Urteil des VG Aachen vom 30.08.2010

VG Aachen (aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, interesse, schule, antragsteller, vollziehung, verwaltungsgericht, land, begründung, antrag)

Verwaltungsgericht Aachen, 9 L 322/10
Datum:
30.08.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 322/10
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 9 K 1424/10 gegen den Bescheid des
Antragsgegners vom 00.00.2010 wiederherzustellen,
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ist unbegründet.
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Zunächst ist von der formellen Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung des
Antragsgegners auszugehen, und zwar auch hinsichtlich des
Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass angesichts des in der vorzitierten
Regelung normierten formellen Erfordernisses unbeachtlich ist, ob die Erwägungen der
Behörde inhaltlich zutreffen. Notwendig ist eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte
und nicht bloß formelhafte Begründung.
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Vgl. Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll,
Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Auflage, § 80 Rdnr. 47 mit weiteren
Nachweisen.
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Die seitens des Antragsgegners schriftlich gegebene Begründung genügt diesen
Anforderungen. Es ist nicht zu beanstanden, dass dieser auf die Notwendigkeit
abgestellt hat, eine den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes entsprechende
Schulausbildung schnellstmöglich zu gewährleisten, um nachteilige Folgen, die bei
einem weiteren Besuch der Allgemeinen Schule auftreten könnten, weil diese auf den
festgestellten Förderbedarf konzeptionell und mit der vorhandenen Ausstattung nicht
angemessen reagieren könne, zu vermeiden. Die Feststellung eines konkreten
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sonderpädagogischen Förderbedarfs sowie die Bestimmung eines entsprechenden
Förderortes oder mehrerer Förderorte erfordert regelmäßig die Anordnung der sofortigen
Vollziehung. Eine solche Anordnung ist selbst dann gerechtfertigt, wenn zweifelsfrei ein
sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, aber der konkrete Förderort noch nicht
abschließend geklärt sein sollte.
Vgl. in diesem Zusammenhang: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 27. August 2004 - 19 B 1516/04 -, juris.
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Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung hat die
Kammer eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der
sofortigen Durchsetzung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem privaten
Interesse der Antragstellerin an einem Aufschub der Vollziehung. In diese
Interessenabwägung fließt die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit
eines Verwaltungsakts, der vollzogen werden soll, ein. Erweist sich der Rechtsbehelf
eines Antragstellers als offensichtlich begründet, besteht grundsätzlich kein öffentliches
Interesse an der Durchsetzung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Demgegenüber
wird der Eilantrag regelmäßig abzulehnen sein, wenn dieser offensichtlich rechtmäßig
ist. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine
Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung
zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden öffentlichen Interessen
einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis
zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die
Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit
einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der
aufschiebenden Wirkung.
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Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung spricht
Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners sowohl
hinsichtlich des sonderpädagogischen Förderbedarfs mit dem Förderschwerpunkt
"Emotionale und soziale Entwicklung" als auch der Festlegung des Förderortes auf der
Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über die sonderpädagogische
Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsordnung gemäß
§ 52 des Schulgesetzes - AO-SF -).
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Die formellen Vorgaben des § 15 AO-SF, der das Verfahren bei der jährlichen
Überprüfung und bei einem Wechsel des Förderortes regelt, sind eingehalten. Die
Klassenkonferenz der Klasse 6 a vom 00.00.2010 hat für einen Förderortwechsel
gestimmt. Ferner dürfte es den Anforderungen des § 15 Abs. 2 AO-SF genügen, dass
ein Gespräch der Schulleitung mit der Mutter am 00.00.2006 stattgefunden hat, so dass
es nicht darauf ankommt, ob dieses Verfahrenserfordernis nach § 45 Abs. 2 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW)
nachholbar oder ein allfälliger Verfahrensverstoß gemäß § 46 VwVfG NRW
unbeachtlich wäre. Im Übrigen kann offen bleiben, ob bei einem Wechsel des
Förderortes und des Förderschwerpunktes die Einholung eines schulärztlichen und
sonderpädagogischen Gutachtens gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Schulgesetzes für das
Land Nordrhein-Westfalen (SchulG) erforderlich ist,
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. August 2009 - 19 B 897/09 -,
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weil es im vorliegenden Verfahren nur um einen Wechsel des Förderortes geht.
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In materieller Hinsicht bestehen zunächst keine Zweifel daran, dass bei dem Sohn der
Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt.
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Zu Recht geht der Antragsgegner auch von dem Förderschwerpunkt "Emotionale und
soziale Entwicklung" aus. Nach § 5 Abs. 3 AO-SF liegt eine Lern- und
Entwicklungsstörung mit dem Förderschwerpunkt "Emotionale und soziale Entwicklung"
vor, wenn sich eine Schülerin oder ein Schüler der Erziehung so nachhaltig verschließt
oder widersetzt, dass sie oder er im Unterricht nicht oder nicht hinreichend gefördert
werden kann und die eigene Entwicklung oder die der Mitschülerinnen und Mitschüler
erheblich gestört oder gefährdet ist.
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Diese Voraussetzungen sind aufgrund der Begründung der Städtischen
Gemeinschaftshauptschule vom 00.00.2010 zum Antrag auf Förderortwechsel als erfüllt
anzusehen. Der Antragsteller ist danach kaum für ein schulisches Thema zu erreichen
und stört den Unterrichtsablauf so massiv, dass das Lernen für alle anderen unmöglich
gemacht wird. Zudem ist er gewaltbereit gegenüber seinen Mitschülern.
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Selbst wenn zum jetzigen Zeitpunkt noch ein zusätzlicher Förderbedarf im Bereich
Sprache vorliegen sollte, wofür der Entwicklungsbericht der Schule aus 00.2009
sprechen könnte, würde sich nichts daran ändern, dass jedenfalls der
Förderschwerpunkt "Emotionale und soziale Entwicklung" besteht, welcher
wahrscheinlich auch vorrangig wäre.
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Vor diesem Hintergrund ist schließlich, was die Bestimmung des Förderortes anbetrifft,
nicht zu beanstanden, dass die besuchte Schule keine Möglichkeit mehr sieht, den
Antragsteller weiter im Rahmen des bisher erteilten Gemeinsamen Unterrichts zu
fördern. Anhaltspunkte dafür, dass trotz seines Verhaltens eine abweichende
Beurteilung geboten sein könnte, sind nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 des
Gerichtskostengesetzes. Der hälftige Ansatz des Auffangwertes trägt dem
summarischen Charakter des vorliegenden Verfahrens Rechnung.
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