Urteil des VG Aachen vom 15.04.2005

VG Aachen: bundesamt für migration, mazedonien, psychotherapeutische behandlung, politische verfolgung, innere medizin, abschiebung, versorgung, kosovo, herzinfarkt, sozialhilfe

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Aachen, 9 K 288/03.A
15.04.2005
Verwaltungsgericht Aachen
9. Kammer
Urteil
9 K 288/03.A
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der im Jahre 1964 geborene Kläger ist mazedonischer Staatsangehöriger albanischer
Volks- und moslemischer Glaubenszugehörigkeit.
Zur Begründung seines im Jahre 1999 gestellten Asylantrags gab er bei seiner Anhörung
durch das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt) an, vor etwa vier
Jahren habe er am linken Bein eine Schussverletzung erlitten. Diese sei ins Skopje einmal
operiert worden. Noch immer habe er Schmerzen sowie Splitter im Bein. Im Bundesgebiet
habe man ihm eine Operation angeraten, damit er mehr Bewegungsfreiheit erlange.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1999 stellte das Bundesamt unter anderem unter Beifügung
einer Abschiebungsandrohung mit dem Zielstaat Mazedonien fest, dass
Abschiebungshindernisse nicht vorlägen. Die Zustellung des Bescheids erfolgte am 7. Juni
1999. Seine am 11. Juni 1999 bei der erkennenden Kammer erhobene Klage - 9 K
1282/99.A - hat der Kläger im Verhandlungstermin vom 17. Februar 2003
zurückgenommen, soweit er die Verpflichtung der Beklagten erstrebt hatte, ein
Abschiebungsverbot sowie Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 6 des
Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) festzustellen. Die Kammer hat daraufhin das Verfahren zur
gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und unter dem eingangs
genannten Aktenzeichen fortgeführt, soweit Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60
Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes betroffen sind. Der Kläger trägt vor, er leide an einer
koronaren Herzkrankheit, einem Zustand nach Schussverletzung im linken Bein sowie
Morphinunverträglichkeit. Einzelheiten ergäben sich sowohl aus dem Bericht des Klinikums
O. , Akademisches Lehrkrankenhaus, Medizinische Klinik, W. , vom 16. Juli 1999 als auch
aus dem ärztlichen Attest des Herrn W1. T. , Facharzt für Allgemeinmedizin, W. , vom 11.
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aus dem ärztlichen Attest des Herrn W1. T. , Facharzt für Allgemeinmedizin, W. , vom 11.
Juni 2001. Das Klinikum X. bescheinige in seinem Kurzentlassungsbericht vom 20. März
2002, dass weiterhin eine Transportcorticotomie erforderlich sei. In dem Bericht vom 2. Mai
2002 verhalte sich diese Institution zu seinem stationären Aufenthalt vom 29. April bis 2.
Mai 2002. Im Bericht über die Behandlung vom 19. Juli 2002 schlage der Oberarzt Dr. S.
seine stationäre Aufnahme zur Fixateurumbesetzung vor.
Auf die hierauf unter dem 22. August 2002 eingeholte amtliche Auskunft teilte die Botschaft
der Bundesrepublik Deutschland, Skopje, am 19. November 2002 mit, dass sowohl die
Arthrose als auch die Herzerkrankung des Klägers in Mazedonien kontrolliert und
behandelt werden könnten. Wegen der Einzelheiten der Auskunft wird auf Blatt 74 f. der
Gerichtsakte 9 K 1282/99.A Bezug genommen.
In diesem Zusammenhang machte der Kläger geltend, die Einschätzung der Botschaft
berücksichtige seine albanische Volkszugehörigkeit nicht. Im Übrigen habe er sich aktiv
und demonstrativ für seine Volksgemeinschaft eingesetzt. Daher verweigerten ihm seine
Heimatbehörden jegliche Unterstützung. Er werde vom Krankenversicherungsschutz
ausgeschlossen. Aus dem Kurzentlassungsbericht des Klinikums X. vom 13. Januar 2003
ergebe sich sein Angewiesensein auf weitere Behandlung im Bundesgebiet.
Familienunterstützung könne er nicht erwarten. Sein Vater sei krank. Die Eltern erhielten
eine Rente von etwa 70,00 EUR. Seine Brüder hätten keine Arbeit. Ohne Behandlung
bestehe für ihn Amputationsgefahr des linken Beins. Sein Herzinfarkt sei mit
entsprechender Medikation in Mazedonien nicht behandelbar. Seine psychische
Erkrankung ergebe sich aus dem Psychiatrischen Gutachten des Herrn Dr. med. E. I. ,
Psychotherapie, W. , vom 17. Juli 2003. Es entspreche alltäglicher Praxis, dass die
Behörden Mazedoniens Rückkehrern aus Deutschland Ersparnisse unterstellten, sie auf
eigene Initiative verwiesen und so den Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung
verweigerten. Mit Blick auf die gerichtliche Verfügung vom 7. Januar 2005, in der um
Vorlage ärztlicher Bescheinigungen gebeten worden war, die detailliert auf geltend
gemachte Erkrankungen einschließlich erforderlicher Behandlungen eingingen, sei auf die
Psychiatrische Stellungnahme des Herrn Dr. med. E. I. , W. , vom 28. Januar 2005 zu
verweisen. Zu der chronisch-komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)
komme eine chronische arteriosklerotische Erkrankung mit abgelaufenem Herzinfarkt und
weiterbestehender Sklerosierung dreier Herzgefäße. Namentlich die Herzerkrankung sei in
Mazedonien nicht behandelbar. Neben der in vorerwähnter Stellungnahme angegebener
Medikation nehme er zusätzlich das Medikament "Tramagetic" regelmäßig ein. Ausweislich
der beglaubigten Übersetzung des Schreibens des Medizinzentrums Kicevo vom 31.
Januar 2005 gebe es in diesem Zentrum keine Kardiologische und Neuropsychiatrische
Klinik. Im Übrigen müsse er sich als Albaner immer "hinten anstellen."
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung von Nummern 3. und 4. des Bescheids des Bundesamts vom
27. Mai 1999 zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse im Sinne von §
60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt zunächst auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamts Bezug.
Ergänzend macht sie geltend, posttraumatische Belastungsstörungen stellten ein
komplexes psychisches Krankheitsbild dar. Hierbei stünden rein innerpsychische
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Erlebnisse im Vordergrund. Sie entzögen sich einer Erhebung äußerlich-objektiver
Befundtatsachen. Mit Blick auf Neutralität und Objektivität solle regelmäßig der
behandelnde ein anderer als der begutachtende Arzt sein. Bescheinigungen müssten den
vom Verwaltungsgericht Köln in den Urteilen vom 12. Juli 2002 - 11 K 877/99.A - u. a. -
aufgestellten Anforderungen genügen. Vor diesem Hintergrund reichten die vorgelegten
Bescheinigungen nicht aus, um ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes
Abschiebungshindernis festzustellen. Im Übrigen verfüge Mazedonien über medizinische
Versorgung. Diese erreiche nicht westeuropäischen Standard. Sie funktioniere aber im
Wesentlichen. Krankenversicherungsschutz sei gewährleistet, sofern sich der Betroffene
bei dem für seinen Wohnort zuständigen Arbeitsamt melde und registrieren lasse.
Derartiges könne bereits aus dem Bundesgebiet heraus erfolgen. Bei einer Rückführung
solle ein Übergangszeitraum prophylaktisch überbrückt werden. Dies könne durch Mitgabe
entsprechenden Vorrats von notwendigen Medikamenten erfolgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte dieses und des Verfahrens 9 K 1282/99.A sowie des von der Beklagten
vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Die Erkenntnisse der Kammer zum
Herkunftsland Mazedonien sind - ebenso wie die im Terminsprotokoll, auf das verwiesen
wird, aufgeführten Erkenntnismittel - in das Verfahren eingeführt worden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom 27. Mai 1999 ist - soweit er noch streitgegenständlich
ist - rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines
Abschiebungshindernisses i.S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG, und die Abschiebungsandrohung
ist rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
- VwGO -).
Zunächst kann der Kläger nicht die Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, ein
Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG festzustellen. Nach dieser Vorschrift
soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden,
wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder
Freiheit besteht. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in
seinem Beschluss vom 17. März 2005 - 13 A 2909/04.A - in diesem Zusammenhang unter
anderem Folgendes ausgeführt:
"Der Begriff der 'Gefahr' im Sinne dieser Vorschrift ist im Grundsatz kein anderer als der im
asylrechtlichen Prognosemaßstab der 'beachtlichen Wahrscheinlichkeit' angelegte, wobei
allerdings das Element der 'Konkretheit' der Gefahr für 'diesen' Ausländer das zusätzliche
Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen
Gefahrensituation statuiert.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324/330.
Für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung oder
sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr muss eine solche
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Das ist anzunehmen, wenn die für
die Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände größeres Gewicht haben als die dagegen
sprechenden Tatsachen und deshalb ihnen gegenüber überwiegen.
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... Dieses 'größere' Gewicht ist nicht rein qualitativ zu verstehen, sondern im Sinne einer
zusammenfassenden Bewertung des Sachverhalts bei verständiger Würdigung aller
objektiven Umstände dahingehend, ob sie bei einem vernünftig denkenden, besonnenen
Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung rechtfertigt. Dabei sind auch
die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des
gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung.
... Erheblich ist eine Gefahr, wenn der Umfang der Gefahrenrealisierung von bedeutendem
Gewicht ist. Das ist der Fall, wenn sich durch die Rückkehr der unter dem Gesichtspunkt
der Leibes- und Lebensgefahr hier allein in Betracht kommende Gesundheitszustand des
Betroffenen wegen geltend gemachter unzureichender medizinischer
Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung in einem angemessenen
Prognosezeitraum wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 115, 338, betr.
Abschiebungsschutz wegen unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im
Kosovo.
Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands kann nicht schon
dann gesprochen werden, wenn 'lediglich' eine Heilung eines gegebenen
Krankheitszustands des Ausländers im Abschiebungszielland nicht zu erwarten ist.
Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG soll dem Ausländer nicht eine Heilung von
Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern,
sondern vor gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats,
vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2004 - 13 A 3598/04.A -,
ist eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands auch nicht schon bei
jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundsheitszustands anzunehmen,
sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden
und/oder existenzbedrohenden Zuständen, kurz: bei existenziellen Gesundheitsgefahren.
Das folgt zum einen aus dem der Vorschrift immanenten Zumutbarkeitsgedanken.
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, NVwZ 1998, 526, das
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im
Zielland ableitet.
Das folgt des Weiteren aus der gleichen hohen Stufe des von der Vorschrift geschützten
drei Rechtsgüter, die das Zuerkennen eines Abschiebungshindernisses schon bei einer
objektiv ertragbaren Gesundheitsverschlechterung außerhalb jeder vertretbaren Relation
zur drohenden Rechtsgutverletzung durch ungerechtfertigte Freiheitsentziehung oder zu
Lebensbedrohung setzt. Das folgt schließlich auch aus dem gleichen Umfang und der
gleichen Reichweite des Rechtsgüterschutzes des Einzelnen im Rahmen der Gruppen
betreffenden Entscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG wie im Rahmen der den
Einzelnen betreffenden Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG,
vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, a. a. O.,
wobei die erstere gruppengerichtete Leitentscheidung nach § 54 AuslG nur bei greifbaren,
gravierenden - eben existentiellen - Rechtsgutbeeinträchtigungen jedes Einzelnen der
Gruppe zu erwarten ist.
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Konkret ist eine Verschlimmerung einer Erkrankung, wenn sie alsbald nach Rückführung
des Betroffenen im Zielland zu erwarten ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, a. a. O.
Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - 'dort' - folgt, dass die
das Abschiebungshindernis begründenden Umstände an Gegebenheiten im
Abschiebungszielland anknüpfen müssen. Soweit eine geltend gemachte
Gesundheitsverschlechterung ihren Grund in Gegebenheiten und Vorgängen im
Aufenthaltsland Deutschland finden, können sie daher dem Bundesamt gegenüber nicht
als Abschiebungshindernis geltend gemacht werden. Demgemäß betrachtet auch das
Bundesverwaltungsgericht in seiner Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG
durch das Bundesamt betreffenden Entscheidung vom 25. November 1997, a. a. O., nur
eine Gesundheitsverschlechterung nach Rückkehr in das Zielland Kosovo, mithin eine
durch dortige Gegebenheiten ausgelöste Gesundheitsverschlechterung der damaligen
Klägerin.
Diese Ausführungen gelten in gleicher Weise auch für § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, der nur
auf der Rechtsfolgeseite statt der früheren Kann-Regelung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG
eine Soll-Regelung aufweist, die nur in besonders begründeten Fällen ein Absehen von
der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots bei ansonsten gegebenen Voraussetzungen
auf der Tatbestandsseite erlaubt.
Die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Fällen der vorliegenden Problematik
ist ... nicht durch die §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60 a Abs. 1 AufenthG gesperrt. Denn die hier
geltend gemachte Gefahr einer Gesundheitsverschlimmerung im Heimatland ist nach der
Rechtsprechung des Senats von individueller Art, die unter Berücksichtigung von Art und
Schwere der Erkrankung des Ausländers, der ihn erwartenden Gegebenheiten im
Heimatland und von Zumutbarkeitserwägungen mit Individualbezug zu beurteilen ist. ...
Soweit von Seiten der Abschiebungsschutz begehrenden Ausländer sinngemäß darauf
hingewiesen wird, bei Rückführung in den Kosovo werde ggf. eine in Deutschland
aufgenommene Therapie abgebrochen, man falle in ein Loch der Schutzlosigkeit oder es
würden im Land der Peiniger die Krankheitssymptome erneut ausgelöst und verstärkt, führt
auch das unter Berücksichtigung des - in den obigen Ausführungen angeführten -
Zumutbarkeitsgesichtspunkts nicht zur Annahme einer überwiegend wahrscheinlichen
wesentlichen oder gar lebensbedrohenden Gesundheitsverschlechterung im Sinne einer
existenziellen Gesundheitsgefahr. Der Ausländer muss sich darauf verweisen lassen, und
kann dieses Faktum nicht permanent ausblenden, dass er in das Land seiner kulturellen
Heimat in befriedigtem Zustand zurückkehrt, wo einer Verschlimmerung seiner
psychischen Erkrankung entgegenwirkende Behandlungsmöglichkeiten bestehen und es
ihm zumutbar ist, sich gegebenenfalls mit Unterstützung seines Familienverbandes um
Behandlung zu bemühen und sie wahrzunehmen sowie seinen Lebensbereich in einer
bezüglich seiner psychischen Krankheit unkritischen Region zu begründen. Hinzuweisen
ist zudem darauf, dass in der Wissenschaft die beachtliche Ansicht vertreten wird, die
Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen habe auch und gerade im
muttersprachlichen, kulturell vertrauten und befriedeten Heimatland gute Erfolgsaussichten.
Vgl. hierzu: v. Krieken, InfAuslR 2000, 518 ff.; Krebs, Kath. Klin. Duisburg, Gutachten vom
12. Februar 2004.
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Das für eine erfolgreiche Behandlung vielfach geforderte Bleiberecht auf Dauer in
Deutschland für den ausreisepflichtigen Ausländer und möglichst für seine gesamte
Familie ... sieht das Ausländerrecht aber nicht vor. Überdies ist eine in Deutschland von
mittels eines Dolmetschers durchgeführte Gesprächstherapie ohnehin kommunikativ und
therapeutseits-reaktiv weniger zielführend als eine muttersprachliche im Kosovo
durchgeführte Therapie - was gerade im vorliegenden Fall dadurch deutlich wird, dass eine
weiterführende Gesprächstherapie des Dr. ... bei der Klägerin an der Sprachbarriere
scheiterte -. Konfrontationsangst kann der Ausländer selbst entgegenwirken, in dem er den
Ort des Geschehens meidet.
Soweit vom traumatisierten oder sonst psychisch kranken ausreisepflichtigen Ausländer
vorgebracht wird, eine Rückkehr an den Ort seiner psychischen Erschütterung sei
unzumutbar und führe zu einer Retraumatisierung oder zum Wiederausbruch oder zur
Verschlimmerung seiner psychischen Krankheit, führt das ebenfalls nicht zur Annahme
überwiegend wahrscheinlicher Leibes- und Lebensgefahren von der beschriebenen
Schwere. Auch insoweit ist es dem Betreffenden zumutbar, seinen Lebensmittelpunkt an
einem Ort zu begründen, wo diese Folgen nicht drohen, und den befürchteten Folgen mit
den gegebenen Behandlungsmöglichkeiten zu begegnen. Dem kann nicht
entgegengehalten werden, jeder Ort des Heimatlandes sei insoweit ungeeignet und löse
bei dem Rückkehrer die gleichen Folgen aus. Die Lebenserfahrung spricht gegen die
Richtigkeit einer solchen Behauptung. Sie hätte zu Konsequenz, dass jeder traumatisierte
oder sonst psychisch kranke Mensch nur außerhalb seines Heimatlandes erfolgreich
therapiert werden könnte. ...
Für den evtl. gegen seinen Willen in sein Heimatland zurückgeführten, an
Anpassungsstörungen mit Depression und Albträumen leidenden Ausländer ist ein Dasein
im Heimatland mit den möglicherweise auf ihn zukommenden körperlichen und
psychischen Beeinträchtigungen bei den - wie hier - im Heimatland gegebenen
Behandlungsmöglichkeiten aus Sicht des Senats nicht unzumutbar. Das gilt erst recht,
wenn der psychisch kranke Ausländer den Ort und die Umstände der akuten Auslösung der
psychischen Erkrankung meiden kann. In der asylrechtlichen Rechtsprechung ist
anerkannt, dass sich der Asylbewerber nicht erfolgreich auf eine politische Verfolgung
berufen kann, wenn sich ihm im Heimatland eine zumutbare Fluchtalternative bietet. Das
gilt entsprechend für Verfahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. ...
Die generell mit einer Abschiebung gegen den Willen des Betroffenen verbundenen
psychischen Belastungen waren dem Gesetzgeber nicht unbekannt und nimmt das Gesetz
in Kauf; sie begründen, wenn nicht die Ausreiseverpflichtung ad absurdum geführt werden
soll, kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG und führen auch nicht zu
einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG. ...
Die ausländerrechtlichen Abschiebungshindernisse stellen u. a. eine Konkretisierung der
Rechte des Ausländers aus Art. 1 u. 2 GG dar. Sind die Voraussetzungen für die
Zuerkennung eines Abschiebungshindernisses nicht gegeben, liegt demgemäß ein
Verstoß gegen die genannten Rechtsnormen nicht vor."
Mit Blick auf etwaige Äußerungen von Suizidabsichten durch ausreisepflichtige erfolglose
Asylbewerber gilt nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen,
vgl. Beschluss vom 30. Dezember 2004 - 13 A 1250/04.A -,
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grundsätzlich Folgendes: Weder derartige Erklärungen noch dahin gehende (fach-
)ärztliche Bescheinigungen führen - ungeachtet der Frage nach der Ernsthaftigkeit solchen
Vorbringens - grundsätzlich zu einem Abschiebungshindernis i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG. Im Übrigen sind Suizidgefahren kraft psychischer Belastung wegen anstehender
Abschiebung oder deren Vollzug im Bundesgebiet bereits nicht zielstaatsbezogen.
Bezüglich nicht auszuschließender Suizide nach Rückkehr in das Heimatland handelt es
sich in der Regel um ein ungewisses und nicht konkretes Ereignis, das regelmäßig allein
an die Person des Ausländers anknüpft.
Die Kammer schließt sich dieser Rechtsmeinung im Ausgangspunkt, im
Argumentationsweg und im Ergebnis auch für den Zielstaat Mazedonien vollumfänglich an.
Ausgehend von diesen Grundsätzen führen weder die für den Kläger geltend gemachten
Erkrankungen für sich genommen noch deren medizinische und therapeutische
Behandlungsnotwendigkeit zu einem krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen
Abschiebungshindernis. Seine Erkrankungen sind in Würdigung aller in das vorliegende
Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen und des dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
immanenten Zumutbarkeitsgesichtspunkts in Mazedonien generell jedenfalls so weit
behandelbar, dass sie bei dem gebotenen Mitwirken des Klägers zumindest auf dem
gegebenen Niveau gehalten werden können und damit ihre Verschlimmerung und erst
recht eine solche bis hin zu existentiellen Gefahren für den Kläger verhindert werden kann.
In diesem Zusammenhang kann auf sich beruhen, ob und ggf. inwieweit den vorgelegten
Attesten - soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aktuell sind -
und der Psychiatrischen Stellungnahme des Herrn Dr. med. E. I. , W. , vom 28. Januar 2005
zu folgen ist. Auf der Grundlage dessen geht das Gericht jedenfalls zu Gunsten des Klägers
davon aus, dass dieser an einer anhaltenden Depression und sozialer Phobie bei
komplexer PTBS mit andauernder Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung
leidet. Darüber hinaus sind ein Zustand nach Herzinfarkt, länger als ein Jahr zurückliegend,
eine koronare Drei-Gefäßerkrankung, arterielle Hypertonie (Stadium II, mit
Gefäßveränderung) und eine Festtstoffwechselstörung anzunehmen.
Bezüglich derartiger, als schwerwiegend anzusehender Erkrankungen und deren
Behandelbarkeit in Mazedonien gilt mit Blick auf die aktuelle Erkenntnislage Folgendes:
Das Gesundheitssystem Mazedoniens ist zwischenzeitlich hinter westeuropäischen
Standard zurückgefallen. Bezüglich Ausstattung und Behandlungsmöglichkeiten bestehen
z.T. erhebliche Unterschiede. Einige wenige Einrichtungen verfügen über modernes Gerät.
Sie weisen auch bezüglich Hygiene ein hohes Niveau auf. Andere Gebäude sind in
schlechtem Zustand. Dort sind die hygienischen Bedingungen nicht angemessen. Vielfach
ist modernes Gerät vorhanden, kann aber nicht bedient werden. Zwischen den
Universitätskliniken in Skopje und kleineren Einrichtungen in ländlichen Regionen - dort
fehlt es teilweise an grundlegender Ausstattung - ist ein Gefälle zu beobachten.
Krankenanstalten und Apotheken werden auch in den Provinzstädten in die Versorgung mit
einbezogen. Allerdings sind nicht alle Einrichtungen für die Anwendung moderner
medizinischer Behandlungsmethoden flächendeckend vorhanden. Apparaturen und
medizinische Spezialausrüstungen entsprechen oft nicht westlichem Standard. Viele
Untersuchungen und Behandlungen können im Land durchgeführt werden. Das gilt
namentlich für solche im Bereich Kardiologie, Nephrologie und Rehabilitation, aber auch
für (schwere) psychische Erkrankungen. Insoweit sind auch psychotherapeutische
Behandlung sowie Behandlung von Depressionen möglich. Die medikamentöse
Versorgung ist landesweit gesichert. Medikamente, die nicht auf der so genannten
Positivliste stehen, sind in privaten Apotheken gegen volle Kostenübernahme des
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Patienten erhältlich.
Jeder offiziell registrierte mazedonische Bürger erhält Krankenversicherungsschutz.
Grundlage hierfür sind etwa die Registrierung beim Arbeitsamt oder der Empfang von
Sozialhilfe. Bei Letzterem ist der Krankenversicherungsschütz über das zuständige
Sozialamt gewährleistet. Arbeitslose erhalten Krankenversicherungsschutz mit
Registrierung als erwerbslos oder arbeitsunfähig beim Arbeitsamt des Wohnsitzes bzw.
(nach Rückkehr aus dem Ausland) des Orts der Niederlassung und dem Kauf eines
"Arbeitsbuchs" gegen geringe Gebühr. Frühere Vorschriften führten dazu, dass
insbesondere Angehörige ethnischer Minderheiten vom sozialen System ausgeschlossen
waren. Nach Änderung der maßgeblichen Vorschriften können auch Personen, die die
Mindestschulzeit nicht abgeleistet haben, als arbeitslos registriert werden. Etwaige
Probleme können unter Einschaltung des Ministeriums für Arbeit und Soziales geklärt
werden. Versicherte erhalten kostenlosen Primärschutz. Sozialfälle sind grundsätzlich von
Kosten für Dienstleistungen des Gesundheitswesens befreit. Abweichendes gilt nur für
rezeptpflichtige Medikamente. Hier gibt es eine geringe Selbstbeteiligung. Sie ist nach dem
Preis des Präparats gestaffelt und beträgt grundsätzlich weniger als 20% des Kaufpreises
des Medikaments. Personen zwischen 18 und 65 Jahren haben bei kostenpflichtigen
Behandlungen Eigenbeteiligungssätze von 70%. Wurden innerhalb eines Kalenderjahres
70% des monatlichen Durch-schnittslohnes (er beträgt 200 Euro) für medizinische
Leistungen aufgebracht, so tritt für den Rest des Jahres Befreiung von Eigenbeteiligungen
ein. Ausgenommen sind vorerwähnte Eigenbeteiligungen an Medikamenten. Liegt das
monatliche Einkommen unter dem Durchschnittslohn, erfolgt eine prozentuale Reduzierung
des Beitrags. Auch bei Krankenhausbehandlungen sind gestaffelte Eigenbeteiligungssätze
zu entrichten.
Rückkehrern nach Mazedonien stehen als Ansprechpartner die lokalen Zentren für
Sozialfragen zur Verfügung. Einkünfte, auch fiktive, aus Vermögen werden auf eine
etwaige Sozialhilfe angerechnet. In jedem Fall verbleibt ein ausreichender
Sozialhilfebetrag. Zudem gibt es für Rückkehrer eine einmalige finanzielle Rückkehrerhilfe.
Rückkehrer müssen gegebenenfalls vorübergehend in Gemeinschaftsunterkünften,
Auffanglagern oder Flüchtlingszentren untergebracht werden. Bezüglich einer Weiterreise
in die Heimatgemeinde können sich Rückkehrer an die kommunalen Zentren für
Sozialfragen wenden. Insoweit ist eine Mitwirkung des Betreffenden erforderlich. Diese
kann bereits aus dem Bundesgebiet heraus, beispielsweise über Verwandte oder einen
Bevollmächtigten, erfolgen. Auf diese Weise kann der Übergangszeitraum bis zur
förmlichen Registrierung sehr kurz gehalten werden.
Vgl. Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
Mazedonien vom 28. Januar 2005 (Lagebericht); Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland, Skopje, Berichte vom 22. Juni 2004 an das VG Regensburg, vom 25. Juni
2003 an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sowie - in diesem
Verfahren eingeholt - vom 19. November 2002 an das VG Aachen.
Ausgehend von dieser Erkenntislage ist bereits kein greifbarer Anhaltspunkt dafür
erkennbar, dass die psychischen sowie die Erkrankungen insbesondere der Blutgefäße
des Klägers in seiner Heimat nicht hinreichend behandelbar wären. Erst recht fehlt es bei
der in diesem Zusammenhang grundsätzlich gebotenen landesweiten Betrachtung, vgl.
BVerwG, Urteil vom 6. August 1996 - 9 C 172.95 -, DVBl. 1997, 182,
an jeglichem Anhalt dafür, dass beispielsweise die zu erwartende Behandlung der
(psychischen) Erkrankungen jedenfalls zur Vermeidung einer Verschlechterung des
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aktuellen Krankheits- bzw. Gesundheitszustands ungeeignet wäre und eine überwiegend
wahrscheinliche Gefahr einer Verschlimmerung der Krankheiten vom eingangs
beschriebenen Gewicht begründete. Diese Beurteilung wird letztlich durch die
Ausführungen in der Psychiatrischen Stellungnahme des Herrn Dr. med. E. I. , W. , vom 28.
Januar 2005 bestätigt. Hiernach wäre ein Abbruch (!) der medikamentösen Behandlung
bezüglich der körperlichen Erkrankungen des Klägers "zumindest langfristig" deletär; im
Übrigen könne eine dramatische Verschlechterung des klägerischen Gesundheitszustands
binnen etwa drei Monaten "vernünftigerweise nicht prognostiziert werden". Auch die Klinik
für Innere Medizin und Kardiologie des Klinikums O. weist bezüglich der koronaren
Herzerkrankung des Klägers in ihrem Bericht vom 29. November 2004 darauf hin, dass sich
insgesamt ein gutes Ergebnis ("nach RCA-PTCA") zeige. Weiterhin betont es die
besondere Bedeutung der konsequenten Zurückführung der Risikofaktoren (v.a.: Nikotin-
Karenz).
Mit Blick auf die zuvor beschriebene Erkenntnislage vermag das Gericht im maßgeblichen
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der pauschalen Behauptung des Klägers nicht zu
folgen, wonach die Behörden seines Heimatstaats ihm jegliche Unterstützung verweigerten
und ihn vom Krankenversicherungsschutz ausschlössen. Gleiches gilt für seine
Befürchtung, er müsse sich als Albaner gleichsam hinten anstellen. Hierfür gibt es in den
aktuellen Erkenntnissen keinen hinreichenden Anhalt. Im Übrigen hat der Kläger alle
Möglichkeiten der Einkommensverschaffung wahrzunehmen, wenn er nicht die
Unterstützung des Familienverbandes bemüht und/oder die Sozialhilfe seines
Heimatstaats in Anspruch nimmt.
Ist vor diesem Hintergrund ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines
krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses zu verneinen, liegt
auch im Übrigen mit Blick auf die aktuelle Erkenntnislage,
vgl. etwa AA, Lagebericht vom 28. Januar 2005,
für ihn als albanischen Volkszugehörigen kein Abschiebungshindernis i.S.v. § 60 Abs. 7
Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung stützt sich zutreffend auf die §§ 34 Abs.
1, 38 AsylVfG, 59 AufenthG.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in
Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.