.
38
Nach dieser Vorschrift sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit
nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der
zuvor zuständig war oder ohne die Regel des § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewesen
wäre. Diese Vorschrift wird durch § 89 a Abs. 3 SGB VIII dahin ergänzt, dass bei
Änderungen des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII während
der Hilfegewährung eines Jugendhilfeträgers der Jugendhilfeträger
kostenerstattungspflichtig wird, der ohne die Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII
zuständig wäre. Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher bei einer Pflegeperson und ist sein
Aufenthalt bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so wird nach § 86 Abs. 6 Satz
1 SGB VIII der Jugendhilfeträger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren
gewöhnlichen Aufenthalt hat. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet nach
39
§ 86 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII die Zuständigkeit nach Satz 1 dieser Vorschrift. § 86 Abs. 6
SGB VIII stellt eine Sonderregelung für die Dauerpflege nach § 33 SGB VIII dar und
durchbricht den Grundsatz des geltenden Jugendhilferechts, wonach ein Ortswechsel
des Kindes und Jugendlichen, der durch die Leistung bedingt ist, nicht zu einem
Zuständigkeitswechsel des Jugendhilfeträgers führt.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 89a SGB VIII liegen
hier vor. Die Klägerin erbrachte als nach § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständiger
Jugendhilfeträger im Zeitraum 1. November 1995 bis 17. April 1999 für den Vormund
und Onkel von C., Herrn G., nach den §§ 27, 33 SGB VIII Hilfe zur Erziehung in Form
der Vollzeitpflege. Im hier streitbefangenen Zeitraum lebte C. mehr als zwei Jahre bei
den Pflegeeltern G. und war - nach damaliger Prognose - auch sein Aufenthalt in dieser
Pflegefamilie auf Dauer zu erwarten.
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Ob hier der Beklagte als anderer Jugendhilfeträger zur Kostenerstattung verpflichtet ist,
bestimmt sich nach der Ermittlung der Zuständigkeit ohne die Regelung des § 86 Abs. 6
SGB VIII.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Jugendhilfeleistungen nicht erst zum hier
streitbefangenen Zeitraum ab dem 1. November 1995 aufgenommen wurden, sondern
bereits seit geraumer Zeit gewährt wurden.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dabei nicht auf den Zeitpunkt der
Herausnahme von C. aus dem Haushalt der Mutter abzustellen. Zwar hat im August
1987 der Kreis B. als örtlich zuständiger Jugendhilfeträger C. aus dem Haushalt der
Mutter herausgenommen und zunächst in einer Pflegefamilie, dann in einem Heim in F.
und anschließend in der Pflegefamilie G. untergebracht. Diese Jugendhilfeleistung
wurde aber mit der Unterbringung bei Familie G. am 13. März 1990 eingestellt, da nach
der damaligen Gesetzeslage (§§ 1 Abs. 3, 6 JWG) Jugendhilfeleistungen in Fällen der
sogenannten Verwandtenpflege in der Regel nicht möglich waren.
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Die Jugendhilfe wurde - unabhängig vom Datum des Inkrafttretens des SGB VIII zum 1.
Januar 1991 und der in dem neuen Gesetz zum Ausdruck gekommenen Bewertung der
Verwandtenpflege - von der Klägerin tatsächlich als Hilfe zur Erziehung in Form der
Vollzeitpflege erst zum Jahresbeginn 1991 wieder aufgenommen, so dass die Hilfe
zwischenzeitlich länger als acht Monate unterbrochen war. Die Hilfemodalitäten
einschließlich der örtlichen Zuständigkeit und der Kostenerstattung haben deshalb als
Beginn der Hilfe an die Verhältnisse zum Datum 1. Januar 1991 anzuknüpfen.
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Die dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten überzeugen nicht. Es kommt
nicht darauf an, ob der im März 1990 zuständige Jugendhilfeträger Kreis B. weiter Hilfe
hätte leisten müssen, sondern für das vorliegende Verfahren ist allein entscheidend,
dass er die Hilfe tatsächlich eingestellt hat. Ob er bei zutreffender Würdigung der
Modifizierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Hilfe hätte weiter führen
können, kann hier dahinstehen. Denn tatsächlich wurde im überwiegenden Teil des
Jahres 1990 keine Jugendhilfe geleistet sondern der Lebensunterhalt des Kindes durch
pauschalierte Sozialhilfe sichergestellt. Auch der Umstand, dass die Unterbringung von
C. im Zusammenwirken vom Kreisjugendamt B. und dem Jugendamt der Klägerin
erfolgte, gibt zu keiner abweichenden Beurteilung Anlass. Selbst der Umstand, dass der
allgemeine Sozialdienst des Jugendamtes der Klägerin die Verhältnisse in der
Pflegestelle beobachtete, macht die Angelegenheit nicht zu einer Fortführung einer
45
früheren Jugendhilfeleistung. Denn die beiden Hausbesuche, die während der
Einstellung der Hilfe ausweislich der dem Gericht vorliegenden Unterlagen gefertigt
wurden, dienten nicht der Sicherung oder der Kontrolle jugendhilferechtlicher
Maßnahmen. Vielmehr sollte das Amtsgericht B. unterrichtet werden, ob unter
Berücksichtigung der Entwicklung der persönlichen Beziehung des Pflegekindes in der
Pflegefamilie Bedenken gegen die Übertragung der Personensorge auf Herrn G.
bestehen. Zum andern wurden die Mitarbeiter der Klägerin von den Pflegeeltern bei
Geldproblemen mit dem Sozialamt zu Rate gezogen. Das Verhalten des Pflegekindes,
seine Entwicklung und sein Zurechtfinden in der Pflegefamilie sind in den
Aktenvermerken ebenso wenig thematisiert wie ein etwaiger pädagogischer
Beratungsbedarf der Pflegeeltern. Für die Annahme der Fortführung einer
jugendhilferechtlichen Betreuung reicht dies nicht aus.
Zum Datum 1. Januar 1991 lebte C. im Haushalt seiner Pflegeeltern im
Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt lebte das Kind bereits länger
als sechs Monate (seit August 1987) nicht mehr im Haushalt seiner Mutter. Da auf Grund
des Beschlusses des Amtsgerichts B. vom 7. März 1990 - 25 F 233/87 - beide Eltern
nicht mehr personensorgeberechtigt waren und zu diesem Zeitpunkt verschiedene
gewöhnliche Aufenthalte hatten, ist die Zuständigkeit für die Hilfegewährung nach § 86
Abs. 3 i.V.m Abs. 2 Satz 4 SGB VIII zu bestimmen. Zuständig ist danach der örtliche
Träger, in dessen Bereich das Kind in den letzten sechs Monaten vor Beginn der
Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das wäre hier in Anwendung der
Legaldefinition des § 30 Abs. 3 SGB VIII seit März 1990 die Klägerin, in deren örtlichen
Zuständigkeitsbereich die Pflegefamilie G.ihren Lebensmittelpunkt hat. Da aber die
Unterbringung in dieser Pflegefamilie vom Jugendamt des Kreises B. veranlasst worden
war, hätte dies ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII den das
Kostenerstattungsrecht durchdringenden Rechtsgedanken des Schutzes der
Einrichtungsorte, wie ihn der Gesetzgeber in § 89 e SGB VIII verankert hat, ausgelöst,
der auch alle vorhergehenden Orte, in denen C. seit dem 11. August 1987 Jugendhilfe
erhalten hatte, schützt. Maßgeblich wäre insoweit auf die letzten sechs Monate vor dem
11. August 1987 abzustellen, in denen das hilfebedürftige Kind - unstreitig - im
Zuständigkeitsbereich der Beklagten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
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Damit steht zugleich fest, dass die Beklagte der Klägerin die dieser nach § 86 Abs. 6
SGB VIII entstandenen Kosten für die Zeit vom 1. November 1995 bis 30. April 1999
Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege - soweit die Hilfegewährung rechtmäßig
war - nach § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dem Grunde nach zu erstatten hat.
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In § 89 f Abs. 1 SGB VIII hat der Gesetzgeber den Umfang der Kostenerstattung auf die
Leistungen beschränkt, die der Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz
entsprechen. Diese Schranke hat die Klägerin bei der Hilfegewährung beachtet; davon
ist auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Verwendung
öffentlicher Mittel auch die Belassung der wirtschaftlichen Jugendhilfe bei den
Eheleuten G. für den gesamten Monat April 1999 umfasst, obwohl der Jugendliche
bereits am 16. April 1999 aus der Pflegefamilie herausgenommen worden war. Bei
einem über neun Jahre lang bestehenden Pflegeverhältnis und unter Berücksichtigung
des Grades der Beanspruchung der wirtschaftlichen Jugendhilfe durch die Pflegeltern
kann davon ausgegangen werden, dass der Restbetrag von der Pflegefamilie zur
Deckung von Bedarfssituationen verwendet wurde, die durch das endgültige
Ausscheiden des Pflegekindes aus der Familie entstanden sind. Im Übrigen erscheint
hier im Hinblick auf die Höhe der Forderung und der Umstände der Beendigung des
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Pflegeverhältnises der Aufwand für ein Rückforderungsverfahren unangemessen.
Der Klageantrag zu 1.) ist deshalb in Höhe von 24.210,59 EUR begründet.
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II.) Hinsichtlich der Klageanträge zu 2.) und 3) stützt die Klägerin das
Kostenerstattungsbegehren zu Recht auf § 89 e SGB VIII. Denn eine
Ausnahmevorschrift wie § 86 Abs. 6 SGB VIII gibt es für die Hilfe zur Erziehung in Form
der Vollzeitpflege nach den §§ 27, 34 SGB VIIII nicht. Die oben unter I. näher
dargelegten tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm liegen vor. Ist - wie oben
ausgeführt - schon bei der Vollzeitpflege wegen des Schutzes der Einrichtungsorte, auf
den gewöhnlichen Aufenthalt von C. in den letzten sechs Monaten vor dem 11. August
1987 abzustellen, so gilt dies erst recht für die Hilfe zur Erziehung in Form der
Heimunterbringung bzw. einer betreuten Wohnform nach den §§ 27, 34 SGB VIII in der
Zeit vom 17. April 1999 bis zum 27. August 2001. Nach Überprüfung der Angaben der
Klägerin lässt sich nicht feststellen, dass sie in diesem Zusammenhang Leistungen
erbracht hat, die nicht der Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz entsprechen.
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Den Klageanträgen zu 2.) und 3.) ist deshalb in Höhe von 109.496,43 EUR zu
entsprechen.
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III.) Die Klägerin ist auch berechtigt, für ihre Kostenerstattungsansprüche, soweit sie
begründet sind, Prozesszinsen geltend zu machen. Insbesondere gibt es keine
Prinzipien des Jugendhilferechts die einer solchen Verzinsung entgegenstehen. Dies ist
in der höchstrichterlichen Rechtsprechung,
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BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2001 - 5 C 34.00 -, DVBl. 2001, 1067 ff.,
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geklärt. Die Klägerin hat deshalb für den mit dem Antrag zu 1.) verfolgten
Kostenerstattungsanspruch einen Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe in Anwendung
der §§ 288, 291 BGB ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung (22. November 1999).
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Auch für den Antrag zu 2.), der sich auf die Zeit vom 17. April 1999 bis zum 30. April
2000 erstreckt, besteht noch ein Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 4%.
Entgegen der Auffassung ist dieser Antrag aber nicht schon mit der Klageschrift vom 22.
November 1999 rechtshängig geworden, sondern erst am 7. Dezember 2001. An
diesem Tag ist der Schriftsatz der Klägerin vom 5. Oktober 2001 bei Gericht
eingegangen. Die Klägerin ist deshalb berechtigt, ab dem 7. Dezember 2001
Prozesszinsen in der genannten Höhe für einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe
von 46.214,86 EUR zu verlangen.
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Hinsichtlich des darüber hinaus reichenden Zinsanspruchs für den Antrag zu 2.) für die
Zeit vom 22. November 1999 bis zum 6. Dezember 2001 war die Klage abzuweisen.
Der in die Zukunft gerichtete Feststellungsantrag in der ursprünglichen Klageschrift
reicht für die Begründung eines Verzinsungsanspruchs nicht aus. Denn zu diesem
Zeitpunkt war die von der Beklagten zu erbringende Leistung weder bestimmt, noch
konkret bestimmbar. Die erstrebte Kostenerstattung war somit noch gar nicht fällig. Es
bestand für die Beklagte mangels Unkenntnis der Höhe der Forderung überhaupt keine
Möglichkeit seine Kostenerstattungspflicht zu erfüllen. Für noch nicht fällige
Forderungen können aber keine Prozesszinsen verlangt werden.
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Hinsichtlich des Antrags zu 3.) besteht ein Anspruch für eine Verzinsung gleichfalls ab
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dem 7. Dezember 2001. Auch die Höhe der Verzinsung mit 5 % über dem Basiszinssatz
ist rechtlich nicht zu beanstanden. Durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger
Zahlungen vom 30. März 2000, BGBl. I S. 330, wurde § 288 Abs. 1 BGB entsprechend
für Forderungen, die nach dem 30. April 2000 erstmals fällig werden, geändert. Die
Klägerin ist deshalb berechtigt, ab dem 7. Dezember 2001 Prozesszinsen in der
genannten Höhe für einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 63.281,57 EUR zu
verlangen.
Die Klage unterlag hinsichtlich der Prozesszinsen für den Antrag zu 3.) der Abweisung
für den Zeitraum vom 1. Mai 2000 bis zum 6. Dezember 2001. Insoweit wird auf die
obigen Ausführungen hinsichtlich des unbegründeten Prozesszinsenanspruchs für den
Antrag zu 2. Bezug genommen.
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Soweit die Klägerin die am 7. Dezember 2001 zusätzlich anhängig gemachte
Feststellungsklage auf Kostenerstattung für die Zeit nach dem 27. August 2001 im
Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2003 zurückgenommen und auch die
zunächst geltend gemachten Erstattungsbeträge für die Zeit vom 17. April 1999 bis zum
27. August 2001 reduziert hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 und 2, 188 Abs. 2 VwGO und
berücksichtigt bei der Quotelung das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der
Beteiligten einschließlich der durch Klagerücknahme der gerichtlichen Entscheidung
entzogenen Streitgegenstände. Zwar ist durch Art. 1 Nr. 26 des Gesetzes zur
Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess - RmBereinVpG - vom 20.
Dezember 2001, BGBl. I., S. 3987, in § 188 Satz 2 VwGO der Punkt durch ein
Semikolon ersetzt und ein Halbsatz hinzugefügt worden, wonach die
Gerichtskostenfreiheit nicht für Erstattungsverfahren zwischen Sozialleistungsträgern
gilt. Nach der Neufassung des § 194 Abs. 5 VwGO, die dieser durch Art. 1 Nr. 28
RmBereinVpG erfahren hat, gilt diese Neuregelung aber nur für die
Erstattungsverfahren, die ab dem 1. Januar 2002 bei Gericht anhängig werden.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §
709 ZPO.
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