Urteil des VG Aachen vom 26.09.2005
VG Aachen: aufschiebende wirkung, vergnügungssteuer, stadt, vollziehung, mitwirkungspflicht, härte, steuersatz, gaststätte, betrug, pauschal
Verwaltungsgericht Aachen, 4 L 596/05
Datum:
26.09.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 596/05
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Streitwert wird auf 7.515,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Die Antragstellerin stellt im Gebiet der Stadt B. Spielautomaten mit und ohne
Gewinnmöglichkeit in einer Spielhalle und in zwei Gaststätten auf. Der Antragsgegner
erhebt Vergnügungssteuer unter anderem auf das Halten von Spielautomaten in
Spielhallen und Gaststätten. Grundlage hierfür ist die Vergnügungssteuersatzung der
Stadt B. vom 11. Dezember 2002 in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 26.
Februar 2003 (VStS 2003). Steuerschuldner ist nach § 3 Abs. 1 VStS der Aufsteller der
Apparate. Die Steuer für das Halten eines Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in
einer Spielhalle betrug im Steuerjahr 2003 je angefangenem Kalendermonat 210,- EUR,
für einen solchen Automaten in einer Gaststätte 60,- EUR. Die Steuer für das Halten
eines Spielautomaten ohne Gewinnmöglichkeit betrug je Automat in einer Spielhalle
45,- EUR, für einen solchen Automaten in einer Gaststätte 26,- EUR.
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Mit Bescheid vom 28. Dezember 2002 setzte der Antragsgegner gegenüber der
Antragstellerin für das Jahr 2003 eine Vergnügungssteuer von insgesamt 33.372,- EUR
fest; 25.200,- EUR für 10 Geräte mit Gewinnmöglichkeit und 4860,- EUR für 9 Geräte
ohne Gewinnmöglichkeit jeweils in Spielhallen, 1.440,- EUR für 2 Geräte mit
Gewinnmöglichkeit und 1.872,- EUR für 6 Geräte ohne Gewinnmöglichkeit in
Gaststätten.
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Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 27. Januar 2003 Widerspruch ein.
Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, die Vergnügungssteuer habe
erdrosselnde Wirkung.
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Mit Bescheid vom 12. Februar 2003 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück
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und wies zur Begründung unter anderem auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgericht
hin, wonach auch bei einem Steuersatz für Geldspielgeräte in Spielhallen von 600,- DM
(=306,78 EUR) die erdrosselnde Wirkung zu verneinen sei.
Die Antragstellerin erhob am 24. Februar 2003 Klage gegen den Steuerbescheid,
soweit dieser das Halten von Spielgeräten in Spielhallen erfasst.
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Mit Schreiben vom 3. Mai 2005 beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der
Vollziehung des Vergnügungssteuerbescheides, soweit sie die Steuerforderungen noch
nicht beglichen hatte. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 13.
Mai 2005 ab und verwies darauf, dass nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 13. April 2004 nur dann die Verwendung eines Stückzahlmaßstabes für
Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit rechtswidrig sei, wenn die gemittelten
Einspielergebnisse einzelner Spielautomaten mehr als 50 % von den durchschnittlichen
Einspielergebnissen der Automaten in einer Gemeinde abwichen. Für einen solchen
Sachverhalt lägen ihm bezogen auf das Stadtgebiet B. keine Erkenntnisse vor.
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Die Antragstellerin hat am 25. Mai 2005 beim Verwaltungsgericht Antrag auf Anordnung
der aufschiebenden Wirkung ihre Klage gestellt. Zur Begründung führt sie aus, auch im
Gebiet der Stadt B. seien die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten
Voraussetzungen für die Unzulässigkeit einer allein an der Anzahl der Geräte
orientierten Vergnügungssteuer gegeben. Als Beleg hierfür legt die Antragstellerin
Aufstellungen für den Zeitraum 1. Januar 2003 bis 31. Mai 2005 vor, denen zu
entnehmen sei, dass die Einnahmen zum Teil um mehrere 100 Prozent voneinander
abwichen.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 4 K 347/03 gegen den
Vergnügungssteuerbescheid des Antragsgegners vom 28. Dezember 2002 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2003 anzuordnen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wiederholt er seine Ausführungen aus dem Schreiben vom 13. Mai
2005 und nimmt im Übrigen Bezug auf seine Ausführungen im Verfahren 4 K 347/03.
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Das Gericht hat die Antragstellerin zuletzt mit Verfügung vom 15. September 2005
aufgefordert, die von ihr behauptete Überschreitung der nach Maßgabe der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zulässigen Schwankungsbreite bei
den Einspielergebnissen substantiiert und nachvollziehbar bis zum 22. September 2005
darzulegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte,
die Gerichtsakte 4 K 347/03 sowie den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug
genommen.
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II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg, da im Rahmen der im Aussetzungsverfahren allein
gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Steuerbescheides nicht bestehen und auch nicht ersichtlich ist, dass die
Vollziehung des Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, vgl. § 80 Abs. 4
Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Der in § 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 3
VwGO zum Ausdruck kommende grundsätzliche Vorrang des öffentlichen Interesses an
der sofortigen Vollziehbarkeit auch umstrittener Abgabenbescheide lässt die
Feststellung ernstlicher Zweifel durch das Gericht nur dann zu, wenn - auf der
Grundlage der gebotenen summarischen Prüfung - ein Erfolg des Rechtsbehelfs
wahrscheinlicher als ein Misserfolg ist,
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vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 17. März 1994 - 15 B 3022/93 - NWVBl 1994, 337.
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Die summarische Prüfung erstreckt sich zunächst auf die von dem
Rechtsschutzsuchenden selbst vorgetragenen Einwände. Hierbei ist zu beachten, dass
weder schwierige Tatsachenfeststellungen getroffen noch schwierige Rechtsfragen im
Eilverfahren abschließend geklärt werden können. Etwaige sonstige nicht gerügte
Mängel des Abgabenbescheides finden dann Berücksichtigung, wenn sie offensichtlich
seine Rechtmäßigkeit ausschließen.
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Hieran gemessen ist der gestellte Antrag abzulehnen.
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Soweit der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid Automaten ohne
Gewinnmöglichkeit in Spielhallen erfasst, folgt dies bereits aus dem Umstand, dass die
Antragstellerin weder im Klageverfahren noch im gerichtlichen Eilverfahren Einwände
gegen die Festsetzung der Vergnügungssteuer für diese Automaten vorgetragen hat
und Mängel dieser Besteuerung auch sonst nicht ersichtlich sind. Insbesondere ist nicht
ersichtlich, weshalb der für diese Automaten geltende Steuersatz von 45,- EUR
erdrosselnde Wirkung haben soll.
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Der Antrag ist auch unbegründet, soweit sich die Klage gegen die Festsetzung der
Vergnügungssteuer für Automaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen richtet. Die
Antragstellerin hat nämlich nicht dargetan, dass im Gebiet der Stadt B. bei diesen
Spielautomaten eine Schwankungsbreite in den Einspielergebnissen auftritt, die den
vom Bundesverwaltungsgericht vorgegebenen Rahmen überschreitet,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 13. April 2005 - 10 C 5.04, 10 C
8.04 und 10 C 9.04 -
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Die mit den Schriftsätzen vom 16. August und 14. September 2005 übersandten und mit
"Kassierungsdaten" überschriebenen Listen tragen die von der Antragstellerin
aufgestellte Behauptung einer maßgeblichen Überschreitung schon deswegen nicht,
weil diese Listen aus sich heraus nicht verständlich sind und - trotz gerichtlicher
Aufforderung - Erklärungen hierzu seitens der Antragstellerin nicht eingereicht wurden.
Ob eine der in den Aufstellungen enthaltenen Zahlenreihen die Einspielergebnisse der
jeweiligen Automaten darstellen soll, lässt sich nicht eindeutig bestimmen.
Insbesondere bleibt unklar, ob und ggf. in welcher Weise die in der Spalte "Ist-Kasse"
aufgeführten Beträge, sofern diese die Einspielergebnisse darstellen sollen, mit den in
den Spalten "Nachfüllung", Rohrfüllung A" oder "Rohrfüllung B" aufgeführten Beträge zu
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verrechnen sind. Schließlich ist nicht nachvollziehbar, weshalb - zwar nicht wie für den
Zeitraum 2003 in insgesamt 16 Fällen - aber immerhin in einem Fall Kassierungsdaten
und Ist-Kasse-Bestände doppelt aufgeführt und in der Summierung berücksichtigt
worden sind. Weiterhin wird in der Liste offenbar nicht zwischen Automaten mit und
solchen ohne Gewinnmöglichkeit unterschieden. Bei verschiedenen Automaten sind
zudem die konkreten Zahlen erklärungsbedürftig. So wäre zum Beispiel zu erläutern,
wie die über das gesamte Jahr 2003 hindurch negativen Beträge bei den Automaten
"Merkur Jackpot" bzw. "Merkur J. Slave" zu verstehen sind, oder wie es bei einem
erstmals für Dezember 2003 aufgeführten Automaten ("Magic Chance") zu zwei
unterschiedlichen negativen "Ist-Kasse"-Beständen kommen kann, ohne dass die
sonstigen Spalten Eintragungen aufweisen.
Des Weiteren fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Antragstellerin dazu, welche
durchschnittlichen Ergebnisse die einzelnen Geräte eingespielt haben und welches
durchschnittliche Einspielergebnis aller von ihr aufgestellten Automaten mit
Gewinnmöglichkeit (jeweils innerhalb und außerhalb von Spielhallen) hieraus folgt. Den
Aufstellungen lässt sich dies - unabhängig von den bereits genannten Unklarheiten - so
nicht entnehmen, da die Kassierungsintervalle erheblich differieren. Schließlich hat es
die Antragstellerin gänzlich unterlassen, die Automaten zu benennen, deren
Einspielergebnisse die maßgebliche Schwankungsbreite überschreiten sollen.
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Eine Verpflichtung des Gerichts, diese Sachverhaltsaspekte, gegebenenfalls unter
Einschaltung eines Sachverständigen, von Amts wegen aufzuklären, besteht jedenfalls
im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht. Der in § 86 VwGO normierte
Amtsermittlungsgrundsatz für das verwaltungsgerichtliche Verfahren findet seine Grenze
in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten,
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vgl. BayVGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 23 ZB 05.1236 -.
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Dieser Mitwirkungspflicht ist die Antragstellerin nicht in dem gebotenen Umfang
nachgekommen. Auf die gerichtliche Aufforderung zur Übersendung einer
substantiierten Darlegung der behaupteten Überschreitungen der maßgeblichen
Schwankungsbreite hat die Antragstellerin nicht reagiert. Sie hat weder eine nach den
Vorgaben der Kammer spezifizierte noch eine auf andere Weise substantiierte
Darstellung des von ihr pauschal behaupteten Sachverhalts übersandt.
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Dem Gericht drängt sich auch aus sonstigen Erkenntnisquellen nicht auf, dass im Gebiet
der Stadt B. die vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigte zulässige
Schwankungsbreite überschritten würde. Insbesondere sind bislang in keinem anderen
das Stadtgebiet B. betreffenden gerichtlichen Vergnügungssteuerverfahren dem Gericht
entsprechende Überschreitungen substantiiert dargelegt worden.
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Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die vom
Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen für die Annahme der
Unzulässigkeit der Verwendung eines Stückzahlmaßstabes bereits dann erfüllt wären,
wenn die Antragstellerin ein Überschreiten der zulässigen Schwankungsbreite bei von
ihr aufgestellten Automaten substantiiert dargelegt hätte. Dies erscheint gemessen an
den Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgerichts an die Bildung eines
"belastbaren Durchschnitts der Einspielergebnisse",
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vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 8.04 - Seite 6ff des Urteilsausdrucks,
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gestellt hat, durchaus zweifelhaft,
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so auch VG Münster - 9 L 544/05 - Beschluss vom 5. August 2005 veröffentlicht in:
www.nrwe.de.
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Soweit die Antragstellerin im Klageverfahren - nicht jedoch im Eilverfahren - geltend
gemacht hat, der von dem Antragsgegner erhobenen Vergnügungssteuer komme
wegen des Steuersatzes von 210,- EUR erdrosselnde Wirkung zu, führt dies nicht zu
ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides, da -
worauf der Antragsgegner im Klageverfahren 4 K 347/03 bereits mit Schriftsatz vom 2.
Februar 2004 hingewiesen hat - in B. in weiteren Spielhallen zahlreiche Spielautomaten
mit Gewinnmöglichkeit betrieben werden, ohne dass die zum 1. Januar 2003
vorgenommene Erhöhung der Steuersätze zu einem deutlichen Bestandsrückgang
geführt hätte. Diesem Vortrag ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten. Das Gericht
hat auch sonst keinen Anlass an der Richtigkeit der vorgetragenen Zahlen des
Antragsgegners zu zweifeln. Bei dieser Sachlage lässt sich - jedenfalls im Eilverfahren -
keine generelle erdrosselnde Wirkung feststellen.
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Eine der Antragstellerin durch die Vollziehung drohende unbillige Härte i.S.d. § 80 Abs.
5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist weder dargelegt noch ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz
(GKG). Dabei legt die Kammer in Übereinstimmung mit dem "Streitwertkatalog für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit" im Abgabenrecht den Wert der streitigen Abgabe zugrunde,
der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf ein Viertel ermäßigt wird. Nach
dem in der Antragsschrift vom 24. Mai 2005 formulierten Antrag begehrt die
Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den
Vergnügungssteuerbescheid des Antragsgegners vom 28. Dezember 2002. Da mit
dieser Klage der Steuerbescheid des Antragsgegners angefochten wird, soweit er
Geräte in Spielhallen erfasst, ist bei der Streitwertberechnung vom diesbezüglichen
Betrag der festgesetzten Steuer (25.200,- EUR + 4.860,- EUR = 30.060,- EUR)
auszugehen, der im Eilverfahren mit einem Viertel, also mit 7.515,- EUR als Streitwert
festzusetzen ist.
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