Urteil des VG Aachen vom 22.09.2003

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Verwaltungsgericht Aachen, 9 L 1041/03.A
Datum:
22.09.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 1041/03.A
Tenor:
Der Beschluss der Kammer vom 10. März 2003 - 9 L 138/03.A - wird
teilweise geändert:
Dem Antragsgegner zu 2. wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, die Antragstellerin zu 2. bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Klageverfahrens - 9 K 980/02.A -, soweit sie selbst betroffen ist,
nach Serbien und Montenegro abzuschieben. Im Übrigen wird der
Abänderungsantrag abgelehnt.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1. tragen die
Antragsteller. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2.
trägt der Antragsgegner zu 2. Dessen außergerichtliche Kosten tragen
die Antragsteller zu 1., 3. und 4. zu drei Vierteln, ansonsten trägt der
Antragsgegner zu 2. seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
1
Der Abänderungsantrag hat teilweise Erfolg.
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Er erweist sich hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1. bereits als unzulässig, weil diese
nicht Beteiligte des Ausgangsverfahrens - 9 L 138/03.A - gewesen ist. Aus der
Akzessorietät des Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO folgt, dass dieses
mit den Beteiligten des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO zu führen ist. Dies gilt
ebenso bei entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO in einstweiligen
Anordnungsverfahren.
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Bezüglich des Antragsgegners zu 2. ist der Abänderungsantrag dagegen zulässig und
begründet, soweit er für die Antragstellerin zu 2. gestellt ist. Er ist insbesondere
entsprechend § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig. Danach kann die Änderung unter
anderem wegen veränderter Umstände beantragt werden. Die Antragsteller haben in
der Antragsschrift auf die Einholung einer Auskunft zur Behandelbarkeit von
psychischen Erkrankungen in Serbien und Montenegro verwiesen, von der die Kammer
zuvor in der Regel ausgegangen ist.
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Für die Antragstellerin zu 2. erweist sich der Abänderungsantrag auch als begründet,
weil ein insoweit ein Anordnungsgrund sowie ein Anordnungsanspruch glaubhaft
gemacht sind.
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Dies gilt für den Anordnungsgrund, weil die Antragstellerin zu 2. lediglich über eine
Duldung bis zum 6. Oktober 2003 verfügt.
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Des Weiteren ist nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen
Überprüfung aufgrund der aktuellen Erkenntnislage - derzeit - ein Anordnungsanpruch,
den Aufenthalt der Antragstellerin zu 2. zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens für
ihre Person zu sichern, zu bejahen.
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Ausgehend von dem im Beschluss vom 10. März 2003, auf den auch hinsichtlich der
Voraussetzungen für das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6
Satz 1 AuslG verwiesen wird, dargelegten Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2.
spricht im vorliegenden Einzelfall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass zum
einen die Antragstellerin zu 2. die erforderliche Medikation und Therapie im Zielstaat
nicht erlangen kann und zum anderen - insbesondere nach dem Ergebnis des
fachärztlichen Gutachtens des Herrn Dr. J. T. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie,
Chefarzt der Abteilung Forensische Psychiatrie 1, S. Kliniken, C. -I. vom 20. März 2002 -
für diesen Fall eine alsbald eintretende erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung zu
gewärtigen ist. Aufgrund der aktuellen Erkenntnislage kann zum jetzigen Zeitpunkt
nämlich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die aus Serbien und Montenegro
stammende Antragstellerin zu 2. dort die erforderliche Behandlung, dies gilt
insbesondere für die Therapie, erhalten kann. Nach Auskunft der deutschen Botschaft in
Belgrad vom 12. August 2003 an die beschließende Kammer gibt es in Serbien und
Montenegro eine große Anzahl Patienten mit psychotherapeutischem
Behandlungsbedarf, dem teilweise in staatlichen psychiatrischen Ambulanzen
entsprochen wird. Indes sind die Wartelisten lang. Die psychotherapeutischen
Sitzungen können oft nicht anberaumt werden. Viele Patienten sind daher gezwungen,
zur Psychotherapie private Therapeuten aufzusuchen und dies bei einem Preis
zwischen 80,- EUR und 100.- EUR selbst zu bezahlen. Patienten müssen auch häufig
Medikamente zum vollen Marktpreis in Apotheken zu kaufen; dies verursacht im
Durchschnitt monatliche Kosten in Höhe von 50,- EUR bis 60,- EUR.
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Hinsichtlich der Antragsteller zu 1., 3. und 4. bleibt der Abänderungsantrag mangels
Anordnungsanspruchs ohne Erfolg, weil insoweit im vorliegenden Verfahren allein
berücksichtigungsfähige zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne des §
53 AuslG auch weiterhin nicht glaubhaft gemacht sind.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 1
VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
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