Urteil des VG Aachen vom 28.05.2009

VG Aachen: rasse, hundesteuer, satzung, ausbildung, erlass, vergleich, steuersatz, mensch, naturschutz, landwirtschaft

Verwaltungsgericht Aachen, 4 K 370/08
Datum:
28.05.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 370/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen ihn auf Grund des
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Kläger sind Halter eines Boxer-Alano-Mischlingshundes. Der Beklagte zog die
Kläger mit Bescheid vom 2. Februar 2008 für das Jahr 2008 zu einer erhöhten
Hundesteuer für die Haltung eines gefährlichen Hundes in Höhe von 417,60 EUR
heran. Grundlage für diese Heranziehung war die vom Rat der Gemeinde O. in seiner
Sitzung vom 8. Dezember 2005 beschlossene Hundesteuersatzung vom 14. Dezember
2000 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 9. Dezember 2005, die zum 1.
Januar 2006 in Kraft getreten war (HuStS). Die Satzung enthält unter anderem folgende
Regelungen:
2
"§ 2 Steuermaßstab und Steuersatz (1) Die Steuer beträgt jährlich, wenn von einem
Hundehalter oder von mehreren Personen gemeinsam a) nur ein Hund gehalten wird
52,20 EUR, b) zwei Hunde gehalten werden 84,00 EUR je Hund, c) drei oder mehrere
Hunde gehalten werden 96,00 EUR je Hund, d) ein gefährlicher Hund gehalten wird
417,60 EUR, e) zwei oder mehr gefährliche Hunde gehalten werden 522,00 EUR je
Hund.
3
Hunde, für die Steuerbefreiung nach § 3 gewährt wird, werden bei der Berechnung der
Anzahl der Hunde nicht berücksichtigt.
4
(2) Gefährliche Hunde im Sinne von Absatz 1 Buchstaben d und e sind solche Hunde,
a) die auf Angriffslust oder Kampfbereitschaft oder Schärfe oder andere in der Wirkung
5
gleichstehende Zuchtmerkmale gezüchtet werden oder die eine Ausbildung zum
Nachteil des Menschen, zum Schutzhund oder eine Abrichtung auf Zivilschärfe
begonnen oder abgeschlossen haben. Als Ausbildung zum Schutzhund zählt nicht die
von privaten Vereinen oder Verbänden durchgeführte sogenannte Schutzdienst- oder
Sporthundeausbildung, sofern keine Konditionierung zum Nachteil des Menschen
erfolgt. b) die sich nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes als bissig erwiesen
haben, c) die in gefahrdrohender Weise einen Menschen angesprungen haben, d) die
bewiesen haben, dass sie unkontrolliert Wild, Vieh, Katzen oder Hunde hetzen oder
reißen. Gefährliche Hunde im Sinne dieser Vorschrift sind insbesondere Hunde der
Rassen: 1. American Staffordshire Terrier 2. Pitbull Terrier 3. Staffordshire Bullterrier 4.
Bullterrier 5. Mastino Napoletano 6. Mastino Espanol 7. Dogo Argentino 8. Fila
Brasileiro 9. Tosa Inu 10. Alano 11. American Bulldog 12. Bullmastiff 13. Mastiff 14.
Rottweiler
sowie deren Kreuzungen untereinander sowie mit anderen Hunden."
6
Die Kläger haben am 22. Februar 2008 Klage erhoben. Ihrer Ansicht nach sind die
Ausführungen der Kammer in ihrem Urteil vom 14. Februar 2008 - 4 K 1225/06 -, das
sich zu der Rasse "Rottweiler" verhält, auf die Hunderasse "Alano" nicht anzuwenden.
Die Ausführungen träfen auf den "Alano" nicht zu. Zunächst einmal sei der "Alano" als
Rasse weder vom Verband für das Deutsche Hundewesen e. V. (VDH) noch von der
Federacion Cynologique Internacionale (F.C.I.) anerkannt. Das MUNLV habe allerdings
in diversen Erlassen von nachgeordneten Behörden verlangt, dass beispielsweise auch
die Hunderassen "Dogo Canario" und "Cane Corso" als "Alano" im Sinne des § 10 des
Landehundegesetzes NRW einzustufen seien. Das MUNLV sehe diese Rassen als
Nachfolgerassen bzw. Namensvarianten des "Alano" an. Dies sei, wie das
Verwaltungsgericht Köln in seinem Urteil vom 6. September 2007 - 20 K 5671/05 -
festgestellt habe, nicht zutreffend, da es sich bei diesen um eigenständige Rassen
handele. Das MUNLV habe folglich in den von ihm geführten Statistiken, die für den
"Alano" ohnehin sehr positiv ausfielen, bei den wenigen Vorfällen mit "Alanos" noch
Vorfälle mit ganz anderen, eigenständigen Hunderassen dem "Alano" zugeordnet.
Damit könne den Statistiken des MUNLV für den Typ "Alano" keine Bedeutung
beigemessen werden. Es gebe auch sonst keinerlei Indizien dafür, dass der "Alano"
eine gefährliche Hunderasse sei. Statistische Auffälligkeiten seien nicht vorhanden,
ebenso wenig könne aufgrund der Zuchtgeschichte oder aus wissenschaftlichen
Erwägungen heraus davon ausgegangen werden, dass Hunde dieser Rasse besonders
gefährlich seien. Es handele sich zwar um einen recht großen und schweren Hund, der
mehr als 50 kg wiegen könne, dies treffe allerdings auch auf "Doggen", "Bernhardiner"
oder "Bordeaux-Doggen" zu, die nicht in den Rasselisten des Landehundegesetzes
NRW aufgeführt seien. Es sei nicht ersichtlich, wieso Hunde der genannten Rassen,
insbesondere aber Schäferhunde und Dobermänner weniger gefährlich sein sollten als
Hunde des Typs "Alano". Schließlich sei der sog. Beobachtungs- bzw.
Überprüfungszeitraum des § 22 LHundG NRW am 1. Januar 2008 abgelaufen, ohne
dass hieraus irgendwelche Konsequenzen gezogen worden seien. Ein Satzungsgeber
könne sich aus diesem Grund auch nicht mehr darauf berufen, dass noch ein längerer
Zeitraum abgewartet werden müsse, um atypische oder sprunghafte Entwicklungen
besser berücksichtigen zu können; dies insbesondere in Anbetracht des Umstandes,
dass es zu der Hunderasse "Alano" seit dem Jahr 2003 keine verwertbaren
Erkenntnisse gebe, die eine höhere Gefährlichkeit dieser Hunde begründen könnten. Es
lägen mithin gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einschätzung des
Normgebers, Hunde des Typs "Alano" als gefährlich zu klassifizieren, falsch sei. Die
7
Höherbesteuerung von Hunden des Typs "Alano" verstoße somit gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und sei auch von Art.
105 Abs. 2 a des Grundgesetzes nicht mehr gedeckt.
Die Kläger beantragen,
8
den Bescheid des Beklagten betreffend Grundbesitzabgaben und Hundesteuern vom 2.
Februar 2008 aufzuheben, soweit in diesem eine den Betrag von 52,20 EUR
übersteigende Jahreshundesteuer festgesetzt ist.
9
Der Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Er verweist auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 14. Februar 2008 - 4 K
1225/06 -, in dem die Hundesteuersatzung der Gemeinde O. bezüglich der Veranlagung
von Hunderassen zur erhöhten Hundesteuer als rechtens angesehen worden sei. Die
Behauptung der Kläger, der sog. Beobachtungs- bzw. Überprüfungszeitraum des § 22
LHundG NRW sei am 1. Januar 2008 abgelaufen, ohne dass irgendwelche
Konsequenzen gezogen worden seien, gehe fehl. Derzeit liefen derartige
Überprüfungen. So habe zum Beispiel der Städte- und Gemeindebund NRW Ende März
2008 seine Stellungnahme gegenüber dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW (MUNLV) abgegeben. Zudem könne erst
nach Ablauf des fünfjährigen Beobachtungszeitraums mit den Auswertungen der
Ergebnisse und den Diskussionen in den politischen Gremien begonnen werden. Es
werde daher davon ausgegangen, dass die Prüfung, ob das Landehundegesetz
aufgrund der Erfahrungen angepasst werden müsse, noch in diesem Jahr
abgeschlossen werde. Er, der Beklagte, werde die Ergebnisse dieser Überprüfung
abwarten und eventuelle Änderungen in der Rasseliste unverzüglich in die
Hundesteuersatzung übernehmen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten 4 K 370/08 und 4 K 371/09 sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
13
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
15
Der angefochtene Hundesteuerbescheid des Beklagten vom 2. Februar 2008 ist
rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Hundesteuer für das Jahr 2008 ist
zutreffend festgesetzt worden.
16
Rechtsgrundlage ist § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Ziff. 10 der Hundesteuersatzung der
Gemeinde O. vom 14. Dezember 2000 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 9.
Dezember 2005 (HuStS). Die Satzung ist ordnungsgemäß zustande gekommen und
materiell wirksames Ortsrecht. Insbesondere verstößt § 2 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz
HuStS, soweit er hier in Betracht kommt, nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Diese
Vorschrift sieht vor, dass gefährliche Hunde neben den dort ausdrücklich genannten
Rassen auch "Kreuzungen dieser Rassen untereinander und Kreuzungen dieser
17
Rassen mit anderen Hunden" sind. Es ist mittlerweile in der Rechtsprechung geklärt,
dass diese Regelung mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist
und dass unter dem Begriff "Kreuzung" jeder Mischlingshund zu verstehen ist, in dem
sich - wie hier - Anteile der besonders in der Hundesteuersatzung angeführten
Hunderassen finden.
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 22. Dezember 2004 - 10 B 21/04 -, juris
und NVwZ 2005, 598 ff sowie Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. Juni 2004 -953/02 -, juris und Beschluss vom 13.
Mai 2008 - 14 A 804/08 - sowie Urteil der Kammer vom 14. Februar 2008 - 4 K 2249/05 -
18
Da der Mischlingshund der Kläger eine Kreuzung mit der in § 2 Abs. 2 Satz 2 HuStS
ausdrücklich aufgeführten "Hunderasse" Alano ist, unterfällt seine Haltung dem
erhöhten Steuersatz für "gefährliche" Hunde.
19
Die Satzung ist auch im Übrigen materiell wirksames Ortsrecht. Die
Satzungsbestimmungen beruhen auf der Ermächtigung des § 7 der Gemeindeordnung
für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) und stehen im Einklang mit Art. 105 Abs. 2
a des Grundgesetzes (GG), da es sich bei der Hundesteuer um eine zulässige örtliche
Aufwandsteuer handelt. Die Hundesteuer als örtliche Aufwandsteuer dient der
Einnahmeerzielung, darf zugleich aber auch einen Nebenzweck verfolgen. Ein solcher
zulässiger Nebenzweck ist anerkanntermaßen das Ziel, die Haltung bestimmter
Hunderassen aufgrund eines abstrakten Gefährdungspotenzials generell und langfristig
einzudämmen, um die durch sie entstehenden Gefahren und Belästigungen für die
Allgemeinheit zu verringern. Der Satzungsgeber kann damit den steuerlichen
Lenkungszweck, potentiell gefährliche Hunde im Gemeindegebiet zurückzudrängen, zur
Gefahrenvorsorge einsetzen. Die Eigenschaft als "gefährlicher Hund" kann dabei
grundsätzlich an die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten (gelisteten) Hunderasse
oder deren Kreuzung geknüpft werden.
20
Vgl. Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (OVG Sachsen-Anhalt), Urteil
vom 23. Januar 2006 - 4 L 289/05 -, mit weiteren Hinweisen, juris und u. a.
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 28. Juni 2005 - BVerwG 10 B
22.05 -, juris sowie Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH München), Urteil vom 23.
November 2005 - 4 ZB 04.3497 -, juris, Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
(OVG Berlin-Brandenburg), Beschluss vom 12. Juni 2007 - 9 S 73.06 -, juris.
21
Wie die Kammer bereits u.a. in ihrem Urteil vom 14. Februar 2008 - 4 K 1225/06 -
betreffend "Rottweiler" ausgeführt hat, dient diesem - zulässigen - Lenkungszweck die in
der Hundesteuersatzung des Beklagten für "gefährliche Hunde" vorgesehene erhöhte
Steuer. Mit dieser Regelung soll neben der Einnahmeerzielung lenkend Einfluss auf die
künftige Entwicklung der Hundehaltung in der Gemeinde genommen werden
(Gefahrenvorsorge). Die erhöhte Hundesteuer ist auch geeignet, bei den als besonders
gefährlich eingeschätzten Hunden den gewünschten Lenkungszweck zu erreichen.
Denn der potenzielle Halter solcher Hunde wird sich angesichts der voraussehbar
hohen Steuerbelastung vielfach gegen die Anschaffung eines Hundes dieser Rassen
entscheiden. Die legitime Verfolgung eines Lenkungszwecks bei der Besteuerung
entbindet die Gemeinde als Satzungsgeber jedoch nicht von der Beachtung der
Anforderungen, die sich aus höherrangigem Recht ergeben. Diesen Anforderungen hält
die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 10 HuStS stand. Insbesondere verstößt diese
Satzungsvorschrift nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz
22
(GG). Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich oder
wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Willkürlich wäre eine Regelung,
wenn für sie jeder sachliche Grund fehlte und damit die äußersten Grenzen der
ortsgesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit verletzt wären, wobei allerdings zu
berücksichtigen ist, dass die Gestaltungsfreiheit des Normgebers im Recht der
Gefahrenvorsorge unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes tendenziell umso größer
wird, je schwerer der Schutzzweck der Regelung zu gewichten ist und je weniger
empfindlich in die Grundrechte des Betroffenen eingegriffen wird,
Bayerischer Verfassungsgerichtshof (Bay VerfGH), Urteil vom 15. Juli 2004 - Vf.1-VII-03
- und BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 - 11 C 8.99 -, NVwZ 2000, 929, 931 mit
weiteren Nachweisen.
23
Hiervon ausgehend ist zunächst - wie oben dargelegt - grundsätzlich nicht zu
beanstanden, dass der Beklagte in § 2 Abs. 2 HuStS die erhöhte Hundesteuer an die
abstrakte Gefährlichkeit bestimmter Rassen anknüpft,
24
vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01
-, BVerfGE 110, 141 ff.
25
Dabei besteht, wie die Kammer bereits u.a. in ihrem
26
Urteil vom 30. August 2007 - 4 K 809/06 -
27
hinsichtlich der in § 3 Abs. 2 LHundG NRW genannten Rassen festgestellt hat, kein
Zweifel, dass diese Hunde, insbesondere im Hinblick auf das oben genannte Urteil des
BVerfG vom 30. August 2004, den Hunderassen mit erhöhtem Gefährdungspotential
zuzuordnen sind. Der Beklagte beziehungsweise der Satzungsgeber war jedoch auch
berechtigt, die Hunde des Typs "Alano" entsprechend der in dem Landeshundegesetz
NRW aufgeführten Rasseliste (§ 10 Abs. 1) in seine Hundesteuersatzung zu
übernehmen. Er war weder verpflichtet, eigene Erhebungen hinsichtlich der
Gefährlichkeit dieses Hundetyps durchzuführen noch war er gezwungen, einen
Aggressivitäts- und Gefährlichkeitsvergleich mit anderen Hunden zu veranlassen.
Grundsätzlich kann - wie die Kammer ebenfalls u.a. in ihrem oben genannten Urteil vom
14. Februar 2008 ausgeführt hat -, ein Satzungsgeber, der "gefährliche Hunde" wegen
ihrer potenziellen Gefährlichkeit erhöht besteuern will, zu diesem Zweck Rasselisten
aus einer der Gefahrenabwehr dienenden landesrechtlichen Regelung (hier:
Landeshundegesetz - LHundG NRW -) übernehmen, ohne eigene Erhebungen über die
Gefährlichkeit der erfassten Hunderassen anstellen zu müssen. Allerdings trägt er
gleichwohl die uneingeschränkte Verantwortung für die Vereinbarkeit seiner
Hundesteuersatzung mit höherrangigem Recht, insbesondere auch mit dem
allgemeinen Gleichheitssatz. Dementsprechend bedarf es bei Vorliegen von
gewichtigen Anhaltspunkten dafür, dass die Annahme des Normgebers, der Alano sei
als gefährlicher Hund einzustufen, falsch sei beziehungsweise, dass die getroffene
Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, einer Überprüfung der Entscheidung des
Normgebers. Nicht außer Acht gelassen werden darf hierbei jedoch, dass dem
kommunalen Satzungsgeber ein beträchtlicher Einschätzungs- und Prognosespielraum
bei der Auswahl der als abstrakt gefährlich eingeschätzten Hunde zusteht und er
hinsichtlich der Typisierung und Pauschalierung über eine "weitgehende
Gestaltungsfreiheit" verfügt. An den Nachweis der abstrakten Gefährlichkeit der Hunde
dürfen somit, insbesondere im Hinblick auf die aus den Regelungen des LHundG NRW
28
folgende niedrigere Stufe des Schutzkonzepts keine überspannten Anforderungen
gestellt werden,
BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - 10 B 34.05 -, Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen
und OVG Sachsen Anhalt, Urteil vom 23. Januar 2006 - 4 L 289/05 -, juris.
29
Die Gemeinden können sich mithin der Erkenntnisse des Normgebers auf Landesebene
bedienen, sofern sie davon ausgehen können, dass der der dortigen normativen
Konzeption zugrunde liegende Zweck - der ordnungsrechtliche Umgang mit
gefährlichen Hunden - auch für ihren Regelungszweck - der steuerrechtlichen Lenkung
der Population gefährlicher Hunde - von Bedeutung ist. Ist dies der Fall, sind die
Gemeinden nicht gehindert, auf dieser Grundlage vorgenommene normative Wertungen
des Landesgesetz- oder Verordnungsgebers in ihren eigenen Rechtssetzungswillen
aufzunehmen, sofern es keine gewichtigen Anhaltspunkte gibt, dass sie offensichtlich
falsch beziehungsweise nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sind,
30
BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - 10 B 34.05 -, a.a.O.
31
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es sachlich vertretbar und damit nicht zu
beanstanden, dass der Beklagte die in den Rasselisten der §§ 3 Abs. 2 und 10 Abs. 1
LHundG NRW aufgeführten Hunde, mithin auch den Alano, steuerrechtlich als
gefährlichen Hund eingestuft und der erhöhten Hundesteuer unterworfen hat. Er hat sich
bei der Übernahme der gesetzlichen Vorschriften des LHundG in sein kommunales
Satzungsrecht innerhalb der Grenzen seines ortsgesetzgeberischen Ermessens
gehalten. Anhaltspunkte, dass die Wertungen des Landesgesetzgebers offensichtlich
falsch waren, beziehungsweise Anhaltspunkte für eine mangelnde
Tatsachenfeststellung bezüglich der Aufnahme u.a. des Hundetyps Alano in die
Rasseliste des § 10 LHundG NRW liegen nicht vor. Ausweislich des Gesetzesentwurfs
der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/die Grünen vom 11. März 2002 (LT-
Drs. 13/2387) war maßgeblich, dass die dort genannten Hunderassen rassespezifische
Merkmale aufweisen, die ein besonderes Gefährdungspotenzial begründen und die
unter präventiven Gesichtspunkten besondere Anforderungen an den Umgang mit
diesen Hunden erfordern. Dazu werden beispielsweise niedrige Beißhemmung,
herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe, Kampfinstinkt oder ein genetisch
bedingter Schutztrieb genannt (Seite 29 der Drucksache). Grundlage der gesetzlichen
Entscheidung, die Hunderassen einschließlich des Alano in § 10 LHundG
aufzunehmen, war neben allem anderen auch eine - wenn auch nicht lückenlose -
landesweite Abfrage für das Jahr 2001 über registrierte Vorkommnisse mit Hunden in
Nordrhein-Westfalen (vgl. Antwort der Landesregierung vom 18. Juni 2003 - Drucks.
13/4041 - auf die Kleine Anfrage 1275 des Abgeordneten Dr. Stefan M. Grühl - Drucks.
13/3891 vom 9. Mai 2003), in der unter anderem der Typ Alano genannt wird. Beleg für
die Einbindung besonderen Sachverstandes und die Einbeziehung (weiterer)
tatsächlicher Grundlagen in das Gesetzgebungsverfahren ist vornehmlich jedoch die
umfangreiche Behandlung der Frage der Aufnahme von Rasselisten in das
Landeshundegesetz überhaupt und der Einfügung bestimmter Rassen in diese Listen in
den die gesetzgeberische Entscheidung vorbereitenden Sitzungen der Ausschüsse, in
die der Gesetzentwurf nach der 1. Lesung am 22. März 2002 im Landtag verwiesen
worden war. In der maßgeblichen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für
Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz am 19. April 2002
(Ausschussprotokoll 13/562) wurden unter Beteiligung geladener Sachverständiger und
Vertreter einschlägiger Spitzenverbände, die sich bereits zuvor schriftlich geäußert
32
hatten, diese Fragen kontrovers diskutiert (vgl. Ausschussprotokoll 13/562, Seite 30 ff.)
und die zahlreichen Zuschriften verwertet. Dabei wurde allerdings unter Verwendung
weiteren Materials auch hervorgehoben (Öffentlich bestellter Sachverständiger im
Hundewesen Franz Breitsamer u.a. unter Bezugnahme auf Ausführungen des Prof. Dr.
Karl Mißbach und des Herrn Maciejewski - Landespolizeischule für Diensthundeführer-),
dass es aufgrund Jahrtausende langer Domestikation und gezielter Zucht disponierte
Hunderassen gibt, die eher als andere Rassen zur Aggressivität neigen und/oder
aufgrund ihrer Größe, ihres Gewichts und ihrer Beißkraft für den Menschen oder ein Tier
besonders gefährlich werden können (S. 38 des Ausschussprotokolls). Im weiteren
Zusammenhang (S. 45 des Ausschussprotokolls) verweist der Sachverständige auf
Beißstatistiken u.a. aus den USA, und führt weiter aus, gewisse Rassen seien "einfach
an der Spitze zu finden" und nennt auch den Alano, für den mittlerweile zum Teil
Zuchtpapiere ausgestellt würden, als mutmaßlich gesteigert aggressiven Hund. Wenn
sich der Gesetzgeber auf dieser Grundlage für die Aufnahme von Rasselisten mit
Einbeziehung des Hundetyps Alano in das Landeshundegesetz entschieden hat, hat er
damit eine Wertungsentscheidung auf tragfähiger Tatsachengrundlage getroffen. Dieser
gesetzgeberischen Wertung durfte der Ortsgesetzgeber wesentliches Gewicht
beimessen beziehungsweise sie seiner Entscheidung zugrunde legen und
Vorkehrungen gegen den Eintritt von Schädigungen durch die in der Liste aufgeführten
Hunde treffen. Soweit auch der Ortsgesetzgeber entsprechend der Bestimmung des §
22 LHundG NRW, die eine Überprüfung der Auswirkungen des Gesetzes nach einem
Erfahrungszeitraum von 5 Jahren vorsieht, gehalten sein mag, die erlassene Regelung
gleichsam "unter Kontrolle zu halten", indem er sowohl die Auswirkungen der Regelung
als auch den Erkenntnisfortschritt in tatsächlicher Hinsicht beobachtet und daraus
gegebenenfalls die erforderlichen Konsequenzen zieht, kann er sich ebenfalls etwaigen
Reaktionen des anderen Normgebers - hier des Gesetzgebers des
Landeshundegesetzes - auf mögliche neuere Erkenntnisse und Entwicklungen
anschließen. Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - 10 B 35/05 -, a. a. O.
Gemessen daran ist festzustellen, dass nach den Auswertungen der Berichte über in
Nordrhein-Westfalen behördlich erfasste Hunde in den Jahren 2003 bis 2007
einschließlich (sog. Beißstatistik), die u. a. im Rahmen des Berichtes zur Evaluation des
LHundG vom 18. November 2008 veröffentlicht sind (Ministerium für Umwelt und
Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW - MUNLV), der Hundetyp
"Alano" - bezogen auf v. H. der jährlich gemeldeten Population dieser Rasse - bei
Beißvorfällen mit Verletzungen am Menschen bzw. am Tier im Durchschnitt zum Teil
sogar vergleichsweise höher liegt (0,61 Mensch bzw. 2,747 Mensch, Tier und sonstige
Vorfälle) als die auffällig gewordenen Hunderassen der Liste des § 3 Abs. 2 LHundG
NRW ( z.B. American Staffordshire Terrier 0,48 und 2,677 oder Bullterrier 0,18 und
1,773) in diesen Jahren. Dieser Umstand belegt - im Sinne der Beobachtungspflicht -
die Sachgerechtigkeit auch der Listung des Hundetyps "Alano" neben denen des § 3
Abs. 2 LHundG als "gefährlicher Hund" in der Hundesteuersatzung des Beklagten.
Darüber hinaus sind laut dem Bericht des MUNLV vom 18. November 2008 (S. 24)
einige Sachverständige zu der Schlussfolgerung gelangt, dass gewisse Hunde der nach
§ 3 und § 10 LHundG NRW reglementierten Rassen (wie z. B. der "Alano" und die
bulltypischen Hunderassen) überrepräsentiert an sog. Sicherheitsstörungen beteiligt
seien. Danach kann von einer generellen Ungefährlichkeit von Hunden des Typs
"Alano" - auch im Hinblick darauf, dass es vergleichsweise wenige Hunde dieser Art
gibt -, nicht ausgegangen werden. Aufgrund der vorgenannten Erkenntnisse ist vielmehr
umgekehrt ein hinreichend hohes abstraktes Gefahrenpotential bei diesen Hunden
nachgewiesen, das eine Aufnahme in die Rasseliste des § 2 Abs. 2 S. 3 HuStS
33
rechtfertigt. Jedenfalls ist aber aus alldem ersichtlich, dass der Beklagte bzw.
Ortsgesetzgeber sein ortsgesetzgeberisches Ermessen nicht überschritten hat, als er
den "Alano" ebenfalls in seine Rasseliste übernommen hat. Das gilt auch unter
Berücksichtigung des von den Klägern vorgetragenen Einwandes, dass auch Hunde
der Rassen "Cane Corso" und "Dogo Canario" wegen ihrer gemeinsamen Abstammung
dem "Alano" zugerechnet worden seien, wodurch die Statistik keine Aussagekraft für
diesen Hundetyp habe. Zwar sind die genannten Hunde tatsächlich als Alano geführt
worden, wie sich dem Bericht des MUNLV vom November 2008 über die Auswirkungen
des Hundegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen entnehmen lässt. Hierin heißt es
auf S. 3: "Zunächst wurde beim Vollzug des Gesetzes davon ausgegangen, dass zu den
Hunden der Rasse 'Alano' auch Hunde der Rassen 'Cane Corso' und 'Dogo Canario'
wegen ihrer gemeinsamen Abstammung zugehörig seien. Das Verwaltungsgericht Köln
hat mit rechtskräftigem Urteil vom 6. September 2007 - Az. 20 K 5671/05 - jedoch
entschieden, dass Hunde der Rassen 'Cane Corso' und 'Dogo Canario' keine Hunde im
Sinne von § 10 Abs. 1 LHundG NRW sind." Dies führt jedoch nicht zu der Feststellung,
dass sich der Ortsgesetzgeber bei Übernahme der gesetzlichen Vorschriften des
LHundG NRW und damit auch der Bezeichnung des Hundetyps "Alano" unter
Einbeziehung der "Rassen" 'Cane Corso' und 'Dogo Canario' nicht mehr innerhalb der
Grenzen seines ortsgesetzgeberischen Ermessens gehalten hat. Denn weder lag das
genannte Urteil des VG Köln mit den darin enthaltenen "neuen Erkenntnissen" bei
Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung zur Hundesteuersatzung am 1. Januar 2006 bzw.
bei der Beschlussfassung am 8. Dezember 2005 vor, noch waren die genannten Hunde
vom VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen) beziehungsweise F.C.I. (Federation
Cynologique Internationale) als Rasse anerkannt. Vielmehr war unter anderem einem
Bericht des F.C.I. zu entnehmen, dass man sich in Züchterkreisen, zumindest in
Deutschland, nicht einig gewesen sei, ob der "Alano" eine eigene Rasse sei oder nur
ein anderer Name für den "Dogo Canario"; beide Seiten meinten ihre Behauptungen
anhand von Literatur nachweisen zu können. Kynologisch wie wissenschaftlich
gesehen handele es sich bei dem "Alano" aber eindeutig um eine Rasse, die
ausführlich in der Literatur seit 1350 belegt sei. Der F.C.I. soll nach diesem Bericht den
Hundtyp "Alano" unter dem Synonymnamen "Dogo Canaria" vorläufig als Rasse
anerkannt haben.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Alano
34
Dass der F.C.I. und der VDH - wie vom VG Köln in seinem Urteil vom 6.9.07 ausgeführt -
die Rasse "Cane Corso" seit dem 21. Mai 2007 endgültig, den "Dogo Canario" vorläufig
und einen "Alano" bisher nicht als Rasse anerkannt hat, ändert nichts daran, dass in
den hier maßgeblichen Jahren (Erlass des LHundG NRW und der HuStS) auch in der
Fachliteratur Uneinigkeit über die der Hunderasse "Alano" zugehörigen Hundearten
bestand und keiner der genannten Hundetypen als Rasse anerkannt war. In dem oben
genannten Bericht wird vielmehr darauf hingewiesen, dass der Name "Dogo Canario"
neu sei. Er existiere auch bei der F.C.I. in verschiedenen Namensvarianten für die
verschiedenen F.C.I.-Länder. Zum Beispiel heiße die Rasse in Spanien "Dogo
Canario", in Polen "Pis Canarisic", in Frankreich "Dogo de Canaris" und in Deutschland
sei die offizielle F.C.I.-Bezeichnung "Kanarische Dogge". Der älteste und historisch
belegte Name für diesen Hundetyp sei "Alano". Das Wort "Alano" habe früher schon
nichts anderes beschrieben als eine molossoide wehrhafte Dogge. Dieser Hund sei in
ganz Europa bereits im Mittelalter zur Wildschwein - und Bärenjagd und als Kriegshund
genutzt worden. Festzuhalten sei jedoch, dass der "Alano" und der "Dogo Canario" für
die einen zur selben Rasse, für die anderen jedoch zu zwei unterschiedlichen Rassen
35
gehörten.
Vgl. Bericht s. o.
36
An anderer Stelle wird darauf hingewiesen, dass der heutige "Dogo Canario" die reinste
Nachfolgerasse des alten "Alano"-Typs sei.
37
Vgl. http://www.alanos.de/index.php?id=reinrassigkeit-der-rasse.
38
Auch nach weiteren Rassebeschreibungen wird ausgeführt, dass der Hundetyp, der
heute auch durch den "Dogo Canario" verkörpert werde, schon immer als "Alano"
bezeichnet worden sei. Der "Alano" - spanische Dogge - sei ein Hundetyp, den man
sich als wehrhafte Dogge, als kraftvoller Packer vorstellen müsse. Es sei ein Hatz- und
Kriegshund gewesen. Im Übrigen sei der Alano ein reiner Arbeitshund, der mit
verschiedenen Namen belegt worden sei. Heute werde die Urrasse häufig als "Dogo
Canario" bezeichnet. Es gebe aber auch eine weitere Reihe von Synonymnamen.
39
Vgl. http://www.alanos.de/index.php?id=rassebeschreibung.
40
Ausgehend hiervon ist es bei Erlass der Hundesteuersatzung sachlich vertretbar und
damit nicht zu beanstanden gewesen, dass der Beklagte den "Alano" als eigene Rasse
entsprechend dem Landeshundegesetz in seine Satzung aufgenommen hat. Er war
aufgrund der durchaus umstrittenen Frage, welche Hunde genau als "Alano" zu
bezeichnen waren, nicht verpflichtet, diesbezüglich eigene Recherchen anzustellen. Es
war auch, insbesondere im Hinblick auf die in der Literatur umstrittene Frage, welche
Hunde der Rasse "Alano" angehören, nicht willkürlich, dass er sich an der von dem
MUNLV herausgegebenen Beißstatistik orientiert hat, obwohl dort auch der "Dogo
Canario" und der "Cane Corso" dem "Alano" zugeordnet worden war. Ob dies auch
weiterhin nach der von dem Verwaltungsgericht Köln getroffenen Entscheidung möglich
sein wird, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Jedenfalls war es zum Zeitpunkt des
Satzungserlasses und auch noch für die hier maßgeblichen Jahre 2008 und 2009
sachgerecht, der Entscheidung die Beißstatistiken aus den Jahren 2003 bis 2007
zugrundezulegen. Den einzelnen Hundehaltern blieb es im Übrigen unbenommen, sich
gegen eine Einstufung ihres Hundes als "Alano" zur Wehr zu setzen, wenn es sich um
einen "Dogo Canario" oder einen "Cane Corso" gehandelt haben sollte.
41
Auch der Umstand, dass in § 2 Abs. 2 Satz 2 HuStS 14 Hunderassen aufgeführt sind,
deren Haltung einer Höherbesteuerung unterliegt, andere Hunderassen, die womöglich
ebenso gefährlich sein können wie die Aufgezählten, aber nicht in die Liste
aufgenommen worden sind, stellt keinen Verstoß gegen das Willkürverbot dar. Zum
einen handelt es sich bei der vorgenommenen Aufzählung der Hunderassen nicht um
eine abschließende, sondern um eine beispielhafte Aufzählung von Hunderassen, die
per se als "gefährliche Hunde" im Sinne der Hundesteuersatzung anzusehen sind. Dies
ergibt sich schon aus dem Wort "insbesondere". Zum anderen unterliegen Hunde
sonstiger Rassen immer dann einer Höherbesteuerung nach § 2 Abs. 2 lit. a) bis d)
HuStS, wenn sie einer der dort aufgeführten Fallgruppen angehören, was das Ausmaß
der Ungleichbehandlung weiter relativiert. Hier ist der Gesetzgeber im Rahmen seines
Einschätzungs - und Prognosespielraumes davon ausgegangen, hinreichend sichere
Anhaltspunkte dafür zu haben, dass Hunde der in §§ 3 Abs. 2 und 10 Abs.1 LHundG
NRW genannten Rassen für Leib und Leben von Menschen in besonderer Weise
gefährlich sind, und zwar insbesondere deshalb, weil sie in den Jahren vor Erlass des
42
Gesetzes im Verhältnis zu ihrem Bestand überproportional häufig an Beißvorfällen
beteiligt waren. Er hat außerdem angenommen, dass bei Hunden anderer Rassen, die
wie Deutscher Schäferhund, Deutsche Dogge, Dobermann oder Boxer nicht in gleicher
Weise auffällig geworden sind, eine geringere Gefährlichkeit gegeben ist. Davon, dass
diese Annahme bei Erlass der hier maßgeblichen Satzung im Jahr 2005/2006,
offensichtlich falsch geworden sein sollte mit der Konsequenz, dass der Entscheidung
des Ortsgesetzgebers, Hunde der Rassen "Schäferhund" und "Dobermann" nicht in die
Rasseliste aufzunehmen, jeder sachliche Grund fehlte und die Regelung des § 2 Abs. 2
HuStS damit willkürlich gewesen wäre, kann nicht ausgegangen werden. Zwar ist, wie
die Kläger zu Recht vortragen, ersichtlich, dass sich Vorfälle bei bisher
unberücksichtigten Hundearten, wie Schäferhund oder Dobermann, gehäuft haben. Der
Ortsgesetzgeber hat aber dennoch die Grenzen der ortsgesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit und damit die Grenzen der Sachgerechtigkeit nicht überschritten,
indem er diese Hunde nach wie vor lediglich nach ihrer individuellen Gefährlichkeit
beurteilt. Er geht nämlich in ermessensfehlerfreier Weise davon aus, dass mit der
Aufnahme dieser Rassen in die Liste abgewartet werden solle, bis sich diese
Entwicklung über einen längeren Zeitraum bestätigt habe, um atypische und
sprunghafte Ergebnisse besser berücksichtigen zu können. Diese Vorgehensweise des
Ortsgesetzgebers ist sachgerecht, da es bei der Frage, wann beziehungsweise ob eine
Anpassung der Satzungsregelung des § 2 Abs. 2 HuStS erforderlich ist, nicht nur auf die
Entwicklung in einzelnen Jahren ankommen kann, sondern, wie oben bereits dargelegt,
eine satzungsgeberische Reaktion nur dann zwingend geboten ist, wenn die
Beobachtungen über einen längeren Zeitraum Änderungen ergeben. Jedenfalls ist er in
ermessensfehlerfreier Weise davon ausgegangen, dass mit der Aufnahme dieser
Rassen bis zur endgültigen Auswertung der aufgrund des Ablaufs des fünfjährigen
Überprüfungszeitraums, dem MUNLV vorgelegten Berichte und Gutachten und dem
Abschluss der sich eventuell anschließenden Diskussionen in den politischen Gremien
abgewartet werden kann. Im Übrigen hat das Gericht nicht zu prüfen, ob der
Ortsgesetzgeber die gerechteste, vernünftigste oder zweckmäßigste Regelung getroffen
hat,
u.a. OVG des Landes Sachsen Anhalt, Urteil vom 23. Januar 2006 - 4 L 289/05 -, juris;
Bay VerfGH, Urteil vom 12. Oktober 1994 - Vf.16-VII-92,Vf.5-VII -, juris,
43
Letztendlich ist es auch nicht willkürlich, wenn - mit Ausnahme der in der Rasseliste
aufgeführten Hunde - Hunde mit einer Schutzdienst-oder Sporthundeausbildung nicht
als "gefährliche Hunde" im Sinne der HuStS angesehen werden. Denn deren
Ausbildung erfolgt nach festen Regeln anerkannter Hundezuchtverbände und zielt
insbesondere nicht auf die Steigerung der Aggressivität, wie dies zum Beispiel bei der
Ausbildung von Schutz-und Wachhunden der Fall ist.
44
vgl. Günter Haurand, Kommentar zum LHundG NRW, § 3 Anm. 3.3.1.2 und 3.2
45
Missbräuchliche Abweichungen von der Schutzdienst-oder Sporthundeausbildung, die
eine Konditionierung zum Nachteil des Menschen zur Folge haben können, werden
dagegen von der Regelung des § 2 Abs 2 Satz 1 a HuStS erfasst.
46
Die Höhe der Hundesteuer begegnet keinen Bedenken. Grenzen in der Höhe des
Steuersatzes werden dadurch gesetzt, dass die Steuer für gefährliche Hunde keine
erdrosselnde Wirkung haben und damit kein mittelbares Verbot der Haltung der in der
Satzung bezeichneten Hunde darstellen darf. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die
47
Steuer in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen einem Verbot der Haltung
gefährlicher Hunde gleichkäme. Davon kann in Anbetracht der Höhe der Steuersätze
nicht ausgegegangen werden. Mit einer Steuerbelastung von 417,60 EUR jährlich
erreicht der beanstandete Steuersatz nicht ein solches Ausmaß, dass damit eine
Abschaffung des Hundes erzwungen würde. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn
die genannte Belastung zu den sonstigen Aufwendungen (Unterhaltskosten) in
Beziehung gesetzt wird, die das Halten eines größeren Hundes notwendigerweise nach
sich zieht. Die Steuer bewirkt jedenfalls nicht, die Haltung von gefährlichen Hunden
unmöglich zu machen,
vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. Januar 2006 - 4 L 289/05 -, juris mit weiteren
Nachweisen; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2004 - 14 A 953/02 -, juris.
48
Selbst wenn aber der Steuersatz im Einzelfall jemanden abhalten sollte, einen solchen
gefährlichen Hund zu halten, so erfüllte die Satzung dadurch gerade ihren
Lenkungszweck.
49
Die von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung für
den Fall des Unterliegens gestellten Anträge, zum Beweis der Tatsachen,
50
1. dass Hunde des Typs Alano nicht als potenziell gefährlicher angesehen werden
können als Hunde der Rassen Deutscher Schäferhund oder Dobermann,
51
2. dass Hunden des Typs Alano aufgrund ihrer Zuchtgeschichte keine erhöhte
Gefährlichkeit zugeschrieben werden kann,
52
3. dass genetische Ursachen bei Hunden des Typs Alano nicht zu einer im Vergleich zu
Hunden der Rassen Deutscher Schäferhund oder Dobermann erhöhten Gefährlichkeit
führen,
53
4. dass Hunde des Typs Alano einerseits und Hunde der Rassen Deutscher
Schäferhund oder Dobermann andererseits keine genetisch bedingten Unterschiede in
ihrem Verhalten oder ihrer Verhaltensbereitschaft aufweisen, die im Hinblick auf das
Agressionsverhalten eine rassebezogene Ungleichbehandlung rechtfertigen,
54
5. dass es wahrscheinlicher für Mensch oder Tier ist, von einem Hund der Rassen
Deutscher Schäferhund oder Dobermann als von einem Hund des Typs Alano gebissen
zu werden,
55
6. dass Hunde der Rassen Deutscher Schäferhund und Dobermann ein ebenso hohes
oder noch höheres abstraktes Gefahrenpotenzial aufweisen als Hunde des Typs Alano,
56
7. dass Hunde der Rassen Deutscher Schäferhund und Dobermann eine ebenso hohe
oder höhere rassebedingte Disposition zu Beißattacken aufweisen wie Hunde des Typs
Alano,
57
8. dass Beißattacken von Hunden der Rassen Deutscher Schäferhund und Dobermann
ebenso schwer wiegen wie oder schwerer wiegen als Beißattacken von Hunden des
Typs Alano,
58
9. dass Hunde des Typs Alano im Vergleich zu Hunden der Rassen Deutscher
59
Schäferhund und Dobermann keine höhere, sondern eine gleiche oder geringere
abstrakte Gefährlichkeit aufweisen,
10. dass Hunde des Typs Alano keine rassespezifischen Merkmale wie niedrigere
Beißhemmung, herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe, Kampfinstinkt oder einen
genetisch gedingten Schutztrieb aufweisen, die ein im Vergleich zu Hunden der Rassen
Deutscher Schäferhund und Dobermann höheres Gefährdungspotenzial begründen,
60
11. dass die Hinzuzählung von nicht von § 10 Abs. 1 LHundG NRW erfassten Hunden
der Rassen Cane Corso und Dogo Canario zum Bestand der Hunde des Typs Alano in
der amtlichen Beißstatistik in NRW in den Jahren 2003 bis 2007 zu unrichtigen
Bestandszahlen von Hunden des Typs Alano geführt hat,
61
12. dass die vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium in dem Bericht zur
Evaluation des LHundG NRW vom 18.11.2008 bezogen auf die gemeldete Population
dargestellten Beißvorfälle mit Hunden des Typs Alano in den Jahren 2003 bis 2007
aufgrund des zu geringen Bestands dieses Typs keine Aussagekraft im Hinblick auf
eine erhöhte abstrakte oder konkrete Gefährlichkeit oder einen erhöhten
Gefahrenverdacht von Hunden des Typs Alano haben,
62
hilfsweise zum Beweis der Tatsachen,
63
dass es sich bei Hunden der Rassen Cane Corso und Dogo Canario einerseits und
Hunden des Typs Alano andererseits nicht um ein und dieselbe Rasse handelt,
64
das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen und
65
ferner hilfsweise, zum Beweis der Tatsache,
66
dass Vorfälle mit Hunden der Rassen Cane Corso und Dogo Canario in den amtlichen
Beißstatistiken des Umweltministeriums den Hunden des Typs Alano zugeschlagen
wurden,
67
Herrn Hülsenbusch, zu laden über das Umweltministerium des Landes NRW, als
Zeugen zu vernehmen,
68
sind zum Teil wegen Unerheblichkeit der Beweistatsachen für den Ausgang des
Verfahrens und zum Teil, weil sie sich nicht auf konkrete und individualisierteTatsachen
beziehen oder auch als wahr unterstellt werden können, abzulehnen. Hinsichtlich der
Beweisanträge zu 1) bis 4) und 6) bis 12) kommt es nach der dem vorliegenden Urteil
zugrundeliegenden Rechtsansicht der Kammer auf die geltend gemachte
Beweiserhebung nicht an. Die Kammer hält - wie oben ausgeführt - den
Ortsgesetzgeber aufgrund der prognostischen Einschätzung der Gefährlichkeit eines
Hundes des Typs "Alano" durch den Landesgesetzgeber sowie aufgrund der von dem
MUNLV herausgegebenen Beißstatistiken für die Jahre 2003 bis 2007 für berechtigt,
den Alano in die Liste der gefährlichen Hunde aufzunehmen. Wie oben dargelegt, ist
nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren und die
dortigen Diskussionen die ergebnisbezogene Beobachtung der Beißstatistik
ausreichend, um - wie für die Annnahme der Rechtswidrigkeit der streitigen
Satzungsregelung erforderlich - Willkür bei der Listenbildung auszuschließen. Dies gilt -
wie im Urteil ausgeführt - zumindest bis zur endgültigen Auswertung der nach Ablauf
69
des fünfjährigen Überprüfungszeitraums dem MUNLV vorgelegten Berichte und
Gutachten und dem Abschluss der sich eventuell anschließenden Diskussion in den
politischen Gremien. Einer Durchführung eigener Erhebungen durch den
Ortsgesetzgeber bedarf es bei der momentanen Sachlage nicht. Hieran könnte auch ein
weiteres Gutachten - unabhängig von dessen Ergebnis - derzeit nichts ändern. Dies
betrifft auch den Beweisantrag zu 11); denn selbst wenn in der Beißstatistik Hunde der
Typen "Cane Corso" und "Dogo Canario" zum Bestand der Hunde des Typs "Alano"
hinzugezählt worden sein sollten - was aufgrund der Ausführungen des MUNLV, auch
diese Hunde gehörten wegen ihrer gemeinsamen Abstammung zu der "Rasse" Alano
durchaus möglich ist - führte dies aufgrund der im Urteil dargelegten Rechtsauffassung
des Gerichts zu keinem anderen Ergebnis. Im Übrigen beziehen sich die Beweisanträge
zu 1), 4), 6) bis 9) und 12) darüber hinaus nicht - wie erforderlich - auf konkrete und
individualisierte Tatsachen; es handelt sich vielmehr um (zum Teil rechtliche)
Wertungen, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich sind. So ist es z.B. eine
rechtliche Wertung, welche Schlüsse man aus den vorgelegten Beißstatistiken zieht;
auch die Beantwortung der Frage, ob Beißattacken von Schäferhund und
Dobermännern oder von Hunden des Typs Alano schwerwiegender sind, stellt - ebenso
wie die zu Beweis gestellten Fragen in Ziffern 1), 4), 6), 7) und 9) - keine
Tatsachenerforschung sondern eine Wertung dar. Letztendlich kann der Beweisantrag
zu 5) als wahr unterstellt werden. Es liegt nämlich auf der Hand, dass die Gefahr, von
einem Schäferhund gebissen zu werden, höher ist als die, von einem Alano verletzt zu
werden, da es im Vergleich zum Alano wesentlich mehr Schäferhunde gibt. Wie
gefährlich die einzelne Rasse oder das einzelne Tier ist, lässt sich daraus jedoch nicht
herleiten. Darüber hinaus führt die Feststellung , dass die Gefahr von einem
Schäferhund gebissen zu werden, größer ist als die Gefahr, von einem Alano gebissen
zu werden, zu keinem anderen Ergebnis der Klage (s.o.). Auch die beiden Hilfsanträge
waren zum einen wegen Unerheblichkeit der Beweistatsachen für den Ausgang des
Verfahrens und zum anderen, weil sie als wahr unterstellt werden können, abzulehnen.
Dass es sich bei Hunden der Rassen "Cane Corso" und "Dogo Canario" einerseits und
Hunden des Typs "Alano" andererseits nicht um ein und dieselbe Rasse handelt, kann
aufgrund des oben zitierten Urteils des VG Köln und der Anerkennung beziehungsweise
vorläufigen Anerkennung dieser "Rassen" durch den F.C.I. und den VDH als wahr
unterstellt werden, ändert jedoch nichts am Ausgang des Verfahrens (s.o.). Gleiches gilt
für den zweiten Hilfsantrag.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO Abs. 1, Abs. 2 i. V. m.
§§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
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