Urteil des VG Aachen vom 09.07.2010
VG Aachen (demokratische republik kongo, bundesrepublik deutschland, antragsteller, aufschiebende wirkung, aufenthaltserlaubnis, antrag, genfer flüchtlingskonvention, ausländer, abschiebung, wirkung)
Verwaltungsgericht Aachen, 8 L 151/10
Datum:
09.07.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 L 151/10
Tenor:
Dem Antragsteller wird für das Verfahren erster Instanz
Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab Antragstellung bewilligt,
soweit er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom
16. April 2010 (8 K 679/10) hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung
des Antragsgegners vom 31. März 2010 enthaltenen
Abschiebungsandrohung begehrt. Im Übrigen wird der Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 16. April
2010 (8 K 679/10) wird hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung des
Antrags-gegners vom 31. März 2010 enthaltenen
Abschiebungsandrohung angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag auf
vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 2/3 und der
Antragsgegner zu 1/3.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
1. Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage
vom 16. April 2010 (8 K 679/10) hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 31. März 2010 enthaltenen Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis
begehrt, ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt, nicht
die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz
1 ZPO).
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2. Der - sinngemäß gestellte - Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 16. April 2010 (8 K 679/10) gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 31. März 2010 sowohl hinsichtlich der
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darin enthaltene Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als auch
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen,
hat in dem tenorierten Umfang Erfolg.
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Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in
Bezug auf die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 31. März 2010
enthaltene Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, lässt die
Kammer es dahinstehen, ob der Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 84
Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bereits unzulässig ist, weil die ablehnende Entscheidung der
Ausländerbehörde nicht den Verlust einer bestehenden Rechtsposition des
Antragstellers zur Folge hatte, da seinem - formlos gestellten - Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis vom 14. September 2007 nicht die hier allein in Betracht zu
ziehende Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zukam,
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vgl. Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz (GK-AufenthG),
Band 3, Stand: Januar 2010, § 81 Rn. 60 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Januar
2004 - 19 B 1737/02 - und vom 15. März 2004 - 19 B 106/04 -.
7
Nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich
rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, und die
Erteilung eine Aufenthaltstitels beantragt, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde
als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung
bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt (Satz 2).
Aus der systematischen Stellung des Satzes 2 folgt, dass für den Eintritt der
Aussetzungsfiktion erforderlich ist, dass der Ausländer sich - wie in Satz 1 vorausgesetzt
- zunächst rechtmäßig ohne Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG im
Bundesgebiet aufgehalten und den Erlaubnisantrag dann verspätet, also nach Ablauf
des rechtmäßigen titelfreien Aufenthalts gestellt hat. Der Antragsteller war zwar im
Besitz eines am 2. Juni 2003 in B. ausgestellten bis zum 26. Mai 2008 gültigen
niederländischen Aufenthaltstitels ("Verblijfsdocument"), der ihn nach Maßgabe von Art.
21 Abs. 1 SDÜ auch zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigte, allerdings
höchstens bis zu drei Monaten ab der - wie sich aus der Bezugnahme auf die
Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 SDÜ ergibt - Einreise in das Bundesgebiet.
Wann der Antragsteller in das Bundesgebiet eingereist ist, steht vorliegend allerdings
nicht fest. Die Ausländerbehörde erhielt vom Aufenthalt des Antragstellers im
Bundesgebiet erstmals aufgrund einer Anzeige vom 6. Juni 2007 Kenntnis. Ausweislich
der Feststellungen im Strafbefehl des Amtsgerichts B1. vom 17. September 2007 hielt
der Antragsteller sich aber bereits zum Tatzeitpunkt der Unterschlagung am 30. März
2007 in Aachen auf. Nach den Angaben der Lebensgefährtin des Antragstellers in dem -
erfolgreichen - Antrag auf Unterlassung gemäß § 1 GewSchG vom 22. Dezember 2009
pflegten sie und der Antragsteller zudem seit 5 Jahren eine Beziehung und die
gemeinsame Wohnung "K. Str. 374 in B1. " wurde bereits am 1. Oktober 2006 von ihnen
zusammen angemietet. Der Aufenthalt des Antragstellers war damit bezogen auf jeden
denkbaren Einreisezeitpunkt zur Zeit der Antragstellung am 14. September 2009
jedenfalls nicht mehr rechtmäßig im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Die sich
dann stellende Frage, ob bezogen auf einen möglichen Einreisezeitpunkt bereits vor
dem 1. Oktober 2006 - oder auch früher - die Antragstellung am 14. September 2009 und
damit nach Ablauf von knapp einem Jahr - und ggf. mehr - noch als "verspätet" im Sinne
des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG anzusehen ist oder ob es insoweit an einem auch in
diesem Zusammenhang zu fordernden zeitlich-inneren Zusammenhang fehlte, so dass
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der Eintritt der Aussetzungsfiktion ausgeschlossen ist,
vgl. hierzu: Funke-Kaiser in GK-AufenthG, a.a.O., § 81 Rn. 20.2 m.w.N.; OVG NRW,
Beschluss vom 23. März 2006 - 18 B 120/06 -, InfAuslR 2006, 448 zu § 81 Abs. 4
AufenthG,
9
bedarf hier keiner abschließenden Klärung.
10
Denn der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 80
Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen
Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem
Individualinteresse des Betroffenen an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung
überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse. Bei der im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der
Rechtslage erweist sich die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als
offensichtlich rechtmäßig, so dass hier - entsprechend der gesetzgeberischen Wertung
in § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG - dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang
einzuräumen ist.
11
Der Antragsgegner hat die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in nicht zu
beanstandender Weise abgelehnt. Dem Antragsteller steht nach dem gegenwärtigen
Sach- und Streitstand kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu.
12
Er kann eine Aufenthaltserlaubnis zunächst nicht zum Zwecke der Herstellung und
Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 27
Abs. 1 AufenthG beanspruchen, weil eine Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen B2.
V. nach wie vor nicht geschlossen ist.
13
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 4
Satz 1 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann einem
nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt
eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange u.a. dringende humanitäre oder
persönliche Gründe - wozu auch eine beabsichtigte Eheschließung zählen kann, sofern
diese unmittelbar bevorsteht -,
14
vgl. Burr in GK-AufenthG, a.a.O., Band. 2, § 25 Rn. 74 m.w.N.; Urteil der Kammer vom
15. Dezember 2009 - 8 K 633/08 -,
15
seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Der Antragsteller fällt
jedoch schon nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift. Denn er
war - im Zeitpunkt der Antragstellung - vollziehbar ausreisepflichtig, weil er nicht im
Besitz eines nach § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitels war (§ 50 Abs. 1
AufenthG) und den Erlaubnisantrag - wie dargelegt - jedenfalls nach Ablauf seines
rechtmäßigen titelfreien Aufenthalts nach Art. 21 SDÜ gestellt hat (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr.
2 AufenthG). Selbst wenn der Antrag die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 2
AufenthG ausgelöst hätte, rechtfertigte dies keine andere Beurteilung, weil die
Aussetzungsfiktion nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung erst ab dem
Zeitpunkt der Antragstellung eintritt und darüber hinaus - wie auch die eigentliche
Duldung nach § 60 a Abs. 2 AufenthG - die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht unberührt
lässt,
16
vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: April 2010, Band 2, § 81 Rn. 25.
17
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG scheidet
ebenfalls aus, weil die Vorschrift, die eine eigenständige, vom Vorliegen der
Voraussetzungen des Satzes 1 unabhängige Anspruchsgrundlage darstellt (vgl. BT-Drs.
15/420, S. 80), lediglich die Verlängerung eines bereits bestehenden Aufenthaltstitels -
im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - ermöglicht,
18
vgl. Burr in GK-AufenthG, a.a.O., Band 2, § 25 Rn. 89 ff.
19
Vorliegend fehlte es aber gerade an dem Besitz eines verlängerungsfähigen -
nationalen - Aufenthaltstitels des Antragstellers. Abgesehen davon sind Anhaltspunkte
für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte im Sinne der Vorschrift, die aufgrund
besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiet als unzumutbar
erscheinen lassen, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Der Antragsteller kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch nicht gemäß § 25
Abs. 5 Satz 1 und 2 AufenthG verlangen. Danach kann einem Ausländer, der - wie der
Antragsteller - vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG
eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder
tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in
absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn
die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist (Satz 2).
21
Die Ausreise des Antragstellers erweist sich im Hinblick auf die hier allein geltend
gemachte Absicht der Eheschließung jedoch nicht aufgrund der Schutzwirkungen des
Art. 6 Abs. 1 GG aus rechtlichen Gründen als unmöglich. Dabei unterstellt die Kammer
zugunsten des Antragstellers das Fortbestehen einer ernsthaften
Eheschließungsabsicht ungeachtet der Zweifel, die durch den Beschluss des
Amtsgerichts Aachen vom 22. Dezember 2009, mit dem gegen den Antragsteller u.a. ein
auf 4 Monate befristetes Näherungs- und Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz
verhängt wurde, im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Erklärung
seiner Lebensgefährtin vom 12. März 2010 begründet worden sind.
22
Im Falle einer beabsichtigten Eheschließung kann Art. 6 Abs. 1 GG mit Blick auf die von
ihm gewährleistete Eheschließungsfreiheit Vorwirkungen auch in aufenthaltsrechtlicher
Hinsicht entfalten, die auf eine Unmöglichkeit der Abschiebung und damit auch der
freiwilligen Ausreise führen können. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn eine
Eheschließung mit einem Deutschen oder einem Ausländer, der einen gesicherten
Aufenthaltstitel besitzt, unmittelbar bevorsteht,
23
vgl. Burr in GK-AufenthG, a.a.O., § 25 Rn. 74; Ziff. 25.4.2.3 der Vorläufigen
Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 22. Dezember 2004
(VAH des BMI); Rn. 300 zu § 60 a Satz 2 AufenthG der Hinweise des
Bundesministeriums des Innern zum Richtlinienumsetzungsgesetz vom 2. Oktober
2007; Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23 Mai 2008
- 15-39.10.01 - Eheschließung, S. 4.
24
Wann eine Eheschließung unmittelbar bevorsteht, wird allerdings unterschiedlich
beurteilt. Nach einer Auffassung steht die Eheschließung erst dann unmittelbar bevor,
wenn ein konkreter Termin für die Eheschließung feststeht, ohne dass es für die Prüfung
25
auf die Umstände ankommt, auf die andernfalls das Fehlen eines konkreten Termins
zurückzuführen ist,
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. August 2003 - 18 B 1532/03 - und vom 15. Mai
2002 - 18 B 750/02 -.
26
Nach anderer Ansicht steht die Eheschließung unmittelbar bevor, wenn unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls neben der hinreichenden
Bestimmbarkeit eines Eheschließungstermins alle formellen und materiellen
Voraussetzungen für die beabsichtigte Eheschließung vorliegen, deren Erfüllung in die
Verantwortungssphäre der Verlobten fällt, diese also alles in ihrer
Verantwortungssphäre Liegende getan haben, um etwaige rechtliche Hindernisse für
die Eheschließung zu beseitigen,
27
vgl. VGH BW, Beschluss vom 13. November 2001 - 11 S 1848/01 -, InfAuslR 2002, 228;
OVG Saarland, Beschluss vom 21. August 2000 - 3 B 3/00 -, Juris.
28
Dem entspricht im Wesentlichen die bisherige Auffassung des Bundesministeriums des
Innern, wonach eine Eheschließung unmittelbar bevorsteht, wenn entweder das
erforderliche Ehefähigkeitszeugnis für den Ausländer vorliegt oder dem zuständigen
Standesamt sämtliche für die Befreiung von der Beibringung des
Ehefähigkeitszeugnisses erforderlichen Unterlagen vorliegen. Soweit vom
Standesbeamten noch die Legalisation von Unterlagen für erforderlich gehalten werde,
gehe dies allerdings zu Lasten der Betroffenen,
29
vgl. Ziff. 30.0.6 der VAH des BMI; Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 23 Mai 2008 - 15-39.10.01 - Eheschließung, S. 3.
30
Nunmehr wird vom Bundesministerium des Innern jedoch vertreten, dass eine
Eheschließung erst unmittelbar bevorsteht, wenn das - durch die Anmeldung der
Eheschließung beim zuständigen Standesamt eingeleitete - Verwaltungsverfahren zur
Prüfung der Ehefähigkeit des Ausländers nachweislich abgeschlossen ist. Der
Abschluss des Anmeldeverfahrens kann durch eine vom zuständigen Standesamt
ausgestellte Bescheinigung nachgewiesen werden,
31
vgl. Ziff. 30.0.6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG des
Bundesministeriums des Innern vom 26. Oktober 2009 - AllgVwV (GMBl. 2009 Nr. 42 -
61).
32
Es kann hier letztlich dahin gestellt bleiben, unter welchen Umständen von einem
unmittelbaren Bevorstehen der Eheschließung auszugehen ist. Denn nach keiner der
genannten Auffassungen ist dies vorliegend der Fall. Ausweislich der Mitteilung des
Standsamtes an die Kammer vom 7. Juli 2010 hat der Antragsteller nach wie vor nicht
die für eine Anmeldung der Eheschließung bzw. zunächst für die Prüfung des Antrags
auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses erforderlichen
Urkunden beim Standesamt vorgelegt, so dass das Standesamt bisher weder die
erforderliche Prüfung sämtlicher Urkunden durch die Deutsche Botschaft in Kinshasa im
Wege der Amtshilfe veranlassen, noch den Antrag auf Befreiung von der Beibringung
des Ehefähigkeitszeugnisses dem Oberlandesgericht L. vorgelegen konnte. Steht
danach aber jedenfalls noch eine Legalisierung der für die Befreiung von der
Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses und damit für die Anmeldung zur
33
Eheschließung erforderlichen Personenstandsurkunden des Antragstellers aus, kann
von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung nicht gesprochen werden. Dies
gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass der Antragsteller und seine
Lebensgefährtin das Eheschließungsverfahren bereits seit Februar 2008 - wenn nicht
sogar seit Juni 2006 (vgl. Bl. 18 der Ausländerakte) - betreiben. Das Versäumnis, die zur
Anmeldung der Eheschließung bzw. zur Befreiung von der Beibringung des
Ehefähigkeitszeugnisses erforderlichen Urkunden beizubringen, fällt jedoch in aller
Regel in die Verantwortungssphäre des heiratswilligen Ausländers.
Andere Gründe, aus denen sich die Ausreise des Antragstellers aus der Bundesrepublik
Deutschland dauerhaft als rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich darstellen könnte,
sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.
34
Schließlich kann der Antragsteller nach dem gegenwärtigen Sachstand die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis auch nicht mit Blick darauf beanspruchen, dass er nach den
Feststellungen der Ausländerbehörde wohl in den Niederlanden als Asylberechtigter
anerkannt worden ist (vgl. Bl. 44 der Ausländerakte).
35
Die insoweit allenfalls in Betracht zu ziehenden Bestimmungen der §§ 25 Abs. 1 und 25
Abs. 2 AufenthG setzen eine - sich auf das Bundesgebiet beziehende - An- bzw.
Zuerkennungsentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge voraus (§§
4, 5 Abs. 1 AsylVfG), woran es im Falle einer Asylanerkennung durch einen andere
Staat - wie möglicherweise hier - jedoch fehlt.
36
Insbesondere ist auch weder etwas dafür vorgetragen noch aufgrund der bisherigen
Erkenntnislage sonst ersichtlich, dass die Verantwortung für den Antragsteller sei es
nach Maßgabe von Art. 28 Abs. 1 GFK i.V.m. § 11 des Anhangs zur GFK, sei es nach
Maßgabe von Art. 2 des Europäischen Übereinkommens über den Übergang der
Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 - FlüVÜbk -, dem die
Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz vom 30. September 1994 (BGBl. 1994 II, S.
2645) zugestimmt hat, auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist, mit der
Folge dass die Anerkennungsentscheidung des ausländischen Staates auch in der
Bundesrepublik Deutschland gilt (vgl. BT-Drs. 13/4948, S. 11 zu § 73 a AsylVfG).
Abgesehen davon, dass beide Bestimmungen im Grundsatz voraussetzen, dass der
Flüchtling sich im Gebiet des Aufnahmestaates rechtmäßig niedergelassen hat (vgl. §
11 Anhang zur GFK) bzw. ihm der Aufenthalt vom Aufnahmestaat dauernd oder länger
als für die Gültigkeit des Reiseausweises gestattet worden ist (vgl. Art. 2 Abs. 1
FlüVÜbk), woran es hier jedoch gerade fehlt, hat der Antragsteller bereits zu keinem
Zeitpunkt einen von den niederländischen Behörden ausgestellten Reiseausweis für
Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK vorgelegt,
37
vgl. ebenso VGH Bayern, Beschluss vom 13. Oktober 2008 - 10 ZB 08.2470 -, juris.
38
Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage
gegen die in der Ordnungsverfügung enthaltene Abschiebungsandrohung begehrt, ist
hingegen der Antrag gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 8 AG VwGO NRW
zulässig und auch begründet.
39
Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das private Interesse
des Antragstellers an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung - vorerst - das
öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen
40
Verwaltungsaktes. Es bestehen nämlich durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung, soweit dem Antragsteller darin die
Abschiebung in sein Heimatland - die Demokratische Republik Kongo - angedroht wird.
Zwar sind die gesetzlichen Vorgaben für den Erlass einer Abschiebungsandrohung
nach §§ 59, 50 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich erfüllt. Der Antragsteller ist - wie dargelegt
- ausreisepflichtig (vgl. § 50 Abs. 1 AufenthG). Auf die Vollziehbarkeit der
Ausreisepflicht, die sich hier im Übrigen gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aus
der verspäteten Antragstellung ergibt, kommt es für die Rechtmäßigkeit der
Abschiebungsandrohung hingegen nicht an,
41
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 18 A 2620/08 -, juris; Beschluss der
Kammer vom 31. Juli 2009 - 8 L 254/09 -.
42
Auch steht dem Erlass der Abschiebungsandrohung das Vorliegen etwaiger
Abschiebungsverbote gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Dies gilt
selbst für den Fall, dass ein Ausländer abgeschoben werden soll, bei dem die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen (vgl. § 60 Abs. 10 Satz 1
AufenthG). Allerdings ist beim Vorliegen von Abschiebungsverboten nach Maßgabe von
§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG und von § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG in der
Abschiebungsandrohung der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht
abgeschoben werden darf.
43
Davon ausgehend spricht vorliegend Erhebliches dafür, dass der Antragsgegner dem
Antragsteller zu Unrecht die Abschiebung in sein Heimatland - die Demokratische
Republik Kongo - angedroht hat. Denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand, wie
er sich aus der Ausländerakte ergibt, weist Einiges darauf hin, dass der Antragsteller in
den Niederlanden als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) - GFK - anerkannt worden ist. Nach
der - nationalen - Bestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG besteht das
Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der das in Art. 33 Abs. 1 GFK
verankerte Refoulement-Verbot für Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 GFK konkretisiert,
jedoch ausdrücklich auch für solche Ausländer, die außerhalb des Bundesgebiets als
ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
anerkannt worden sind. Einer gesonderten Feststellung des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge zum Vorliegen des Flüchtlingsstatus bedarf es in diesen Fällen, wie
sich unmittelbar aus § 60 Abs. 1 Satz 6 AufenthG ergibt ("außer in den Fällen des
Satzes 2"), gerade nicht. Vielmehr hat die Ausländerbehörde die Zulässigkeit einer
Abschiebung in Anknüpfung an die formale Rechtsstellung als Flüchtling bei Erlass
einer Abschiebungsandrohung selbst zu prüfen,
44
vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. November 2006 - 1 B 30.06 (1 C 40.06) -, juris, Rn. 2;
OVG Niedersachsen, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 11 LB 193/04 -, InfAuslR 2006, 58
= juris, Rn. 38; OVG NRW, Beschluss vom 4. Februar 1999 - 21 A 4014/98.A -, juris;
Treiber in GK-AufenthG, Band 3, § 60 Rn. 205.
45
Zwar wird die Flüchtlingsstellung im Sinne des Art. 1 GFK regelmäßig durch einen
Reiseausweis für Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK dokumentiert, woran es im Fall
des Antragstellers - wie dargelegt - jedoch fehlt. Allerdings ergeben sich aus der
Ausländerakte gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die
Rechtsstellung als Flüchtling nach wie vor inne hat. So haben die niederländischen
46
Behörden ("Vreemdelingendienst Heerlen") der Ausländerbehörde des Antragsgegners
unter dem 12. Januar 2010 mitgeteilt, dass der Antragsteller das Aufenthaltsrecht, das
inzwischen allerdings erloschen sei, weil der Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis
nicht innerhalb eines Jahres nach deren Ablauf verlängert habe, aufgrund der
Anerkennung seines Asylstatus besessen habe. Gleichzeitig teilte der zuständige
Sachbearbeiter mit, dass ein Asylberechtigter in den Niederlanden seinen Asylstatus -
anders als dies § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG vorsieht - nicht dadurch verliere, dass er - wie
der Antragsteller - einen Nationalpass des Landes seiner Staatsangehörigkeit annehme,
sondern vielmehr erst durch Einreise in den Heimatstaat (vgl. Bl. 44 der Ausländerakte).
Vor diesem Hintergrund erscheint es hinreichend wahrscheinlich, dass ungeachtet des
Erlöschen des Aufenthaltsrechts für die Niederlande der Asylstatus des Antragstellers
und damit wohl auch dessen Rechtsstellung als Flüchtling im Sinne der Genfer
Flüchtlingskonvention noch fortbesteht, mit der Folge, dass er gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2
i.V.m. Satz 1 AufenthG nicht in die Demokratische Republik Kongo abgeschoben
werden darf.
Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass sich der danach bestehende
Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG lediglich auf den
Heimatstaat des Antragstellers, nicht jedoch auf sonstige sichere Drittstaaten erstreckt.
Dem Antragsgegner bleibt es daher unbenommen - nach abschließender Klärung des
Flüchtlingsstatus des Antragstellers ggf. unter Einschaltung der zuständigen
niederländischen Behörden oder auch des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge -
die Abschiebungsandrohung in Bezug auf den Abschiebezielstaat entsprechend zu
ändern und sodann ggf. einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu
stellen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2
GKG. Das Antragsinteresse ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter dieses
Verfahrens in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Auffangwertes (5.000,- EUR)
entsprechend Ziffer 8.1 i.V.m. 1.5 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 7./8. Juli 2004 ausreichend und angemessen
berücksichtigt.
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