Urteil des VG Aachen vom 03.12.2004
VG Aachen: unverletzlichkeit der wohnung, sicherstellung von gegenständen, durchsuchung von wohnungen, beschlagnahme, sicherstellungsverfügung, anhörung, bedingung, abweisung, entziehen, besitz
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Aachen, 6 L 1110/04
03.12.2004
Verwaltungsgericht Aachen
6. Kammer
Beschluss
6 L 1110/04
Die Durchsuchung der Wohnung der Antragsgegnerin in der B.----straße
00, 00000 B1. , zum Zwecke der Sicherstellung von Vereinsvermögens
des "B2. - B3. e. V. B1. " wird unter der Bedingung angeordnet, dass die
Durchsuchung erst nach der Zustellung der -dem Gericht im Entwurf
vorgelegten- Sicherstellungsanordnung an die Antragsgegnerin erfolgt.
G r ü n d e :
Dem Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ist zu entsprechen, weil die
Voraussetzungen der für die Anordnung der beantragten Maßnahme maßgeblichen
Bestimmungen des Vereinsgesetzes erfüllt sind.
Rechtsgrundlage für die aus dem Tenor ersichtliche Anordnung ist § 10 Abs. 2 Satz 5
VereinsG. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG ordnet das Verwaltungsgericht, in dessen
Bezirk die Handlungen vorzunehmen sind - vorliegend das erkennende Gericht -, die
Durchsuchung von Wohnungen an. Voraussetzung ist das Vorliegen einer wirksamen und
sofort vollziehbaren Verbots- und Beschlagnahmeverfügung spätestens im Zeitpunkt der
Bekanntgabe der Durchsuchungsanordnung an den Betroffenen. Mit Blick auf den hohen
Stellenwert des Schutzgutes der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 GG) und
das Ziel der Durchsuchungsanordnung, das Betreten von Räumen zum Zwecke der
Sicherstellung von Gegenständen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG zu gestatten
(vgl. § 10 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. Satz 2 VereinsG), müssen über das Vorliegen einer
wirksamen und sofort vollziehbaren Verbots- und Beschlagnahmeverfügung hinaus
zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Durchsuchung zur
Auffindung derartiger Gegenstände führen wird. Schließlich kann die
Durchsuchungsanordnung in dem hier vorliegenden Fall, dass die sicherzustellenden
Sachen sich im Gewahrsam Dritter befinden, nur ergehen, wenn spätestens bei Beginn der
Durchsuchung eine wirksame und sofort vollziehbare Sicherstellungsverfügung gegenüber
dem Dritten vorliegt (§ 10 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative, VereinsG), die in formeller Hinsicht
überdies den besonderen Anforderungen des § 4 Satz 3 VereinsG-DVO genügen muss.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist festzustellen:
Eine wirksame und sofort vollziehbare Verbots- und Beschlagnahmeverfügung liegt hier
gegenüber dem B2. -B3. e. V. B1. bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor.
Denn nach inzwischen erfolgter Abweisung der Klage des Vereins gegen die
Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 31. Juli 2002 ist sowohl das
Vereinsverbot (der Ziffer 2 der Verbotsverfügung) als auch die verfügte Beschlagnahme
des Vereinsvermögens (Ziffer 5 der Verbotsverfügung) rechtskräftig geworden; beide sind
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damit sofort vollziehbar.
Außerdem bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Durchsuchung zur
Auffindung von Gegenständen führen wird, die zum Vereinsvermögen des B2. - B3. e. V.
B1. i.S.d. Vereinsgesetzes gehören. Der Antragsteller hat in der Antragsschrift hierzu
überzeugend ausgeführt, dass die Antragsgegnerin zu den sogenannten
"Besserverdienenden" des Vereins gehörte, also eine Stellung eingenommen hat, die mit
einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit vermuten lässt, dass sie auch besondere
Verantwortung für das Vereinsvermögen getragen und Gegenstände des Vereinsvermögen
in Besitz hat. Dafür spricht -die Besitzvermutung verstärkend- auch, dass sie nach eigenem
Bekunden als Spendensammlerin tätig war. Vor diesem Hintergrund sind hinreichende
Anhaltspunkte für die sachliche Gebotenheit einer Durchsuchung zu bejahen.
Auch ist durch die Beifügung einer Bedingung in Satz 1 des Beschlusstenors sichergestellt,
dass im Zeitpunkt der Durchsuchung ein wirksamer und sofort vollziehbarer
Sicherstellungsbescheid vorhanden ist. Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Sicherstellungsbescheides, der dem Gericht im Entwurf vorgelegt worden ist, sind nicht
angezeigt. Insbesondere sind die formellen Anforderungen des § 4 Satz 3 VereinsG-DVO
erfüllt. Der Sicherstellungsbescheid enthält eine schriftliche Begründung, in der auf das
Vereinsverbot und die Beschlagnahme des Vereinsvermögens hingewiesen wird und in
der dargelegt wird, dass die sicherzustellenden Sachen zum Vereinsvermögen gehören.
Dass die Gegenstände "nur" als Anlage zum Sicherstellungsbescheid in einer Liste, die
wohl erst noch während der Durchsuchung erstellt wird, aufgeführt werden, beeinträchtigt
die Rechtswirksamkeit des Sicherstellungsbescheids nicht, da ein anderes Verfahren
weder rechtlich geboten ist noch praktikabel erscheint.
Auf der Grundlage der dargelegten Erkenntnisse ist die Durchsuchungsanordnung auch
erforderlich, da ansonsten zu besorgen ist, dass die Antragsgegnerin der Beschlagnahme
bzw. der Sicherstellungsverfügung unterfallende Gegenstände entziehen könnte.
In entsprechender Anwendung des § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO ergeht die vorstehende
Entscheidung ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners, weil eine Anhörung
erkennbar den Zweck der ergangenen bzw. beantragten Anordnung gefährdet haben
würde.