Urteil des VG Aachen vom 16.10.2008
VG Aachen: körperschaft, hochschule, verfügung, vorverfahren, insolvenz, versorgung, auflösung, beamtenverhältnis, legitimation, vollstreckung
Verwaltungsgericht Aachen, 1 K 851/07
Datum:
16.10.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 851/07
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattet werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
2. Der Antrag, die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten für das
Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.
3. Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Überleitung des Klägers aus dem
Dienst des beigeladenen Landes in den Dienst der beklagten Hochschule.
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Mit Verfügung vom 3. Januar 2007 übernahm die Beklagte unter Anordnung der
sofortigen Vollziehung den Kläger gemäß § 1 des Gesetzes über weitere
dienstrechtliche und sonstige Regelungen im Hochschulbereich (Art. 7 des
Hochschulfreiheitsgesetzes - HFG - vom 31. Oktober 2006, GV NRW S. 474) in den
Hochschuldienst. In der Verfügung heißt es unter anderem, dass das bisherige
Beamtenverhältnis des Klägers mit der Beklagten als neuer Dienstherrin fortgesetzt
werde. Unter gleichzeitiger Übertragung einer Planstelle der Besoldungsgruppe A 15
BBesO wurde ihm das Amt eines Verwaltungsdirektors an der S. B. übertragen und
mitgeteilt, dass die beamtenrechtlichen Regelungen des Bundes und des Landes
Nordrhein-Westfalen für ihn weiter gälten.
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Der Kläger erhob Widerspruch und führte im Wesentlichen aus, § 1 des Gesetzes über
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weitere dienstrechtliche und sonstige Regelungen im Hochschulbereich sei
verfassungswidrig. Seine Übernahme in das Beamtenverhältnis der Beklagten verstoße
abstrakt und in der konkreten Ausgestaltung gegen die in Art. 33 Abs. 5 des
Grundgesetzes (GG) gewährleisteten hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums und sei deshalb rechtswidrig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Sie hielt Art. 7 § 1 Satz 1 HFG als Ermächtigungsgrundlage für die
Übernahmeverfügung für rechtmäßig und führte aus, die Personalhoheit des Landes,
die in § 121 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) gewährleistet sei, verleihe
dem Land die Befugnis zur Ausgestaltung der Dienstherrenfähigkeit, die den
Hochschulen in § 2 Abs. 3 Satz 2 des Hochschulgesetzes (Art. 1 HFG - HG -) verliehen
worden sei. Mit der Übernahme des Klägers sei ein "isolierter Dienstherrenwechsel"
erfolgt, der beamtenrahmenrechtlich nicht geregelt sei. Hierin liege entgegen der
Ansicht des Klägers kein Verfassungsverstoß.
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Der Kläger hat am 17. August 2007 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er seine
Ausführungen aus dem Vorverfahren und führt im Wesentlichen aus, § 1 des Gesetzes
über weitere dienstrechtliche und sonstige Regelungen im Hochschulbereich verstoße
gegen § 128 BRRG, an dessen Verfassungsmäßigkeit allerdings gezweifelt werde.
Halte man die dortigen Regelungen für wirksam, so seien sie für einen unfreiwilligen
Dienstherrenwechsel von Beamten abschließend. Ein "isolierter Dienstherrenwechsel"
sei dort nicht vorgesehen. Es komme allenfalls ein Dienstherrenwechsel nach § 128
Abs. 4, 3. Alt. BRRG in Betracht, wobei erhebliche Zweifel angebracht seien, ob
überhaupt ein nennenswerter Aufgabenübergang in diesem Sinne erfolgt sei. Selbst
wenn man dies aber annähme, so berühre dieser Aufgabenübergang in seinem, des
Klägers Fall das von ihm konkret-funktionell ausgeübte Amt eines Verwaltungsdirektors
in keiner Weise. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei eine
Änderung des Amtes im konkret-funktionellen Sinne aber ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal des § 128 Abs. 4, 3. Alt. BRRG. Zweifelhaft sei auch die
demokratische Legitimation des Hochschulrates und die Qualifikation dessen Mitglieder.
Eine Übernahme in den Dienst der Beklagten verschlechtere die
Beförderungsmöglichkeiten, weil sich die Zahl der Beförderungsstellen deutlich
verringere. Schließlich enthalte das Gesetz keine Auffangregelung für die
übernommenen Beamten bei einer möglichen Insolvenz oder Auflösung der
Hochschule.
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Der Kläger beantragt, 1. die Verfügung der Beklagten vom 3. Januar 2007 in Gestalt
deren Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2007 aufzuheben,
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2. die Zuziehung der Prozessbevollmächtigen im Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die Ausführungen aus den angefochtenen
Bescheiden.
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Der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt hat, tritt den Rechtsausführungen der
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Beklagten bei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten
verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen
Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 VwGO.
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Die Übernahmeverfügung ist zutreffend auf § 1 des Gesetzes über weitere
dienstrechtliche und sonstige Regelungen im Hochschulbereich gestützt. Nach Satz 1
dieser Vorschrift übernimmt die Hochschule die an ihr tätigen Beamtinnen und Beamten.
Dies ist mit der angegriffenen Verfügung geschehen.
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An der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen keine durchgreifenden
Bedenken. Insbesondere gibt es keinen hergebrachten Grundsatz des
Berufsbeamtentums iSv Art. 33 Abs. 5 GG, wonach bei einer Umbildung von
Körperschaften des öffentlichen Rechts ein Wechsel des Dienstherrn gegen den Willen
des Beamten ausgeschlossen wäre,
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vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 26. November 1963 - 2 BvL
12/52 -, BVerfGE 17, 172, juris Rn. 63; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 29. September 2007 - 6 B 714/07 -, juris Rn. 5;
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 16. April 2008 - 3 K 633/07 -, juris Rn. 27.
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Sie steht auch im Einklang mit § 128 Abs. 4, 3. Alt. iVm Abs. 2 und Abs. 3 BRRG, der als
unmittelbar für die Länder geltendes Recht die Rechtsstellung der Beamten und
Versorgungsempfänger bei einem teilweisen Übergang von Aufgaben einer
Körperschaft auf eine andere Körperschaft regelt. Die vom Kläger gegen diese Vorschrift
- lediglich andeutungsweise - vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken vermag
die Kammer nicht zu teilen und folgt damit dem Bundesverfassungsgericht, dem
Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgericht sowie dem Verwaltungsgericht Köln,
die in den oben angeführten Entscheidungen keine Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit der Norm geäußert haben.
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Nach § 128 Abs. 4, 3. Alt. BRRG sind Beamte einer Körperschaft von einer anderen
Körperschaft zu übernehmen, wenn die Aufgaben der einen Körperschaft teilweise auf
die andere (übernehmende) Körperschaft übergehen. Darin liegt allerdings kein von der
Beklagten angenommener "isolierter Dienstherrenwechsel". Ein solcher stünde zum
Einen nicht im Einklang mit § 59 BRRG, wonach die Veränderung der Rechtsstellung
eines Beamten nur in gesetzlich bestimmter oder zugelassener Form - hier des § 128
Abs. 4, 3. Alt. BRRG - erfolgen darf. Eine solche rechtliche Konstruktion ist aber auch
nicht erforderlich, denn die streitgegenständliche Übernahme ist als zulässige
beamtenrechtliche Personalmaßnahme von vorgenannter Vorschrift gedeckt. Das
Landesgesetz gestaltet in diesem Zusammenhang das Bundesgesetz lediglich näher
aus, indem es u.a. das Verfahren für die Übernahme der Beamten regelt.
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Die Voraussetzungen des § 128 Abs. 4, 3. Alt. BRRG sind auch erfüllt. Mit dem
Hochschulfreiheitsgesetz sind bisherige Aufgaben des Beigeladenen - einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts - teilweise auf die Beklagte - gleichfalls eine
öffentlich-rechtliche Körperschaft - übergegangen.
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Ein solcher, vom Kläger infrage gestellter Aufgabenübergang liegt vor. Er ist zum Einen
darin zu sehen, dass den Hochschulen durch § 2 Abs. 1 Satz 3 HG das Recht der
Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze iSv Art. 16 Abs. 1 der Verfassung für das
Land Nordrhein-Westfalen verliehen wird. Zum Anderen dürfen sie nunmehr selbst
Beamte haben und sind damit Dienstherren, wie § 2 Abs. 3 Satz 2 HG bestimmt. Hierin
liegt ein beachtlicher - abstrakter - Aufgabenübergang, der die Beklagte zu erheblichen
organisatorischen Änderungen zwingt.
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Von dem teilweisen Aufgabenübergang vom Beigeladenen zu der Beklagten ist aber
auch das konkrete Amt im funktionellen Sinne des Klägers - das Amt eines
Verwaltungsdirektors - unmittelbar betroffen. Denn die Beklagte braucht für ihre
Verwaltungstätigkeit Verwaltungsbeamte wie den Kläger. Er missversteht die vom
Bundesverwaltungsgericht geforderte konkrete Berührung des Amtes, das ein
überzuleitender Beamter vor und nach der Überleitung ausübt,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 2. April 1982 - 2 C 35/78 -, ZBR
1981, 312, juris Rn. 18.
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Es kommt nämlich nicht darauf an, ob der Beamte vor und nach der Überleitung die
gleichen Tätigkeiten ausübt. Notwendig, aber auch ausreichend ist der mit dem
Übergang der abstrakten Zuständigkeiten einher gehende Übergang des
Verantwortungszusammenhangs, in den der konkrete Aufgabenkreis des zu
übernehmenden Beamten gestellt ist,
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vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 5. Dezember 2007 - 5 LB
343/07 -, juris Rn. 51.
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Hier hat die aufnehmende Hochschule Bedarf für die von dem Kläger durchgeführte
Tätigkeit und hat sie ihm mit der Übernahmeverfügung ein entsprechendes Amt im
abstrakt-funktionellen Sinne zur Verfügung gestellt und übertragen.
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Die vom Kläger geäußerten Bedenken zum Inhalt seines Amtes bei einer möglichen
Insolvenz oder einer Auflösung der Hochschule greifen nicht durch. Gemäß § 2 Abs. 1
Satz 1 HG ist die Beklagte eine vom Beigeladenen getragene, rechtsfähige Körperschaft
des öffentlichen Rechts, gegen die nach § 78 Abs. 3 Satz 2 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ein
Insolvenzverfahren nicht stattfindet. Darüber hinaus ist ein Risiko über § 5 Abs. 6 Satz 5
HG abgesichert, weil das Land im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Hochschule für die
Forderungen der Beamtinnen und Beamten aus Besoldung, Versorgung und sonstigen
Leistungen haftet, die die Hochschulen ihnen zu erbringen hat. Die befürchteten
negativen dienstrechtlichen Folgen sind demgegenüber von § 33 HG abgesichert,
wonach auf das beamtete Hochschulpersonal die Vorschriften des
Landesbeamtengesetzes Anwendung finden. Hierdurch sind sowohl eine
amtsangemessene Beschäftigung als auch die Möglichkeit der landesweiten
Versetzung und Beförderung garantiert.
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Auch die Bedenken des Klägers gegen die Bestimmung seiner obersten Dienstbehörde
machen die Übernahme in den Dienst der Beklagten nicht rechtswidrig. Nach § 33 Abs.
2 Satz 3 HG ist für ihn nunmehr der Hochschulrat oberste Dienstbehörde im Sinne von §
3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBG. Die besondere Stellung und Bedeutung der obersten
Dienstbehörde für die Beamten ist in den Beamtengesetzen des Landes
festgeschrieben. Sie kann eine maßgebliche Rolle etwa bei der Entlassung (§ 31 Nr. 3
LBG), dem Eintritt in den Ruhestand (§ 44 Abs. 3 LBG), der Gewährung von Altersteilzeit
(§ 78 d Abs. 3 LBG), der Erteilung von Ausnahmen von der Höchstaltersgrenze bei der
Einstellung (§ 84 Abs. 1 LVO) oder der Versorgung (§ 96 Abs. 4 LBG) spielen. Im
Zusammenhang mit der Dienstherreneigenschaft der Beklagten ist sie Ausübung der
Staatsgewalt, die einer demokratischen Legitimation bedarf,
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BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 -, BVerfGE 93, 37, juris Rn. 138c.
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Eine demokratische Legitimationskette lässt sich für den Hochschulrat zwar nicht mit
seiner in § 21 Abs. 4 HG geregelten Wahl des Leitungsgremiums einer Hochschule
durch ein gemäß Satz 1 der Vorschrift mehr oder weniger willkürlich
zusammengesetztes, jedenfalls nicht demokratisch gewähltes Auswahlgremium
begründen. Die Bedenken werden aber dadurch überwunden, dass die von diesem
Gremium beschlossene Liste für die Mitglieder des Hochschulrats nach Satz 4 der
abschließenden Zustimmung durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft,
Forschung und Technologie - und damit einer demokratisch legitimierten
Landesbehörde - unterliegt. Dass sich der Hochschulrat von einer klassischen obersten
Dienstbehörde wie etwa dem früher für den Kläger zuständigen Ministerium
unterscheidet und sich seine Zusammensetzung möglicherweise häufiger wechseln
wird, ist für die dienstrechtliche Stellung des Klägers ohne Belang. Denn es gibt keinen
Grundsatz, wonach eine oberste Dienstbehörde im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
LBG in personeller und funktioneller Hinsicht unverändert bleiben müsste. Auch die
Leitung von Ministerien und von dessen Abteilungen kann häufig wechseln, ohne dass
dies verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Schließlich ist es nicht erforderlich, dass die
oberste Dienstbehörde zwingend aus juristisch vorgebildeten Personen bestehen
müsste. Insofern reichen der in § 33 Abs. 1 HG für das beamtete Hochschulpersonal
begründete Schutz durch das Landesbeamtengesetz und die in § 76 HG geregelte
Aufsicht des Ministeriums über die Hochschule zur Gewährleistung einer geordneten
und rechtmäßigen Verwaltung aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 iVm § 162 Abs. 3 VwGO. Da der
Beigeladene im Verfahren keinen Antrag gestellt hat, erscheint es unbillig, seine Kosten
dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren war nicht nach § 162 Abs.
2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da eine Kostenerstattung durch die Beklagte,
in deren Rahmen die Erklärung von Bedeutung wäre, ausscheidet.
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Gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO wird die Berufung zugelassen, weil die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung iSv § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt.
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