Urteil des VG Aachen vom 19.10.2009

VG Aachen (kläger, förderung, verordnung, durchführung des gemeinschaftsrechts, auszahlung, kommission, höhere gewalt, besondere härte, antrag, dauer)

Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 231/09
Datum:
19.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 231/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger stellte am 5. Juni 2000 Grundantrag auf Förderung der markt- und
standortangepassten Landwirtschaft in der Form der Förderung der Festmistwirtschaft
im Betriebszweig Mutterkuhhaltung. Er gab dabei an, der durchschnittliche jährliche
Bestand im Betriebszweig Mutterkuhhaltung betrage 61,2 Großvieheinheiten (GVE) .
Der Kläger verpflichtete sich in Ziff. 4 der Anlage D zum Grundantrag, für die Dauer von
fünf Jahren, spätestens beginnend mit dem 1. Juli 2000, in dem beantragten
Betriebszweig die Festmistwirtschaft durchgängig einzuführen oder beizubehalten und
im Falle der Einführung jeden beantragten Betriebszweig vor Ende des ersten
Verpflichtungsjahres vollständig auf Festmistwirtschaft umzustellen, den anfallenden
Festmist auf betriebseigenen Flächen auszubringen, im Gesamtbetrieb einen
durchschnittlichen jährlichen Viehbesatz von 2,0 GVE je ha nicht zu überschreiten und
höchstens den Dünger auszubringen, der diesem Viehbesatz entspricht sowie zu keiner
Zeit den im Jahresdurchschnitt zulässigen Viehbesatz im mehr als 10 % zu
überschreiten. In Ziff. 9 des Grundantrages erklärte er, die aktuell geltenden Richtlinien
über die Gewährung von Zuwendungen für die Förderung einer markt- und
standortangepassten Landbewirtschaftung seien ihm bekannt. In Ziff. 6.1 des
verpflichtete sich der Kläger, die in den Richtlinien genannten Bedingungen für die
Dauer von fünf Jahren einzuhalten. Mit Zuwendungsbescheid vom 29. Dezember 2000
bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Dauer von fünf Jahren, und zwar für die Zeit
vom 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2005 eine maximale Gesamtzuwendung bis zu
45.900,- DM (23.409,- EUR) für die Durchführung der Maßnahme Festmistförderung
(Anlage D) auf der Grundlage von 61,2 GVE (Mutterkuhhaltung), was einer Fläche von
30,60 Hektar und einer Prämie in Höhe von 300,- DM bzw. 153 EUR je Hektar
entspreche. Die jährliche Auszahlung belaufe sich für das Jahr 2001 auf maximal 9180,-
DM (4.693,66 EUR) und danach auf maximal 4.681,80 EUR. Auf der Grundlage der
Anträge auf Auszahlung sowie der Flächenverzeichnisse zum Antrag auf Beihilfen für
die Landwirtschaft werde die Erfüllung der Zuwendungsvoraussetzungen jeweils neu
2
geprüft und die jährliche Zuwendung in genauer Höhe abschließend bewilligt. Die vom
Kläger im Antrag übernommenen Verpflichtungen und abgegebenen Erklärungen seien
als Nebenbestimmungen Bestandteil des Bescheides und Auflagen im Sinne des § 36
Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW. Im Falle der Nichteinhaltung von Auflagen könne der
Zuwendungsbescheid ganz oder teilweise und auch mit Wirkung für die Vergangenheit
aufgehoben werden. Dies erfolge in Anwendung der Sanktionsregelung der Nr. 18.14
der Richtlinien. Die zu viel erhaltenen Zuwendungen seien dann zuzüglich Zinsen
zurück zu erstatten. Auf den Änderungsantrag des Klägers vom 29. Juni 2001 wurde der
jährliche Bewilligungsrahmen mit Bescheid vom 18. September 2002 für die
Restlaufzeit auf 5.355,- EUR festgesetzt. Am 7. Mai 2001 stellte der Kläger Antrag auf
Auszahlung der jährlichen Zuwendung für das Wirtschaftsjahr 2000/2001. Auf der
Grundlage der vom Kläger gemachten Angaben zu seinem Viehbestand bewilligte der
Beklagte dem Kläger mit Auszahlungsbescheid vom 21. November 2001 eine Beihilfe in
Höhe von 9.180,- DM (4.693,66 EUR) für 61,2 GVE.
Am 12. Mai 2002 erklärte der Kläger, ein Antrag auf Auszahlung der Festmistförderung
werde für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 nicht gestellt , da er im Herbst 2002 die
Festmistwirtschaft aufgebe. Er stellte gleichzeitig Antrag auf Förderung der
Grünlandextensivierung. Seit dem 1. November 2003 ist der Betrieb des Klägers
verpachtet, seit dem 1. März 2004 bezieht der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 zu seiner Absicht
an, den Zuwendungsbescheid vom 29. Dezember 2000 zu widerrufen, den
Auszahlungsbescheid vom 21. November 2001 zurückzunehmen und den überzahlten
Betrag zurückzufordern. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Auszahlung der
Zuwendung, da er die Verpflichtung, die Festmistwirtschaft für die Dauer von fünf Jahren
beizubehalten, nicht eingehalten habe. Der Kläger erwiderte unter dem 15. November
2008, zwar treffe es zu, dass er sich für die Dauer von fünf Jahren zur Festmistwirtschaft
verpflichtet habe. Dies habe er auch bis einschließlich des Wirtschaftsjahres 2002/2003
getan. Theoretisch habe ihm die Förderung für die Festmistwirtschaft daher auch für das
Jahr 2003 noch zugestanden. Ab dem Jahr 2002 habe der die Förderung nicht mehr
beantragt, da er die Mutterkuhhaltung und den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb
aus gesundheitlichen Gründen habe aufgeben und zum 1. November 2003 verpachten
müssen. Eine Verpachtung mit der Mutterkuhhaltung sei nicht möglich gewesen. Ohne
diese Umstände hätte er die Verpflichtung eingehalten, so dass eine besondere Härte
vorgelegen habe. Der Anspruch auf Rückzahlung des ausgezahlten Betrages sei
zudem mittlerweile verjährt. Mit Bescheid vom 22. Januar 2009 widerrief der Beklagte
den Zuwendungsbescheid vom 29. Dezember 2000 und nahm den
Auszahlungsbescheid vom 21. November 2001 zurück. Gleichzeitig forderte er die zu
Unrecht gewährten Fördermittel in Höhe von 4.693,66 EUR zuzüglich Zinsen zurück.
Zur Begründung trug der Beklagte vor, der Kläger habe sich mit dem Grundantrag aus
dem Jahr 2000 unter Ziff. 6.1. verpflichtet, die eingegangene Verpflichtung für die Dauer
von mindestens 5 Jahren einzuhalten. Außerdem habe er sich verpflichtet, jedes Jahr
einen Auszahlungsantrag zu stellen. Diese Verpflichtungen seien Auflagen zu dem
Zuwendungsbescheid, die der Kläger nicht eingehalten habe. Er könne sich auch nicht
auf eine unbillige Härte berufen, da die Entscheidung, die Auszahlungsanträge ab 2002
nicht mehr zu stellen, nicht darauf beruhte, dass der Betrieb, der bis 2003 weitergeführt
worden sei, aufgegeben worden sei. Mit dem Wegfall des Zuwendungsbescheides
entfalle die Rechtsgrundlage für den Auszahlungsbescheid und der Rechtsgrund für die
Auszahlung der Fördermittel. Am 11. Februar 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Zur
Begründung beruft er sich auf sein Vorbringen im Vorverfahren. Er macht zudem
geltend, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW sei verstrichen. Diese sei
3
auch jedenfalls insoweit anwendbar, als die Förderung aus nationalen und nicht aus
Mitteln der Gemeinschaft finanziert worden sei. Der Kläger beantragt,
den Widerrufs-, Rücknahme- und Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 22.
Januar 2009 aufzuheben.
4
Der Beklagte beantragt,
5
die Klage abzuweisen.
6
Er beruft sich zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
7
Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt des Protokolls
der öffentlichen Sitzung vom 7. Oktober 2009 Bezug genommen.
8
Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin
übertragen worden.
9
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Heft)
hingewiesen.
10
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
11
Die zulässige Klage ist unbegründet.
12
Der Bescheid des Beklagten vom 22. Januar 2009 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
13
Die tatbestandlichen Vorgaben für den Widerruf des Zuwendungsbescheides vom 29.
Dezember 2000 nach § 49 Abs. 3 Satz Nr. 2 VwVfG NRW lagen nach der Sach- und
Rechtslage in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung vor. Dasselbe
gilt für die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 VwVfG NRW für die Rücknahme des
Auszahlungsbescheides vom 21. November 2001 und für die Rückforderung des
gezahlten Betrages nach § 49 a Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW.
14
Der Kläger ist gem. Art. 71 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission
vom 29. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr.
1257/1999 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch
den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) zur
Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Zuwendungen verpflichtet.
15
Nach Art. 71 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 817/2004 ist der Einzelbegünstigte einer
Maßnahme zur Entwicklung des ländlichen Raums im Fall von zu Unrecht gezahlten
Beträgen verpflichtet, diese Beträge gemäß den Bestimmungen von Art. 49 der
Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit
Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/1992 des Rates
eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte
gemeinschaftliche Beihilferegelungen zurück zu zahlen.
16
Die Vorschrift des Art. 71 Abs. 2 VO (EG) Nr. 817/2004 ist in dem hier zu
17
entscheidenden Fall anwendbar.
Die Förderung der Festmistwirtschaft für den Betriebszweig Mutterkuhhaltung erfolgte
auf der Grundlage der Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für die
Förderung einer markt- und standortangepassten Landbewirtschaftung, Runderlass des
Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom
31. August 2000, II A 6-72.40.32 (Zuwendungsrichtlinie). Die Zuwendungsrichtlinie ist
zwar am 30. Juni 2002 außer Kraft getreten, gilt jedoch für Anträge, die - wie hier - bis
dahin bewilligt wurden, für den restlichen Verpflichtungszeitraum weiter, vgl. Nr. 21 der
Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für die Förderung einer markt- und
standortangepassten Landbewirtschaftung, Runderlass des Ministeriums für Umwelt
und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 18. November 2002, II -6-
72.40.32.
18
Die Zuwendungsrichtlinie gewährt Zuwendungen auf der Grundlage der Art. 22 ff. der
Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der
Entwicklung des ländlichen Raumes durch den Europäischen Ausrichtungs- und
Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) in Verbindung mit der
Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1750/1999 der Kommission vom 23. Juli 1999 sowie
deren Nachfolgeverordnungen (EG) Nr. 445/2002 der Kommission vom 26. Februar
2002 und (EG) Nr. 817/2004 der Kommission vom 29. April 2004.
19
Art. 71 Abs. 2 VO (EG) Nr. 817/2004 ist einschlägig, obwohl die VO (EG) Nr. 817/2004
insgesamt durch Art. 64 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission
vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr.
1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch
den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Entwicklung des ländlichen
Raums (ELER) aufgehoben wurde. Sie gilt jedoch nach Art. 64 Abs. 2 VO (EG) Nr.
1974/2006 weiterhin für Maßnahmen, die vor dem 1. Januar 2007 genehmigt wurden.
Folgerichtig bestimmt Art. 65 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1974/2006, dass diese Verordnung
erst für die Förderung der Gemeinschaft in dem ab dem 1. Januar 2007 beginnenden
Programmplanungszeitraum Anwendung findet.
20
Auch der Verweis des Art. 71 Abs. 2 VO (EG) Nr. 817/2004 auf Art. 49 der VO (EG) Nr.
2419/2001 bleibt trotz der Aufhebung der VO (EG) Nr. 2419/2001 in Art. 80 Abs. 1 Satz 1
der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit
Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur
Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem gemäß den
Verordnungen (EG) Nr. 1782/2003 und (EG) Nr. 73/2009 des Rates sowie mit
Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen gemäß der
Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates unverändert in Kraft, da sie weiter für
Beihilfeanträge gilt, die sich auf vor dem 1. Januar 2005 beginnende Wirtschaftsjahre
oder Prämienzeiträume beziehen, vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 796/2004.
Dies ist hier der Fall. Nach Art. 2 Nummer 24 der VO Nr. 796/2004 ist der
Prämienzeitraum der Zeitraum, auf den sich Beihilfeanträge beziehen, unabhängig vom
Zeitpunkt ihrer Einreichung, vgl. auch die wortgleiche Definition des Art. 2 Buchst. t) der
VO (EG) Nr. 2419/2001. Prämienzeitraum ist danach vorliegend der Zeitraum vom 1. Juli
2000 bis zum 30. Juni 2005. Die Vorschrift des Art. 73 der VO (EG) Nr. 796/2004, die in
ihrem Regelungsgehalt der Vorschrift des Art. 49 der VO (EG) Nr. 2419/2001 entspricht,
ist nach alledem nicht anwendbar.
21
Vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 19. März 2009 - 10 S 1578/98 -, juris, Rn.37, der diese
Frage offen lässt.
22
Der in dem Bescheid vom 22. Januar 2009 erfolgte Widerruf des
Zuwendungsbescheides vom 29. Dezember 2000 ist rechtmäßig.
23
Der Beklagte ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass für den Widerruf des
Zuwendungsbescheides vom 29. Dezember 2009 grundsätzlich Landesrecht
anwendbar war. Die Anwendung des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW ist weder
aus gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen, noch sind vorrangige
bundesrechtliche Regelungen einschlägig.
24
Das Gemeinschaftsrecht enthält keine Rechtsvorschriften, die die Befugnis der Behörde
regeln, Bewilligungsbescheide über landwirtschaftliche Subventionen, die in
Durchführung des Gemeinschaftsrechts gewährt worden sind, zurückzunehmen oder zu
widerrufen. Auch, soweit Zuwendungen - wie hier - auf der Grundlage von
Gemeinschaftsrecht gewährt und mitfinanziert werden, richtet sich die Aufhebung der
Zuwendungsbescheide grundsätzlich nach nationalem Recht, wobei jedoch die durch
das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen zu beachten sind.
25
Vgl. z.B: EuGH, Urteil vom 21. September 1983 - Rs. 205 bis 215/82 (Milchkontor) - Rn.
15ff., und Urteil vom 19. September 2002 - C-336/00 (Huber) -, Rn. 55; BVerwG, Urteil
vom 10. Dezember 2003 - 3 C 22/02 -, NVwZ-RR 2004, 413, und zuletzt vom 26. August
2009 - 3 C 15/08 -, juris, Rn. 30; m.w.N aus der obergerichtlichen Rechtsprechung: VGH
Mannheim, Urteil vom 19. März 2009 - 10 S 1578/98 -, juris, Rn. 20; VG Aachen, Urteil
vom 1. Februar 2008 - 6 K 301/07 -, juris, Rn.22ff.
26
Dies gilt auch, soweit das gemeinschaftsrechtliche integrierte Verwaltungs- und
Kontrollsystem seit der Änderungsverordnung (EWG) Nr. 1678/1998 der Kommission
vom 29. Juli 1998 genauere Regelungen über die Rückforderung zu Unrecht gezahlter
Beträge enthält, die weitgehend unverändert in Art. 49 der VO (EG) Nr. 2419/2001
übernommen wurden.
27
Seither sind einige wichtige Teilaspekte wie etwa der Vertrauensschutz - gerade auch
für kofinanzierte Maßnahmen - gemeinschaftsrechtlich geregelt. Die
gemeinschaftsrechtliche Regelung ist aber darüber hinaus unverändert nicht
abschließend. So begründen Art. 71 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 817/2004 und Art. 49 der
VO (EG) Nr. 2419/2001 zwar die materiell-rechtliche Pflicht des Betriebsinhabers zur
Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge. Die Regelungen der VO (EG) 2419/2001
enthalten jedoch keine verfahrensrechtliche Ermächtigung der nationalen Behörden zur
Aufhebung von Zuwendungsbescheiden und zum Erlass von
Rückforderungsbescheiden. Insoweit ist weiterhin auf nationales Recht zurückzugreifen.
28
Vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 15/08 -, juris, Rn. 30.
29
Die gegenteilige Auffassung,
30
vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 22. März 2007 - 1 E 3984/06 -, juris, Rn. 13 und
nachfolgend VGH Kassel, Urteil vom 19. Mai 2009 - 10 A 100/08 -, juris, Rn. 28,
31
begegnet mit Blick auf den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der
32
verfahrensrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten durchgreifenden Bedenken.
Der Grundsatz der verfahrensrechtlichen Autonomie ist in der Rechtsprechung des
Gerichtshofs ausdrücklich anerkannt,
33
vgl. EuGH, Urteil vom 7. Januar 2002 - C-201/02 (Wells), Rn.65; der Sache nach schon:
Urteil vom 21. September 1983 - Rs. 205 bis 215/82 (Milchkontor) -, Leitsätze 2 und 3.
34
Er findet seinen Ausdruck darüber hinaus unter anderem auch in dem allgemeinen
Prinzip der begrenzten Ermächtigung des Art. 5 EU/Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EG und dem
Subsidiaritätsprinzip des Art. 2 EU/Art. 5 EG.
35
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehen die nationalen Behörden bei der
Durchführung der Gemeinschaftsregelungen grundsätzlich nach den formellen und
materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts vor, soweit das Gemeinschaftsrecht
einschließlich der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze - wie etwa des
ausdrücklich genannten und im Ergebnis weitreichende Folgen auf das nationale
Verfahrensrecht zeitigenden Effektivitätsprinzips - hierfür keine gemeinsamen
Vorschriften enthält.
36
Gemeinschaftsrechtliche Einwirkungen auf das nationale Verfahrensrecht bedürfen
wegen des hohen Rangs dieses, das institutionelle System der Gemeinschaft
betreffenden Grundsatzes einer Rechtfertigung und sind nur innerhalb bestimmter
Grenzen zulässig.
37
Vgl. m.w.N: v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, Kapitel 3, F, S. 302ff.
38
Dies zu Grunde gelegt muss eine in die verfahrensrechtliche Autonomie der
Mitgliedstaaten eingreifende Ermächtigung an die Behörden des Mitgliedstaates zum
Erlass von Aufhebungs- und Rückforderungsbescheiden in den entsprechenden
gemeinschaftlichen Regelungen einen unzweideutigen Ausdruck finden. Daran fehlt es
hier, auch, wenn Art. 49 der VO (EG) Nr. 2419/2001 in seinem Abs. 3 Satz 2 die
Rückforderung und in Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 den Rückforderungsbescheid
erwähnt. Diesen Vorschriften lässt sich nur entnehmen, dass der gemeinschaftliche
Verordnungsgeber, wie der deutsche Bundes- und Landesgesetzgeber in § 49 a Abs. 1
VwVfG (NRW), zwischen der (gemeinschaftlich geregelten) materiell-rechtlichen
Erstattungspflicht des Begünstigten und dem Rückforderungsbescheid unterscheidet.
39
Auch die Erwägungsgründe zur VO (EG) Nr. 2419/2001 enthalten keine Hinweise
darauf, dass die Verordnung die verfahrensrechtliche Rückabwicklung der zu Unrecht
gezahlten Beträge ausnahmsweise abschließend auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene
regeln wollte. Nach dem Erwägungsgrund (46) der VO (EG) Nr. 2419/2001 sollten bei
der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge (nur) die Voraussetzungen, unter
denen der Betroffene sich auf den Grundsatz des guten Glaubens berufen kann,
festgelegt werden. Eine darüber hinaus gehende Intention des Verordnungsgebers lässt
sich den Erwägungsgründen nicht entnehmen. Der Erwägungsgrund (48) geht vielmehr
ausdrücklich davon aus, dass die Mitgliedstaaten alle weiteren Maßnahmen treffen
sollten, die erforderlich sind, um die ordnungsmäße Durchführung der Verordnung
sicher zu stellen.
40
Das Bundesrecht enthält keine vorrangigen Bestimmungen über die Aufhebung des
41
Zuwendungsbescheides. § 10 MOG trifft zwar Regelungen über die Rücknahme von
begünstigenden Bescheiden in den Fällen des § 6 und § 8 MOG. Diese Fälle betreffen
jedoch nur Regelungen in Bezug auf Marktordnungswaren. Dies sind gemäß § 2 MOG
Erzeugnis oder Produkt bezogene Regelungen, nicht aber
produktionsverfahrensbezogene Regelungen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 3 C 22/02 -, NVwZ-RR 2004, 413; VGH
Mannheim, Urteil vom 19. März 2009 - 10 S 1578/98 -, DVBl 2009, 797 und OVG
Lüneburg, Urteil vom 21. Februar 2006 - 10 LB 45/03 -, juris, Rn. 27; VG Aachen, Urteil
vom 1. Februar 2008 - 6 K 301/07 -, juris, Rn.30ff.
42
Die Förderung der Festmistwirtschaft ist eine produktionsverfahrensbezogene
Regelung. Sie beruht auf Art. 22 und 23 VO (EG) Nr. 1257/1999. Die Regelungen der
VO (EG) Nr. 1257/1999 enthalten genau wie die Regelungen der Vorgängerverordnung
(EWG) Nr. 2078/1992 keine Erzeugnis bezogenen Regelungen. Bereits die
Vorgängerregelung stand nicht im Zusammenhang mit einem oder mehreren
bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnissen, sondern betraf ausschließlich die
Förderung weniger umweltschädigender und weniger intensiver Produktionsverfahren
sowie die Verbesserung des Gleichgewichts auf den Märkten.
43
Vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2002 - C-336/00 (Huber)-Rn. 4 unter Hinweis auf
die Erwägungsgründe (1), (5), (6) und (12) der VO (EWG) Nr. 2078/1992
44
Dies wird für die Agrarumweltmaßnahmen nach Art. 22ff. der VO (EG) Nr. 1257/1999
ausdrücklich in dem Erwägungsgrund (31) zu dieser Verordnung bestätigt. Danach soll
die Beihilferegelung für Agrarumweltmaßnahmen Landwirte weiterhin ermutigen, im
Dienste der gesamten Gesellschaft Produktionsverfahren einzuführen bzw.
beizubehalten, die der zunehmenden Notwendigkeit des Schutzes und der
Verbesserung der Umwelt, der natürlichen Ressourcen, der Böden und der genetischen
Vielfalt sowie des Erhalt der Landschaft und des ländlichen Lebensraums gerecht
werden. Dem entsprechen schließlich auch die Zielvorgaben in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a)
bis f) der VO (EG) Nr. 1257/1999.
45
Die Voraussetzungen der nach alledem einschlägigen und vom Beklagten zu Recht in
Anspruch genommenen Regelung des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW lagen nicht
vor. Danach darf ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende
Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes
gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist,
ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit nur widerrufen werden, wenn mit
dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder
nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
46
Der Kläger hat eine Auflage nicht erfüllt, die mit dem Zuwendungsbescheid vom 29.
Dezember 2000 verbunden war.
47
Der Zuwendungsbescheid vom 29. Dezember 2000 enthält die Auflage, dass die
Zuwendung für die gesamten fünf Jahre nur erteilt wird, wenn der Antragsteller jedes
Jahr einen Auszahlungsantrag stellt, der gleichzeitig als Verwendungsnachweis für das
Einhalten der Verpflichtung dient. Bereits ausgezahlte Zuwendungen können demnach
für den gesamten Verpflichtungszeitraum zuzüglich Zinsen zurückgefordert werden,
wenn e i n Antrag auf Auszahlung nicht gestellt wird.
48
Daneben sind auch die vom Kläger im Grundantrag übernommenen Verpflichtungen
und Erklärungen Bestandteil des Zuwendungsbescheides und Auflagen im Sinne des §
36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW. Damit in Einklang bestimmt Nummer 18.14 der
Zuwendungsrichtlinie, dass der Zuwendungsbescheid ganz oder teilweise aufgehoben
werden kann, wenn der Zuwendungsempfänger die eingegangenen Verpflichtungen
nicht einhält. Die zu viel geleisteten Zuwendungen sind dementsprechend zurück zu
erstatten. Nach alledem ist auch die im Grundantrag unter Ziff. 6.1 enthaltene
Verpflichtung, die in der Zuwendungsrichtlinie niedergelegten Bedingungen für die
Dauer von fünf Jahren einzuhalten, eine Auflage des Zuwendungsbescheides.
49
Der Kläger ist jedenfalls der Auflage, für jedes Wirtschaftsjahr einen Auszahlungsantrag
zu stellen, nicht nachgekommen. Er hat einen Antrag auf Auszahlung der Prämie allein
für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 gestellt, während es für die übrigen Jahre an einem
Auszahlungsantrag fehlt. Das Fehlen auch nur eines jährlichen Auszahlungsantrages
rechtfertigt jedoch bereits das Rückzahlungsverlangen bezüglich der ausgezahlten
Zuwendung insgesamt.
50
Der Auflagenverstoß ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der der Kläger sich auf
das Vorliegen höherer Gewalt berufen könnte. Nach Nummer 18.5 der
Zuwendungsrichtlinie muss der Zuwendungsempfänger bei Aufgabe der
Festmistwirtschaft in den berücksichtigten Betriebszweigen die erhaltene Zuwendung
im Falle höherer Gewalt ausnahmsweise nicht zurückzahlen. Dieser Grundsatz gilt in
analoger Weise auch für die Verpflichtung zur Rückzahlung bereits gezahlter Beihilfen
bei Unterbleiben eines jährlichen Auszahlungsantrages. Hat der Betriebsinhaber den
geförderten Betriebszweig infolge höherer Gewalt aufgegeben, gehen nachfolgende
Auszahlungsanträge nämlich ohnehin ins Leere.
51
Unbeschadet besonderer Umstände des Einzelfalls ist höhere Gewalt nach Nummer
18.12 u.a. insbesondere im Fall einer länger andauernden Berufsunfähigkeit des
Betriebsinhabers anzunehmen. Eine länger anhaltende Berufsunfähigkeit lag allerdings
vor. Der Kläger bezieht ausweislich des Bewilligungsbescheides der
Landwirtschaftlichen Alterskasse Nordrhein-Westfalen aufgrund des Rentenantrags vom
10. Juni 2003 rückwirkend seit dem 1. März 2003 eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung.
52
Die auflagenbewehrte Verpflichtung des Klägers, jährliche Auszahlungsanträge zu
stellen, entfiel nach dem oben Gesagten jedoch erst mit der berufsunfähigkeitsbedingten
Aufgabe der Festmistwirtschaft im Wirtschaftsjahr 2003/2004. In den Wirtschaftsjahren
2001/2002 und 2002/2003 hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben in dem
Schreiben vom 15. November 2008 die Festmistwirtschaft jedoch noch betrieben. Das
Unterbleiben der Auszahlungsanträge für diese Wirtschaftsjahre war daher nicht aus
Gründen höherer Gewalt gerechtfertigt.
53
Es kann hier offen bleiben, dass der Kläger sich auch hinsichtlich der Verpflichtung, die
Förderbedingungen für die Dauer von fünf Jahren einzuhalten, nicht (mehr) auf das
Vorliegen höherer Gewalt berufen kann. Nach Nummer 18.13 der Zuwendungsrichtlinie
sind Fälle höherer Gewalt der zuständigen Behörde schriftlich und mit entsprechenden
Nachweisen innerhalb von 10 Werktagen nach dem Zeitpunkt anzuzeigen, an dem der
Zuwendungsempfänger von dem Fall höherer Gewalt Kenntnis erlangt hat oder nach
den Umständen hätte Kenntnis erlangt haben müssen. Auch diese Anzeigepflicht ist
54
Bestandteil des Zuwendungsbescheides geworden. Der Kläger hat - spätestens - mit
Erlass des Rentenbewilligungsbescheids vom 13. September 2004 Kenntnis von seiner
Erwerbsunfähigkeit erlangt, den Antrag auf Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente
stellte er sogar schon am 10. Juni 2003. Die schriftliche Anzeige im Schreiben vom 15.
November 2008 erfolgte damit ersichtlich verspätet. Ob der Beklagte infolge des über
die Landwirtschaftskammer gestellten Rentenantrages grundsätzlich Kenntnis von der
Berufsunfähigkeit des Klägers hätte erlangen können, ist für das Bestehen der
klägerischen Anzeigepflicht als solche ohne Belang.
Ermessensfehler im Sinne des § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch mit
Blick darauf, dass eine Ermessensausübung, die zu einem unverhältnismäßigen
Ergebnis führt, auch aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts nicht nur unzweckmäßig,
sondern rechtswidrig wäre.
55
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 3 C 22/02 -, NVwZ-RR 2004, 413; VG
Aachen, Urteil vom 1. Februar 2008 - 6 K 301/07 , jursi, Rn. 57ff. Der Beklagte hat das
Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung
nämlich in den Blick genommen und ohne Rechtsfehler verneint.
56
Erweist sich nach alledem der Widerruf des Zuwendungsbescheides vom 29. Dezember
2000 als rechtmäßig, begegnet auch die Rücknahme des Auszahlungsbescheides vom
21. November 2001 nach § 48 VwVfG NRW und die Rückforderung der überzahlten
Beträge einschließlich der Zinsen nach § 49 a Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW i.V.m. Art. 71
Abs. 2 der VO 817/2004 und Art. 49 der VO 2419/2001 keinen Bedenken.
57
Die Verpflichtung zur Rückzahlung entfällt auch nicht wegen des Zeitablaufs zwischen
der Auszahlung der Zuwendung im Jahr 2001 und der Rückforderung im Jahr 2008.
Nach Art. 49 Abs. 5 Satz 1 der VO 2419/2001 gilt die Verpflichtung zur Rückzahlung
nach Art. 49 Abs. 1 nicht, wenn zwischen dem Tag der Zahlung der Beihilfe und dem
Tag, an dem der Begünstigte von der zuständigen Behörde erfahren hat, dass die
Beihilfe zu Unrecht gewährt wurde, mehr als zehn Jahre vergangen sind. Dies ist hier
nicht der Fall.
58
Der Zeitraum verkürzt sich vorliegend auch nicht nach Art. 49 Abs. 5 Satz 2 der VO
2419/2001 auf vier Jahre. Der Kläger, dem die Verpflichtung, einen jährlichen
Auszahlungsantrag zu stellen, und die Folgen des Unterbleibens eines solchen Antrags
bekannt waren, hat als Begünstigter nicht in gutem Glauben gehandelt.
59
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708
Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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