Urteil des VG Aachen vom 09.01.2008
VG Aachen: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, aufschiebende wirkung, zweitwohnung, hauptwohnung, aufwand, begriff, satzung, anknüpfung, eltern, vollziehung
Verwaltungsgericht Aachen, 4 L 443/07
Datum:
09.01.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 443/07
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 59,50 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
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Der gemäß § 80 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der im Verfahren 4 K 613/07
erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. April 2007 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2007 und des
Änderungsbescheides vom 18. Juli 2007 anzuordnen, hat keinen Erfolg. Ein Antrag auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das private Interesse,
vorläufig von der Vollziehung des Bescheides verschont zu bleiben, das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides überwiegt. In
entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist dies regelmäßig dann der
Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen
oder wenn - wofür hier allerdings keine Anhaltspunkte vorliegen - die Vollziehung für
den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides bestehen nach der Rechtsprechung der mit
Abgaben befassten Senate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NW), vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
(OVG NW), Beschluss vom 28. Juli 1992 - 2 B 2322/92 - mit weiteren Nachweisen. nicht
bereits dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wahrscheinlich ist, wie sein
Misserfolg, sondern erst dann, wenn der Widerspruchsführer bzw. Antragsteller im
Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird. Dabei ist weiter zu beachten, dass
die vorzunehmende Prognose der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der
Hauptsache nur mit den Mitteln des Eilverfahrens getroffen werden kann und das
Aussetzungsverfahren kein Ersatz für das Hauptsacheverfahren darstellen soll. Dies hat
zur Folge, dass vordringlich nur die Einwände berücksichtigt werden können, die der
Rechtsschutzsuchende selbst gegen die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides
vorträgt, es sei denn, dass sich andere Fehler bei summarischer Prüfung als
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offensichtlich aufdrängen. Des weiteren folgt hieraus, dass im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren weder schwierige Rechtsfragen ausdiskutiert noch komplizierte
Tatsachenfeststellungen getroffen werden können, vgl. OVG NW, Beschluss vom 30
September 1987 - 3 B 1733/85 -. Hiervon ausgehend ist der Antrag abzulehnen.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Antragstellers zu Zweitwohnungssteuer ist
die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt B vom 11.
Dezember 2002 in der rückwirkend in Kraft getretenen Fassung des 1. Nachtrags vom
16. August 2006 (Zweitwohnungssteuersatzung - ZWStS) in Verbindung mit § 3 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW). Diese
Satzung ist bei summarischer Prüfung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die
Zweitwohnungssteuer ist eine örtliche Aufwandssteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a
des Grundgesetzes (GG). Dabei handelt es sich um Steuern auf die in der Vermögens-
oder Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck
kommende besondere Konsumfähigkeit des Steuerpflichtigen. Aufwandsteuern sollen
einen besonderen Aufwand, also eine über die Befriedigung des allgemeinen
Lebensbedarfs hinausgehende Verwendung von Einkommen oder Vermögen erfassen,
vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 6.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -,
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 65, 325 ff. (345 ff.);
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Urteil vom 29. Januar 2003 - 9 C 3.02. Das
Innehaben einer - neben der Hauptwohnung - weiteren Wohnung für den persönlichen
Lebensbedarf (Zweitwohnung) erfordert in aller Regel die Aufwendung (erheblicher)
finanzieller Mittel und bringt damit zugleich eine (besondere) wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit zum Ausdruck. Diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu besteuern,
ist Regelungsgegenstand der Zweitwohnungssteuersatzung. Soweit die Steuer auch
von Studenten verlangt wird, die sich zu Ausbildungszwecken an ihrem Studienort
aufhalten, dürfte dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein; denn nach dem -
für das erkennende Gericht nach § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
verbindlichen - Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 1983
(a.a.O.) schließt das Wesen einer Aufwandssteuer es aus, auf eine wertende
Berücksichtigung der Absichten und verfolgten ferneren Zwecke für das Innehaben der
Wohnung abzustellen, und würde deshalb eine Zweitwohnungssteuersatzung, die aus
beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken gehaltene Zweitwohnungen von der
Besteuerung ausnimmt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, vgl. hierzu auch BVerwG,
Urteil vom 12. April 2000 - 11 C 12/99 -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2000, S.
1224 ff; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW),
Beschlüsse vom 23. Juli 2003 - 14 A 2571/03 -, vom 12. November 2003 - 14 A 2917/03
- und (betreffend die Satzung der Stadt B ) vom 12. Juni 2006 - 14 E 1045 -. Die den
Begriff der Zweitwohnung und damit die Voraussetzungen für die Steuererhebung
regelnden satzungsrechtlichen Normen sind bei summarischer Prüfung nicht zu
beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Steuergesetzgeber - hier
Ortsgesetzgeber - bei der Erschließung von Steuerquellen und deren inhaltlicher
Ausgestaltung eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zukommt, vgl. BVerfG, Beschluss
vom 19. Dezember 1978 - 1 BvR 335, 427, 811/76 -, BVerfGE 50, 57 ff. (77); BVerwG,
Urteil vom 26. Juli 1979 - 7 C 53.77 -, BVerwGE 58, 230 ff. (aufgehoben durch BVerfG -
BVerfGE 65, 325 ff. -). Diese Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenze zum einen in dem
aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG) abgeleiteten Bestimmtheitsgebot.
Danach müssen steuerbegründende Tatbestände einschließlich der
Bemessungsgrundlage nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß so bestimmt
gefasst und begrenzt sein, dass die Steuerlast voraussehbar und für den
Steuerpflichtigen mess- und berechenbar ist, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember
1965 - 1 BvR 571/60 -, BVerfGE 19, 253 ff. (267); Beschluss vom 19. Dezember 1978 - 1
BvR 335, 427, 811/76 -, a.a.0. (93). Zum anderen wird sie durch den aus dem
allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) abgeleiteten Grundsatz der
Steuergerechtigkeit begrenzt. Hiernach endet die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers
dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr
mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also
kein einleuchtender Grund mehr für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung
besteht, vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1978 - 2 BvR 154/74 -, a. a.0. (360 f.).
Hiervon ausgehend dürfte nicht zu beanstanden sein, dass in § 2 ZWStS zur
Bestimmung des Begriffs der Zweitwohnung und zur Abgrenzung zur Hauptwohnung
auf die Vorschriften des Meldegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (Meldegesetz
NRW - MG NRW) abgestellt wird. Nach Abs. 1 erste Alternative ist nämlich
Zweitwohnung jede Wohnung im Sinne des Absatzes 3 (jeder umschlossene Raum, der
zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird), die jemand neben seiner Hauptwohnung als
Nebenwohnung im Sinne des nordrhein-westfälischen Meldegesetzes dient, und in Abs.
4 Satz 1 wird dieser Begriff dahingehend erläutert, dass eine Wohnung als
Nebenwohnung im Sinne des nordrhein-westfälischen Meldegesetzes dient, wenn sie
von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt wird. Die Anknüpfung
an den melderechtlichen Begriff der Nebenwohnung begründet keinen Verstoß gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, denn für eine solche
Handhabung sprechen Gesichtspunkte der Praktikabilität und der
Verwaltungsvereinfachung, zumal durch die gesetzliche Verpflichtung zur
melderechtlichen Anmeldung (§ 13 MG NRW) eine vollständige Erfassung aller
Steuerpflichtigen vom Grundsatz her gewährleistet ist. Dementsprechend wird auch in
Literatur und Rechtsprechung eine Verknüpfung der Vorschriften des Melderechts mit
der Erhebung einer Zweitwohnungssteuer grundsätzlich für zulässig erachtet, vgl. unter
anderem BVerwG, Urteil vom 12. April 2000, a.a.O., OVG NRW, Beschlüsse vom 12.
Juni 2006 - 14 E 1045 - und vom 15. März 2007 - 14 A 5269/04 -; Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14. Februar 2007 - 4 N 06.367 -;
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 1988 - 2 S
3458/86 -, Kommunale Steuerzeitschrift (KStZ) 1989, S. 236, OVG Lüneburg, Urteil vom
21. April 1998 - 13 L 5282/98 - Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht -
Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 1999, S. 790; Driehaus, Kommunalabgabenrecht,
20. Lfg. 1999, § 3 Rdnr. 218; Hamacher, Kommunalabgabengesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen, Kommentar, § 3 Rdnr. 141. Soweit die Auffassung vertreten wird,
die Übertragung des melderechtlichen Verhältnisses von Haupt-und Nebenwohnung
auf die zweitwohnungssteuerlichen Tatbestände von Erst-und Zweitwohnung verstoße
für die Personengruppe der Studierenden, die am elterlichen Wohnsitz mit
Hauptwohnung und am Studienort mit Nebenwohnung gemeldet sind, gegen das
Prinzip der Steuergerechtigkeit, vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar
2007 - 6 B 11579 -; Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2007 - 25
K 2703/o7 - jeweils zitiert nach juris, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Zum
einen sprechen die Gesichtspunkte der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung
auch bei diesem Personenkreis für eine Anknüpfung an die melderechtlichen
Gegebenheiten. Zum anderen kann nicht außer Betracht bleiben, dass nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2
BvR 1275/79 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 12. April 2000, a.a.O., auf den Zweck der
Zweitwohnung nicht abgestellt werden darf und sich deshalb eine hieraus, letztlich dem
Studienzweck, abgeleitete Beschränkung des ortsgesetzgeberischen Ermessens
verbietet. Die satzungsrechtlichen Voraussetzungen einer Heranziehung des
Antragstellers zur Zahlung einer Zweitwohnungssteuer für den Zeitraum vom 1.
November 2006 bis zum 31. Dezember 2007 sind erfüllt. Er ist seit Oktober 2006 mit
Nebenwohnung in B gemeldet und deshalb nach § 6 Abs. 2 ZWStS ab dem darauf
folgenden Monat zweitwohnungssteuerpflichtig. Hinsichtlich des Jahres 2007 ist die
Steuer nach § 6 Abs. 1 ZWStS als Jahressteuer mit dem Beginn des Kalenderjahres
entstanden. Durchgreifende Bedenken gegen die Höhe der geltend gemachten
Zweitwohnungssteuer hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Soweit der Antragsteller
vortragen lässt, er habe keinen eigenen Wohnsitz in Münster und lebe dort im Haushalt
seiner Eltern, steht dies seiner Zweitwohnungssteuerpflicht bereits deshalb nicht
entgegen, weil nach § 2 Abs. 3 ZWStS eine Wohnung jeder umschlossene Raum ist,
der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird, und sich ein solcher Raum auch in einer
elterlichen Wohnung befinden kann, vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 12.
Juni 2006, a.a.O.. Darauf, dass dieser Raum von den Eltern kostenlos zur Verfügung
gestellt wird, kommt es nicht an; denn der für das Zimmer am Studienort erbrachte
Aufwand ist ein speziell dafür - zusätzlich zu den sonstigen Lebenshaltungskosten -
erbrachter Aufwand und zwar unabhängig davon, wie sich der Aufwand für die sonstige
Lebenshaltung einschließlich der Erstwohnung zusammensetzt, vgl. OVG NRW,
Beschluss vom 13. Mai 2004 - 14 B 778/04 -. Unerheblich ist auch, dass der
Antragsteller sein Zimmer im elterlichen Wohnhaus möglicherweise nicht im Sinne einer
tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsmacht "innehat". Hierauf kommt es nicht an,
weil § 2 Abs. 1 erste Alternative, Abs. 4 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Satz 2 erste Alternative
ZWStS für die Inhaberschaft einer Zweit-bzw. Nebenwohnung auf die melderechtlichen
Verhältnisse abstellen und für die Erst-bzw. Hauptwohnung nichts anderes gelten kann.
Da auch keine sonstigen, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Rechtsbehelfs rechtfertigenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Heranziehung
vorliegen, ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 des
Gerichtskostengesetzes. Die Kammer bemisst in abgabenrechtlichen Eilverfahren den
Wert des Streitgegenstandes regelmäßig mit einem Viertel der