Urteil des VG Aachen vom 11.04.2006

VG Aachen: eltern, behinderung, jugendamt, privatschule, gespräch, jugendhilfe, empfehlung, lehrer, anhörung, sonderschule

Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 4030/04
Datum:
11.04.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 4030/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
T a t b e s t a n d :
1
Der 1991 geborene Kläger erstrebt im vorliegenden Verfahren die Übernahme der
Kosten des Besuchs der I. -Schule in N. für das Schuljahr 2003/2004 aus Mitteln der
Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII.
2
Der Kläger wurde ab dem Schuljahr 1998/1999 im integrativen Unterricht behinderter
und nichtbehinderter Kinder an der Katholischen Grundschule in C. beschult. Im Juni
1998 hatte das Schulamt für den Kreis I1. nach Durchführung des entsprechenden
Untersuchungsverfahrens festgestellt, dass für ihn die dringende Notwendigkeit der
sonderpädagogischen Beschulung nach den Richtlinien für Lern- und Sprachbehinderte
bestehe. Im Rahmen der Untersuchung zur Feststellung des zukünftigen Förderortes
war festgestellt worden, dass insbesondere eine Teilleistungsstörung
"Koordinationsstörung" vorliege, für die keine speziellen Richtlinien und Lehrpläne
vorlägen. Nach dem Abschluss der 4. Klasse hielt die Klassenkonferenz die Schule für
Lernbehinderte/Förderschule als die für den Kläger am besten geeignete Schule.
Aufgrund des zieldifferenten Lernens könne E. den Anforderungen einer Regelschule
nicht folgen. Er sei bislang nach den Richtlinien der Schule für Lernbehinderte
unterrichtet worden. Die Eltern seien mit der sonderpädagogischen Förderung an der
Förderschule einverstanden. In dem Bericht zur pädagogischen Förderung des Klägers
vom 24. Januar 2002 heißt es:
3
"Wie im Bericht des Lehrerteams, Frau L. , Frau S. , dargelegt wird, braucht E. weiterhin
zusätzliche Unterstützung. In den einzelnen Lernbereichen zeigt E. unterschiedliche
Leistungen. Individuelle Fortschritte sind durch die Förderung im GU klar beschrieben
und ich kann auch Arbeitsergebnisse einsehen, die belegen, dass E. Teile des
gemeinsamen Unterrichts in seinem aktuellen 4. Schuljahr bearbeitet. Er lernt die 16
Bundesländer und lernt am Beobachtungstag den rechten Winkel im
Geometrieunterricht kennen und zeichnet wie seine Klassenkameraden geometrische
Formen mit Dreieck, Lineal und Bleistift nach. E. lebt und arbeitet wie die anderen GU-
4
Kinder in seiner Klasse integrativ mit den Kindern zusammen...
Der Bericht, die Beobachtung des Kindes und das Gespräch mit den Lehrerinnen lassen
nur die Aussage zu, dass E. weiterhin zusätzliche Hilfe braucht, es besteht weiterhin
sonderpädagogischer Förderbedarf.
5
Zu Grunde liegt eine Lerneinschränkung; E. muss weiterhin entsprechend den
Richtlinien der Schule für Lernbehinderte (Sonderschule) sonderpädagogisch gefördert
werden...
6
Am 16. November 2001 wurden die Eltern von E. , Frau L1. und Herr N1. F. , in einem
Beratungsgespräch über die weitere schulische Förderung informiert...
7
Die Eltern befürworten den Besuch einer Sonderschule und konkretisieren dies mit der
Nennung: Förderschule I2. ."
8
In dem Zeugnis der Förderschule I3. vom 30. Juli 2003 heißt es:
9
"...Im 2. Schulhalbjahr hat E. seine sehr positive Lern- und Arbeitshaltung beibehalten.
Anerkennung und Lob spornten ihn besonders an. Im Fach Mathematik zeigte er
ernormen Einsatz. E. arbeitete stets ohne Hilfe, erledigte die Aufgaben des
Wochenplanes zügig, fehlerfrei. Freiwillig gelöste Aufgaben würden häufig von ihm
vorgelegt. E. bewältigte Aufgaben die weit über den Klassenanforderungen lagen. In
Deutsch konnte E. ebenfalls alle gestellten Anforderungen voll und ganz erbringen. Bei
der Erledigung schriftlicher Aufgaben benötigte er jedoch oft besondere Anweisungen
und Absprachen, die ihm zum Lernerfolg weiterhalfen. Auch den Fächern des
sachkundlichen Bereichs gehörte sein Interesse. Er war stets aufmerksam, konnte durch
gut durchdachte Beiträge zur Erarbeitung der Inhalte beitragen. E. war gerne bereit,
seine Mitschüler bei der Erledigung der Aufgaben zu unterstützen, ihnen Lösungswege
zu erklären...
10
E. war in der Lage, über einen längeren Zeitraum konzentriert und aufmerksam zu
arbeiten. Sein Schriftbild ist noch ungelenk, doch lesbar und sauber. Seine Heftführung
ist zunehmend übersichtlicher, gegliederter und ordentlicher geworden.
11
Mit seinen Mitschülern kam E. jetzt problemlos aus...
12
E. hatte Gelegenheit, in den Monaten Juni und Juli in der Klasse 5 der Hauptschule zu
hospitieren. Die unterrichtenden Lehrer befürworteten für E. den Besuch der
Hauptschule...
13
Bemerkungen:
14
E. wird im Schuljahr 2003/2004 den Unterricht der I. - Schule in N. besuchen."
15
Die Eltern des Klägers sprachen am 26. Juni 2003 beim Beklagten vor und teilten
mündlich mit, sie wünschten im Rahmen der Eingliederungshilfe die Übernahme der
Kosten der Privatschule für ADS-Kinder. Zur Begründung trugen sie vor, dass er von
seiner Intelligenz her den anderen Mitschülern der Förderschule weit überlegen sei.
Deshalb hospitiere er zurzeit in der Hauptschule S1. . Dort bestehe allerdings aufgrund
seines extremen Verhaltens nicht die Möglichkeit, ihn entsprechend zu fördern. Aus
16
diesem Grunde solle die weitere schulische Ausbildung auf einer Privatschule
fortgesetzt werden. Seit dem 6. Lebensjahr sei vom Sozialpädiatrischen Zentrum der
Städtischen Kliniken N. ein Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom festgestellt worden.
In einem Gespräch mit einer Sozialarbeiterin wurden den Eltern erläutert, dass es eines
förmlichen Antrags bedürfe und welchen Punkte einer besonderen Überprüfung
unterlägen. In diesem Rahmen sei auch zu untersuchen, ob noch andere
Fördermöglichkeiten als die Beschulung in einer Privatschule in Betracht kämen. Die I. -
Schule sei nicht zwingend die einzige geeignete Förderform.
17
Am 22. Dezember 2003 stellten die Eltern des Klägers für ihren Sohn einen schriftlichen
Antrag. Das vom Jugendamt des Beklagten eingeschaltete Schulamt für den Kreis I1.
stellte mit Schreiben vom 2. April 2004 fest, dass der Kläger aufgrund des festgestellten
sonderpädagogischen Förderbedarfs der Grundschule zur Förderschule verfügt worden
sei. Der Förderschwerpunkt lag auf "Lernen". Damit hätte er alternativ auch eine Schule
für Lernbehinderte besuchen können. Zum Zeitpunkt seiner Anmeldung in der I. -Schule
sei die sonderpädagogische Förderung noch nicht beendet gewesen. Habe es in der
Vergangenheit ein Angebot einer Probezeit in einer Hauptschule gegeben, so sei dies
aber nie wahrgenommen worden. Es müsse nach wie vor davon ausgegangen werden,
dass der sonderpädagogische Förderbedarf weiter bestehe und ihm in den
Sonderschulen des Kreises I1. professionell und angemessen entsprochen werden
könne. Dies gelte selbst dann, wenn eine ADS-ADHS-Problematik dazu komme.
18
Im Arztbericht des Leitenden Arztes des Sozialpädiatrischen Zentrums der Städtischen
Kliniken N. Dr. Q. vom 10. Mai 2004 heißt es:
19
"Im Vergleich zur Voruntersuchung lässt sich eine deutliche Verbesserung der
Konzentrationsfähigkeit nachweisen sowie eine verbesserte Belastungsfähigkeit
Anforderungen gegenüber. Dementsprechend sind auch die erzielten Leistungen
durchweg besser (F 89 A). Mit Ausnahme der einfachen seriellen Speichervorgänge (F
88). Die sprachlichen Leistungen sind überwiegend gut und altersgerecht (F 80.2 A).
Die emotionale Befindlichkeit ist durch eine durchgängig dysphorische Stimmungslage
und ein mangelndes Selbstvertrauen gekennzeichnet (F 93.2), die ihm auch die
Integration in einer Klassengemeinschaft deutlich erschwert.
20
Wie im Vorbefund finden sich auch jetzt wieder fein- und grobmotorische
Koordinationsschwächen (F 82.0, F 82.1).
21
Nach den anamnestischen Angaben besteht ein Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit
Hyperaktivität und Störung des Sozialverhaltens (F 90.1, V).
22
Empfehlung:
23
1. Vordringlich ist die gezielte pädagogische Führung des Kindes in einer kleinen
Klassengemeinschaft, wie sie aktuell in der I. -Schule offensichtlich gegeben ist, neben
der medikamentösen Therapie, die unseres Erachtens bei entsprechend günstigen
Umständen durch einen Auslassversuch überprüft werden sollte, scheint die emotionale
Stabilisierung durch gezielte Betreuung und Zuwendung die allerwichtigste Maßnahme
zu sein, andernfalls muss mit der weiteren Beeinträchtigung seiner emotionalen
Befindlichkeit gerechnet werden, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine seelische
Behinderung auf Dauer resultieren würde. Daher ist fraglos die Übernahme der Kosten
24
nach § 35 a KJHG indiziert..."
Die I. -Schule N. teilte mit Schreiben vom 5. Februar 2004 dem Beklagten mit, dass der
Kläger seit Beginn des Schuljahres die 5. Klasse zusammen mit 8 weiteren Kindern
besuche. Er habe sich schnell zurecht gefunden und sei ein beliebter Schüler bei
Lehrern und Mitschülern. Leistungsmäßig befinde er sich im Durchschnitt. Allerdings sei
er in den letzten beiden Wochen mehrmals wegen aggressiver Verhaltensweisen
aufgefallen, die er leider in der Entstehungsphase nicht erkenne. Wenn er "explodiere",
sei E. kaum zu kontrollieren. Er beruhige sich dann durch entsprechende Ansprache
wieder, um die Situation mit ihm zu besprechen und für die Zukunft neue Strategien zu
entwickeln.
25
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. Mai 2004 die Bewilligung der beantragten
Eingliederungshilfe ab. Bei dem Kläger sei ein sonderpädagogischer Förderbedarf
gegeben, dem auf der I. -Schule nicht entsprochen werden könne. Das
Regelschulsystem sei nach Angaben der Schulaufsichtsbehörde in der Lage, den
Kläger adäquat zu beschulen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der ADS/ADHS-
Problematik. Eine entsprechende Beschulungsmöglichkeit sei jedoch von den Eltern
zugunsten der I. -Schule ausgeschlagen worden. Im Übrigen sei aus der vorgelegten
Stellungnahme des Sozialpädiatrischen Zentrums der Städtischen Kliniken N. nicht
schlüssig erkennbar, dass beim Kläger eine seelische Behinderung vorliege. Bei der I. -
Schule handele es sich auch nicht um eine Einrichtung der Jugendhilfe. Selbst wenn
eine seelische Behinderung drohe oder vorliege, käme die I. -Schule als
Leistungserbringer nicht in Betracht, da sie weder über heilpädagogische Fachkräfte
noch über Lerntherapeuten verfüge.
26
Der Kläger erhob Widerspruch. Er legte eine Stellungnahme des Leitenden Arztes des
Sozialpädiatrischen Zentrums der Städtischen Kliniken N. Dr. Q. vom 16. Juli 2004 vor,
wonach es keinen Zweifel an der mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaften, d. h. länger
als sechs Monate dauernden, seelischen Behinderung sowie deren erhebliche
negativen Auswirkungen auf die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft
geben könne. Zur weiteren Begründung trug der Kläger vor, dass ihn bislang keine
Schule angemessen hätte beschulen können. Die Lehrerin der Förderschule habe
schnell festgestellt, dass er weder lernbehindert noch erziehungsschwierig sei.
Aufgrund seiner Intelligenz habe er sich selbst den Inhalt von Schulbüchern für das 5.,
6., und 7. Schuljahr erarbeitet. Seine Klassenlehrerin habe deshalb eine Hospitation auf
der Hauptschule, mit dem Ziel dort die Schulausbildung fortzusetzen, vorgeschlagen.
Dort sei er jedoch nicht zurecht gekommen.
27
Ausweislich eines Vermerkes vom 6. September 2004 nahm die Beigeordnete des
Beklagten am 3. September 2004 Rücksprache mit dem für die Erprobung an der
Hauptschule zuständigen Lehrer. Gegenstand dieses Gesprächs war die Hospitation
des Klägers an dieser Hauptschule im Sommer 2003. Ausweislich eines weiteren
Vermerks vom 21. September 2004 fand am 13. September 2004 in der Förderschule I3.
ein weiteres Gespräch statt, an dem die ehemalige Klassenlehrerin des Klägers, der
Leiter der Förderschule I3. und die zuständige Beigeordnete der Stadt I2. teilnahmen.
28
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2004 wies der Beklagte den
Widerspruch als unbegründet zurück. Er ließ dahinstehen, ob der Kläger seelisch
behindert im Sinne des § 35 a SGB VIII sei. In jedem Falle komme die I. -Schule N. als
Träger für eine mögliche Eingliederungsmaßnahme nicht in Betracht. Für den Kläger sei
29
ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt worden und mit Bescheid vom 31.
Januar 2002 als Förderort die Förderschule I3. festgelegt worden. Eine Entscheidung zu
Gunsten der I. -Schule in N. sei nicht getroffen worden. Diese Entscheidung über den
sonderpädagogischen Förderbedarf sei bislang nicht aufgehoben worden. Es sei auch
nicht erwiesen, dass der sonderpädagogische Bedarf mittlerweile entfallen sei. Die
Rücksprache mit den Lehrern des Klägers an der Förderschule und der Hauptschule
lasse keinen anderen Schluss zu.
Der Kläger hat am 21. Oktober 2004 Klage erhoben, mit der er sein Begehren
weiterverfolgt. Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages trägt er
zusätzlich vor: Im kleinen Klassenverband mit nur 13 Schülern in der Förderschule sei
er gut zu führen gewesen. Die schulischen Anforderungen dort hätten für ihn von Anfang
an keine Herausforderung dargestellt. Bereits nach wenigen Wochen habe seine
Klassenlehrerin nachgefragt, wer ihn für die Förderschule getestet habe. Nach
Auffassung der Klassenlehrerin und der Schulleitung sei der Kläger in dieser Schule
vollkommen fehl gelandet. Die Förderschule habe deshalb beschlossen, ihn an der
benachbarten Hauptschule hospitieren zu lassen, um zu überprüfen, ob er für eine
weitere Beschulung im Regelschulsystem geeignet sei. Die Schulleitung sowie der
Klassenlehrer der 5. Klasse in der Hauptschule hätten sich zu diesem Versuch bereit
erklärt. In den Monaten Juni und Juli 2003 habe er an der Hauptschule hospitiert. Leider
hätten seine Eltern schon nach zwei Wochen eine negative Veränderung festgestellt. Er
habe sich wieder zurückgezogen, komme schlecht gelaunt aus der Schule und sei nicht
bereit, über Vorkommnisse an der Hauptschule zu sprechen. Nach längerem Gespräch
habe sich herausgestellt, dass in der Schule Gewalt angewendet worden sei und er von
seinen Mitschülern gehänselt werde, weil er aufgrund seiner motorischen Probleme
nicht mit dem Füller schreiben könne. Im Elterngespräch mit dem Klassenlehrer der
Hauptschule habe sich ergeben, dass er - der Kläger - zwar sehr begabt sei, jedoch mit
seinem Verhalten bei seinen Mitschülern und Lehrern anecke. Als Lehrer komme er mit
dem Kläger gut zurecht. In einem zweiten Gespräch habe der Hauptschullehrer erklärt,
dass er den Kläger gern aufnehmen werde, da er ein sehr gutes Statistikkind sei, um
den Notendurchschnitt der Schule zu heben. Diese Vorkommnisse hätten die seine
Eltern veranlasst, ihren Sohn entsprechend auf der I. -Schule in N. anzumelden. Mit
Datum vom 28. Juni 2003 habe er über seine Mutter beim Jugendamt des Beklagten
mündlich einen Antrag auf Übernahme der Kosten des Besuchs einer Privatschule
gestellt. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2003 habe er seinen schriftlichen Antrag auf
Eingliederungshilfe beim Jugendamt angebracht. Nach den vorliegenden ärztlichen
Attesten sei davon auszugehen, dass ihm eine seelische Behinderung zumindest drohe.
Im Übrigen habe sich während der Anhängigkeit des Klageverfahrens herausgestellt,
dass bei ihm Kläger eine Fehlhörigkeit vorliege, die - laienhaft ausgedrückt - ihn
hindere, in Räumen mit vielen Menschen Geräusche zu filtern oder zuzuordnen. Diese
Einschränkung des Hörvermögens schließe zusätzlich eine Beschulung in größeren
Klassen aus. Er erfülle somit die Voraussetzungen für die Gewährung von
Eingliederungshilfe. Diese umfasse auch Hilfen zu einer angemessenen
Schulausbildung. Entfalle die Zuständigkeit der Schule, weil die vom Schulsystem
angebotenen Leistungen im konkreten Fall nicht ausreichten, seien entsprechende
Maßnahmen des Jugendhilfeträgers zu treffen. Bei der I. -Schule in N. handele es sich
um eine Ganztagsschule, die auf ADHS-Kinder spezialisiert sei, in kleinen
Klassenverbänden unterrichte und ihn - den Kläger - schon mit Erfolg beschult habe.
Dass das öffentliche Schulsystem mit ihm nicht zurecht gekommen sei, liege auch
daran, dass an den Sonderschulen kein für die ADS-Problematik ausgebildeter Lehrer
vorhanden sei. Zwar könne nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem Wechsel
30
an die I. -Schule alle Probleme weggewischt seien. Mit seiner Problematik könne dort
besser umgegangen werden, da er durch ausgebildete ADS-Lehrer beschult werde.
Der Kläger beantragt,
31
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Mai 2004 und des
Widerspruchsbescheides vom 21. September 2004 zu verpflichten, ihm für das
Schuljahr 2003/2004 die Kosten des Besuchs der I. -Schule aus Mitteln der Jugendhilfe
zu bewilligen.
32
Der Beklagte beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Er tritt dem Vortrag des Klägers unter Wiederholung und Vertiefung der Erwägungen der
versagenden Bescheide entgegen.
35
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2006 den Leitenden Arzt
des Sozialpädiatrischen Zentrums der Städtischen Kliniken N. , Facharzt für
Kinderheilkunde sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie, Dr. Q. als Sachverständigen, die
Schulamtsdirektorin Frau Q1. und die Sonderschullehrerin Frau S2. sowie den Leiter
der I. -Schule N. , Herrn T. , als Zeugen gehört. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen
wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2006 Bezug
genommen.
36
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den beigezogenen
Verwaltungsvorgang des Beklagten und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen.
37
Entscheidungsgründe:
38
Die zulässige Klage ist unbegründet.
39
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme der ihm durch
den Besuch der I. -Schule in N. entstehenden Kosten. Der Bescheid des Beklagten vom
28. Mai 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 21. September 2004 sind rechtmäßig,
§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
40
Anspruchsgrundlage für das gegen den Beklagten gerichtete Begehren des Klägers ist
§ 35 a des Sozialgesetzbuches, Achtes Buch (Kinder- und Jugendhilfe, SGB VIII) in der
Fassung des Art. 8 SGB XI vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Nach dieser Vorschrift
haben Kinder und Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
41
1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von
dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und
42
2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche
Beeinträchtigung zu erwarten ist.
43
3.
44
Vorliegend kann offen bleiben, ob die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Denn
auch wenn das Gericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass nach den Bekundungen
des Leitenden Arztes des sozialpädiatrischen Zentrums der Städtischen Kliniken N. ,
des Facharztes für Kinderheilkunde sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. Q. die
seelische Gesundheit des Klägers mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs
Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine
Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, scheitert ein Anspruch auf
Übernahme der durch den im Schuljahr 2003/2004 erfolgten Besuch der I. -Schule in N.
entstandenen Kosten aus anderen Gründen.
45
Für die Zeit vom Beginn des Schuljahres 2003/2004 bis Mitte Mai 2004 scheitert das
Klagebegehren am gerade bei der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII zu
beachtenden Antragserfordernis. So hat das Bundesverwaltungsgericht
46
Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18/04 -, BVerwGE 124, 83 -95 = NVwZ 2006, 697-700
= DVBl. 2006, 975 -979,
47
unter Vertiefung seiner bisherigen Rechtsprechung,
48
Urteil vom 28. September 2000 - 5 C 29/99 -, BVerwGE 112, 98 - 106 = DVBl. 2001,
1060 -1062 = DÖV 2001, 909,910 = FEVS 52, 532 -538,
49
ausgeführt, dass die Bewilligung solcher jugendhilferechtlicher Leistungen nicht nur
davon abhängt, dass überhaupt ein Antrag gestellt worden ist, dies ist hier ausweislich
der Verwaltungsvorgänge mit Antrag vom 19. Dezember 2003 - eingegangen bei dem
Beklagten am 22. Dezember 2003 - erfolgt, sondern dass dies so rechtzeitig geschehen
ist, dass der Jugendhilfeträger zu pflichtgemäßer Prüfung sowohl der
Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist. Diese
Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat nunmehr in dem zum 1. Oktober
2005 eingefügte § 36 a SGB VIII ihren ausdrücklichen gesetzlichen Niederschlag
gefunden.
50
Damit sollte schon nach bisherigem Recht verhindert werden, dass das Jugendamt zum
bloßen Kostenträger für bereits selbstbeschaffte Jugendhilfemaßnahmen degradiert
wird. Der Beklagte als Jugendhilfeträger ist (primär) zur Erbringung der
Jugendhilfeleistung als solcher und nicht zur Kostentragung verpflichtet. Diese
Einschränkung bei selbstbeschafften Hilfen knüpft daran an, dass grundsätzlich die
Entscheidung weder vom Jugendlichen, noch den Personensorgeberechtigten, noch
dem Jugendamt allein getroffen wird. Vielmehr hängt die Entscheidung über Art, den
Umfang und die zeitliche Dauer der Hilfe maßgeblich von der Beurteilung der
Notwendigkeit der Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen ab,
51
vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 169 ff..
52
Es ist eine Besonderheit der Ausgestaltung der Entscheidung im Jugendhilferecht, dass
es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das
Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung
des Kindes bzw. Jugendlichen, der Personensorgeberechtigten oder jungen
Volljährigen und mehrerer Fachkräfte handelt, welches nicht den Anspruch objektiver
Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten
Belastungssituation enthält, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss.
53
Dabei steht dem Jugendamt kein Beurteilungsspielraum zu.
Ausnahmsweise kann ein demgegenüber sekundärer Anspruch auf Erstattung der durch
Inanspruchnahme anderweitiger Hilfeinstitutionen entstandenen Kosten in Betracht
kommen, wenn der Hilfesuchende hierauf zur effektiven Durchsetzung eines
bestehenden Jugendhilfeanspruches angewiesen ist, weil der öffentliche
Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat,
54
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 14. März
2003 - 12 A 122/02 -.
55
Eine solche Situation ist hier - wie noch darzulegen sein wird - nicht gegeben.
56
Vielmehr ist unter Berücksichtigung dieser Vorgaben nach der für den hier
maßgeblichen Zeitraum geltenden Rechtsprechung dem Antragserfordernis nicht schon
deshalb Genüge getan, weil der Kläger über seine gesetzlichen Vertreter im Monat
Dezember 2003 einen (schriftlichen) Antrag gestellt hat. Vielmehr kann von einer
Antragstellung bei einem Begehren nach § 35 a SGB VIII erst gesprochen werden,
wenn die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen über die medizinischen
Voraussetzungen der Gewährung der Eingliederungshilfe und den bisherigen
schulischen Werdegang des Kindes bzw. Jugendlichen vorliegen. Über die zur
Bescheidung eines solchen Antrags erforderlichen Unterlagen sind die Eltern des
Klägers mit Schreiben des Beklagten vom 9. Januar 2004 auch belehrt worden.
Dennoch ist der zum Nachweis des Vorliegens einer seelischen Behinderung gedachte
Arztbrief des Dr. Q. an Dr. T1. vom 10. Mai 2004 erst am 13. Mai 2004 an das
Jugendamt gelangt. Da bis dahin noch nicht einmal ein kurzes ärztliches Attest, aus
dem sich auf eine seelische Behinderung schließen ließ, vorgelegt worden war, konnte
der Beklagte erst jetzt mit der erforderlichen Prüfung beginnen. Er hat dann am 28. Mai
2004 - also zügig - über das Begehren entschieden. Bei dieser Sachlage kann bei einer
selbstbeschafften Hilfemaßnahme erst ab Mitte Mai 2004 vom Vorliegen eines den
Anforderungen genügenden Antrages gesprochen werden.
57
Auch soweit die Mutter des Klägers am 26. Juni 2003 im Jugendamt vorgesprochen und
ein entsprechendes mündliches Begehren auf Übernahme der Kosten einer künftigen
Beschulung ihres Sohnes durch eine Privatschule gestellt hat, gibt dies zu keiner
abweichenden Entscheidung Anlass. Denn auch diese Vorsprache genügt nicht den
oben beschriebenen Anforderungen an einen Antrag.
58
Ausweislich des in den Akten befindlichen Vermerks vom 26. Juni 2003 über dieses
Gesprächs wurden auch hier keine der oben beschriebenen erforderlichen Unterlagen
vorgelegt. Die Mutter des Klägers teilte lediglich mit, dass beim Kläger seit dem 6.
Lebensjahr eine ADS-Problematik vom Sozialpädiatrischen Zentrum der Städtischen
Kliniken N. diagnostiziert worden sei. Diese habe seine schulische Laufbahn schon in
der Grundschulzeit beeinträchtigt. In der Sekundarstufe 1 sei er in der Förderschule
intellektuell unterfordert; an der Hauptschule in S1. bestehe auf Grund seines auffälligen
Verhaltens keine Möglichkeit ihn weiter zufördern. Die weiteren Voraussetzungen einer
Gewährung von Jugendhilfe sollten in einem weiteren Beratungsgespräch mit einer
Sozialarbeiterin geklärt werden.
59
In dem stichwortartig zusammenfassenden Vermerk über dieses Beratungsgespräch hat
Frau C1. niedergelegt, dass der Kläger einen Antrag nach § 35 a SGB VIII noch
60
einreichen werde. Die Eltern/Mutter des Klägers sei(en) über die Prüfung des Antrags
und über anderweitige Fördermöglichkeiten unterrichtet worden. Die Sozialarbeiterin
habe auch darauf hingewiesen, dass die I. -Schule nicht zwingend die für den Kläger
geeignete Förderform sei. Der angekündigte Antrag ist dann tatsächlich aber erst im
Dezember 2003 gestellt worden.
Dem Erfolg der Klage steht im Übrigen der Nachranggrundsatz des § 10 Abs. 1 Satz 1
SGB VIII in der hier maßgeblichen Fassung entgegen. Die vom öffentlichen
Schulsystem angebotenen Beschulungsmöglichkeiten gehen danach Maßnahmen der
Jugendhilfe vor.
61
Der Kläger - insoweit muss er sich das Verhalten seiner Eltern zu rechnen lassen - hat
vor dem Wechsel auf die I. -Schule mit dem zuständigen Schulträger und der
Schulaufsichtsbehörde nicht hinreichend abgeklärt, welche weiteren
Beschulungsmöglichkeiten das öffentliche Schulsystem für ihn bietet. Hätte er dies
unternommen, hätte er zur Überzeugung des Gerichts erfahren, dass im Schuljahr
2003/2004 an der Hauptschule "J. " für das fünfte Schuljahr eine Förderklasse für Kinder
mit sonderpädagogischen Förderbedarf mit 8 bis maximal 16 Schülern eingerichtet
worden ist, die er hätte besuchen können.
62
Zum Nachranggrundsatz gehört die Verpflichtung der öffentlichen Schulen, der
Schulträger und der Schulaufsichtsbehörden, lernbeeinträchtigte, behinderte oder von
einer Behinderung bedrohte Schüler angemessen zu fördern. Als eine
Fördermaßnahme sieht der im hier maßgeblichen Zeitraum geltende § 7 Abs. 1 des
Gesetzes über die Schulpflicht im Lande Nordrhein-Westfalen (SchpflG) vor, dass
Schulpflichtige, die wegen körperlicher, seelischer oder geistiger Behinderung oder
wegen erheblicher Beeinträchtigung des Lernvermögens im Unterricht an der
Grundschule oder einer weiterführenden Schule nicht hinreichend gefördert werden
können, ihrem individuellen Förderbedarf entsprechend sonderpädagogisch gefördert
werden. Nach § 7 Abs. 4 SchpfG i.V.m. der Verordnung über die Feststellung des
sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen
Förderort vom 22. Mai 1995 - VO-SF - entscheidet die Schulaufsichtsbehörde über den
sonderpädagogischen Förderbedarf und über den schulischen Förderort.
63
Diese Fördermöglichkeiten des Klägers im öffentlichen Schulsystem waren hier zur
Überzeugung des Gerichts im hier streitigen Zeitraum noch nicht ausgeschöpft. Dies gilt
auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es bis heute weder Sonderschulen
für die ADS/ADHS-Problematik noch sonstige öffentliche Regelschulen gibt, die für
diese Schüler besondere Förderklassen bereithalten. Entgegen dem Vortrag des
Klägers sind auch die I. -Schulen trotz ihres Bemühens um Schüler mit der ADS-
Problematik keine entsprechend spezialisierten Sonderschulen für diesen
sonderpädagogischen Förderbedarf.
64
Für seine Auffassung, dass der Nachrang der Jugendhilfe im vorliegenden Fall dem
Klagebegehren entgegensteht, stützt sich das Gericht auf folgende Erwägungen.
65
Für den Kläger ist bereits zu Beginn der Grundschulzeit mit Bescheid des Schulamtes
für den Kreis I1. vom 8. Juni 1998 ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt
und er im Wege des gemeinsamen Unterrichts an einer Grundschule (und nicht an einer
Sonderschule) gefördert worden. Dabei ist dem Kläger einzuräumen, dass damals
neben dem "Lernen" vor allem motorische Mängel im Vordergrund standen, die eine
66
besondere Förderung erforderten und für die keine Sonderschule vorhanden ist. Mit
weiterem Bescheid des Schulamtes für den Kreis I1. vom 31. Januar 2002 ist als
Förderort im Übergang zur Sekundarstufe 1 die Förderschule I3. festgelegt worden. Dies
entsprach auch der ausführlich begründeten Empfehlung des Grundschule. Am Ende
der Förderklasse war als Förderort die Empfehlung "Hauptschule" vorgesehen.
Die Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf wurde bislang vom
Schulamt nicht aufgehoben. Dies kommt - wie dem erkennenden Einzelrichter aus
anderen Fällen bekannt ist - in Einzelfällen vor. Es ist auch auf Grund der vorliegenden
pädagogischen und ärztlichen Stellungnahmen nicht erwiesen, dass der
sonderpädagogische Bedarf vor oder nach dem Wechsel auf die I. -Schule entfallen ist.
Vielmehr hat die dafür zuständige Schulamtsdirektorin Q1. in ihrer Stellungnahme
gegenüber dem Jugendamt vom 2. April 2004 ausdrücklich am Vorliegen des
Förderbedarfs beim Kläger mit dem Schwerpunkt "Lernen" festgehalten. Es müsse nach
wie vor davon ausgegangen werden, dass der sonderpädagogische Förderbedarf weiter
bestehe und ihm in den Sonderschulen des Kreises I1. professionell und angemessen
entsprochen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn eine ADS-ADHS-Problematik
dazu komme. Diese Einschätzung hat sie auch nochmals bei ihrer Anhörung in der
mündlichen Verhandlung bestätigt. Frau Q1. hat bei ihrer Anhörung ausdrücklich ihr
Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass die Eltern des Klägers vor dem Wechsel zur I. -
Schule nicht das Gespräch mit ihr gesucht haben, um die weiteren
Beschulungsmöglichkeiten des Klägers an öffentlichen Schulen auszuloten. Wenn der
Kläger nach den bei der Hospitation in der Hauptschule gewonnenen Eindrücken dort
die Ausbildung nicht fortsetzen wollte, dann wäre gemeinsam nach anderen
Möglichkeiten einer weiteren Beschulung im öffentlichen Regelsystem, z.B. in einer
anderen integrativen Beschulungsform, gesucht worden.
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Auch die Klassenlehrerin der Förderschule, Frau S2. , hat bei ihrer gerichtlichen
Anhörung die Richtigkeit der Entscheidungen über den sonderpädagogischen
Förderbedarf beim Kläger nicht in Zweifel gezogen. Sie hat insbesondere nicht bestätigt,
dass sie geäußert habe, der Kläger sei an der Förderschule am falschen Platz. Sie
konnte sich auch nicht erinnern, in der Vergangenheit den sonderpädagogischen
Förderbedarf des Klägers ausdrücklich in Frage gestellt zu haben. Auch aus ihrer
Empfehlung "Erprobung an der Hauptschule" lasse sich nicht der Schluss des
fehlenden sonderpädagogischen Bedarfs ziehen. Es waren nach ihren Bekundungen in
der mündlichen Verhandlung vor allem seine sehr guten Leistungen in Mathematik und
die Fortschritte seiner persönlichen Entwicklung, die sie im Sommer 2003 bewogen,
eine solche Empfehlung auszusprechen. Eine solche Erprobung hat jedoch tatsächlich
nicht statt gefunden. Hinsichtlich des tatsächlich durchgeführten "Hospitierens" an der
Hauptschule führte sie aus, dass es sich nicht um Probeunterricht im eigentlichen Sinne
gehandelt habe. Die wenigen Wochen der Teilnahme am Unterricht in der Hauptschule
seien vielmehr informell mit ihrem Schulleiter und dem der Hauptschule "J. "
abgesprochen worden. Erst wenn diese Unterrichtsteilnahme positiv verlaufen wäre,
hätte erst der eigentliche Probeunterricht unter Einschaltung des Schulamtes begonnen.
Dieser Versuch ist jedoch daran gescheitert, dass die Eltern ihn nicht zu Ende geführt
haben.
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Schließlich wusste die Zeugin S2. bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung
dem Gericht zu verdeutlichen, dass sich auch aus dem Kenntnisstand des Klägers kein
Rückschluss auf die Ungeeignetheit der Beschulung in einer Sonderschule oder im
integrativen Unterricht einer Regelschule ziehen lässt. Auch wenn sie ihm
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Schulmaterialien zur Verfügung gestellt habe, die über den Stoff des 5. Schuljahres
hinausreichten, so widersprach sie doch deutlich der Einschätzung der Eltern, der
Wissensstand des Klägers habe dem eines Schülers der 8. Klasse entsprochen.
Schließlich fehlt es auch an entsprechenden Hinweisen, dass bei der Beschulung des
Klägers die sonderpädagogischen Möglichkeiten (mit unbefriedigendem Ergebnis)
ausgeschöpft waren.
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Eine Entscheidung zu Gunsten der I. -Schule in N. als Förderort ist vom Schulamt für
den Kreis I1. nicht getroffen worden.
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Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers, die Lehrerin habe seine Aufnahme in eine
Privatschule befürwortet, bei der Anhörung der Zeugin S2. durch das Gericht nicht
bestätigt worden. Sie habe lediglich eine durch die Eltern bereits getroffene
Entscheidung als gegeben akzeptiert.
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Zusammenfassend lässt sich somit für den hier streitigen Zeitraum weder feststellen,
dass die Voraussetzungen sonderpädagogischer Förderung entfallen sind, noch dass
es im öffentlichen Schulsystem keinen für den Kläger geeigneten Förderort gab. Bei
dieser Sachlage ist hier kein Raum für die Bewilligung von Eingliederungshilfe nach §
35 a SGB VIII mit dem Ziel der Übernahme der Kosten des Besuchs einer Privatschule.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO
abzuweisen.
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