Urteil des VG Aachen vom 05.03.2004
VG Aachen: form, vorverfahren, widerspruchsverfahren, kontrolle, miete, behandlung, sozialhilfeleistung, sachprüfung, bekanntmachung, erwerbsunfähigkeit
Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 2447/00
Datum:
05.03.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 2447/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Tatbestand:
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Der Kläger zu 1.) bezieht aufgrund einer schweren Erkrankung, die Erwerbsunfähigkeit
zur Folge hat, seit längerem eine Rente auf Zeit. Die im hier maßgeblichen Zeitraum aus
sechs Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft, die in der Vergangenheit bereits
mehrfach Sozialhilfe bezogen hatte, beantragte zum 1. Juni 1999 erneut ergänzende
Hilfe zum Lebensunterhalt. Zu diesem Zeitpunkt verfügte sie über Einkommen aus
Erwerbsunfähigkeitsrente, Kindergeld und "spitz berechnetem Wohngeld" -
sogenanntes "Tabellenwohngeld" - in Höhe von monatlich 548,00 DM. Zum oben
genannten Zeitpunkt der Beantragung der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt hatte
das Wohnungsamt des Beklagten das "spitz berechnete Wohngeld" für den Zeitraum bis
zum 30. Juni 2000 bewilligt.
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Ausweislich eines Aktenvermerks vom 21. Juli 2000 sollte nach Absprache mit dem
Wohnungsamt des Beklagten vom Sozialamt zukünftig "pauschaliertes Wohngeld"
gezahlt werden. Diese Lösung wurde im Bescheid vom 21. Juli 2000 umgesetzt, mit
dem die Hilfe für die Monat Juli und August 2000 neu festgesetzt wurde; dort wurde bei
der Hilfegewährung erstmals "pauschaliertes Wohngeld" zugrundegelegt, das sich
monatlich auf 457,00 DM belief. Das Wohnungsamt des Beklagten lehnte mit Bescheid
vom 28. August 2000 den Antrag auf "Tabellenwohngeld" wegen der Gewährung
"pauschalierten Wohngeldes" durch das Sozialamt ab.
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Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er könne den Übergang vom
"Tabellenwohngeld" zum "pauschalierten Wohngeld", das darüber hinaus noch 100,00
DM geringer ausfalle, nicht nachvollziehen. An seinem Einkommen oder seinen
persönlichen Verhältnissen habe sich nichts geändert.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2000, als Einschreiben zur Post
gegeben am 22. September 2000, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet
zurück. Er ist der Auffassung, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen ab dem 1. Juli
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2000 den Klägern nur noch das "pauschalierte Wohngeld" zustehe. Dessen Höhe
berechne sich pauschal nach einem Vomhundertsatz von 49,2 % der Miete. Da letztere
sich auf 928,10 DM belaufe, ergebe dies ein pauschaliertes Wohngeld in Höhe von
457,00 DM. Die Kläger erlitten durch die Absenkung des Wohngeldes um 101,00 DM
auch keinen Nachteil, weil die nach Gegenüberstellung des Bedarfs in Form der
Unterkunftskosten und der Einkünfte in Form von pauschaliertem Wohngeld
verbleibende Lücke vom Sozialamt im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt gedeckt
werde.
Die Kläger haben am 23. Oktober 2000 Klage erhoben. Sie halten daran fest, dass sie
die Umstellung von "Tabellenwohngeld" auf "pauschaliertes Wohngeld" nicht
nachvollziehen können, insbesondere nachdem ihnen ab dem 1. Januar 2001 wieder
Tabellenwohngeld in Höhe von 549,38 DM gezahlt werde. Es sei auch nicht
nachvollziehbar, wieso der Beklagte zur Auffassung komme, sie erlitten durch die
Umstellung keinen Nachteil, denn in jedem Fall fehlten ihnen monatlich 100,00 DM.
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Die Kläger beantragen (sinngemäß), den Beklagten unter Abänderung des Bescheides
vom 21. Juli 2000 und unter Aufhebung des Widerspruchbescheides vom 21.
September zu verpflichten, für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2000
Tabellenwohngeld in Höhe von 548,00 DM zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er tritt der Klage unter Bezugnahme auf die streitbefangenen Bescheide entgegen.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 22. Mai 2002 den Rechtstreit auf den Einzelrichter
übertragen.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakte Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der Ladung konnte das Gericht trotz
Ausbleibens der Kläger verhandeln und entscheiden, vgl. § 102 Abs. 2 VwGO.
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Die Klage ist teilweise unzulässig.
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Soweit sich die Klage der anwaltlich nicht vertretenen Kläger gegen die
sozialhilferechtliche Behandlung ihrer Ansprüche auf Wohngeld richtet, ist sie nur
hinsichtlich des Zeitraum vom 1. Juli 2000 (Neuregelung durch Bescheid vom 21. Juli)
bis 30. September 2000 (Ende des Monats, in dem der Widerspruchsbescheid erging)
zulässig. Soweit das unbefristet zur Entscheidung gestellte Begehren über diesen
Zeitraum hinausreicht, ist die Klage unzulässig. Die Kläger haben zwar keinen
ausdrücklichen Klageantrag gestellt. Unter Würdigung des Vortrags in der
Klagebegründung geht das erkennende Gericht aber davon aus, dass sich ihr Begehren
auf den Zeitraum erstreckt, in dem der Bedarfsgemeinschaft lediglich "pauschaliertes
Wohngeld" und kein "Tabellenwohngeld" gewährt wurde. Dies ist nach der
Klagebegründung der Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2000. Von der
Unzulässigkeit der Klage betroffen - und damit dem Gericht einer Überprüfung in der
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Sache entzogen - ist somit die Hilfegewährung für die Monate Oktober bis Dezember
2000. Denn nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist Sozialhilfe, die
auch die Deckung des Unterkunftsbedarfs mit umfasst, keine rentengleiche
Dauerleistung, sondern wird unter Berücksichtigung des Bedarfs einerseits und der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Hilfe Suchenden jeweils nur
zeitabschnittsweise - in der Regel für einen Monat - bewilligt. Weiter kann nach
ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung der Anspruch auf Leistungen der
Sozialhilfe grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum
Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger
der Sozialhilfe den Hilfefall selbst geregelt hat. Dieser Zeitraum beginnt in der Regel mit
dem Monat des Sozialhilfebezugs, in dem die Hilfe erstmals beantragt wurde oder eine
neue, von der bisherigen Bewilligung abweichende Form der Hilfegewährung getroffen
wurde. Die "Regelung durch den Sozialhilfeträger" endet im Grundsatz - also wenn
nichts anderes ausdrücklich bestimmt ist oder sich aufdrängt - mit dem Ende des
Monats, in dem der Widerspruchsbescheid ergeht. Dabei ist auch zu bedenken, dass es
nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist, einen Hilfefall unter Kontrolle zu halten.
Schließlich fehlt es bezüglich des Zeitraums ab dem 1. Oktober 2000 an einem bei der
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach den §§ 68 VwGO vorgeschriebenen
Vorverfahren. Dabei ist hier noch zu berücksichtigen, dass das Widerspruchsverfahren
durch § 114 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), der eine Beteiligung sozial
erfahrener Personen vorschreibt, eine gegenüber den Regelungen der §§ 68 ff VwGO
besondere Ausgestaltung erfahren hat. Dies schließt es aus, Zeiträume für die kein
Vorverfahren stattgefunden hat, in die gerichtliche Überprüfung miteinzubeziehen,
Die Klage ist weiter unzulässig, soweit die Kläger "Tabellenwohngeld "nach den §§ 23
ff Wohngeldgesetz -WoGG -, hier anzuwenden in der Bekanntmachung der Neufassung
vom 1. Februar 1993 BGBL. I S. 183 ff, zuletzt geändert durch Art. 4 des
Wohngeldänderungsgesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl. I S. 2671, erstreben.
"Tabellenwohngeld" kann nämlich nur die Wohngeldstelle und nicht das Sozialamt
bewilligen. Darüber hinaus fehlt es insoweit am erforderlichen Vorverfahren nach den
§§ 68 VwGO der für das "Tabellenwohngeld" zuständigen Behörden. Zwar ist aus den
dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgängen des Sozialamtes ersichtlich, dass die
Kläger bei der Wohngeldstelle den nach § 23 WoGG erforderlichen Antrag auf
"Tabellenwohngeld" gestellt hatten und dass dieser Antrag von der Wohngeldstelle mit
Bescheid vom 28. August 2000 wegen der Zahlung pauschalierten Wohngeldes durch
das Sozialamt abgelehnt wurde. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Kläger dagegen
Widerspruch eingelegt und nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage erhoben
haben, so dass diese negative Entscheidung der Wohngeldstelle mittlerweile
bestandskräftig ist. Auf diesem Wege hätte die Kläger aber vorgehen müssen, um ihr
Ziel - Bezug von "Tabellenwohngeld" - zu erreichen.
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Ohne in eine konkrete Sachprüfung einzutreten, sei darauf hingewiesen, dass
hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der hier im Streit stehenden Bewilligung von
"pauschaliertem Wohngeld" erhebliche Bedenken bestehen. Bei der weiteren
Sachbearbeitung im Widerspruchsverfahren hätte die Widerspruchsbehörde nach
Vorlage des Sozialhilfebescheides überprüfen müssen, ob den Klägern zu Unrecht
"pauschaliertes Wohngeld" gewährt wurde, weil das Sozialamt die zu Gunsten der
Kläger bestehende Schutzvorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 1 WoGG möglicherweise nicht
beachtet hat. Denn das "pauschalierte Wohngeld" (457,00 DM) ist höher als die den
Klägern zustehende laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (ausweislich des Bescheides
vom 21. Juli 2000 im Monat Juli 2000 ohne Einbehaltung 299,05 DM und in den
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Folgemonaten ab August 2000 149,05 DM). Die dem Beklagten bei der Anwendung
dieser Vorschrift möglicherweise vorschwebende Berechnung - Erhöhung der
ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt um das pauschalierte Wohngeld als
Sozialhilfeleistung - unterläge rechtlichen Bedenken. Gegen diese Auffassung könnte
zum einen der klare Wortlaut des § 31 Abs. 4 Nr. 1 WoGG sprechen. Zum andern würde
ansonsten unberücksichtigt bleiben, dass gerade bei der ergänzenden Hilfe zum
Lebensunterhalt das "Tabellenwohngeld" als gegenüber der Sozialhilfe vorrangige
Sozialleistung den Hilfe Suchenden unabhängiger von der Sozialhilfe (vgl. § 2 BSHG)
macht. Den einzigen Vorteil, den der Beklagte als örtlicher Sozialhilfeträger von der hier
vorgenommenen Verfahrensweise hatte, bestand darin, durch höhere Einbehaltungen
eine frühere Überzahlung von Sozialhilfe einziehen zu können, ein Zweck der für die
Bestimmung der den Klägern zustehenden Form des Wohngeldes mit Sicherheit ohne
Bedeutung sein muss. Nur durch die höhere Einbehaltung von jetzt 100,00 DM kam es
vermutlich auch dazu, dass die Kläger - im Grunde irrig - annahmen, den Unterschied
zwischen "spitz berechnetem Wohngeld" und "pauschalierten Wohngeld" in Höhe von
101 DM wirke sich in dieser Höhe zu ihren Lasten aus.
Die Klage ist ferner unzulässig, soweit das Begehren der Kläger bei verständiger
Auslegung dahin zu verstehen sein sollte, dass sie die Aufhebung der streitbefangenen
Bescheide begehren, soweit dort pauschaliertes Wohngeld bewilligt wurde. Für einen
solchen Aufhebungsantrag fehlt es am Rechtschutzinteresse. Denn - bei einem Erfolg
der Klage - wäre damit jeglicher Anspruch auf Wohngeld beseitigt, nicht aber
automatisch "spitzes Wohngeld" bewilligt. Eine solche Aufhebung würde auch die
Rechtsposition der Kläger auf die Bewilligung von "Tabellenwohngeld" für den hier in
Rede stehenden Zeitraum nicht verbessern, da dieses Begehren wie oben dargelegt,
bereits bestandskräftig abgelehnt ist.
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Soweit die Klage auf Gewährung von "pauschaliertem Wohngeld" in Höhe von 548,00
DM in der Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30 September 2000 gerichtet ist, ist sie zwar zulässig
aber in der Sache unbegründet.
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Denn der Beklagte hat in den streitbefangenen Bescheiden vom 21. Juli 2000 und 21.
September 2000 in Anwendung des § 32 WoGG i.V.m. der aufgrund des § 36 WoGG
erlassenen Rechtsverordnung die Höhe des pauschalierten Wohngeldes mit 49,2 % der
berücksichtigungsfähigen Miete (928,10 DM x 49,2 % = 456,63 DM) zutreffend ermittelt.
Dieser Betrag war nach § 32 Abs. 1 Satz 1 auf den vollen Betrag zu runden, was hier
nur im Wege der Aufrundung erfolgen konnte und zutreffend einen Betrag von 457,00
DM ergab.
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Eine Aufstockung dieses Betrages bis zur Höhe des "Tabellenwohngeldes" ist nicht
möglich, denn es fehlt für eine Erhöhung des "pauschalierten Wohngeldes" bis zur
Höhe des "spitzen Wohngeldes" im Wohngeldrecht an einer entsprechenden
gesetzlichen Grundlage.
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Der Umstand, dass das "pauschalierte Wohngeld" um 101,00 DM geringer ausfällt als
das "Tabellenwohngeld" belastet die Kläger auch nicht, da insoweit - auch nach den
Berechnungsböigen, die dem Bescheid vom 21. Juli 2000 für die Monate Juli und
August 2000 beigefügt waren - die Leistungen der Sozialhilfe für die Unterkunft um
101,00 DM ansteigen. Insoweit bewirkt der Wechsel vom "Tabellenwohngeld" zum
"pauschalierten Wohngeld" keine Verschlechterung der finanziellen Gesamtsituation
der Kläger. Wie oben bereits ausgeführt, haben die Kläger dies am Auszahlungsbetrag
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nicht bemerken können, weil durch die Erhöhung der sozialhilferechtlichen Leistungen
dem Beklagten Spielraum für höhere Einbehaltungen, die sich vorher auf Beträge unter
10,00 DM beliefen, eröffnet wurde und er diese im streitbefangenen Zeitraum auf 100,00
DM anhob.
Ohne rechtliche Konsequenz bleibt ferner, das der streitbefangene Bescheid vom 21.
Juli 2000 - wie seit Jahren in zahlreichen Verfahren mit dem Beklagten immer wieder
erörtert - insoweit falsch ist, als dort das "pauschalierte Wohngeld" auf der Bedarfsseite
statt auf der Einkommensseite eingesetzt ist. Die Kläger sind durch diese fehlerhafte
Behandlung aber nicht beschwert, weil sich dieser Bearbeitungsfehler im Ergebnis nicht
- insbesondere nicht zu ihren Lasten - auswirkt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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