Urteil des VG Aachen vom 18.06.2010

VG Aachen (antragsteller, lizenz, günstige prognose, rechtskräftiges urteil, verlängerung, grund, beurteilung, antrag, anordnung, verwaltungsgericht)

Verwaltungsgericht Aachen, 2 L 516/09
Datum:
18.06.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 516/09
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf Euro 3.750.- festgesetzt.
G r ü n d e:
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Der sinngemäße Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gemäß seinem Antrag vom 3. November 2009
seine Privatflugzeugführerlizenz (PPL(A)/Nr.00000000) vom 14. Juni 1994 - zuletzt
gültig bis zum 17. Dezember 2009 - vorläufig zu verlängern,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht
auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn
ein Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf ein bestimmtes Handeln
zusteht (Anordnungsanspruch), dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige
Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund). Der Antragsteller hat den
Anordnungsgrund und -anspruch glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§
920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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Zweifelhaft ist bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, da es dem Antragsteller
zumutbar sein dürfte, die gerichtliche Entscheidung in dem Klageverfahren - 2 K 794/08
- abzuwarten. Zwar ist dieses Klageverfahren nicht auf die begehrte Verlängerung,
sondern auf Aufhebung der Ruhensanordnung vom 18. März 2008 bezüglich seiner
Lizenz gerichtet, jedoch ist auch in diesem Verfahren voraussichtlich
entscheidungserheblicher Streitpunkt die Frage der erforderlichen Zuverlässigkeit des
Antragstellers nach § 24 Abs. 2 der Luftverkehrszulassungsordnung (LuftVZO) mit Blick
auf den Vorfall vom 22. Juni 2007.
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Eine besondere Dringlichkeit bzw. die Abwendung eines wesentlichen Nachteils hat der
Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere hat der Antragsteller nicht
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hinreichend dargetan, dass er auf die Lizenz dringend angewiesen ist, zumal er Rentner
ist und seine fliegerische Tätigkeit nicht berufsmäßig ausübt oder im Rahmen einer
beruflichen Tätigkeit benötigt. Im Übrigen erlischt auch eine zeitlich abgelaufene Lizenz
nicht, sondern kann gemäß § 4 Abs. 3 der Verordnung über Luftpersonal (LuftPersV)
i.V.m. § 26 LuftVZO erneuert werden, vgl. zu dazu auch BVerwG, Urteil vom 22. Oktober
1982 - 7 C 80/79 -, juris; vorliegend ist darüber hinaus zu bedenken, dass noch vor
Ablauf der Gültigkeitsfrist ein Verlängerungsantrag gestellt worden ist.
Ein Anordnungsgrund dürfte ferner nicht mit dem Vorbringen des Antragstellers
glaubhaft gemacht sein, dass er auf Grund der abgelaufenen Lizenz nun nicht mehr
fliegen darf und infolgedessen die Flugstunden für den erforderlichen Nachweis seiner
Flugpraxis ggfs. nicht mehr erreichen kann bzw. auf Grund des Zeitablaufs von ihm zu
einem späteren Zeitpunkt ggfs. die Ablegung von Prüfungen verlangt werden könnte,
was wiederum mit hohen Kosten verbunden wäre. Zum einen hat der Antragsgegner
darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller die Absolvierung praktischer Flugstunden
auch weiterhin in Begleitung eines Fluglehrers oder mit erteiltem Auftrag eines
Fluglehrers möglich ist. Zum anderen hat der Antragsteller die Unzumutbarkeit etwaiger
Aufwendungen und Kosten nicht glaubhaft dargetan.
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Ungeachtet dessen hat der Antragsteller jedenfalls seinen Anordnungsanspruch nicht
glaubhaft gemacht. Gemäß § 26 a Abs. 1 Satz1 LuftVZO müssen für eine Verlängerung
oder Erneuerung einer Lizenz die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 und 2 LuftVZO
fortbestehen. Dazu gehört u.a., dass keine Tatsachen vorliegen, die den Bewerber als
unzuverlässig erscheinen lassen, ein Luftfahrzeug zu führen oder zu bedienen, § 4 Abs.
1 Nr. 3 LuftVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 3 LuftVZO. Nach § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LuftVZO
besitzen Bewerber um eine Lizenz (hier: um die Verlängerung derselben) die
erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, die erheblich oder wiederholt gegen
verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen haben, wenn diese Verstöße für die
Beurteilung der Zuverlässigkeit von Personen im Umgang mit Luftfahrzeugen von
Bedeutung sind.
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Nach der im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmenden summarischen Prüfung
bestehen derzeit erhebliche Zweifel an der erforderlichen Zuverlässigkeit des
Antragstellers, die einem Erfolg dieses Anordnungsbegehrens entgegenstehen. Nach
Auffassung der Kammer hat der Antragsteller als verantwortlicher Luftfahrzeugführer des
Fluges I. am 00. Juni 2007 erheblich gegen luftverkehrsrechtliche Vorschriften
verstoßen. Dies ergibt sich für die Kammer nach Auswertung der von dem
Luftfahrtbundesamt getroffenen Feststellungen, der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
Frankfurt/Main, des Vorbringens der Antragstellers und des - nicht rechtskräftigen -
Urteils des Amtsgerichts (AG) Langen vom 10. Februar 2010 - Az.: 31 OWi-109 Js
51177/08 -. Die Kammer teilt nach dem jetzigen Erkenntnisstand und angesichts der
Notwendigkeit, jetzt die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs beurteilen zu
müssen, die Auffassung des AG Langen, dass der Antragsteller gegen die
luftverkehrsrechtliche Vorschrift des § 3 a Abs. 2 Luftverkehrsordnung (LuftVO)
verstoßen hat, weil er die aktuellen Wetterdaten für den geplanten Flugverlauf unter
Sichtflugbedingungen nicht noch einmal am Morgen vor dem Abflug erneut eingeholt
hat und auf Grund dessen - bei gleichzeitiger Unkenntnis darüber, dass das
Wettermeldegerät Metro VOR in dem Flugbereich (teilweise) nicht zur Verfügung stand -
in die sich aufstauenden Wolken im Gebiet des Taunus eingeflogen ist. Dabei hat der
Antragsteller teilweise die Orientierung und die Kontrolle über Kurs und Höhe verloren
und ist in den Luftraum C (Sektor 1500 ft MSL - FL 100) des Flughafens Frankfurt/Main
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eingeflogen (§ 28 Abs. 1 LuftVO - Einflug in Wolken im Luftraum C -), ohne zuvor die
gemäß § 26 Abs. 1 LuftVO erforderliche Flugverkehrskontrollfreigabe einzuholen und
die nach § 26 a Abs. 2 LuftVO erforderliche Hörbereitschaft bzw. den Funkverkehr mit
der zuständigen Flugverkehrskontrollstelle herzustellen. Im folgenden Flugverlauf
gefährdete er eine andere Verkehrsmaschine (DLH 457), die zur Verhinderung einer
Kollision zu einer Ausweichbewegung veranlasst wurde, und behinderte fünf weitere
Verkehrsmaschinen, denen der Abbruch des Anfluges bzw. Ausweichkurse vorgegeben
wurden, § 1 Abs. 1 LuftVO. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen
des AG Langen in seinem Urteil vom 10. Februar 2010, in denen die Verstöße gegen
die genannten luftverkehrsrechtlichen Vorschriften eingehend und nachvollziehbar
gewürdigt sind. Ob diese Verstöße im Verhältnis von Tateinheit oder Tatmehrheit
zueinander stehen, ist für die Beurteilung der Frage der Zuverlässigkeit im Rahmen des
§ 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LuftVZO nicht entscheidend.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich vorliegend - auch
angesichts der Auswirkungen auf den kommerziellen Flugverkehr im Umfeld des
Großflughafens Frankfurt/Main - um einen erheblichen Verstoß und nicht lediglich um
ein "Sekundenversagen" im Moment des Einflugs in die Wolken. Die Kammer geht nach
Durchsicht der Ermittlungsakte, die u.a. die Feststellungen und Aufzeichnungen der
Deutschen Flugsicherung einschließlich der polizeilichen Vernehmungen der Lotsen
enthält, nicht davon aus, dass der zuständige Lotse "übertrieben reagiert" hat, sich
vielmehr seiner Verantwortung für die eingetretene Gefahrenlage, die durch den
fehlenden Funkkontakt verstärkt wurde, bewusst war. Dabei ist berücksichtigen, dass es
sich bei dem Flughafen Frankfurt/Main um den größten und verkehrsreichsten
Flughafens Deutschlands handelt. Im Ergebnis hat der Antragsteller angesichts der
überschaubaren Flugstrecke von Merzbrück nach Würzburg über den Taunus und in
Kenntnis der Lage des Flughafens Frankfurt fahrlässig die Ursache für diesen Vorfall
gesetzt, da die Wetterverhältnisse einschließlich der Gefahr eines Wolkenstaus im
Bereich Taunus vom Antragsteller genauer und aktueller hätten erkundet werden
müssen.
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Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, dass der Vorfall nunmehr fast drei
Jahre zurückliegt und er seinen Angaben zufolge - unter Hinweis auf sein Flugbuch - in
der Folgezeit ohne weitere Beanstandungen geflogen ist. Allein der Zeitablauf lässt die
derzeit bestehenden Zweifel an der Zuverlässigkeit nicht in den Hintergrund treten.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das diesbezügliche Bußgeldverfahren erst im
Februar 2010 in ein bis heute noch nicht rechtskräftiges Urteil mündete und dieses
Verfahren weiterhin im Rahmen der Prüfung des § 24 Abs. 2 LuftVZO von Bedeutung
ist. Ferner zeigen die Einlassungen des Antragstellers im Ordnungswidrigkeitsverfahren
und in den gerichtlichen Verfahren, dass er eine erheblich Pflichtverletzung im Rahmen
seiner Flugvorbereitung nach wie vor nicht anerkennt. Eine günstige Prognose betr. die
künftige Einhaltung der Pflichten eines Luftfahrzeugführers nach der LuftVO ist jedoch
maßgeblich für die Beurteilung seiner Zuverlässigkeit, und zwar ungeachtet dessen, ob
der Antragsteller bislang ohne Beanstandungen geflogen ist.
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Der Antragsteller kann schließlich nicht mit Erfolg geltend machen, dass der
Antragsgegner den Vorfall vom 00. Juni 2007 derzeit nicht zu seinen Lasten im Rahmen
der begehrten Verlängerung berücksichtigen dürfe, weil der Antragsgegner die aus
diesem Grund erfolgte Ruhensanordnung vom 18. März 2008 nicht mit einer Anordnung
des Sofortvollzuges versehen habe und durch die Versagung der Verlängerung
nunmehr faktisch die Ruhensanordnung vollzogen werde. Die unterbliebene Anordnung
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des Sofortvollzugs führt rechtlich nicht dazu, dass der Antragsteller derzeit eine positive
Bescheidung seines Verlängerungsantrages unter Außerachtlassung der
vorgeworfenen Luftverkehrsverstöße beanspruchen kann. Das faktische Flugverbot ist
vielmehr eine Folge des Zeitablaufes und der Befristung der Lizenz und nicht eines
faktischen Vollzugs der Ruhensanordnung. Durch den Ablauf der Lizenz ist inzwischen
eine neue Situation entstanden, auf Grund derer eine weitere - aber andere -
Entscheidung zu treffen ist, für die die gesetzlichen Voraussetzungen im Falle einer
positiven Bescheidung vorliegen müssen. Zwar ist die hier streitgegenständliche Frage
der Zuverlässigkeit nach § 24 Abs. 2 LuftVZO und die Beurteilung des Vorfalles vom 22.
Juni 2007 auch im Rahmen der Ruhensanordnung nach § 29 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1
LuftVZO entscheidungserheblich. Dies schließt jedoch nicht aus, dass dieser
Sachverhalt im Verlängerungsverfahren erneut zum Tragen kommt und sich rechtlich
auswirkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m.
§ 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung vom 5. Mai 2004 und
berücksichtigt Ziffer 26.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von
Juni 2004, der für ein Hauptsacheverfahren einen Streitwert von 7.500.- EUR vorsieht.
Mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter dieses Verfahrens erscheint das
Antragsinteresse in Höhe der Hälfte dieses Wertes ausreichend und angemessen
berücksichtigt.
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