Urteil des VG Aachen vom 09.02.2004

VG Aachen: politische verfolgung, syrien, zeitung, familie, drohende gefahr, amnesty international, persönliche freiheit, bundesamt, geheimdienst, gerät

Verwaltungsgericht Aachen, 9 K 1439/00.A
Datum:
09.02.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 1439/00.A
Tenor:
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung von Ziffern 2. und 4. des
an die Kläger zu 1. bis 7. gerichteten Bescheides des Bundesamtes für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14. Juni 2000
verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des
Ausländergesetzes in der Person der Kläger zu 1. und 2. vorliegen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Beklagten zu drei Vierteln, die
Beklagte trägt die Kosten der Kläger zu 1. und 2.; ansonsten tragen die
Beteiligten ihre Kosten in dem gerichtskostenfreien Verfahren selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Kläger sind syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie stammen
aus I. und reisten zusammen am 18. November 1999 auf dem Landweg nach
Deutschland ein.
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Zu ihrem Asylbegehren wurden die Kläger zu 1. und 2. sowie 8. und 9. am 24.
November 1999 durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
(Bundesamt) angehört.
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Der Kläger zu 1. gab unter anderem (u.a.) an, er habe I. , wo er mit seiner Familie stets
gewohnt habe, am 1. November 1999 mit dieser verlassen. Fünfzehn Tage vorher habe
bei ihm nachts eine Razzia stattgefunden. Er sei nicht zu Hause gewesen, weil er in S.
B. B1. gearbeitet habe. Seine Frau und seine Kinder seien zu Hause gewesen. Von der
Razzia habe er durch seinen Bruder gehört, der ihm gesagt habe, er solle nicht nach
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Hause kommen. Er sei freier Bauunternehmer gewesen und seine Arbeitsstelle habe
sich etwa sechzig Kilometer entfernt befunden. Manchmal sei er abends nicht nach
Hause gefahren und auf der Baustelle geblieben. So sei es auch an diesem Tag, an
dem die Razzia stattgefunden habe, gewesen. Nachdem er von seinem Bruder von der
Razzia gehört gehabt habe, sei er nach L. gefahren. Seine Familie habe sich noch eine
Woche zu Hause aufgehalten. Sie habe dort aber nicht bleiben können, weil sie immer
wieder gekommen seien. Etwa eine Woche nach der Razzia sei die Familie zu seiner
Schwester nach B2. H. gefahren. Dort seien sie etwa vier bis fünf Tage geblieben. Er
habe ihnen dann sein Auto geschickt, mit dem sie dann ebenfalls nach L. gekommen
seien. Nachdem seine Parteifreunde einen Schlepper gefunden gehabt hätten, sei er mit
seiner Familie am 1. Oktober 1999 über die syrisch- türkische Grenze gebracht worden.
In der Türkei hätten sie sich in Derbassia aufgehalten. In Istanbul seien sie dann zehn
Tage gewesen. Für die Ausreise hätten sie 15.000 US-Dollar zahlen müssen. Das Geld
habe er durch den Verkauf seines Fahrzeuges und eines Betonmixers erhalten. Die
Parteifreunde hätten diesen in S. B. B1. und sein Fahrzeug in L. verkauft. Außerdem
habe seine Frau Goldschmuck gehabt, den sie ebenfalls verkauft hätten. Während
seines Militärdienstes habe ihn ein Freund mit den Zielen und dem Programm der "Hizb
B. Yessari B. Kurdi fie Sofia" vertraut gemacht. Es handele sich dabei um die Kurdisch-
Syrisch-Linke Partei. Kurdisch heiße die Partei "Partiya Depie Kurdi le Soria". Nach
dem Ende des Militärdienstes sei er zunächst Aufnahmekandidat geworden und
schließlich 1982 Mitglied. Weil er über künstlerische Talente verfüge, habe man ihm die
Leitung einer Folklore-Gruppe übertragen. Sie hätten natürlich auch die kurdischen
Feste gefeiert. Anlässlich dieser sei er von Seiten des Geheimdienstes immer wieder
festgenommen worden. Er habe verneint, einer Partei anzugehören. Insgesamt sei er
etwa fünf- bis sechsmal festgenommen worden. Das erste Mal sei 1982 gewesen.
Zuletzt sei er 1990 festgenommen worden. 1990 habe man ihn etwa zehn Tage
festgehalten. Sie hätten ihn stets zur Zusammenarbeit aufgefordert. Bei seiner letzten
Festnahme habe er sich auch verpflichten müssen, nicht mehr an derartigen Festen
teilzunehmen. Für den Fall der Teilnahme habe man ihm eine unbestimmte
Gefängnisstrafe angedroht. Während seiner letzten Festnahme hätten sie ihm die Zunge
herausgezogen und ihn daran mit einem Hefter verletzt. Sie hätten ihm auch Ohrfeigen
gegeben, wobei sein linkes Trommelfell verletzt worden sei. Seitdem höre er auf dem
linken Ohr nur noch schlecht. In den folgenden Jahren sei er immer wieder befragt,
jedoch nicht festgenommen worden. Er habe immer verneint, sich politisch zu betätigen.
1995 habe die Partei dann von ihm verlangt, den Druck der Parteizeitung Tarik B.
Jessar (Der linke Pfad) zu übernehmen. Die Handdruckmaschine habe er bis zum Tag
der Razzia im Oktober 1999 bei sich zu Hause aufbewahrt. Diese habe man dann
gefunden und beschlagnahmt. Dies habe er von seinem Bruder erfahren und aus
diesem Grund habe er auch das Land verlassen. Bei der Zeitung handele es sich um
eine regionale Parteizeitung, die in der Umgebung von I. verteilt werde. Er habe diese
ein Mal monatlich in einer Auflage von 400 bis 500 Exemplaren gedruckt. Seine
Aufgabe sei es nur gewesen, die Zeitung herzustellen. Andere Personen hätten die
Exemplare abgeholt und verteilt. Die Zeitung habe so ausgesehen, dass in der Mitte der
Kopfzeile der Name der Zeitung Tarik B. Jessar gestanden habe. Links davon habe sich
das regionale Abzeichen der Partei, das aus einer Art Kreis, in dem zwei Hände
abgebildet seien, bestehe, befunden. Auf der rechten Seite der Kopfzeile hätten sich
Parolen der Partei befunden, z. B. über die Benachteiligung des kurdischen Volkes in
Syrien und seiner verfassungsmäßigen Anerkennung. Unter der Kopfzeile links hätten
sich Inhaltsangaben zu den Artikeln in der Zeitung befunden. Die Zeitung habe DIN A 4-
Format gehabt und aus drei bzw. vier beidseitig bedruckten Blättern bestanden. Die
Artikel hätten sich mit den aktuellen Problemen beschäftigt und u.a. davon gehandelt,
dass den kurdischen Bauern ihr Land zurückgegeben werden solle, was ihnen zu
Gunsten arabischer Bauern abgenommen worden sei. Die Herstellung der Zeitung sei
verboten gewesen. Es sei die Zeitung einer illegalen Partei gewesen. Ein Urheber sei in
der Zeitung nicht vermerkt gewesen. Neben der regionalen Parteizeitung habe es auch
eine zentrale gegeben, die Tariq B. Sha'ab (Weg bzw. Pfad des Volkes) heiße. Die
ersten Zellen der Partei hätten sich 1957 gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern habe
Othman Sabri gehört. Diesen nenne man auch Appo. Die ersten kurdischen
Bewegungen seien 1957 unter dem Namen "Al-Part B. demokrati Al-Kurdistani fie
Soria" gegründet worden. Die linke Strömung habe am 15.10.1965 damit begonnen,
sich zu organisieren und in Erscheinung zu treten. Die Kurdische Bewegung habe sich
1997 formiert. Die Partei habe im Laufe der Jahre unterschiedliche Namen getragen.
Unter ihrem jetzigen Namen habe die Partei am 5. Oktober 1965 ihre Arbeit
aufgenommen. 1965 sei die Partei "Hizb B. demokrati B. kurdi-B. Yasser" (Kurdisch-
demokratische Partei - Die Linken) genannt worden. 1975 sei der Name in den jetzigen
geändert worden. Die damalige linke Bewegung Habe Othman Sabri 1965 gegründet.
Zurzeit stehe Khieradeen Murad an der Spitze der Partei. Als er selbst in die Partei
eingetreten sei im Jahre 1982, sei die Partei von Issmet Saida geführt worden. Wie viele
Mitglieder die Partei insgesamt habe, könne er nicht sagen, er wisse nur, dass es in
seiner Region etwa 150 Mitglieder gegeben habe. Hauptziel der Partei sei es, die
kulturelle und soziale Benachteiligung der Kurden in Syrien aufzuheben. Sie wolle auch
die verfassungsmäßige Anerkennung der Rechte der Kurden, die auch ihre nationalen
Rechte erhalten sollten. Es habe einige Abspaltungen von der Partei gegeben. 1992
habe sich eine Gruppierung mit dem Namen "Partei der Werktätigen" abgespalten, die
aber ein Jahr später wieder zur Partei zurückgekommen sei. Am 10. Parteitag 1994 sei
eine Gruppe um Yousif Diebo ausgeschlossen worden. Daraus habe sich eine Partei
gegründet, die den gleichen Namen wie seine Partei trage. Diese Abspaltung gleichen
Namens gebe es heute immer noch. Ihr Führer sei Mohammad Moso Mosa. Beide
Parteien existierten parallel zueinander und beide behaupteten, jeweils die Stärkere zu
sein. Der Unterschied zu seiner Partei bestehe darin, dass seine Partei mit anderen
kurdischen Parteien ein Bündnis eingegangen sei, und zwar mit den Parteien "Itihad B.
Sha'aby" (Volksunion), "Yekiti" (Vereinigung), "Paridemokrati Kurdi" (Kurdisch-
Demokratische Partei in Syrien) und "Hizb Al-Istivaki Ala Taqadumi" (Sozialistische
Fortschrittspartei). Hinsichtlich des Namens der Partei sei er sich nicht ganz sicher. Die
Partei sei unter dem Namen "Yekiti" bekannt. Die Herstellung der Parteizeitung habe
man ihm übertragen, weil die Partei Vertrauen in ihn gesetzt und an seine
Zuverlässigkeit geglaubt habe. Er habe die Herstellung der Zeitung trotz seiner
Festnahmen übernommen, weil er die Partei dabei nicht verraten und sich fünf Jahre
nach der letzten Festnahme zurückgehalten habe, so dass er nicht mehr verdächtig
gewesen sei. Er habe auf die Entscheidung der Partei keinen Einfluss gehabt.
Außerdem müssten alle ihren Beitrag leisten. Er habe die Entscheidung der Partei
akzeptiert. Wenn sie einen Besseren gefunden hätten, hätten sie diesen sicherlich damit
beauftragt. Seine Frau habe ihm mitgeteilt, dass man die Druckmaschine und Reste von
Zeitungen bei der Razzia mitgenommen habe. Eine halbe Stunde nach der Razzia
seien sie noch einmal gekommen und hätten seinen Reisepass beschlagnahmt. Die
restlichen Zeitungen hätten bei ihm zu Hause abgeholt werden sollen. Seine Wohnung
bestehe aus vier Zimmern. Er habe die Druckmaschine unter seinem Bett versteckt
gehabt. Seine Frau und seine Kinder hätten davon gewusst, dass er die Zeitung in
seinem Zimmer gedruckt habe. Sein Bruder habe ihm in S. B. B1. Mitteilung von der
Razzia machen können, die gegen Mitternacht stattgefunden habe, weil seine Frau den
Sohn L1. zu dem Bruder geschickt habe, der ihm dann am nächsten Morgen davon
berichtet habe.
Die Klägerin zu 2. führte aus, sie habe ihren Wohnort I. vor etwa einem oder eineinhalb
Monaten verlassen und sei mit den Kindern nach B2. H. gegangen. Dort seien sie eine
Nacht geblieben und dann nach L. gefahren. Von I. nach B2. H. seien sie mit einem
Mietwagen gefahren. Den Mietwagen für die Fahrt von B2. H. nach L. habe der Kläger
zu 1. geschickt. Es sei nicht das Fahrzeug des Ehemannes, sondern ein Mietwagen
gewesen. In L. hätten sie sich nur sehr kurze Zeit aufgehalten. In der Türkei hätten sie
sich in Massaibien aufgehalten. Sie hätten Syrien verlassen, weil ihr Mann immer
wieder vom syrischen Staat verfolgt worden sei. Sie hätten ihn immer einige Tage
festgehalten. Dabei hätten sie ihn auch an einem Ohr und an der Zunge verletzt. Das sei
alles in diesem Jahr geschehen. Vor fünf Jahren sei ihm allerdings bereits etwas
Ähnliches passiert. Damals hätten sie ihn zehn Tage festgehalten und dabei
geschlagen. Eines Tages, an das genaue Datum könne sie sich nicht mehr erinnern,
seien gegen Mitternacht vier Leute vom Geheimdienst zu ihnen nach Hause gekommen.
Ihr Mann habe sich in S. B. B1. befunden. Der Sohn L1. habe die Tür geöffnet. Die
Beamten hätten sich ausgewiesen und einen Durchsuchungsbefehl gezeigt. Sie hätten
das Haus durchsucht und ein Gerät gefunden, mit dem man Zeitungen herstellen könne.
Ihr Mann habe mit diesem Gerät früher mit zwei Freunden Zeitungen hergestellt. Das
Gerät habe sich in dem Zimmer ihres Mannes unter dem Bett befunden. Außerdem
hätten sie noch verschiedene Papiere, die neben dem Gerät gelegen hätten,
mitgenommen. Sie hätten gesagt, dass ihr Mann immer erklärt habe, keinerlei Aktivitäten
nachzugehen. Sie sei einige Male geohrfeigt und beschimpft worden, dass ihr Mann
gelogen habe. Sie seien dann fortgegangen, jedoch nach einer halben Stunde
zurückgekehrt. Bei ihrer Rückkehr hätten sie einen Schrank durchsucht und den
Reisepass ihres Mannes und weitere Papiere mitgenommen. Bei der ersten
Durchsuchung seien sie mit der Maschine und den gefundenen Papieren so sehr
beschäftigt gewesen, dass sie den Schrank nicht durchsucht hätten. Am nächsten
Morgen sei sie abgeholt und zum Staatssicherheitsdienst gebracht worden. Man habe
die Namen der Freunde ihres Mannes erfahren wollen und sie einige Male geohrfeigt.
Sie habe jedoch gesagt, die Namen nicht zu kennen. Sie glaube, dass sie drei oder vier
Stunden festgehalten worden sei. Danach sei sie nach Hause gegangen. In den
folgenden Tagen habe man sie noch zweimal mitgenommen. Sie habe dann ihren Sohn
zu ihrem Schwager geschickt, um diesen von den Vorfällen zu unterrichten. Als man sie
am Morgen nach der Razzia mitgenommen habe, sei ihr Sohn zu seinem Onkel
gegangen, damit dieser den Kläger zu 1. in Kenntnis setzen könne. Danach habe sie mit
den Kindern einen Mietwagen genommen und sei nach B2. H. gefahren. Es sei so
abgesprochen gewesen. Mit dieser Maschine habe ihr Ehemann die Zeitungen in ihrer
Anwesenheit hergestellt. Ihr Ehemann und seine Freunde hätten sich alle drei bis vier
Tage dazu getroffen. Die Maschine sei schon sehr lange bei ihnen zu Hause gewesen.
Sie habe Angst gehabt. Die Leute hätten sie aber beruhigt und ihr gesagt, dass sie stark
sein solle. Ihr Mann habe die Zeitungen für die Partei und das Volk hergestellt. Sie
wisse nur, dass man die Partei "Yassari" nenne. Sie habe selbst mit der Partei nichts zu
tun. Ihr Mann sei schon Mitglied der Partei gewesen, als sie geheiratet hätten. Auf die
Frage, warum ihr Mann die Zeitungen in der Wohnung hergestellt und die Klägerin zu 2.
und die Kinder ebenfalls in Gefahr gebracht habe, führte die Klägerin zu 2. aus, sie
vermute, dass er von seiner Partei unter Druck gesetzt oder auf andere Weise dazu
bewegt worden sei. Sie habe einige Male versucht, mit ihm darüber zu sprechen. Er
habe das Gespräch aber abgeblockt. Nach der Razzia sei die Polizei bzw. der
Geheimdienst nicht zu Verwandten gegangen. Sie habe ihnen aber bereits während der
Razzia gesagt, dass der Kläger zu 1. in S. B. B1. arbeite. Sie persönlich habe keine
Schwierigkeiten mit der Polizei, den Behörden, dem Geheimdienst oder anderen
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Sicherheitskräften gehabt und sich auch nicht politisch betätigt.
Im Rahmen ihrer Anhörung führte die Klägerin zu 9. aus, der syrische Geheimdienst sei
bei ihnen zu Hause gewesen und habe alle ihre Personalpapiere mitgenommen.
Darunter sei auch der Reisepass ihrer Mutter, in dem sie eingetragen gewesen sei,
gewesen. Sie sei vor etwa eineinhalb Monaten aus ihrem Heimatland ausgereist. Die
Beschlagnahme der Unterlagen habe sich etwa zwei Tage zuvor abgespielt. Den
Wohnort I. habe sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern am 29. Oktober
1999 verlassen. Sie seien mit einem Mietwagen nach B2. H. zu ihrer Tante gefahren.
Dort hätten sie sich zwei Tage aufgehalten. Dann sei ein Auto gekommen, das sie nach
L. gebracht habe. Sie vermute, dass ihr Vater ihnen dieses Auto geschickt habe. In L.
hätten sie sich mit dem Vater getroffen. Am gleichen Tag seien sie von dort zur
syrischen Grenze gefahren. In der Türkei hätten sie sich nach Massaibien begeben. Sie
selbst sei seit 1997 bei der B. Yassari eingetragen, sei aber nicht Mitglied. Sie kenne die
Partei nur unter dem Namen B. Yassari bzw. Hizb B. Yassari. Das sei die Partei der
Linken. Ob es noch weitere Parteien mit dieser Bezeichnung gebe, wisse sie nicht.
Früher sei Issmet, von dem sie nur den Vornamen kenne, Führer der Partei gewesen.
Den jetzigen Führer kenne sie nicht. Die wirtschaftliche Situation der Familie in Syrien
sei gut gewesen. Ihr Vater werde vom syrischen Geheimdienst gesucht. Wenn er nicht
geflohen wäre, hätte man ihn verhaftet. Sie - die Kinder - hätten mitgehen müssen, weil
sie ansonsten niemanden hätten, der auf sie aufpasse und für sie sorge. Ihr Vater habe
sich in Syrien politisch für die B. Yassari betätigt. Neben seiner normalen Arbeit habe er
für die Partei Zeitungen gedruckt. Seit sie denken könne, habe ihr Vater für die Partei
gearbeitet und werde vom syrischen Geheimdienst verfolgt. Den Namen der gedruckten
Zeitung kenne sie nicht. Sie habe die Zeitungen, die ihr Vater zu Hause gedruckt habe,
nicht gelesen, weil sie sich immer mit ihren jüngeren Geschwistern habe beschäftigen
müssen und weil ihre Mutter auch krank gewesen sei. Eigentlich habe sie sich auch
nicht so sehr dafür interessiert. Sie habe zweimal Veranstaltungen besucht, auf denen
über Frauenthemen gesprochen worden sei. Ihr Vater habe die Zeitungen illegal
gedruckt. Dies sei in seinem Zimmer geschehen. Er habe dies mit zwei, manchmal auch
mit drei Freunden gemeinsam getan. Die Zeitung habe er ein Mal pro Woche gedruckt,
wie viele Exemplare er gedruckt habe, wisse sie nicht. Die Artikel habe er nicht selbst
gefertigt, diese habe ein Parteifreund mitgebracht. Verteilt habe ihr Vater die Zeitung mit
seinen Freunden. Dabei habe sie ihm nicht geholfen. Sie habe ihm nur in der Wohnung
geholfen. Sie gehe davon aus, dass diese Zeitung an Freunde und Parteianhänger
verteilt worden sei. Sie sei sich sicher, dass ihr Vater die Zeitungen auch persönlich
verteilt habe. Sie könne sich nicht genau erinnern, an welchem Tag der Geheimdienst
bei ihnen die Razzia durchgeführt habe. Sie wisse nur noch, dass dies im zehnten
Monat geschehen sei. In der Nacht seien viele Männer des Staatssicherheits- und des
Geheimdienstes bei ihnen zu Hause gewesen. Es seien vier, vielleicht auch fünf oder
sechs gewesen. Sie seien gegen Mitternacht gekommen. Sie habe gesehen, dass sie
das Druckgerät gefunden und mitgenommen hätten. Sie hätten ihre Mutter zweimal
geohrfeigt und beschimpft. Ihre Mutter sei am nächsten Morgen zu ihrem Onkel
gegangen, damit dieser den Vater unterrichten konnte, nicht nach Hause
zurückzukommen. Nachdem ihre Mutter zurückgekommen sei, hätten sie ihre Sachen
gepackt und seien zu ihrer Tante gefahren. Von den Angehörigen sei niemand von den
Geheimdienstlern mitgenommen worden.
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Der Kläger zu 8. führte aus, ihren Wohnort I. hätten sie am 1. November 1999 verlassen.
Sie seien zu ihrer Tante nach A. gefahren. Der Ort heiße in arabischer Sprache "B2. H.
". Dort hätten sie sich einen Tag aufgehalten. Dann sei ein Freund ihres Vaters mit
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seinem Fahrzeug gekommen und habe sie nach L. gebracht. Sie hätten nicht gewusst,
dass sich der Vater in L. aufhalte. Soweit er wisse, habe sich sein Vater politisch betätigt
und aus diesem Grund Schwierigkeiten mit der syrischen Regierung gehabt. Wenn
seine Freunde ihn besucht hätten, habe er ihm nicht gestattet zuzuhören. Manchmal
habe er gesehen, wie sein Vater und seine Freunde an irgendeinem Gerät gearbeitet
hätten. Es könne sein, dass sie Zeitungen gedruckt hätten. An einem ihm nicht mehr
bekannten Tag habe es eines Tages an der Tür geklopft. Er habe die Tür geöffnet. Vor
der Tür habe die Polizei gestanden, und sie hätten ihm gesagt, dass er keine Angst
haben müsse. Die Wohnung sei von den Polizisten durchsucht worden. Dabei hätten
sie das Gerät gefunden und mitgenommen. Nach einer halben Stunde seien sie
zurückgekommen und hätten die Wohnung vollständig durchsucht. Sie hätten sämtliche
Personalpapiere des Vaters mitgenommen. Seine Mutter sei beschimpft worden.
Nachdem sie weggegangen seien, habe ihn die Mutter zum Onkel schicken wollen. Er
habe jedoch gesagt, dass er in der Nacht nicht dorthin gehen wolle, und sei am
nächsten Morgen zu seinem Onkel gegangen, um ihm alles zu erzählen, damit dieser
den Vater informieren könne. Warum sein Vater nicht zu Hause gewesen sei, wisse er
nicht. Vielleicht habe er gewusst, dass etwas passiere. Der Vater habe zu dieser Zeit in
S. B. B1. gearbeitet. Sein Vater sei nicht an jedem Abend nach Hause gekommen. Am
Tag nach der Hausdurchsuchung sei lediglich ein Polizist vorbeigekommen und habe
gefragt, ob sein Vater zu Hause sei. Weil er nicht da gewesen sei, sei er wieder
gegangen. Sie seien zunächst zu Hause geblieben. Nachts hätten sie etwas Angst
gehabt und kaum geschlafen. Geschehen sei jedoch nichts. Nach zwei oder drei Tagen
habe seine Mutter gesagt, dass sie zu der Tante fahren würden. Anlässlich der
Hausdurchsuchung bzw. in den folgenden Tagen seien Familienangehörige von ihm
von den Sicherheitskräften nicht mitgenommen worden. Die Polizei habe noch ein Mal
pro Tag gefragt, ob der Vater zu Hause sei. Dann seien sie wieder gegangen. Er wisse
nicht genau, was sie von dem Vater gewollt hätten. Dieser habe auch in der
Vergangenheit Schwierigkeiten mit der Polizei gehabt und sei mitgenommen worden
und dann einige Tage weggewesen. Wann das gewesen sei, wisse er nicht mehr. Um
welche Art Zeitung es sich gehandelt habe, wisse er nicht. Er glaube, dass sein Vater
Mitglied der "Hizb B. yessari" gewesen sei. Er wisse nichts über diese Partei und habe
sich auch nicht für Politik interessiert. Probleme mit den Behörden oder
Sicherheitskräften habe er nicht gehabt.
Durch gesonderte Bescheide jeweils für die Kläger zu 1. bis 7. sowie den Kläger zu 8.
und die Klägerin zu 9. vom 14. Juni 2000 lehnte das Bundesamt die Asylanträge ab.
Gleichzeitig stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des
Ausländergesetzes (AuslG) sowie des § 53 AuslG nicht vorlägen, und drohte für den
Fall der nicht freiwilligen Ausreise binnen eines Monats die Abschiebung nach Syrien
an. In dem an die Kläger zu 1. bis 7. gerichteten Bescheid führte das Bundesamt zur
Begründung aus, das Vorbringen der Antragsteller sei wegen zahlreicher Widersprüche
und Ungereimtheiten insgesamt unglaubhaft. Vor dem Hintergrund der vorliegenden
Erkenntnisse zu Parteien in Syrien erscheine es äußerst zweifelhaft, dass es dem
Kläger zu 1. über etwa vier Jahre möglich gewesen sein solle, eine illegale
Parteizeitung herzustellen. So hätte es z. B. auffallen müssen, dass er ständig große
Mengen Papier und Druckfarbe für die Herstellung der Zeitungen habe kaufen müssen.
Allein dies habe angesichts der durchgängigen Überwachung durch Geheimdienste
und Sicherheitskräfte bereits nach kurzer Zeit die Aufmerksamkeit auf ihn lenken
müssen. Auch hätten die Aktivitäten wie Besuche bei dem Antragsteller und Abholung
der immerhin 400 bis 500 Exemplare pro Monat auf Dauer auffallen müssen. Die
Behauptung, er habe die Zeitungen in seinem Zimmer der Wohnung gedruckt,
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erscheine wegen der damit verbundenen Gefahr für seine Familie nicht glaubhaft. Die
"Hizb B. Yessari B. Kurdi fie Sofia" verfüge nach einem dem Bundesamt zur Verfügung
stehenden Bericht des Niederländischen Außenministeriums vom 10. Januar 1997 über
etwa 400 Mitglieder und gehöre zu den zwar nicht offiziell zugelassenen, aber
geduldeten Gruppierungen. Unter den Mitgliedern hätten sich sicherlich allein stehende
Personen finden lassen, die in der Lage gewesen wären, eine Zeitung herzustellen,
ohne dadurch eine neunköpfige Familie zu gefährden. Die Duldung der Partei durch
den syrischen Staat deute im Übrigen darauf hin, dass sie politisch nicht aktiv sei bzw.
vom syrischen Staat nicht als regimefeindlich angesehen werde. Politische Aktivitäten
seien nicht belegt. Angezweifelt werde auch, dass das angebliche Drucken der
Zeitungen so geräuschlos erfolgt sein könne, dass Nachbarn nicht darauf hätten
aufmerksam werden können. Auch das angebliche Vorgehen des syrischen
Geheimdienstes erwecke Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Vortrages. Nach den
Ausführungen der Klägerin zu 2. hätten die Beamten in der Nacht der
Hausdurchsuchung einen Durchsuchungsbefehl vorgelegt. Dies zeige, dass bereits
zuvor ein Verdacht bestanden haben müsse, der wiederum auf früheren Beobachtungen
oder anderen Informationen beruhte. Daher sei unverständlich, dass ausgerechnet in
einer Nacht, in der sich der Kläger zu 1. nicht zu Hause aufgehalten habe, die
Durchsuchung vorgenommen worden sei. Es hätte nahe gelegen, einen anderen
Zeitpunkt zu wählen, an dem der Antragsteller zu Hause gewesen sei, um im Falle des
Auffindens von Belastungsmaterial seiner sofort habhaft werden zu können. Die
Vorgehensweise nach etwa einer halben Stunde zurückzukehren, um noch einen
Schrank zu durchsuchen und andere Personalunterlagen zu beschlagnahmen,
widerspreche jeglicher Übung polizeilichen oder geheimdienstlichen Vorgehens. Des
Weiteren sei nicht nachvollziehbar, warum die Beamten, nachdem ihnen seitens der
Klägerin zu 2. der Aufenthaltsort des Klägers zu 1. während der Durchsuchung genannt
worden sei, nicht sofort, also noch in der Nacht, die Suche nach ihm veranlasst hätten.
Dies hätte sich im Falle der behaupteten Erheblichkeit des vorherigen Handelns des
Antragstellers zu 1. und der Existenz des Durchsuchungsbefehls geradezu aufgedrängt.
So habe der Kläger zu 1. am Morgen nach der Durchsuchung von seinem Bruder
informiert werden können und untertauchen können. Die Angaben der Klägerin zu 2.
sowie des Klägers zu 8., dieser sei am nächsten Morgen zum Bruder des Klägers zu 1.
gegangen, ständen in Widerspruch zu der Behauptung der Klägerin zu 9., die Klägerin
zu 2. habe den Onkel aufgesucht. Abweichen würden darüber hinaus die Angaben der
Klägerin zu 2., am Morgen nach der Hausdurchsuchung und den darauf folgenden
Tagen noch zweimal abgeholt worden zu sein, von den Stellungnahmen der Kläger zu
8. und 9., die erklärt hätten, niemand sei mitgenommen worden. Schließlich stimme
auch die zeitliche Angabe bezüglich der erlittenen Verletzungen des Antragstellers zu
1., der behaupte, er sei 1990 anlässlich seiner Festnahme verletzt worden, mit der der
Klägerin zu 2., er sei 1999 verletzt worden, nicht überein.
Die Kläger haben am 28. Juni 2000 Klage erhoben, und zwar die Kläger zu 1. bis 7.
unter dem Aktenzeichen 4 K 1439/00.A, der Kläger zu 8. unter dem Aktenzeichen 4 K
1438/00.A und die Klägerin zu 9. unter dem Aktenzeichen 4 K 1441/00.A.
9
Die zwischenzeitlich zuständig gewesene 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen
hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem
vorliegenden Aktenzeichen durch Beschluss vom 26. Januar 2001 verbunden.
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Die Kläger machen geltend, die Bundesamtsanhörung habe mit einem Dolmetscher aus
dem Irak stattgefunden, der die kurdische Sprache mit dem Dialekt Sorani gesprochen
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habe. Sie sprächen aber den Dialekt Kurmanci, der zwar mit Sorani verwandt, aber in
vielen Punkten verschieden sei. Die Anhörung habe teils in kurdischer, teils in
arabischer Sprache stattgefunden. Eine Rückübersetzung des Protokolls der Anhörung
habe im Gegensatz zu dem Vermerk in dem Protokoll nicht stattgefunden. Es sei daher
bei der Anhörung zu Missverständnissen gekommen. Das Protokoll enthalte Fehler und
Ungenauigkeiten. So sei zu der Anhörung des Klägers zu 1. protokolliert, dass sich die
Kläger in der Türkei in einem Ort namens E. aufgehalten hätten. Dies sei falsch und
auch von dem Kläger zu 1. nicht dargelegt worden. Dieser Ort liege tatsächlich in Syrien
und sei die Heimatstadt des Klägers zu 1. Der Ort, in dem sie nach dem Überschreiten
der syrisch-türkischen Grenze angekommen seien, heiße Nuzajbin. In den
Anhörungsprotokollen der weiteren Familienmitglieder sei der Ort durch den
Dolmetscher richtig wiedergegeben worden, nur die Schreibweise sei falsch. Die Partei,
der der Kläger zu 1. angehöre, sei ebenfalls falsch protokolliert. Die Partei heiße in
kurdischer Sprache "Partiya Cepe Kordi Le Soria". Hieraus ergebe sich die Abkürzung
der Parteibezeichnung "P-C-K-S". Der Dolmetscher habe auch die Bezeichnung des
Bündnisses, in dem sich einige kurdische Parteien, darunter die P-C-K-S vereinigt
hätten, falsch übersetzt. Das Bündnis heiße in kurdischer Sprache "Hevbandi", in
arabischer Sprache "Tahaluf" und könne in deutscher Sprache als "Bündnis"
bezeichnet werden. Soweit dieser Begriff von dem Dolmetscher als "Yekiti" übersetzt
worden sei, sei dies falsch. Ein Teil der P-C-K-S habe sich Anfang der 90er-Jahre mit
weiteren kurdischen Parteien vereinigt, die 1993 in die "Kurdisch-demokratische Partei
der Einheit in Syrien - Yekiti" aufgegangen seien. Die Organisation Yekiti gehöre zurzeit
ebenfalls zum Bündnis. Ferner liege ein Missverständnis insoweit vor, als protokolliert
sei, dass nach dem Kläger zu 1. bei seinen Verwandten gesucht worden sei und er das
von seiner Ehefrau erfahren habe. Bei diesen Personen habe keine Durchsuchung
stattgefunden. Die Ehefrau habe dem Kläger zu 1. insoweit mitgeteilt, dass die
Sicherheitskräfte von ihr die Anschriften der nahen Verwandten erfahren hätten und
dass er diese nicht aufsuchen dürfe. Im Übrigen sei der Kläger zu 1. offensichtlich von
dem Dolmetscher missverstanden worden, soweit er - der Kläger zu 1. - seinen Freund
bzw. seinen Wagen zur Abholung der übrigen Kläger geschickt haben solle. Tatsächlich
habe er einen Parteifreund gebeten, seine Familie abzuholen und nach L. zu bringen.
Mit welchem Verkehrsmittel die Familie nach L. gebracht worden sei, habe der Kläger
zu 1. zumindest im Zeitpunkt der Anhörung nicht gewusst. Richtig zu stellen sei auch,
dass ihr Sohn das Elternhaus gegen sechs Uhr verlassen gehabt habe und zu seinem
Onkel gegangen sei. Von dort sei er dann zur Arbeit gegangen, ohne nach Hause
zurückzukehren. Gegen acht Uhr seien dann die Sicherheitskräfte gekommen und
hätten die Klägerin zu 2. mitgenommen. Darüber hinaus hätten die Sicherheitskräfte
sich nicht ausgewiesen und der Klägerin zu 2. auch keinen Hausdurchsuchungsbefehl
vorgelegt. Sie hätten ihr lediglich mitgeteilt, dass sie Angehörige der politischen
Sicherheitskräfte und beauftragt seien, den Kläger zu 1. festzunehmen bzw. die
Wohnung zu durchsuchen. Der Sachvortrag der Klägerin zu 2. zu der Verhaftung, bei
der der Kläger zu 1. am Ohr und an der Zunge verletzt worden sei, sei durch den
Dolmetscher äußerst verfremdet wiedergegeben worden. Nach ihrer Erinnerung habe
sie dargelegt, dass der Kläger zu 1. des Öfteren durch die Sicherheitskräfte
festgenommen und gefoltert sowie verletzt worden sei. Sie habe dargelegt, dass der
Kläger zu 1. Probleme mit seinem Ohr gehabt habe und anschließend habe ärztlich
behandelt werden müssen. Daraufhin habe sie ausgeführt, dass die Sicherheitskräfte
bei jeder Verhaftung ausgerechnet auf die kranken Organe des Klägers geschlagen
hätten, was weitere ärztliche Behandlungen erforderlich gemacht habe. Auf Nachfrage
des Einzelentscheiders habe sie wiederholt dargelegt, dass sie keinen genauen
Zeitpunkt nennen könne, wann die körperlichen Schäden bei dem Kläger zu 1.
entstanden seien, sie wisse aber, dass sich der Schaden nach jeder Verhaftung und
jedem Verhör verschlimmert habe. Außerdem hätten sie nicht in einer Mietwohnung,
sondern in einer Eigentumswohnung in einem vierstöckigen Haus gewohnt. Der Kläger
zu 1. beteilige sich darüber hinaus an internen Versammlungen und öffentlichen
Veranstaltungen seiner Partei in Deutschland.
Der Kläger zu 8. trägt vor, selbst in Syrien nicht politisch aktiv gewesen zu sein. Er sei in
Deutschland Mitglied der P-C-K-S geworden. Er habe im Oktober 2000 an einem
Hungerstreik sowie einer sich daran anschließenden Demonstration vor der syrischen
Botschaft in Bonn teilgenommen.
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Die Klägerin zu 9. macht geltend, sie habe selbst keine originären Fluchtgründe und
habe Syrien auf Grund der Situation ihres Vaters verlassen müssen. In Deutschland
habe sie sich der P-C-K-S angeschlossen. Sie habe ebenfalls an der Demonstration im
Oktober 2000 teilgenommen und während der Demonstration vor der syrischen
Botschaft politische Parolen gerufen, die von anderen Demonstrationsteilnehmern
wiederholt worden seien. Die Klägerin zu 9. hat unter dem 28. August 2003 zudem
vortragen lassen, sie leide an einem bösartigen Knochentumor des rechten Knies und
Unterschenkels. Der Tumor sei chirurgisch behandelt worden und im Anschluss an die
Operation sei eine Bestrahlung erfolgt. Die Erkrankung bedürfe einer regelmäßigen
engmaschigen speziellen Nachsorge. Diese werde in mehreren Spezialkliniken und
Praxen durchgeführt. Eine Vernachlässigung der Nachsorgemaßnahmen könnte zu
einer Fortschreitung der Krankheit führen, wobei nicht auszuschließen sei, dass über
eine Beinamputation bis zum Tode Verschlechterungen zu befürchten seien. Sie hat
eine Bescheinigung des Internisten Dr. med. (SYR) O. vom 30. Juli 2003 vorgelegt.
13
Die Kläger beantragen,
14
die Beklagte unter Aufhebung der Nummern 2 bis 4 der Bescheide vom 14. Juni 2000
zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
vorliegen,
15
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG vorliegen.
16
Die Beklagte hat schriftsätzlich um Klageabweisung gebeten.
17
Der Kläger zu 1. hat des Weiteren zur Teilnahme an Veranstaltungen kurdischer
Organisationen in Deutschland vorgetragen und entsprechende Nachweise vorgelegt.
Unter anderem fand danach eine Versammlung der Ortsgruppe der P-C-K-S am 4.
August 2001 bei ihm statt.
18
Die Kammer hat durch Beschluss vom 14. November 2003 dem Kläger zu 1. für das auf
die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG gerichtete Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und den Antrag
der Kläger im Übrigen abgelehnt.
19
In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer die Kläger zu 1. und 2. sowie 8. und 9.
angehört. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
21
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes sowie
des Oberbürgermeisters der Stadt Aachen Bezug genommen. Die Erkenntnisse zum
Herkunftsland Syrien sind in das Verfahren eingeführt worden.
Entscheidungsgründe :
22
Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Ziffern 2. und
4. des an die Kläger zu 1. bis 7. gerichteten Bescheides des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14. Juni 2000 sind insoweit rechtswidrig
und verletzen die Kläger zu 1. und 2. in deren Rechten, weil diese Kläger die
Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung verlangen können, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1
Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ).
23
Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in
dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit,
seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen seiner politischen
Überzeugung bedroht ist.
24
Für die Anforderungen an die Bejahung einer politischen Verfolgung im Sinne des § 51
Abs. 1 AuslG gilt in Bezug auf Verfolgungshandlung, geschütztes Rechtsgut und
politischen Charakter der Verfolgung dasselbe wie bei Art. 16 a Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Auch die Unterscheidung der Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe gilt
entsprechend.
25
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -,
Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 1992, 843, vom 26. Oktober 1993 - 9 C 50.92 u. a. -,
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1994, 500, und vom 18. Januar 1994 - 9 C
48.92 -, DVBl. 1994, 531.
26
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Verfolgt im Sinne
dieser Vorschrift ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in
Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung
oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (asylerhebliche
Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte staatliche oder
jedenfalls dem Staat zuzurechnende Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen
ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit
ausgrenzen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein
asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe - und dort allen Gruppenmitgliedern
oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit - gelten.
27
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 5. August 1998 - 2 BvR
153/96 -, DVBl. 1998, 1178, sowie vom 10. Juli 1989 - BvR 502, 1000, 961/86 -,
Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 80, 315,
333 ff., und vom 23. Januar 1991 - BvR 902/85 und 515, 1827/89 -, BVerfGE, 83, 216.
28
Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich dann aus gegen Dritte gerichteten
Maßnahmen ergeben, wenn letztere wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt
werden, das der Antragsteller mit ihnen teilt, und er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit
und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Die
Verfolgungshandlungen müssen nach ihrer Art jedem einzelnen Mitglied der Gruppe
29
das Gefühl geben, es werde allein wegen seiner Gruppenzugehörigkeit politisch verfolgt
und sei bisher eher zufällig von konkreten Maßnahmen verschont geblieben. In einer
solchen Lage kann die Gefahr eigener politischer Verfolgung auch aus fremdem
Schicksal abgeleitet werden.
Asylerhebliche Rechtsverletzungen sind Eingriffe in Leib, Leben und physische Freiheit,
da sie generell die asylrechtlich erforderliche Intensität und Schwere haben.
Maßnahmen, die andere Rechtsgüter treffen, sind dann Verfolgung, wenn sie nach ihrer
Intensität und Schwere in die Menschenwürde des Opfers eingreifen und über das
hinausgehen, was die Bewohner des Verfolgerstaates aufgrund des dort herrschenden
Systems allgemein hinzunehmen haben. Eingriffe, die unterschiedliche Schutzgüter mit
jeweils nicht asylerheblicher Intensität treffen (Vielzahl diskriminierender Nadelstiche),
sind auch in ihrer Gesamtheit keine Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG.
30
Gezielt ist der Eingriff, wenn die Rechtsverletzung "wegen" eines asylerheblichen
Merkmals erfolgt. Ob eine in dieser Weise spezifizierte Zielrichtung vorliegt, ist anhand
ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst
zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden
leiten.
31
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. August 1998 - 2 BvR 153/96 -, DVBl. 1998, 1178.
32
Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar vom
Staat ausgehen oder durch Dritte erfolgen; derartige Handlungen Dritter sind als
politische Verfolgung zu werten, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind, weil
er etwa die Handlungen unterstützt, einvernehmlich duldet oder nicht bereit ist bzw. sich
nicht in der Lage sieht, die ihm an sich verfügbaren Mittel im konkreten Fall gegenüber
den Verfolgungsmaßnahmen Dritter einzusetzen. Der eingetretenen Verfolgung steht
eine unmittelbar drohende Gefahr gleich.
33
Derjenige, der von nur regionaler oder örtlich begrenzter Verfolgung
34
- vgl. zum Begriff und zur Abgrenzung BVerwG, Urteile vom 30. April 1996 - 9 C 171.95 -
, BVerwGE 101, 135, 139 ff. und vom 9. September 1997 - 9 C 43.96 -, DVBl. 1998, 274
ff. -
35
betroffen ist, ist erst dann politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG, wenn er
auch in anderen Teilen seines Heimatlandes keine zumutbare Zuflucht finden kann
(sog. inländische Fluchtalternative)
36
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 1989 - 2 BvR 403, 1501/84 -, DVBl. 1990,
201; BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 - 9 C 17.89 -, DVBl. 1990, 1064 ff. -
37
und dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird.
38
Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1987 - 9 C 19.86 -, Buchholz, Sammel- und
Nachschlagewerk des Bundesverwaltungsgerichts, Ordnungs-Nr.: 402.25 § 1 AsylVfG
Nr. 71 mit Nachweisen, sowie Beschluss vom 25. Januar 1996 - 9 B 591.95 -.
39
Nach dem durch den Zufluchtgedanken geprägten, also auf dem
Ursachenzusammenhang Verfolgung-Flucht-Asyl beruhenden gesetzlichen Leitbild des
40
Asylgrundrechts gelten schließlich für die Beurteilung, ob ein Antragsteller den Schutz
des Asylrechts einfordern kann, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen
Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer
Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland
gekommen ist. Im erstgenannten Fall ist Asyl zu gewähren, wenn der Asylsuchende vor
erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann. Das gilt entsprechend in den
Fällen einer landesweiten oder regionalen Gruppenverfolgung, die erst nach der Flucht
eingesetzt hat.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. April 1996 und 9. September 1997, jeweils a. a. O.
41
Andernfalls kann ein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn dem Asylbewerber bei seiner
Rückkehr politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
42
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - BvR 502, 1000, 961/86 -, a. a. O, S. 345 f.
43
Der Asylsuchende hat bei alledem wegen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht die
Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss unter
Angabe genauer Einzelheiten einen zusammenhängenden, in sich stimmigen
Sachverhalt betreffend sein persönliches Verfolgungsschicksal schildern, der nicht in
wesentlicher Hinsicht in unauflösbarer Weise widersprüchlich ist und aus dem sich - als
wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. In Bezug
auf Vorgänge im Heimatland des Asylsuchenden ist für die Überzeugungsbildung des
Gerichts zu fordern, dass die Asylgründe glaubhaft gemacht sind. Soweit die
asylbegründenden Tatsachen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
eingetreten sind, hat der Asylsuchende demgegenüber den vollen Beweis zu führen.
44
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180.
45
Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger zu 1. und 2. im maßgeblichen
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 des
Asylverfahrensgesetzes -AsylVfG-) glaubhaft gemacht, dass ihnen bei einer Rückkehr
nach Syrien politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG droht.
46
Zur Überzeugung der Kammer haben die Kläger zu 1. und 2. Syrien vorverfolgt
verlassen, was zur Geltung des so genannten herabgestuften
Wahrscheinlichkeitsmaßstabes führt. Im Kernbereich stimmen die Ausführungen der
Kläger zu 1. und 2. sowie 8. und 9. durchgängig darin überein, dass bei einer Razzia in
ihrer Wohnung eine Druckerpresse gefunden worden ist, die zum Druck einer
Parteizeitung gedient hat. Zudem sind nach Darstellung des Klägers zu 1. Reste von
Zeitungen bzw. halb bedruckte Blätter - die Klägerin zu 2. hat von verschiedenen
Papieren, die neben dem Gerät gelegen hätten, gesprochen - beschlagnahmt worden.
Der Kläger zu 1. hat vor dem Bundesamt das Aussehen der Zeitung beschrieben und
Beispiele für ihren Inhalt gegeben. Für die Glaubhaftigkeit dieser Darstellungen spricht
nicht zuletzt, dass der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung ruhig und sachlich
Angaben zum Hersteller und zum Herkunftsland der Handvervielfältigungsmaschine
gemacht hat. Ausgehend davon drohte ihm in Syrien politische Verfolgung, weil bereits
Mitglieder und Sympathisanten nicht legalisierter Organisationen wie der Hizb Al
Yassari Al Kurdi Fie Suria immer mit Verfolgung rechnen müssen. Verfolgt wird mit
wechselnder Intensität jede Art von Mitgliedschaft.
47
Vgl. Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an VG Düsseldorf vom 10. Juli 2002, Asylis,
SYR23704001.
48
Wenn dies bereits für die bloße Mitgliedschaft gilt, muss zwangsläufig von einer
gesteigerten Verfolgungsgefahr für ein Mitglied einer illegalen Partei ausgegangen
werden, das zudem über einen langen Zeitraum eine dann ebenfalls illegale
Parteizeitung hergestellt hat.
49
Vgl. zusätzlich die bislang nicht in das Verfahren eingeführte Auskunft des AA an das
Bundesamt vom 28. Juni 2002, Asylis, SYR22950001, wonach Herstellung und
Verbreitung von Druckschriften ohne Genehmigung durch die syrischen Behörden
verfolgt werden.
50
Der Kläger zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung auch erläutert, wie es ihm möglich
war, über Jahre die zur Herstellung der Parteizeitung erforderlichen Materialien zu
bekommen. Da er diese immer im Geschäft eines Freundes kaufte, erscheint
nachvollziehbar, dass er auch über einen längeren Zeitraum nicht aufgefallen ist.
51
Der Kläger zu 1. hat ferner den Widerspruch in den seitens des Bundesamtes
protokollierten eigenen Angaben, nur für den Druck zuständig gewesen zu sein, und
denen der Klägerin zu 9., er habe die Zeitung auch verteilt, dahingehend aufgelöst, dass
er auch weiterhin sage, für den Druck zuständig gewesen zu sein, und diese nur weiter
gegeben habe, wenn ein Abholer nicht gekommen sei.
52
Gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens spricht im Übrigen für sich allein nicht die
Vermutung, dass die Partei für die Herstellung ihrer Zeitung mit Blick auf die Gefährdung
seiner Familie nicht den Kläger zu 1. ausgesucht haben würde. Einen solchen
Erfahrungssatz gibt es nicht. Vielmehr besteht ein solcher nach Auffassung der Kammer
dahingehend, dass es stets Menschen gegeben hat, die der mit einem in ihrem
Heimatland herrschenden System einhergehenden Unterdrückung unter Zurückstellung
der Rücksicht auf die eigene Familie entgegengetreten sind oder sich im Untergrund
betätigt haben. In diesem Zusammenhang konnte ebenso für die Auswahl des Klägers
zu 1. sprechen, dass die Sicherheitsbehörden eine solche Betätigung von ihm, der als
Bauunternehmer auch für öffentliche Stellen tätig war, weniger erwarteten.
53
Schließlich sind die Angaben auch deswegen glaubhaft, weil der Kläger zu 1. vor dem
Bundesamt und in seiner Klagebegründung fundierte - und mit den der Kammer
vorliegenden Erkenntnissen übereinstimmende - Angaben zu seiner Partei machen
konnte. Dies gilt für sein Vorbringen, die ersten kurdischen Bewegungen seien 1957
unter dem Namen gegründet worden, die linke Strömung habe 1965 damit begonnen,
sich zu organisieren und in Erscheinung zu treten. 1975 sei der Name in den jetzigen
geändert worden. Die damalige linke Bewegung habe Othman Sabri 1965 gegründet.
Als er selbst im Jahre 1982 in die Partei eingetreten sei, sei die Partei von Issmet Saida
geführt worden,
54
vgl. AA, Auskünfte vom 14.7.2000 an VG München, Asylis, SYR187390003, und vom
10.7.2002 an VG Düsseldorf, Asylis, SYR23704001; Deutsches Orient-Institut, Auskunft
vom 2.10.1002 an VG Düsseldorf, Asylis, SYR23704002,
55
ebenso wie für seine Darstellung, dass es zwei Parteien mit dieser Bezeichung gebe,
wobei seine Partei Mitglied des Bündnisses (Hevbandi) sei.
56
Vgl. Hajo und Savelsberg, Gutachten vom 6.7.2003 an VG Magdeburg Von einer
Vorverfolgung der Klägerin zu 2. geht die Kammer wegen ihres Vorbringens, mehrfach
nach der Razzia mehrfach abgeholt und befragt worden zu sein, aber auch aufgrund des
in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks aus.
57
Was zunächst ihr Vorbringen angeht, so ist der Widerspruch zu den protokollierten
Aussagen der Kläger zu 8. und 9., die dahin gehen, dass Angehörige bzw.
Familienangehörige nach der Razzia nicht abgeholt worden seien, aufgelöst. Beide
Kläger haben in der mündlichen Verhandlung von Verständigungsschwierigkeiten mit
dem Dolmetscher, der nach dem Klagevorbringen nicht ihren Dialekt der Kurdischen
Sprache gesprochen hat, gesprochen und dies mit der Fragestellung, die hinsichtlich
der Mitnahme durch Sicherheitsbeamte nicht auf die Eltern bzw. Familie, sondern auf
Verwandte bzw. Bekannte gerichtet gewesen sei, erklärt.
58
Zudem hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung bei der Klägerin zu 2. den
Eindruck einer inneren Betroffenheit gewonnen, ohne dass diese bewusst in den
Vordergrund gestellt gewesen erschien. Sie hat während ihrer Befragung ruhig und
ohne Ausschweifungen geantwortet. Erst im Laufe der Verhandlung wirkte sie immer
bedrückter und verängstigter.
59
Sind die Kläger zu 1. und 2. demnach vorverfolgt ausgereist, kann ihre erneute
politische Verfolgung im Falle der Rückkehr nicht mit hinreichender Sicherheit
ausgeschlossen werden. Wird der nach den Erkenntnisquellen regelmäßig bestehende
"Anfangsverdacht" infolge der Asylantragstellung durch besondere Umstände verstärkt,
ist bei Rückkehr nach Syrien eine Inhaftierung mit anschließender Verbringung in ein
Verhörzentrum, in dem dann mit Folter und sonstiger menschenrechtswidriger
Behandlung zu rechnen ist, zu erwarten.
60
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
21. April 1998 - 9 A 6597/95.A -; so auch: VGH Baden Württemberg, Urteil vom 6.
September 2001 - A 2 S 2249/98 -; vgl. hierzu auch: Lagebericht des AA vom 7. Oktober
2002; amnesty international, Auskunft vom 24. Juni 1998 an das VG Karlsruhe.
61
Nach den vorstehenden Ausführungen liegen bei diesen Klägern glaubhaft gemachte
Umstände vor, die sie von anderen Rückkehrern abheben. Es kann deshalb nicht mit
hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sie bei einer Rückkehr nach
Syrien von erneuter Verfolgung betroffen wären.
62
Eine inländische Fluchtalternative besteht für die Kläger zu 1. und 2. angesichts des
landesweiten Geheimdienstsystems in Syrien nicht.
63
Vgl. dazu AA, Lagebericht, S. 16.
64
Dagegen ist für eine Vorverfolgung der übrigen Kläger weder etwas vorgetragen noch
ersichtlich, so dass für diese eine politische Verfolgung bei Rückkehr nach Syrien
beachtlich wahrscheinlich sein müsste. Dies kann aber zur Überzeugung der Kammer
indes weder unter dem Gesichtspunkt einer Sippenhaft noch hinsichtlich der Kläger zu
8. und 9. wegen exilpolitischer Betätigung angenommen werden.
65
Zum einen ist nach wie vor davon auszugehen, dass eine systematische Sippenhaft in
66
Syrien nicht praktiziert wird. Dafür, dass die Sicherheitsdienste den Eindruck gewinnen
könnten, die Kläger würden Informationen zurückhalten,
vgl. in diesem Zusammenhang AA an VG Wiesbaden vom 24. November 2003,
67
bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zum anderen ist die Betätigung der
Kläger zu 8. und 9. für die Partei zu unbedeutend, um anzunehmen, sie seien deswegen
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ins Blickfeld der syrischen Behörden geraten.
68
Da die Klage in dem dargestellten Umfang mit dem Hauptantrag Erfolg hat, kann
entsprechend § 31 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG insoweit von einer Entscheidung
darüber, ob bezüglich der Kläger zu 1. und 2. Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG vorliegen, abgesehen werden.
69
Hinsichtlich der Kläger zu 3. bis 9. sind im vorliegenden Verfahren allein
berücksichtigungsfähige zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nicht ersichtlich.
Dies gilt auch im Hinblick auf die geltend gemachte Erkrankung der Klägerin zu 9.
70
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG von der
Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden kann, wenn
dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit
besteht. Die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in
seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort
unzureichend sind, vermag ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG
darzustellen. Ein zwingendes Abschiebungshindernis in diesem Sinne wird durch
unzureichende Behandlungsmöglichkeiten im Heimatstaat allerdings nur dann
begründet, wenn die konkrete Gefahr einer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung
anzunehmen ist. Erheblich ist eine Gesundheitsgefahr, wenn eine
Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Es muss mit
anderen Worten davon auszugehen sein, dass sich die Krankheit des betreffenden
Ausländers bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder sogar
lebensbedrohlich verschlechtern wird. Konkret ist eine derartige Gefahr, wenn diese
Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr eintritt.
71
Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1999 - 9 C 7/99 -, veröffentlicht in juris, vom 21.
September 1999 - 9 C 8/99 -, NVwZ 2000, 206, 207, vom 29. Juli 1999 - 9 C 2/99 -,
veröffentlicht in juris, vom 25. November 1997 - 9 C 58/96 -, NVwZ 1998, 524 ff., sowie
Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -; OVG NRW, Beschluss vom 20. Oktober 2000 -
18 B 1520/00 -.
72
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG nicht vor. Das für die Klägerin zu 9. vorgelegte Attest von 30. Juli 2003 und ihr
Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ergeben keine Hinweise darauf, dass die
Gefahr im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) konkret
im Sinne der zuvor dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung wäre.
73
Schließlich ist die Abschiebungsandrohung bezüglich der Kläger zu 1. und 2. in Ziffer 4.
des unter anderem an sie gerichteten Bescheides aufzuheben, weil sie sich in
Anbetracht der Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei diesen Klägern die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, als rechtswidrig erweist (vgl. §§ 34
und 38 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit §§ 50 Abs. 1 und Abs. 2, 51 Abs. 4 Satz 2
74
AuslG). Hinsichtlich der übrigen Kläger bestehen keine Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
75
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
76