Urteil des VG Aachen vom 09.06.2009

VG Aachen: bundesamt für migration, anspruch auf einbürgerung, ausländer, kommunikation, integration, polizei, gehalt, tresor, vollstreckung, verfügung

Verwaltungsgericht Aachen, 5 K 756/08
Datum:
09.06.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 756/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund
des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Der am 00.00.0000 in T. -L. in Serbien/Montenegro geborene Kläger ist serbisch-
montenegrinischer Staatsangehöriger. Er reiste am 9. November 1993 in die
Bundesrepublik Deutschland ein. Nachdem ihm zuvor Duldungen erteilt worden waren,
erhielt er am 8. Januar 2001 eine Aufenthaltsbefugnis. Am 29. Januar 2004 wurde ihm
eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
2
Der Kläger stellte am 16. März 2006 beim Beklagten einen Antrag auf Einbürgerung.
3
Mit Schreiben vom 27. Juni 2007 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die für
eine Einbürgerung erforderlichen Aufenthaltszeiten nicht ausreichend seien. Die
rechtmäßige Aufenthaltsdauer beginne erst mit Erteilung der Aufenthaltsbefugnis am 8.
Januar 2001. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung seien
daher erst am 9. Januar 2009 erfüllt. Vor diesem Hintergrund sei die Ablehnung des
Einbürgerungsantrages beabsichtigt.
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Der Kläger hat am 11. April 2008 Untätigkeitsklage erhoben, mit der er sein
Einbürgerungsbegehren weiterverfolgt. Zur Begründung weist er darauf hin, dass die
Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung in seinem Fall vorlägen. Sein
Lebensunterhalt sei gesichert. Die Vorverurteilungen, zu denen es in der Vergangenheit
gekommen sei, lägen insgesamt unter den in seinem Fall noch geltenden Grenzwerten
von 180 Tagessätzen. Auch die Sprachkenntnisse seien für eine
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Anspruchseinbürgerung ausreichend. Insoweit könne er sich noch auf die alte
Rechtslage berufen, zu der das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden habe,
dass nicht erforderlich sei, dass der Einbürgerungsantragsteller sich eigenhändig
schriftlich ausdrücken könne. Insoweit sei ausreichend, dass er deutschsprachige Texte
des täglichen Lebens lesen und diktieren sowie das von Dritten mit technischen
Hilfsmitteln Geschriebene auf seine Richtigkeit überprüfen und so die schriftliche
Äußerung als seine tragen könne. Dies sei in seinem Fall aber gegeben. Einen
Sprachtest, den er am 26. März 2009 absolviert habe, habe er zwar nicht bestanden. Er
habe die Texte vorlesen können, habe aber mit dem Verstehen der Texte
Schwierigkeiten gehabt. Die Texte seien jedoch für eine Überprüfung der
Sprachkenntnisse auch ungeeignet gewesen. Sie seien zu schwierig gewesen und
hätten nicht aus dem Bereich des täglichen Lebens gestammt. Sie hätten auch nicht den
Texten entsprochen, die der Beklagte unter Geltung der früheren Rechtslage
herangezogen habe. Im Übrigen sei ihm beim Sprachtest aufgegeben worden, den Text
wegzulegen und aus seinem Gedächtnis den Inhalt wiederzugeben. Hierdurch werde
aber eine Gedächtnisleistung abverlangt, welche nicht Gegenstand der Sprachprüfung
sein könne. Insoweit spreche nichts dagegen, dem Einbürgerungsantragsteller für die
Beantwortung von Fragen zum Text den Text weiterhin zur Verfügung zu stellen.
Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung seines Klageabweisungsantrages weist er darauf hin, dass die
zeitlichen Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung seit dem 7. Januar 2009
zwar erfüllt seien. Auch sei der Lebensunterhalt des Klägers gesichert und stünden
Vorverurteilungen einer Einbürgerung nicht entgegen. Der Kläger habe aber
ausreichende Sprachkenntnisse bislang nicht nachgewiesen. Einen Sprachtest am 26.
März 2009 habe er eindeutig nicht bestanden.
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Die Kammer hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2009 zu
seinem Einbürgerungsbegehren persönlich angehört und seine deutschen
Sprachkenntnisse überprüft. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Sitzungsniederschrift verwiesen.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefte)
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
13
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Verpflichtung des Beklagten auf
Erteilung einer Einbürgerungszusicherung (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerungszusicherung beurteilt
sich in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage
maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nach den §§ 8 ff.
des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung
aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August
2007 (BGBl. I, S. 1970) - StAG n.F. -. Nach § 40 c StAG n.F. sind jedoch auf
Einbürgerungsanträge, die - wie hier - bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, die
§§ 8 bis 14 und 40 c StAG weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 geltenden Fassung
des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S.1950, 1996) - StAG a.F. -
anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Die Frage der Günstigkeit
ist in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung zu beantworten, die nicht
nach beiden Gesetzesfassungen erfüllt ist. Es ist die jeweils dem Ausländer günstigere
Regelung anzuwenden, so dass sich ein Einbürgerungsbegehren teils nach bisherigem
Recht, teils nach neuem Recht beurteilen kann,
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vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Urteil vom 12. März 2008 -
13 S 1487/06 -, ; Berlit, InfAuslR 2007, 457.
17
Der Kläger kann seine Einbürgerung zunächst nicht auf der Grundlage von § 10 Abs. 1
StAG beanspruchen.
18
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG n.F. ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig
seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag einzubürgern, wenn er
eine sog. Loyalitätserklärung abgibt (Nr. 1), er u.a. ein unbefristetes Aufenthaltsrecht
oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16, 17, 22, 23 Abs. 1, §§ 23
a, 24 und 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) aufgeführten
Aufenthaltszwecke besitzt (Nr. 2), er den Lebensunterhalt für sich und seine
unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen
nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II oder SGB XII)
bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat (Nr. 3), er seine
bisherige Staatsangehörigkeit verliert oder aufgibt (Nr. 4) oder ein Grund für die
Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach § 12 StAG vorliegt, er weder wegen einer
rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner
Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist
(Nr. 5), er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (Nr. 6) und über
Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in
Deutschland verfügt (Nr. 7) und kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegt.
19
Der Kläger erfüllt im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht sämtliche
Einbürgerungsvoraussetzungen. Er verfügt insbesondere nicht über ausreichende
Kenntnisse der deutschen Sprache.
20
Den rechtlichen Maßstab bildet insoweit noch die Bestimmung des § 11 Satz 1 Nr. 1
StAG a.F. in der Auslegung, die sie durch die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts gefunden hat. Denn die danach für eine
Anspruchseinbürgerung zu stellenden Anforderungen an ausreichende Kenntnisse der
deutschen Sprache sind für den Kläger günstiger als die Anforderungen, die § 10 Abs. 1
Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 4 StAG n.F. nunmehr vorsieht. Nach der Neufassung liegen
ausreichende Sprachkenntnisse (erst) vor, wenn der Ausländer die Anforderungen der
Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch (B1 des GER) in mündlicher und in schriftlicher
Form erfüllt, was jedenfalls hinsichtlich der Fähigkeiten im Bereich der schriftlichen
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Sprachkompetenz, und zwar sowohl was das Lesen als auch was das Schreiben
anbelangt, deutlich weitergehende Anforderungen umfasst, als dies nach der bisherigen
Rechtslage der Fall war.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordern "ausreichende
Kenntnisse der deutschen Sprache" im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Ausschlussgrundes, nämlich
sicherzustellen, dass Ausländer, die sich auf einen Einbürgerungsanspruch nach § 10
StAG berufen, sprachlich hinreichend in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet
allgemein und in ihre Lebens-, Berufs- und Wohnumgebung integriert sind, einerseits
und der Bedeutung, die der schriftlichen Kommunikation im Arbeits- und Berufsleben
sowie bei der Kommunikation mit der gesellschaftlichen Umwelt einschließlich der
Kontakte mit Behörden und Institutionen zukommt, andererseits neben mündlichen auch
gewisse Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache. Die nach dem
Integrationszweck zu fordernden Kenntnisse der deutschen Schriftsprache müssen den
Ausländer in die Lage versetzen, im familiär-persönlichen, beruflichen und
gesellschaftlichen Umfeld sowie im Umgang mit Behörden und Ämtern in deutscher
Sprache schriftlich zu verkehren. Dies setzt - bei geschäftsfähigen
Einbürgerungsantragstellern - in Bezug auf Lesen und Verstehen die Fähigkeit voraus,
selbstständig in deutscher Sprache verfasste Schreiben, Formulare und sonstige
Schriftstücke zu lesen und - nach Maßgabe von Alter und Bildungsstand - den
sachlichen Gehalt zumindest von Texten einfacheren Inhalts aufgrund der Lektüre auch
so zu erfassen, dass hierauf zielgerichtet und verständig reagiert werden kann.
Hinsichtlich der Fähigkeit, sich in deutscher Schriftsprache auszudrücken, kann nicht
verlangt werden, dass der Einbürgerungsantragsteller einen Diktattext in deutscher
Sprache selbst und eigenhändig im Wesentlichen fehlerfrei schreiben kann. Allerdings
muss es dem Einbürgerungsantragsteller möglich sein, sich eigenverantwortlich und
eigenverantwortet im familiär- persönlichen, beruflichen und geschäftlichen Umfeld
sowie im Umgang mit Behörden und Ämtern aktiv schriftlich in deutscher Sprache zu
verständigen. Hierfür muss der Einbürgerungsantragsteller sich nicht selbst schriftlich
ausdrücken können. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn er deutschsprachige
Texte des täglichen Lebens lesen und diktieren sowie das von Dritten oder mit
technischen Hilfsmitteln (z.B. unter Nutzung elektronisch verfügbarer Mustertexte oder
von Spracherkennungsprogrammen) Geschriebene auf seine Richtigkeit überprüfen
kann und somit die schriftliche Äußerung als seine "trägt",
22
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 20. Oktober 2005 - 5 C 8.05 -,
BVerwGE 124, 268, und vom 20. Oktober 2005 - 5 C 17.05 -, DVBl. 2006, 922; vgl. im
Einzelnen: Berlit in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht,
Loseblatt-Sammlung (Stand: März 2009), § 11 Rdnr. 18 ff., 24 ff.
23
In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger über
ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dabei mangelt es ihm, was
zwischen den Beteiligten im Grunde unstreitig ist und wovon sich auch das Gericht in
der mündlichen Verhandlung überzeugen konnte, nicht an ausreichenden Fähigkeiten
zur mündlichen Kommunikation. Der Kläger war ohne weiteres in der Lage, der
mündlichen Verhandlung ohne Dolmetscher zu folgen, verständig und angemessen auf
ihm gestellte Fragen zu antworten und mit dem Gericht selbstständig zu kommunizieren.
Der Kläger verfügt dem gegenüber zur Überzeugung des Gerichts aber nicht über
ausreichende Kenntnisse im Bereich der deutschen Schriftsprache, namentlich was die
Fähigkeit anbetrifft, selbstständig einen in deutscher Sprache verfassten Text
24
einfacheren Inhalts zu lesen und den sachlichen Gehalt so zu erfassen, dass der
wesentliche Inhalt mit einfachen eigenen Worten wiedergegeben und damit auch
zielgerichtet hierauf reagiert werden kann.
Zu dieser Einschätzung gelangt das Gericht auf der Grundlage des in der mündlichen
Verhandlung durchgeführten Sprachtests.
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Das (negative) Ergebnis des vom Beklagten am 26. März 2009 durchgeführten
Sprachtests lässt die Kammer ausdrücklich unberücksichtigt. Denn insoweit hat der
Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Sprachtest bereits deshalb für eine
Überprüfung ausreichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache ungeeignet
gewesen ist, weil dem Kläger der Text, zu dem Verständnisfragen gestellt wurden, nicht
mehr vorgelegen hatte. Durch eine derartige Befragung werden aber nicht
ausschließlich die Sprachkenntnisse überprüft. Dem Kläger wurde vielmehr darüber
hinaus auch eine Gedächtnisleistung abverlangt, welche nicht Gegenstand der
Sprachprüfung sein kann.
26
Ungeachtet dessen hat der Kläger aber im Rahmen der in der mündlichen Verhandlung
vorgenommenen Überprüfung keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen
Schriftsprache nachweisen können. Ihm wurden nacheinander insgesamt drei Texte
einfacheren Inhalts aus unterschiedlichen Lebensbereichen vorgelegt. Der Kläger
konnte alle drei Texte nur sehr stockend vorlesen, wobei viele Silben verschluckt oder
verdreht wurden und Endungen von Worten fast immer verändert waren. Insbesondere
bei den Texten "Loch im Zahn statt im Tresor" und "Tatort" war das Vorlesen derart
mangelhaft, dass der Inhalt dieser Texte nach dem Eindruck der Kammer von einem
Zuhörer ohne Textvorlage nicht mehr hätte nachvollzogen werden können. Während der
Kläger, dem hierfür die Texte nach wie vor zur Verfügung standen, den wesentlichen
Inhalt des Textes "Kohl: Deutsche können mit Stolz 60 Jahre feiern" wenigstens mit
wenigen Worten schlagwortartig skizzieren konnte, war ihm dies bei den beiden
anderen Texten nicht mehr möglich. Augenscheinlich wurden insoweit lediglich
einzelne Worte oder Satzteile, aber keine Sinnzusammenhänge verstanden. Zum Inhalt
der Texte gestellte Verständnisfragen konnte der Kläger nur auf mehrfache Nachfragen
und überdies nur bruchstückhaft beantworten. Beim Text "Loch im Zahn statt im Tresor"
gab der Kläger zunächst an, dass die Polizei vor Ort niemanden mehr angetroffen habe,
dass "keiner mehr da" gewesen sei. Erst auf erneutes Befragen und wiederholte Lektüre
konnte der Kläger mitteilen, dass die Polizei zwei Männer angetroffen hatte. Die - sich
auch aus der Überschrift bereits ergebende - Pointe dieser Geschichte, dass die
verdächtigen Bohrgeräusche anders als von der Polizei zunächst vermutet nicht von
Einbrechern verursacht worden waren, sondern auf den Nachteinsatz eines Zahnarztes
zurückzuführen waren, hatte der Kläger offenkundig nicht erfasst. Auch der Text "Tatort"
ist vom Kläger nicht verstanden worden. Er konnte zunächst - trotz der vielsagenden
Überschrift des Textes - weder den Namen der Fernsehreihe benennen, noch die im
Text herausgestellten Besonderheiten der Krimireihe auch nur ansatzweise
beschreiben.
27
Das Sprachniveau der dem Kläger vorgelegten Texte war gemessen an den vom
Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Sprachkompetenz im
schriftlichen Bereich auch nicht zu hoch angesetzt.
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Bei den Texten "Kohl: Deutsche können mit Stolz 60 Jahre feiern" und "Loch im Zahn
statt im Tresor" handelt es sich ohne Zweifel um Zeitungsartikel einfachen Inhalts. Der
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dem Kläger zusätzlich vorgelegte Text "Tatort" entsprach darüber hinaus ausdrücklich
den Vorgaben des Erlasses des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen
vom 23. Dezember 2005 - Az.14-40.00-8 -, wonach bis zu einer bundeseinheitlichen
Regelung, wie sie nunmehr durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August
2007 geschaffen wurde, Sprachprüfungen in Nordrhein-Westfalen - weiterhin - auf dem
Sprachniveau A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) ohne eine
schriftliche Sprachprüfung durchzuführen sind. Auf eben diesem Sprachniveau befindet
sich der verwandte Text laut Einstufung des Herausgebers "Hueber Verlag" (vgl.
www.hueber.de), der Lehr- und Lernmittel nach Maßgabe des GER entwickelt und
vertreibt und dessen Lehrwerke auch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für
die bundesweit angebotenen Integrationskurse zugelassen sind (vgl. § 16 der
Integrationsverordnung - IntV - sowie www.integration-in-deutschland.de). Mit dem
Sprachniveau A2 ist entsprechend dem GER die Leistungsstufe der elementaren
Sprachverwendung umschrieben, auf der der Betroffene über folgende grundlegenden
Fähigkeiten verfügt: Er kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit
Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen. Er kann sich in
einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen
und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht. Er
kann mit einfachen Mitteln die eigene Herkunft und Ausbildung, die direkte Umgebung
und Dinge im Zusammenhang mit unmittelbaren Bedürfnissen beschreiben. Hinsichtlich
der Fertigkeit "Lesen" kann der Betroffene kurze, einfache Texte und persönliche Briefe
lesen und in einfachen Alltagstexten konkrete, vorhersehbare Informationen auffinden
(vgl. Kapitel 3, Ziff. 3.3, Beschreibung des Gemeinsamen Europäischen
Referenzrahmens für Sprachen, veröffentlicht etwa auf der Website des Goethe-Instituts
www.goethe.de).
Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob mit diesem - niedrigen - Sprachniveau die
Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts an die Fähigkeiten im passiven
Sprachgebrauch, wonach der Ausländer einen deutschsprachigen Text "einfacheren
Inhalts" bzw. einen Text "des täglichen Lebens" lesen und seinem sachlichen Gehalt
nach erfassen können muss, zutreffend umschrieben sind. Als zu hoch angesetzt
erscheint der vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vorgesehene
Prüfungsmaßstab keinesfalls,
30
vgl. u.a. Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 8 K 302/07 -,
unveröffentlicht.
31
Denn jedenfalls erweisen sich die dem Kläger im konkreten Fall vorgelegten Texte zur
Überzeugung des Gerichts - insbesondere auch unter Berücksichtigung des
Integrationszwecks des Spracherfordernisses für eine Anspruchseinbürgerung -
insgesamt als Texte einfacheren Inhalts des täglichen Lebens, die die Anforderungen
des Bundesverwaltungsgerichts nicht überspannen. Unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass sprachliche Kommunikation, und zwar angesichts der besonderen
Bedeutung der Schriftsprache gerade auch schriftliche Kommunikation, unabdingbare
Voraussetzung für die Integration in die grundlegenden Bereiche der Bildung, der
Beschäftigung und der Teilhabe am politischen Leben und damit für die soziale,
politische und gesellschaftliche Integration ist, und dass ohne die Fähigkeit, hiesige
Medien zu verstehen und mit der deutschen Bevölkerung zu kommunizieren, eine
Integration wie auch die Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess nicht
möglich ist,
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vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 5 C 8.05 - und - 5 C 17.05 -, a.a.O., sowie
BT-Drucks. 14/533, S.18,
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ist ein Sprachniveau, wie es mit den hier zur Überprüfung der Deutschkenntnisse
verwandten Texten angelegt worden ist, nicht als überzogen anzusehen.
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Der Kläger kann seinen Anspruch auf Einbürgerung schließlich auch nicht auf § 8 StAG
stützen.
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Zwar ist sein Einbürgerungsbegehren im Rahmen des Verwaltungsverfahrens bislang
nicht anhand dieses rechtlichen Maßstabs geprüft worden. Gleichwohl erstreckt sich der
Prüfungsumfang im vorliegenden Klageverfahren auch auf die Frage, ob ein
Einbürgerungs(zusicherungs)anspruch nach § 8 StAG besteht. Denn das
Einbürgerungsbegehren ist grundsätzlich hinsichtlich aller in Betracht kommenden
Einbürgerungsgrundlagen zu prüfen. Der Beklagte ist seit dem 1. Juli 2008 auch für
Ermessenseinbürgerungen nach § 8 StAG sachlich zuständig (vgl. § 1 Abs. 1 der
Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom 3. Juni
2008 (GV.NRW.2008, S. 468 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 StAG) und damit auch insoweit
passivlegitimiert,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 5 C 17.05 -, a.a.O.
37
Auch bei einer Einbürgerung nach § 8 StAG sind im Grundsatz jedoch
Sprachkenntnisse zu verlangen, die den im Rahmen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F.
geforderten Voraussetzungen entsprechen,
38
vgl. im Einzelnen: Berlit, a.a.O., § 8 Rdnr. 132 ff., 135.
39
Diesen Anforderungen genügt der Kläger jedoch - wie aufgezeigt - nicht. Gründe, im Fall
des Klägers im Rahmen der Ermessensbetätigung im Sinne einer
Ermessensreduzierung auf Null von einer Herabsetzung der Anforderungen an die
Sprachkompetenz ausgehen zu müssen (etwa wegen einer körperlichen oder geistigen
Krankheit, Behinderung u.Ä.), sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch ein
möglicher Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf
Erteilung einer Einbürgerungszusicherung scheitert daher an der fehlenden Kompetenz
des Klägers im schriftlichen deutschen Sprachgebrauch.
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Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte
Einbürgerungszusicherung, weshalb die Klage vollumfänglich abzuweisen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung.
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