Urteil des VG Aachen vom 27.08.2003
VG Aachen: treu und glauben, ablauf der frist, wahrung der frist, sozialhilfe, beschränkung, form, bräutigam, entstehung, aufenthaltswechsel, schiedsspruch
Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 2025/00
Datum:
27.08.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 2025/00
Tenor:
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die im Zeitraum vom 1.
Januar 1998 bis 31. Oktober 1998 für Frau B. T. erbrachten
Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 18.389,58 EUR (entspricht
35.966,90 DM) zu erstatten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Sozialhilfekosten in Höhe von
18.389,63 EUR (entspricht 35.967,- DM), die er in der Zeit vom 1.Januar 1998 bis zum
31. Oktober 1998 für die Hilfeempfängerin B. T. für eine Maßnahme nach § 19 des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) aufgewendet hat.
2
Die Hilfeempfängerin, Frau B. T. , lebte bis zum 28. Juli 1997 in I. und bezog vom
Beklagten seit Jahren Hilfe zum Lebensunterhalt. Am 28. Juli 1997 verzog Frau T. nach
H. , wo sie ab dem 1. August 1997 vom Kläger weiterhin Hilfe zum Lebensunterhalt
erhielt. Mit Schreiben vom 5. August 1997, beim Beklagten eingegangen am 8. August
1997, teilte der Kläger mit, dass er Frau T. und ihrem Sohn L. seit dem 1. August 1997
Leistungen "nach den Bestimmungen des BSHG" gewähre, und machte
Kostenerstattung nach § 107 BSHG geltend mit der Bitte um Abgabe eines
Kostenanerkenntnisses dem Grunde nach.
3
Mit Schreiben vom 22. Dezember 1997 erkannte der Beklagte, nachdem er zuvor eine
Kopie des Sozialhilfeantrags der Hilfeempfängerin sowie des ersten
Bewilligungsbescheides der Stadt H. vom 5. August 1997 angefordert hatte, seine
Kostenerstattungspflicht gemäß § 107 BSHG für die Zeit ab dem 1. August 1997 bis zum
28. Juli 1999 für Frau T. und ihren Sohn an. Hinsichtlich des Wegfalls bzw. der Dauer
bzw. des Umfangs der Verpflichtung verwies er auf die gesetzlichen Bestimmungen der
§ 107 Abs. 2 und § 111 BSHG und bat außerdem, die Sozialhilfeleistungen halbjährlich
4
bzw. bei Überschreiten der Bagatellgrenze nachzuweisen.
Zum 1. Januar 1998 vermittelte der Kläger die Hilfeempfängerin in eine Maßnahme
nach § 19 BSHG. Es handelte sich dabei um ein einjähriges
sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bei der Volkshochschule H. e.V. im
Rahmen des NOW-Projektes "EfA" (new opportunities for women, Erwerbschancen für
Ausländerinnen und Aussiedlerinnen aus der Sozialhilfe), wonach die Hilfeempfängerin
zum Zwecke der Beschäftigung und Qualifizierung für Arbeiten nach § 19 BSHG
eingestellt wurde. Die Bezahlung erfolgte in Anlehnung an den Monatstabellenlohn der
Lohngruppe I.BMT-G II des Monatslohntraifvertrages zum BMT-G II aus
Sozialhilfemitteln des Klägers. Die gesamten Personalkosten für die Maßnahme
beliefen sich auf 50.132,28 DM (4.177,69 DM monatlich). Ab dem 1. Januar 1999
bestand bei Frau T. keine Hilfebedürftigkeit mehr.
5
Am 16. November 1998 überwies der Beklagte für die vom Kläger in der Zeit vom 1.
August 1997 bis zum 31. Januar 1998 aufgewendeten Sozialhilfeleistungen (laufende
Hilfe zum Lebensunterhalt sowie einmalige Beihilfen) einen Betrag in Höhe von
9.205,44 DM.
6
Mit Schreiben vom 25. November 1999 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass Frau
T. in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 1998 in eine Maßnahme nach
§ 19 BSHG vermittelt worden sei, und bat um entsprechende Erweiterung des
Kostenanerkenntnisses auch für die Leistungen nach § 19 BSHG. Zur Sicherheit
machte er gleichzeitig für die Leistungen nach § 19 BSHG nachträglich
Kostenerstattung nach § 107 BSHG i.V.m. § 111 des Zehnten Sozialgesetzbuches
(SGB X) geltend und bat um Erstattung der Personalkosten in Höhe von 50.132,28 DM
abzüglich eines vom Beklagten -und auch von Frau T. - bereits erstatteten Betrages für
Überbrückungshilfe für den Monat Januar 1998 in Höhe von 1.1131,74 DM, also von
Kosten in Höhe von insgesamt 49.000,54 DM.
7
Mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 lehnte der Beklagte die Kostenerstattung ab. Zur
Begründung führte er aus, dass sein Kostenanerkenntnis vom 22. Dezember 1997, dem
der Sozialhilfeantrag der Frau T. und ihres Sohnes sowie der Bewilligungsbescheid des
Klägers über laufende Hilfe nach § 12 BSHG zugrunde gelegen habe, nicht die
nunmehr geltend gemachten Kosten der Hilfe gemäß § 19 BSHG erfasse, da es sich um
eine andere Hilfeart handle, die mit wesentlich höheren Kosten verbunden sei. Da er
von der Gewährung der Hilfe nach § 19 BSHG erst mit Zugang des Schreiben des
Klägers vom 25. November 1999, also am 26. November 1999, erfahren habe, sei der
Kläger mit einem Anspruch auf Erstattung auch dieser Kosten gemäß § 111 Satz 1 SGB
X ausgeschlossen. Da nach dieser Vorschrift ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen
sei, wenn er nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die
Leistung erbracht wurde, geltend gemacht werde, und Sozialhilfe in der Regel
zeitabschnittsweise für einen Monat bewilligt werde, könne eine Erstattung allenfalls
noch für die Monate November und Dezember 1998 verlangt werden. Eine Erstattung
der für diesen Zeitraum aufgewendeten Kosten käme jedoch wegen Unterschreitens der
Bagatellgrenze von 5.000,- DM gemäß § 111 Abs. 2 BSHG nicht in Betracht. Außerdem
forderte der Beklagte den Kläger zur Rückzahlung des von ihm bereits für den Monat
Januar 1998 erstatteten Betrages von 1.131,74 DM für laufende Hilfe zum
Lebensunterhalt auf.
8
Mit Schreiben vom 20. März 2000 forderte der Kläger den Beklagten erneut zur
9
Kostenerstattung auf. Er machte geltend, er habe den Antrag auf Kostenerstattung vom
25. November 1999 vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X -dem 31.
Dezember 1999- gestellt. Die Frist habe am letzten Tag der als Einheit zu wertenden
Leistungen für die Maßnahme nach § 19 BSHG begonnen, nämlich am 31. Dezember
1998. Im Übrigen wies er darauf hin, dass für die Monate November und Dezember
1998 ausweislich der Verdienstabrechungen insgesamt 11.249,16 DM Lohn (inklusive
Weihnachtsgeld) für Frau T. aufgewendet worden seien.
Da der Beklagte mit Schreiben vom 25. April 2000 eine Kostenerstattung weiterhin
ablehnte, wiederholte der Kläger seine Erstattungsforderung mit Schreiben vom 26. Mai
2000 nochmals unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
Lüneburg vom 30. August 1999, wonach die Erstattungspflicht nicht durch
unwesentliche Änderungen der Hilfegewährung berührt werde und besondere
Anforderungen an eine Mitteilung der Hilfeleistungen verbunden mit der Anforderung
eines Kostenanerkenntnisses sich aus dem Gesetz sich nicht ergäben.
10
Mit Schreiben vom 30. Juni 2000 erkannte der Beklagte seine Erstattungspflicht für die
Zeit vom 1. November 1998 bis zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 7.223,64 DM (2 x
4.177,69 DM abzüglich der bereits erstatteten Kosten für Hilfe zum Lebensunterhalt in
Höhe von 1.131,74 DM für den Monat Januar 1998) an und überwies den Betrag unter
dem 19. Juli 2000 an den Kläger. Eine Erstattung der restlichen Kosten lehnte er
weiterhin ab, da bei einer so bedeutenden Änderung der Hilfeart eine erneute
Geltendmachung des Erstattungsanspruchs unter Beachtung der Ausschlussfrist des §
111 Satz 1 SGB X erforderlich gewesen sei.
11
Der Kläger hat am 6. September 2000 Klage erhoben, mit der er seinen Anspruch auf
Kostenerstattung weiterverfolgt. Zur Begründung führt er ergänzend aus, dass er den
Erstattungsanspruch für die Kosten der Maßnahme nach § 19 BSHG durch
Mitteilungsschreiben vom 5. August 1997 rechtzeitig im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X
geltend gemacht habe. Ein Erfordernis, bei einem Wechsel der Hilfeart den
Kostenerstattungsanspruch erneut unter Wahrung der Frist des § 111 Satz 1 SGB X
geltend zu machen, ergebe sich weder aus Vereinbarungen zwischen den Beteiligten
noch aus dem Gesetz. Da weder das Mitteilungsschreiben vom 5. August 1997 noch
das Kostenanerkenntnis vom 22. Dezember 1997 eine Beschränkung auf eine
bestimmte Art der Hilfeleistung enthielten, habe der Beklagte nicht damit rechnen könne,
dass seine Kostenerstattungspflicht auf bestimmte Leistungen beschränkt sei. Sein
Kostenerstattungsbegehren vom 5. August 1997 habe sich auf Leistungen bezogen, die
"nach den Bestimmungen des BSHG" erbracht würden, worunter auch Leistungen nach
§ 19 BSHG fielen. So könne auch der Schiedsspruch der Zentralen Spruchstelle vom 9.
Oktober 1997 für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, da der
Sozialhilfeträger in dem dort entschiedenen Fall -anders als hier- ausdrücklich
Kostenerstattung für "Hilfe zum Lebensunterhalt" angemeldet habe. Außerdem beziehe
sich die Entscheidung noch auf die alte Rechtslage und stelle maßgeblich auf die
Schutzwirkung des zum 1. Januar 1994 aufgehobenen § 112 BSHG a.F. ab. Nach der
neuen Rechtslage sei der erstattungspflichtige Sozialhilfeträger jedoch hinreichend über
§ 111 SGB X und § 107 Abs. 2 BSHG geschützt. Aus den gesetzlichen Bestimmungen
der §§ 107, 111 BSHG und § 111 SGB X lasse sich nicht entnehmen, dass ein einmal
entstandener Erstattungsanspruch bei einem Wechsel der Hilfeart wieder erlösche.
Insbesondere gebiete auch der Zweck der Anmeldung des Erstattungsanspruchs
innerhalb der Frist des § 111 SGB X keine erneute Geltendmachung des Anspruchs bei
einem Wechsel der Hilfeart. Zudem handle es sich entsprechend der Entscheidung des
12
Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 30. August 1999 bei einem Wechsel von Hilfe
zum Lebensunterhalt zur Hilfe zur Arbeit nicht um eine wesentliche Änderung der
Hilfegewährung. An den materiellen Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit der
Hilfeempfängerin habe sich nichts geändert. Insbesondere sei der Sozialhilfeträger
gemäß § 18 Abs. 2 BSHG verpflichtet, Hilfesuchende zur Arbeitssuche anzuhalten und
wenn nötig und möglich in Maßnahmen nach §§ 19, 20 BSHG zu vermitteln. Im Übrigen
stehe den höheren Kosten für die Arbeitsmaßnahme auch die Einsparung von Kosten
für eine fortdauernde Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt gegenüber, zumal Frau
T. seit dem 1. Januar 1999 nicht mehr im Hilfebezug stehe. Der Einwand, dass aufgrund
der ersten Anspruchsanmeldung vom 5. August 1997 für den Beklagten die durch die
Hilfe zur Arbeit entstandenen höheren Kosten nicht voraussehbar gewesen seien, trage
nicht, da im Zeitpunkt der Anerkenntniserklärung der letztlich zu erstattende Betrag
ohnehin nicht absehbar gewesen sei. Von den insgesamt auf den Zeitraum vom 1.
Januar 1998 bis 31. Dezember 1998 entfallenden Personalkosten in Höhe von
50.132,28 DM seien der von Frau T. und dem Beklagten bereits erstattete Betrag in
Höhe von 1.131,74 DM für die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt für Januar 1998, der
vom Beklagten bereits erstattete Betrag in Höhe von 7.223,64 DM sowie ein Betrag in
Höhe von 5.810,00 DM anteiliger Kofinanzierung aus Mitteln des Europäischen
Sozialfonds und der Stadt H. abzuziehen, so dass noch ein offener Erstattungsbetrag in
Höhe von 35.967,00 DM verbleibe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Beklagten zu verpflichten, ihm die für Frau B. T. in
der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Oktober 1998 aufgewendeten und noch offenen
Sozialhilfekosten nach § 19 des Bundessozialhilfegesetzes in Höhe von 18.389,58
EUR (entspricht 35.966,90 DM) zu erstatten.
13
Der Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Zur Begründung des Klageabweisungsantrags nimmt er im Wesentlichen Bezug auf
seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Er betont, sein Kostenanerkenntnis vom
22. Dezember 1997 beschränke sich auf die beantragte Hilfeform "Hilfe zum
Lebensunterhalt". Nach dem Schiedsspruch der Zentralen Spruchstelle vom 9. Oktober
1997 sei bei einem Wechsel der Hilfeform von der Hilfe zum Lebensunterhalt zur Hilfe
zur Arbeit eine eigenständige Erstattungsanmeldung erforderlich, da andernfalls
ursprüngliches Kostenanerkenntnis und tatsächlich gewährte Hilfe nicht
übereinstimmten. Da der Kläger ihn jedoch erst am 26. November 1999 von der
Hilfegewährung nach § 19 BSHG in Kenntnis gesetzt habe, sei der Erstattungsanspruch
nach der Ausschlussfrist des § 111 SGB X für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum
31. Oktober 1998 ausgeschlossen. Für den verbleibenden, rechtzeitig geltend
gemachten Zeitraum 1. November 1998 bis 31. Dezember 1998 seien die Kosten
bereits erstattet worden.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers und des
Beklagten Bezug genommen.
17
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
19
Verhandlung, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig und begründet.
20
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der von ihm im
Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Oktober 1998 für die Hilfeempfängerin Frau B. T.
nach § 19 BSHG aufgewendeten Sozialhilfekosten in Höhe von insgesamt noch
35.966,90 DM.
21
Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch des Klägers sind die §§ 107 Abs. 1,
111 Abs. 1 BSHG.
22
Auf den Inhalt und die Reichweite des vom Beklagten am 22. Dezember 1997
abgegebenen Kostenanerkenntnisses kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Denn das Anerkenntnis ist nicht konstitutiv; es wiederholt lediglich deklaratorisch die
sich aus § 107 BSHG ergebende Kostenerstattungspflicht, ohne ersichtlich eine
selbständige, von der gesetzlichen Erstattungspflicht unabhängige Verpflichtung des
Beklagten zu begründen,
23
so Schellhorn/Jirasek/Seipp, Das Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 112
Rn.17.
24
Es kann daher dahinstehen, ob das Kostenanerkenntnis -trotz des offenen Wortlauts der
Erklärung- aufgrund der vorangegangenen Überlassung des Sozialhilfeantrags und des
Erstbescheides über die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt durch den Kläger -
wie der Beklagte meint- lediglich Sozialhilfeleistungen nach den §§ 11, 12 BSHG und
nicht auch die hier streitgegenständlichen Leistungen der Hilfe zur Arbeit nach § 19
BSHG erfasst.
25
§ 107 Abs. 1 BSHG bestimmt, dass, wenn eine Person vom Ort ihres bisherigen
gewöhnlichen Aufenthalts verzieht, der Träger der Sozialhilfe des bisherigen
Aufenthaltsortes -hier der Beklagte- verpflichtet ist, dem nunmehr zuständigen örtlichen
Träger der Sozialhilfe -hier der Kläger- die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb
von Einrichtungen im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 zu erstatten, wenn die Person
innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Die
Erstattungspflicht entfällt nach § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG, wenn für einen
zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war. Nach
Satz 2 der Vorschrift endet sie spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem
Aufenthaltswechsel.
26
Diese Anspruchsvoraussetzungen sind hier erfüllt. Die Hilfeempfängerin verzog am 28.
Juli 1997 von ihrem bisherigen Wohnort I. (Zuständigkeitsbereich des Beklagten) nach
H. (Zuständigkeitsbereich des Klägers) und erhielt vom Kläger ab dem 1. August 1997,
und damit durchgehend und ohne zeitliche Unterbrechung, Leistungen nach dem
BSHG. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ist zwischen den Beteiligten
auch nicht streitig. Der Beklagte hat seine Erstattungspflicht mit Schreiben vom 22.
Dezember 1997 grundsätzlich anerkannt und dem Kläger die in der Zeit vom 1. August
1997 bis zum 31. Januar 1998 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Hilfe zum
Lebensunterhalt erstattet. Ebenfalls hat der Beklagte seine Erstattungspflicht für den
Zeitraum vom 1. November 1998 bis 31. Dezember 1998 anerkannt und dem Kläger die
in dieser Zeit aufgewendeten Kosten für die Maßnahme nach § 19 BSHG -abzüglich der
27
von der Hilfeempfängerin zurückgezahlten Überbrückungshilfe für den Monat Januar
1998 in Höhe von 1.131,74 DM- erstattet.
Der Umfang des hier noch in Rede stehenden Erstattungsanspruchs für Leistungen
nach § 19 BSHG im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Oktober 1998 ist
zwischen den Beteiligten damit ebenfalls unstreitig. Gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG
sind aufgewendete Kosten nur zu erstatten, soweit die Hilfe diesem Gesetz -dem BSHG-
entspricht. Das bedeutet, dass der Kläger Erstattung nur verlangen kann, wenn die
Leistungen rechtmäßig erbracht wurden. Indem der Beklagte seine Erstattungspflicht
auch für Kosten von Leistungen nach § 19 BSHG anerkannt hat, hat er zugleich zu
erkennen gegeben, keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Hilfegewährung
an sich zu haben. Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gewährung
der Leistungen nach § 19 BSHG durch den Kläger rechtswidrig erfolgte. Bei der
Hilfeempfängerin bestand im streitgegenständlichen Zeitraum nach wie vor
Hilfebedürftigkeit. Da die Hilfeempfängerin als Ausländerin, die um Arbeit bemüht war,
aber nach den Umständen des Falles bislang nicht auf dem Arbeitsmarkt vermittelt
werden konnte, in den Adressatenkreis des NOW-Projektes "EfA" des Klägers (new
opportunities for women, Erwerbschancen für Ausländerinnen und Aussiedlerinnen aus
der Sozialhilfe) fiel, erscheint die Gewährung von Leistungen nach § 19 BSHG durch
den Kläger insbesondere nicht ermessensfehlerhaft, zumal der Sozialhilfeträger nach §
18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BSHG auch verpflichtet ist, auf die Aufnahme u.a. von
zumutbaren Arbeitsgelegenheiten nach § 19 oder § 20 BSHG hinzuwirken. Auch
begründet der Umstand, dass die Kosten für die Maßnahme nach § 19 BSHG im
streitbefangenen Zeitraum höher ausgefallen sind als -fiktive- Kosten für Leistungen der
Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 11, 12 BSHG für den gleichen Zeitraum weder
einen Verstoß gegen den Interessenwahrungsgrundsatz noch einen Verstoß gegen
Treu und Glauben. Denn durch Weitergewährung von laufender Hilfe zum
Lebensunterhalt bis zum Ende des Erstattungshöchstzeitraumes von zwei Jahren seit
dem Aufenthaltswechsel (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 2 BSHG), d.h. bis zum 28. Juli 1999,
wären Kosten in Höhe von ca. 36.800 DM angefallen. Für die Maßnahme nach § 19
BSHG sind demgegenüber auch nur Kosten in Höhe von insgesamt ca. 44.300 DM
angefallen - ca 50.100 DM abzüglich der noch aus Mitteln des Europäischen
Sozialfonds und der Stadt H. gezahlten 5.800 DM. Außerdem steht die Hilfeempfängerin
aufgrund der Maßnahme nach § 19 BSHG seit dem 1. Januar 1999 nicht mehr im
Hilfebezug; die Maßnahme hat zu ihrer Eingliederung ins Arbeitsleben geführt. Damit
sind bei einem übersteigenden Betrag von rund 7.500 DM keine erheblichen
Mehrkosten entstanden, durch die berechtigte Interessen des Beklagten in
unangemessener Weise beeinträchtigt worden sind.
28
Die mithin allein noch streitige Frage, ob dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers §
111 Satz 1 SGB X entgegensteht, ist zugunsten des Klägers zu entscheiden. Sein
Anspruch auf Erstattung der im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Oktober 1998
aufgewendeten Kosten für Leistungen nach § 19 BSHG ist nicht gemäß § 111 Satz 1
SGB X ausgeschlossen.
29
Voraussetzung für die wirksame Entstehung eines Kostenerstattungsanspruchs ist nach
dieser Vorschrift, dass der Anspruch von dem erstattungsberechtigten Hilfeträger
innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht wird, der nach Aufhebung
des § 112 BSHG a.F. mit Wirkung zum 1. Januar 1994 gemäß § 37 des
Sozialgesetzbuchs -Allgemeiner Teil- (SGB I) auch auf Kostenerstattungsansprüche
nach den §§ 103 ff. BSHG anwendbar ist. § 111 SGB X bestimmt in der hier seit dem 1.
30
Januar 2001 gemäß Art. 68 Nr. 1 des EURO- Einführungsgesetzes vom 21. Dezember
2000 (BGBl. I S. 1983) anzuwendenden Fassung in Satz 1 -gleichlautend mit dem
bisherigen Recht-, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der
Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten
Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.
Der Kläger hat seinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten bereits mit
Schreiben vom 5. August 1997 fristgerecht im Sinne dieser Vorschrift geltend gemacht.
31
Anknüpfungspunkt für den Beginn dieser materielle Ausschlussfrist ist -schon nach dem
Wortlaut der Vorschrift- die Leistungsgewährung an den Leistungsbezieher.
32
so auch Eichenhofer in Wannagat, Sozialgesetzbuch, Kommentar zum SGB X, Stand:
65. Lfg. März 2001, § 111 Rn. 5 und 8; von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., § 111
Rn. 7.
33
Dabei ist im Rahmen der Sozialhilfe davon auszugehen, dass laufende
Sozialhilfeleistungen jeweils zeitabschnittsweise, in der Regel für die Dauer eines
Monats, gewährt und zu Beginn des jeweiligen Bewilligungsmonats im Voraus
ausgezahlt werden, da Sozialhilfe keine rentengleiche Dauerleistung mit
Versorgungscharakter darstellt. Die Weiterbewilligung erfolgt sodann stillschweigend
oder ausdrücklich jeweils für den weiteren Monat. Nach § 111 Satz 1 SGB X bedeutet
das für den Zeitpunkt, zu dem die Ausschlussfrist in Gang gesetzt wird, dass es bei
laufenden Sozialhilfeleistungen jeweils auf den Zeitraum ankommt, für den die einzelne
Leistung erbracht wurde, und nicht -wie der Kläger zunächst meinte- auf den Zeitpunkt,
zu dem die Hilfegewährung insgesamt endet. Demnach wird bei laufenden
Hilfeleistungen die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X grundsätzlich mit Ablauf
des letzten Tages des jeweiligen Kalendermonats in Gang gesetzt, für den die Hilfe
gewährt wurde,
34
vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, a.a.O., § 112 Rn. 8; Bräutigam in Fichtner,
Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 1999, Vorb. zu §§ 103 ff. Rn.15; Zeitler, NDV
1998, S. 104 (105, 113); Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6. April 1989 -2 RU
34/88-, BSGE 65, 27.
35
§ 111 Satz 1 SGB X bestimmt seinem Wortlaut nach nicht näher, in welcher Form das
Erstattungsbegehren geltend gemacht werden muss. Auch wenn die
Anspruchsanmeldung aus diesem Grund an keine bestimmte Form gebunden ist, so
muss sie, da sie einen Kostenerstattungsanspruch auslösen soll, einerseits
unmissverständlich die Absicht des erstattungsberechtigten Trägers erkennen lassen,
von dem anderen Träger Kostenerstattung zu verlangen. Der Wille, zumindest
rechtssichernd tätig zu werden, muss einer bestimmten Handlung unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles deutlich erkennbar zugrunde liegen,
soll sie ausdrücklich oder konkludent als Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs
gewertet werden. Andererseits muss hinreichend deutlich werden, welche Leistungen
zu erstatten sind. Es müssen zumindest die Umstände, die im Einzelfall für die
Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, hinreichend konkret mitgeteilt
werden. Es können auch künftige Ansprüche fristwahrend geltend gemacht werden. Die
Ausschlussfrist ist auch dann gewahrt, wenn bei Geltendmachung des
Erstattungsbegehrens noch nicht alle für die Prüfung der Anspruchsberechtigung
relevanten Tatsachen angegeben worden sind, dies jedoch nach Ablauf der Frist
36
geschieht,
vgl. BSG, Urteile vom 23. Februar 1999 -B 1 KR 14/97 R-, FEVS 51, 112, vom 28.
November 1990 -5 RJ 50/89-, juris, und vom 25. April 1989 -4/11a RK 4/97-, BSGE 65,
31; Bräutigam in Fichtner, a.a.O., Vorb. zu §§ 103 ff Rn. 5; Giese, Sozialgesetzbuch I
und X, Kommentar, 2. Aufl., 27. Liefg., § 111 Rn. 6.
37
Die darüber hinaus vom Bundessozialgericht aufgestellte Anforderung, dass auch der
Zeitraum, für den die Hilfeleistung erbracht wurde bzw. wird, hinreichend konkret
mitgeteilt werden muss, ist mit Blick auf die gesetzliche Beschränkung der
Erstattungspflicht in § 107 Abs. 2 Satz 2 BSHG im Anwendungsbereich des § 107
BSHG entbehrlich.
38
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger seinen Erstattungsanspruch
rechtswirksam und innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X beim Beklagten
angemeldet. Die Geltendmachung der Kostenerstattung erfolgte bereits unmittelbar
nach dem Leistungsbeginn zum 1. August 1997, und damit nach der Entstehung des
Erstattungsanspruchs, mit Schreiben vom 5. August 1997, das dem Beklagten am 8.
August 1997 zuging. Aus der formularmäßigen Anmeldung ergab sich für den Beklagten
eindeutig und unmissverständlich das Erstattungsbegehren des Klägers hinsichtlich der
von ihm für die Hilfeempfängerin ab dem 1. August 1997 erbrachten bzw. noch zu
erbringenden Leistungen nach den Bestimmungen des BSHG auf der Grundlage des §
107 BSHG. Alle für die Entstehung des Erstattungsanspruchs wesentlichen Umstände
waren aufgeführt. Das Fehlen einer genaueren Bezeichnung der Hilfeart sowie
insbesondere einer genauen Bezifferung der Höhe der erbrachten bzw. noch zu
erbringenden Leistungen ist unschädlich, da die im Einzelnen gewährten Leistungen im
Folgenden durch Vorlage der einzelnen Bewilligungsbescheide bzw.
Verdienstabrechungen durch den Kläger hinreichend konkretisiert werden konnten und
auch worden sind. Der Beklagte konnte aufgrund der Mitteilung vom 5. August 1997 die
angesichts der begonnenen Hilfegewährung zu erwartenden Belastungen -namentlich
auch mit Blick auf die zeitliche Beschränkung des Erstattungsanspruchs nach § 107
Abs. 2 Satz 2 BSHG- hinreichend abschätzen.
39
Soweit -wie auch im vorliegenden Fall- keine rechtserhebliche zeitliche Unterbrechung
der Hilfegewährung gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG eingetreten und derselbe
kostenerstattungspflichtige Träger betroffen ist, wirkt die erstmalige Geltendmachung
des Erstattungsanspruchs sodann auch für den gesamten zukünftigen
Leistungszeitraum,
40
vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, a.a.O., § 112, Rn. 12 f.; Bräutigam in Fichtner, a.a.O.,
Vorb. zu §§ 103 ff, Rn.15; Zeitler, NDV 1998, S. 104 (105, 113); BSG, Urteil vom 28.
November 1990 -5 RJ 50/89-, a.a.o.
41
Denn andernfalls müsste für jeden folgenden Bewilligungsabschnitt eine erneute
Anspruchsanmeldung erfolgen, was dem erklärten Ziel der Neufassung der
Kostenerstattungsansprüche im BSHG durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen
Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 sowie durch das 2. Gesetz zur
Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (2. SKWPG) vom
21. Dezember 1993, namentlich der Reduzierung des mit den Kostenerstattungsfällen
einhergehenden erheblichen Verwaltungsaufwands und der Vereinfachung des
Kostenerstattungsrechts, entgegenliefe.
42
Insbesondere bedurfte es -entgegen der Auffassung des Beklagten- keiner erneuten
Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs bei Umstellung der Leistungsgewährung
auf Hilfe zur Arbeit nach § 19 BSHG. Durch die Mitteilung vom 5. August 1997 hat der
Kläger einen Erstattungsanspruch auch für die ab 1. Januar 1998 für die
Hilfeempfängerin erbrachten Leistungen nach § 19 BSHG wirksam geltend gemacht.
43
Dem steht nicht entgegen, dass -worauf der Beklagte zu Recht hinweist- zu der bis zum
31. Dezember 1993 geltenden Vorschrift des § 112 BSHG, aber auch zum Teil zu § 111
SGB X die Auffassung vertreten wird, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse,
namentlich ein Wechsel der Hilfeart, eine erneute Anmeldung des Erstattungsanspruchs
gegenüber dem erstattungspflichtigen Sozialhilfeträger innerhalb der Frist des § 111
Satz 1 SGB X erforderlich macht, mit der Folge, dass der Anspruch auf Erstattung der für
die neue Hilfeart aufgewendeten Kosten ausgeschlossen ist, wenn die erneute Anzeige
nicht fristgerecht erfolgt,
44
vgl. zu § 112 BSHG a.F.: Schiedsspruch der Zentralen Spruchstelle vom 9. Oktober
1997 -B 90/96-, ZfF 1999, 40; Bayerischer VGH, Urteil vom 2. September 1996 -12 B
92.3887-; zu § 111 SGBX: Zink/Bramann in Mergler/Zink, Kommentar zum BSHG, 4.
Aufl., § 111, Rn. 17; Bräutigam in Fichtner, a.a.O., Vorb. zu §§ 103 ff, Rn.15; Zeitler, NDV
1998, S. 104 (113).
45
Nach dieser Auffassung hätte der Kläger -so meint der Beklagte- aus Anlass der
Umstellung der Hilfeart den Erstattungsanspruch erneut innerhalb der Ausschlussfrist
des § 111 Satz 1 SGB X geltend machen müssen, um auch für die neue Leistungsart
einen Erstattungsanspruch wirksam zu begründen. Da erst mit Schreiben des Klägers
vom 25. November 1999 die Mitteilung erfolgte, dass Leistungen nach § 19 BSHG
gewährt wurden, konnte das Schreiben als -erstmalige- Erstattungsanmeldung für
Leistungen nach § 19 BSHG nach Auffassung des Beklagten dementsprechend nur für
ein Jahr -d.h. bis zum November 1998- zurückwirken. Dagegen wäre die
Geltendmachung des Erstattungsbegehrens hinsichtlich der Sozialhilfeaufwendungen
im Zeitraum 1. Januar 1998 bis 31. Oktober 1998 verfristet und somit ausgeschlossen.
46
Die Kammer folgt dieser rechtlichen Bewertung nicht. Der Kostenerstattungsanspruchs
ist vielmehr auch für die Hilfe zur Arbeit nach § 19 BSHG im Sinne des § 111 SGB X
rechtzeitig geltend gemacht worden.
47
Der Übertragung des Kerngedankens des zitierten Schiedsspruchs der Zentralen
Spruchstelle vom 9. Oktober 1997 steht bereits entgegen, dass im vorliegenden Fall die
erste Mitteilung des Klägers vom 5. August 1997 -anders als in dem von der Zentralen
Spruchstelle entschiedenen Fall- nicht auf eine bestimmte Hilfeart beschränkt war. Der
Kläger gab an, "Leistungen nach den Bestimmungen des BSHG" zu gewähren. Ein
irgendwie gearteter Vertrauenstatbestand konnte für den Beklagten damit nicht
begründet werden. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger
die Mitteilung an den Beklagten durch Vorlage des Hilfeantrages und der
Bewilligungsbescheide, aus denen hervorging, dass -zunächst- Leistungen in Form von
laufender Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wurden, näher konkretisiert hat. Weder
ergab sich hieraus nach dem Willen des Klägers eine ausdrückliche Beschränkung auf
diese Hilfeart noch konnte eine solche angesichts der ungewissen Bedarfslage der
Hilfeempfängerin in der Zukunft erwartet werden. Auf ein Erstattungsbegehren in einer
begrenzten Höhe konnte sich der Beklagte damit nicht einstellen, zumal die
48
Entscheidung über Art, Form und Maß der Leistungen nicht immer in der alleinigen
Entscheidungsbefugnis des hilfegewährenden Trägers liegt, so insbesondere nicht bei
der Krankenhilfe.
Überdies ist eine wesentliche Änderung der Hilfeart mit der Bewilligung von Hilfe zur
Arbeit nach § 19 BSHG gegenüber der zuvor erbrachten laufenden Hilfe zum
Lebensunterhalt nicht eingetreten. Dies folgt bereits aus der gesetzlichen Wertung des
BSHG, wonach Hilfe zur Arbeit unter den Abschnitt 2. des Gesetzes gefasst und damit
systematisch der Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne des § 1 Abs 1 BSHG zugeordnet
ist,
49
vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. August 1999 -4 L 3033/99-, NDV-RD 2000, 13 f.
50
Zudem sind die materiellen Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit nach § 11 Abs. 1
BSHG sowohl bei der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt als auch bei der Hilfe zur
Arbeit dieselben. Lediglich die Form der Hilfeleistung bzw. der Auszahlung
unterscheidet sich.
51
Schließlich gebieten weder der Wortlaut des § 111 Satz 1 SGB X i.V.m. § 107 BSHG
noch der Sinn und Zweck der Vorschrift eine erneute Geltendmachung des
Erstattungsanspruchs im Falle eines wie hier in Rede stehenden Wechsels der Hilfeart.
§ 111 Satz 1 SGB X verlangt die fristgemäße Geltendmachung des
Erstattungsanspruchs durch den Erstattungsberechtigten. Schon der Begriff
"Geltendmachung" zeigt, dass eine Anmeldung bzw. Mitteilung des Anspruchs unter
Hinweis auf dessen wesentliche Entstehungsumstände zur Wahrung der
Ausschlussfrist ausreicht, eine substantiierte Darlegung aller Einzelheiten hingegen
nicht erforderlich ist. Im Übrigen umfasst der Erstattungsanspruch gemäß § 107 BSHG
nach dessen eindeutigem Wortlaut alle Aufwendungen für die am neuen Aufenthaltsort
des Hilfeempfängers "erforderlich werdende Hilfe" ohne Differenzierung nach der
jeweils einschlägigen Hilfeart. In gleicher Weise spricht § 111 Abs. 1 BSHG, der den
Umfang der Kostenerstattung regelt, auch nur -allgemein gehalten- von "Hilfe". Wenn
jedoch ein Erstattungsanspruch unabhängig von der gewährten Hilfeart entsteht bzw.
besteht, ist nicht ersichtlich, weshalb ein Wechsel der Hilfeart, wenn er schon auf den
Erstattungsanspruch selbst keine Auswirkungen hat, eine erneute Anmeldung des
bereits geltend gemachten Anspruchs erfordern sollte. Dies gilt um so mehr, als auch
der Schutzzweck des § 111 SGB X bereits mit der erstmaligen Geltendmachung des
Erstattungsanspruchs hinreichend gewahrt ist. Die Ausschlussfrist des § 111 SGB X
dient dazu, im Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers eine schnelle
Klärung der Verhältnisse herbeizuführen und ihm Klarheit über die auf ihn
zukommenden Erstattungsansprüche zu verschaffen, damit er nicht mit lange zurück
liegenden Ansprüchen überzogen wird und dadurch gegebenenfalls in seinen
finanziellen Dispositionen beeinträchtigt wird. Die Frist soll auch die Abwicklung der
Kostenerstattungsansprüche beschleunigen und zugleich weiter zurück liegende
Ansprüche abschneiden. Außerdem erleichtert die Ausschlussfrist die Beweissicherung,
welche bei einer Abwicklung weit zurück liegender Zeiträume gefährdet sein kann,
52
vgl. Von Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB, SGB X, § 111 Rn. 1
und 7; Eichenhofer in Wannagat, a.a.O., § 111 Rn 1ff.; BSG, Urteil vom 28. November
1990 -5 RJ 50/89-, a.a.o.
53
Diesen Normzielen entspricht vorliegend schon die Anmeldung des
54
Erstattungsanspruchs vom 5. August 1997. Dem Beklagten war ab diesem Zeitpunkt
bekannt, dass er für laufende Hilfeleistungen nach dem BSHG grundsätzlich
erstattungspflichtig war. Er konnte sich also auf entsprechende Erstattungszahlungen
einstellen. Die weitere Abwicklung des fortlaufenden Erstattungsanspruchs,
insbesondere eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung, konnte
sodann in dem bis zur Verjährung des Anspruchs nach § 113 SGB X verbleibenden
Zeitraums erfolgen und ist auch erfolgt. Darüber hinaus ist der Beklagte als
erstattungspflichtiger Leistungsträger seit der Neuregelung der Erstattungsvorschriften
durch das FKPG sowohl durch die zeitliche Beschränkung des
Kostenerstattungsanspruchs in § 107 Abs. 2 BSHG, der von vornherein die
Erstattungspflicht auf einen Zeitraum von maximal zwei Jahren begrenzt, als auch durch
die inhaltliche Beschränkung der zu erstattenden Leistungen auf Hilfen außerhalb von
Einrichtungen durch § 107 Abs. 1 BSHG, hinreichend geschützt. Für einen noch weiter
gehenden Schutz, wie ihn der Beklagte für sich in Anspruch nehmen möchte, besteht
angesichts dessen kein Bedürfnis,
vgl. so im Ergebnis auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. August 1999 -4 L 3033/99-,
NDV-RD 2000, 13 f.; Oesterreicher/Schelter/Kunz, Bundessozialhilfegesetz,
Kommentar, Stand: 45. Lfg. 1. Juni 2003, § 111 Rn. 23.
55
Nach alledem ist der Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung auch für die
Leistungen nach § 19 BSHG, die er im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Oktober
1998 erbracht hat, nicht ausgeschlossen. Der Kläger verlangt von dem Beklagten die
Erstattung der aufgewendeten Kosten in Höhe von 35.966,90 DM (entspricht
umgerechnet 18.389,58 EUR) zu Recht.
56
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 (a.F.), 194 Abs. 5 VwGO;
die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 167 VwGO
i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.
57