Urteil des VG Aachen vom 05.05.2006
VG Aachen: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, vollziehung, aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, fahrzeughalter, aussageverweigerung, verantwortlichkeit, interessenabwägung
Verwaltungsgericht Aachen, 2 L 797/05
Datum:
05.05.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 797/05
Tenor:
1.) Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des
Verfahrens.
2.) Der Streitwert wird auf 1.200 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gerichtete Antrag des Antragstellers ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig . Denn der
Antragsgegner hat im Bescheid vom 24. Oktober 2005 nicht nur die Auflage
ausgesprochen, sechs Monate lang für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen
E. -T. ein Fahrtenbuch zu führen, sondern zugleich auch die sofortige Vollziehung der
getroffenen Regelung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde in einer den Anforderungen des § 80
Abs. 3 Satz 1 VwGO (noch) genügenden Weise schriftlich begründet. Die in § 80 Abs. 3
VwGO normierte Pflicht, "das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung
schriftlich zu begründen", soll die Behörde zwingen, sich des Ausnahmecharakters der
Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzugs
besonders sorgfältig zu prüfen. Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines
Verwaltungsaktes ist ein besonderes öffentliches Interesse notwendig, das das vom
Gesetz vorgegebene Interesse des Betroffenen an der Erhaltung des Suspensiveffektes
eines Rechtsbehelfs überwiegen muss. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung reicht
regelmäßig das behördliche Interesse, das den Erlass des Verwaltungsaktes als
solchen rechtfertigen soll, nicht aus. Vielmehr muss das die sofortige Vollziehung
rechtfertigende besondere öffentliche Interesse gerade darauf gerichtet sein, dass die
von der Behörde getroffene Maßnahme bereits vor Abschluss des
Rechtsschutzverfahrens in der Hauptsache umgesetzt wird.
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Gemessen an diesen Voraussetzungen bestehen hier gegen die Begründung der
streitigen Vollziehungsanordnung letztlich keine rechtlichen Bedenken. Die Begründung
lässt das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung noch
hinreichend erkennen; aus ihr ist im Rahmen der Interessenabwägung zu entnehmen,
dass das öffentliche Interesse schwerer wiegt als das private Interesse des
Antragstellers, von den mit der Führung eines Fahrtenbuches verbundenen
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Belastungen verschont zu bleiben. Die Erwägung, mit Hilfe der Anordnung der
sofortigen Vollziehung eine zeitnahe Geltung der Verpflichtung zur Führung des
Fahrtenbuches zu gewährleisten, damit umgehend etwaige zukünftige Verstöße mit
dem genannten Kraftfahrzeug E. - T. - aufgeklärt werden können, ist nicht zu
beanstanden. Die hierauf abzielenden Ausführungen zur Vollziehungsanordnung
genügen trotz recht knapper Fassung noch dem Begründungserfordernis. Dass eine
solche Begründung in zahlreichen ähnlichen Fällen zur Anordnung der sofortigen
Vollziehung einer Fahrtenbuchauflage herangezogen werden kann, ändert nichts an
ihrer grundsätzlichen Eignung zur Ausfüllung der Anforderungen des § 80 Abs. 3
VwGO: Die Einschlägigkeit der Begründung in Vergleichsfällen führt nicht dazu, dass
das Merkmal einer individuellen, auf den Antragsteller bezogenen Begründung entfällt,
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen -OVG NRW -, Beschluss
vom 3. Januar 2006 - 8 B 1847/06 -, soweit ersichtlich nicht veröffentlicht.
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Insbesondere bedurfte es im vorliegenden Fall mit Blick auf das hohe Gefahrenpotential
erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitungen - hier nach Abzug des Toleranzwertes
um 31 km/h - nicht der Darlegung einer konkreten Verkehrsgefährdung. Schließlich sind
bei den Anforderungen an die Begründung einer Vollziehungsanordnung nach § 80
Abs. 3 Satz 1 VwGO auch sachgebietsspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen.
Die Eigenheit einer Fahrtenbuchauflage besteht regelmäßig darin, dass ihr ein
schwerer, mit Hilfe des Fahrzeugs des Halters begangener Verkehrsverstoß zugrunde
liegt. Ist die Verantwortlichkeit für diesen Verkehrsverstoß - gerade auch unter
Heranziehung des Fahrzeughalters - nicht aufklärbar, geht der Wille des Gesetzgebers
dahin, gegenüber dem und zu Lasten des Halters das Mittel der Fahrtenbuchauflage
einsetzen zu können, um künftig die unverzügliche Aufklärung solcher
Verkehrsverstöße zu ermöglichen. Eine solche Fahrtenbuchauflage ist regelmäßig nur
sinnvoll und zielführend, wenn sie einigermaßen zeitnah wirksam wird. Würde dem
betroffenen Halter in der Regel die rechtliche Möglichkeit eröffnet, durch Einlegung von
Rechtsmitteln und damit einhergehende - unter Umständen sich über Jahre hin
erstreckende - Ausschöpfung des Instanzenzuges das Wirksamwerden der
Fahrtenbuchauflage hinauszuschieben, würde diese regelmäßig weitgehend ins Leere
gehen und an Effektivität bei der Eindämmung von verkehrsgefährdendem Potenzial
einbüßen. Unter diesen Umständen sind die Gründe, die das besondere öffentliche
Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Fahrtenbuchauflage
beinhalten, annähernd offensichtlich.
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Im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes nach § 80
Abs. 2 Nr. 4 VwGO kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder herstellen, wenn das Interesse des
Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem behördlichen
Interesse an der sofortigen Vollziehung vorrangig ist. Ein überwiegendes
Vollziehungsinteresse ist dann anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich
rechtmäßig ist. Lässt sich eine offensichtliche Rechtmäßigkeit oder offensichtliche
Rechtswidrigkeit nicht feststellen, ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu
ermitteln, welches Interesse schwerer wiegt. Im vorliegenden Verfahren kommt der
Überprüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs - hier des Widerspruchs - schon
deshalb wesentliche Bedeutung zu, weil die Folgen einer Vollziehung der
angefochtenen Bescheide in einem Hauptsacheverfahren kaum wieder rückgängig
gemacht werden können,
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vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003,
3618, und Beschluss vom 27. Mai 1998 - 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, 217.
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Nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung ist
die Rechtmäßigkeit der durch Bescheid vom 24. Oktober 2005 erfolgten Anordnung
eines Fahrtenbuchs nicht zweifelhaft.
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Rechtsgrundlage für die angeordnete Fahrtenbuchauflage ist § 6 Abs. 1 Nr. 3 des
Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 31 a Abs. 1 Satz 1 der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Nach letztgenannter Vorschrift kann die
Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn
zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches
anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung
gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt:
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Mit dem in Rede stehenden Fahrzeug des Antragstellers wurde am 27. Mai 2005 den
Verkehrsvorschriften der §§ 24 StVG, 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 der
Straßenverkehrsordnung (StVO) zuwider gehandelt, in dem im Bereich einer
angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h der Fahrer des Fahrzeuges E. - T.
die Bundesautobahn A 4 zwischen Baurampe O. und der Autobahnabfahrt S. mit einer
Geschwindigkeit - toleranzbereinigt - von 131 km/h befuhr. Dies ergibt sich u.a. aus dem
Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür
vor, dass die angezeigte Geschwindigkeitsübertretung nicht erfolgt ist oder durch ein
anderes Fahrzeug begangen worden sein könnte.
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Die Feststellung des Fahrzeugführers im Anschluss an die Zuwiderhandlung war nicht
möglich. "Unmöglichkeit" im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist anzunehmen,
wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den
Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen
ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde
in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach
pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen
erfahrungsgemäß Erfolg haben.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile
vom 23. Februar 1996 - 25 A 4716/95 -, vom 17. Dezember 1998 - 25 A 1358/98 - und
vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, NJW 1999, 3279 f. und NZV 1999, 439 f. m.w.N.
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Insoweit ist die Verfolgungsbehörde grundsätzlich gehalten, wenn die Feststellung des
Fahrzeugführers auf frischer Tat nicht möglich oder tunlich ist, zumindest den Halter
sobald wie möglich von der mit seinem Fahrzeug begangenen
Verkehrsordnungswidrigkeit zu unterrichten. Dies erfordert im Regelfall eine
Unterrichtung des Fahrzeughalters von dem Verkehrsverstoß innerhalb von zwei
Wochen, damit dieser die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch
zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 -,
Buchholz 442.16 § 31 a StVZO, Nr. 5; Beschluss vom 25. Juni 1987 - 7 B 139.87 -,
Deutsches Autorecht (DAR) 1987, 393.
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Zwar ist vorliegend dem Antragsteller als Fahrzeughalter der Anhörungsbogen erst am
29. Juni 2005 - also ca. einen Monat nach dem Verkehrsverstoß - übersandt worden.
Diese Verzögerung war aber nicht der Grund, dass der Fahrer des Fahrzeugs bei der
Verkehrsübertretung am 27. Mai 2005 nicht ermittelt werden konnte. Dies lag vielmehr
daran, dass der Antragsteller im Anhörungsbogen verneint hat, selbst gefahren zu sein,
ohne konkrete Angaben zum Sachverhalt bzw. zu in Frage kommenden
Fahrzeugführern aus seinem Familien- oder Bekanntenkreis zu machen.
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Nachdem der Antragsteller den Anhörungsbogen mit der Bemerkung zurückgesandt
hatte, er sei nicht Fahrzeugführer gewesen, hat der Antragsgegner in Amtshilfe für die
thüringische Ordnungsbehörde über die örtliche Bezirksdienststelle umgehend weitere
Aufklärungsmaßnahmen veranlasst, um zu ermitteln, wer im Familien- und
Bekanntenkreis des Klägers das Fahrzeug geführt haben könnte. Diese Ermittlungen
führten lediglich zum Ergebnis, dass ausweislich des bei der Verkehrsübertretung
gefertigten Lichtbildes der Antragsteller und sein Sohn als Fahrer ausschieden. Weil
kein Fahrer ermittelt werden konnte, wurde das Bußgeldverfahren schließlich
eingestellt.
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Wenn im Anhörungsbogen zum Fahrer eines Fahrzeugs bei einer Verkehrsübertretung
keine Angaben gemacht werden, ist dies als konkludente Erklärung des Halters zu
verstehen, (zunächst) keine Angaben zur Sache machen zu wollen. In einem solchen
Fall besteht grundsätzlich keine Veranlassung, die Ermittlungen zur Person des Fahrers
durch weitere Befragungen auszudehnen. Es ist der Polizei regelmäßig nicht
zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu
betreiben, wenn der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Aufklärung des
Verkehrsverstoßes erkennbar ablehnt,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 - in: Buchholz, Sammel - und
Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 446.16 § 31
a StVZO Nr. 12; BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113/93 -; OVG
NRW, Beschlüsse vom 22. Juli 2002 - 8 A 1688/01 - und vom 8. August 2002 - 8 A
3137/02 -; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 20. November 1999 - 10 S
2436/99 -, in: JURIS, und vom 2. September 1997 - 10 S 1670/97 -, in: DÖV 1998, 297 f.
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Die weiteren im Laufe des Bußgeldverfahrens getätigten - letztlich erfolglosen -
Ermittlungen (hier nochmalige Anhörung des Antragstellers, Übersendung eines vom
Einwohnermeldeamt besorgten Fotos des Antragstellers, Rücksprache mit der
Gemeindeverwaltung) sind deshalb weder als zögerlich noch als völlig unzureichend
einzustufen. Vielmehr hat sich der Antragsgegner nachhaltig um weitere
Sachaufklärung bemüht. Im vorliegenden Verkehrsfall war es durchaus naheliegend
und sachgerecht, zunächst lediglich dem Fahrzeughalter einen Anhörungsbogen zu
übersenden und dessen Reaktion abzuwarten.
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Die Anwendbarkeit von § 31 a StVZO wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass
der Antragsteller die Benennung des Fahrzeugführers wegen eines auf Ehe oder
verwandtschaftlicher Verbindung beruhenden Aussageverweigerungsrechtes abgelehnt
hat. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Ausübung des
Aussageverweigerungsrechts in einem wegen des Verkehrsverstoßes durchgeführten
Verfahren der Anwendbarkeit von § 31 a StVZO nicht entgegensteht, namentlich durch
eine Fahrtenbuchauflage nicht "unterlaufen oder ausgehöhlt" wird.
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Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. Dezember 1981 - 2 BvR
1172/81 -, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1982, 5688; BVerwG, Beschlüsse
vom 11. August 1999 - 3 B 96.99 - und vom 22. Juni 1995 - 11 B 7.95 -; OVG NRW,
Urteil vom 23. Februar 1996 - 25 A 4716/95 - und Beschluss vom 5. August 2002 - 8 A
3099/01.
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Die Fahrtenbuchauflage ist nämlich keine Sanktion der Aussageverweigerung; sie
knüpft insbesondere nicht an den Umstand der Aussageverweigerung an, sondern (nur)
an die fehlende Täterfeststellung. Sie ist letztlich Ausdruck der im Interesse der
Eindämmung von Verkehrsverstößen verschärften Verantwortlichkeit des Halters im
Zusammenhang mit der Aufklärung von mit seinem Fahrzeug begangenen gravierenden
Verkehrsverstößen. Die bei der Entscheidung für oder gegen die Aussageverweigerung
theoretisch bestehende Möglichkeit, dem Halter mit dem Fahrtenbuch eine Pflicht zur
Mitwirkung an der Aufklärung künftiger Verkehrsverstöße aufzuerlegen, berührt die
Ausübung des Aussageverweigerungsrechts nicht, zumal auch bei Vorhandensein
eines Fahrtenbuches gegebenenfalls die Aussage über dessen inhaltliche Richtigkeit
verweigert werden kann.
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Sind nach alledem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 a Abs. 1 Satz 1
StVZO gegeben, so erweist sich die Anordnung der Fahrtenbuchauflage auch im
Übrigen als rechtmäßig. Die Auferlegung eines Fahrtenbuches für die Dauer von sechs
Monaten nach dem vorliegend vorgetragenen - gravierenden - Verkehrsverstoß
begegnet namentlich unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen Bedenken.
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Denn auch wenn man zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass es bei der
Geschwindigkeitsüberschreitung nicht zu einer konkreten Verkehrsgefährdung
gekommen ist, reicht die Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h nach Zif. 5.4 der
Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum
Straßenverkehr - FeV - aus, den Verkehrsverstoß mit drei Punkten im
Verkehrszentralregister einzutragen.
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Nach der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung reicht bereits ein mit
einem Punkt zu belegender Verkehrsverstoß dazu aus, eine Fahrtenbuchauflage zu
verhängen. Dabei darf eine Straßenverkehrsbehörde das Fahrtenbuch auch nach einem
erstmaligen "Verkehrsverstoß von einigem Gewicht", der mit einem Punkt zu bewerten
war, für erforderlich und angemessen halten, ohne dass es einer konkreten
Verkehrsgefährdung bedurft hätte.
27
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12/94 -, NJW 1995, 2866 f. und BVerwGE
98, 227, 229; OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, in: NJW 1999, 439 f.
(unter Aufgabe der bis dahin differenzierenden Rechtsprechung und Hinweis auf den
Rechtsnormcharakter des Punktesystems), bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 9.
September 1999 - 3 B 94.99 -, in: BayVBl. 2000, 380 und NZV 2000, 386.
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Abgesehen hiervon ist die Missachtung einer Geschwindigkeitsbeschränkung um 31
km/h (auch ohne konkrete Gefährdungen) als ein Verkehrsverstoß anzusehen, der
regelmäßig geeignet ist, die Anordnung eines sechsmonatigen Fahrtenbuches zu
rechtfertigen. Denn Geschwindigkeitsbeschränkungen dürfen nur dort angeordnet
werden, wo die Verkehrssituation Anlass hierzu gibt. Ein Verkehrsteilnehmer, der eine
derartige Geschwindigkeitsbeschränkung außerhalb geschlossener Ortschaften so
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deutlich wie der Fahrer des Fahrzeugs des Antragstellers am 27. Mai 2005 missachtet,
schafft damit eine Gefahrensituation, die sich jederzeit in Gestalt eines Verkehrsunfalls
realisieren kann.
Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im hier in Rede stehenden Zusammenhang
sind im Übrigen das erhebliche öffentliche Interesse an der Eindämmung von
Gefährdungen, die aus dem Straßenverkehr herrühren, einerseits und der
Lästigkeitswert einer Fahrtenbuchauflage andererseits in Rechnung zu stellen. Es liegt
mit Blick hierauf nahe, dass bei Verkehrsverstößen des beschriebenen Gewichts die
(rechtsstaatswidrige) Unverhältnismäßigkeit einer (zeitlich befristeten)
Fahrtenbuchauflage eher selten festzustellen sein wird, zumal es der Halter in Händen
hat, die Nutzung des auf ihn zugelassenen Fahrzeugs stärker zu beobachten und in
seinem Umfeld ggf. Vorkehrungen zu treffen, die ihm die Auferlegung weiterer
Fahrtenbuchauflagen ersparen.
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Die in der Ordnungsverfügung ferner geregelte Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf
Nachfolgefahrzeuge findet in § 31 a Abs. 1 Satz 2 StVZO eine ausreichende
Rechtsgrundlage und erweist sich vorliegend als hinreichend bestimmt im Sinne von §
37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Anhaltspunkte für eine Veräußerung
ohne Wiederbeschaffung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die weiterhin in der Ordnungsverfügung enthaltenen Bestimmungen, die Inhalt, Vorlage
und Aufbewahrung des Fahrtenbuches betreffen, rechtfertigen sich aus § 31 a Abs. 2
und 3 StVZO.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Für die
Bemessung des Streitwerts der Fahrtenbuchauflage ist in Anlehnung an den
Streitwertkatalog 2004 von einem Betrag von 400 EUR je Monat der Auflagendauer
auszugehen. Der so zu errechnende Betrag von (400 EUR x 6 Monate =) 2.400 EUR
war im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Hälfte zu
reduzieren.
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