Urteil des VG Aachen vom 25.10.2006

VG Aachen: wegnahme, burg, verfügung, auflage, scheune, verwaltungsakt, unterbringung, schwere des grundrechtseingriffs, rechtswidrigkeit, tierschutzgesetz

Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 3359/04
Datum:
25.10.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 3359/04
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Überlassung der am 11. Dezember 2002
fortgenommenen zehn Pferde durch den Beklagten an den
Tierschutzverein "B. " e. V. rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 3/4, der Beklagte zu 1/4.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch den
Kläger wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrags
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger betrieb eine Pferdehaltung auf der Burg E. in T. , die er gepachtet hatte. Mit
Schreiben vom 17. September 2001 teilte der Verpächter dem Beklagten mit, dass der
Kläger das Anwesen räumen müsse, nachdem das Amtsgericht F. ihn zur Räumung
verurteilt hatte.
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Am 14. Januar 2002 überprüfte der Beklagte die Pferdehaltung des Klägers auf Burg E. .
Ausweislich des darüber gefertigten Vermerks hielt der Kläger zu dieser Zeit noch 35
Pferde. Nach Aussage eines weiteren Bewohners der Burg stünden die Pferde fast den
ganzen Tag im Stall. Aufgrund der Witterung (ca. 30 cm hohe Schneedecke) sei klar
festzustellen, dass die Pferde nur noch innerhalb der Burg Auslauf hätten. Bei den
meisten Pferden seien der Bauch und teilweise die Beine mit alten Schmutzkrusten
behaftet gewesen. Dies sei ein Anzeichen dafür, dass die Tiere überwiegend in
mangelhaft eingestreuten Boxen mehr oder weniger in ihrem Kot lägen. Der
Ernährungszustand der Pferde sei soweit in Ordnung. Die Hufpflege sei bei den meisten
Pferden im hohen Stroh nicht zu erkennen. Eine Schimmelstute in der Anbindung habe
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mehrmals massiv gehustet. In der ersten Box links im Mitteltrakt habe ein hochgradig
abgemagerter Fuchshengst gestanden.
Im Aktenvermerk des Beklagten vom 16. April 2002 heißt es, im Rahmen einer
"Nachkontrolle" sei festgestellt worden, dass die "Zustände wie gehabt" seien: Hoftor
offen, keine Pferde auf der Koppel. Es sei "erstaunlich gut eingestreut" worden. Drei
Boxen seien wieder doppelt belegt gewesen. Der Kreisveterinär habe dem Kläger
"eingeschärft", die Boxen immer gut einzustreuen und die Doppelbelegungen sofort
abzustellen. Schließlich seien mindestens zehn gut eingestreute, leere Boxen
vorhanden.
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Am 23. April 2002 hielt die Tierschutzorganisation "B. " e. V. eine Demonstration vor der
Burg E. ab. Ausweislich eines Berichts im Kölner Stadt-Anzeiger vom 25. April 2002
drangen etwa 35 Aktivisten in den Burghof ein und öffneten - vor laufenden Kameras
verschiedener Fernsehteams - die Stalltüren. Herbeigerufene Vertreter des Beklagten
hätten sich Vorwürfen der "Tierschutz-Aktivisten" ausgesetzt gesehen. Einem Artikel in
der Kölnischen Rundschau vom 25. April 2002 zufolge hätten Vertreter der "B. "
angeboten, die 35 Pferde des Klägers zu übernehmen und auf Gnadenhöfen
unterzubringen. Für den 25. April 2002 sei eine Zusammenkunft des Klägers, des
Kreisveterinärs und eines Vertreters von "B. " geplant, bei der das weitere Vorgehen
besprochen werden sollte.
5
Mit Ordnungsverfügung vom 30. April 2002, die "Pferdehaltung auf Burg E. " betreffend,
ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger (1.) die Wegnahme der Pferde und deren
anderweitige pflegliche Unterbringung auf Kosten des Klägers an. Der Kläger habe (2.)
sicherzustellen, dass bis zum 31. Mai 2002 folgende Haltungsbedingungen für die Tiere
erfüllt würden: a) Die Pferde seien in einem ausreichend belichteten und belüfteten
Stallgebäude unterzubringen. b) Die zur Verfügung stehende Stallfläche für jedes Tier
müsse mindestens 10 m² betragen. c) Das Stallgebäude sei mit den notwendigen
Versorgungseinrichtungen (Wasser- und Stromanschluss) zu versehen und müsse
einen verletzungsfreien Aufenthalt der Pferde ermöglichen. d) Dem Kläger müssten
dauerhaft Flächen zur Verfügung stehen, so dass allen Pferden täglich mindestens 30
Minuten Auslauf gewährt werden könne. Die sofortige Vollziehung der Verfügung zu
Ziffer 1 und 2 werde (3.) angeordnet. Zur Durchsetzung der in Ziffer 1 getroffenen
Anordnung werde dem Kläger (4.) die Wegnahme der Tiere ab dem 13. Mai 2002
angedroht. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe wiederholt
Auflagen zur Verbesserung der Pferdehaltung nicht eingehalten. Zuletzt sei am 22. April
2002 festzustellen gewesen, dass aufgrund der allgemeinen Umstände auf der Burg E.
eine tierschutzgerechte Pferdehaltung nicht mehr möglich sei. Die wiederholte
amtstierärztliche Begutachtung habe ergeben, dass durch die vom Kläger betriebene
Pferdehaltung den Tieren erhebliche vermeidbare Schmerzen und Leiden zugefügt
würden. Der Kläger lasse die Pferde nach eigenen Angaben wechselweise lediglich
einige Minuten morgens und abends laufen, zuletzt ab dem Zeitpunkt, ab dem das
Burgtor offen gehalten werden müsse, habe er die Tiere nur noch zur Tränke geführt.
Auch fehle es an einer regelmäßigen Hufpflege. Die Wegnahme der Tiere entspreche
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar habe der Kläger die Versorgung der Tiere
mit Futter verbessert. Jedoch habe sich die Situation insoweit verschlechtert, als die
Tiere zwischenzeitlich über keinen Auslauf mehr verfügten. Die Frist für die Wegnahme
sei ausreichend bemessen. Die Wegnahme sei am 22. April 2002 mündlich verfügt
worden, so dass dem Kläger bis zum Ablauf der Wegnahmefrist noch mehr als drei
Wochen zur Verfügung stünden, um eine artgerechte Unterbringung der Tiere zu
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organisieren. Der Kläger sei die für die Pferdehaltung verantwortliche Person. Die
Anordnung des Sofortvollzugs der Ziffer 1 sei geboten, weil es im öffentlichen Interesse
stehe, dass Wirbeltiere nicht länger anhaltende Schmerzen litten oder dass ihnen
Schäden zugefügt würden. Das öffentliche Tierschutzinteresse überwiege das
persönlich motivierte Interesse des Klägers an der Betreuung der Tiere bis zu ihrem
Ableben. Die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich Ziffer 2 sei ebenfalls geboten.
Nach Ablauf der gesetzten Frist sei es nicht mehr interessengerecht, die Behörde mit
dem Kostenrisiko zu belasten.
In einem Aktenvermerk des Beklagten vom 7. Mai 2002 ("Nachkontrolle") heißt es, auf
den Koppeln seien keine Pferde vorhanden. Vier Pferde seien im Hof gelaufen.
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Der Kläger erhob am 8. Mai 2002 Widerspruch und stellte beim erkennenden Gericht
einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, der unter dem
Aktenzeichen 6 L 507/02 geführt wurde. Zur Begründung seines Widerspruchs führte er
aus, es sei nicht richtig, dass er wiederholt Auflagen des Beklagten nicht beachtet habe.
Wie der tierärztliche Bericht von Dr. H. vom 15. Oktober 2001 zeige, sei der
Gesundheits- und Ernährungszustand der Pferde gut. Die Pferde verfügten auch über
ausreichend Futtermittel. Richtig sei indes, dass er seit April 2002 das Burgtor nicht
mehr schließen dürfe. Zwischenzeitlich hätten die Pferde auch wieder eine
Auslaufmöglichkeit auf der Weide hinter den Stallungen links hinter dem Torausgang.
Dort befänden sich die Pferde. Außerdem habe der Kläger nunmehr die Möglichkeit, die
Pferde ab Ende Mai 2002 Tag und Nacht auf anderen Weiden unterzubringen. Damit
seien spätestens ab Ende Mai 2002 30 Pferde nachweislich untergebracht. Die
restlichen drei dann noch verbleibenden Pferde seien bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls
an anderer Stelle untergebracht bzw. veräußert. Die Haltungsbedingungen auf der Burg
müssten bis zum 31. Mai 2002 nicht mehr geändert werden, weil sich dann keine Pferde
mehr dort befänden und weil die Pferde auch nicht mehr dorthin zurückkehrten. Zudem
sei darauf hinzuweisen, dass bei den zuletzt vorgenommenen Untersuchungen nur
noch kleinere Beanstandungen gemacht worden seien. Jedenfalls würden die Pferde
spätestens ab dem 31. Mai 2002 eine geordnete Unterbringungsmöglichkeit auf der
Tag- und Nachtweide haben. Einer Wegnahme der Tiere bedürfe es daher nicht mehr.
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Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2002 teilte der Beklagte im Eilverfahren 6 L 507/02 mit, dass
der Kläger zwischenzeitlich sämtliche Pferde anderweitig untergebracht habe. Das
Verfahren wurde daraufhin von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für
erledigt erklärt.
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Mit am 21. Juni 2002 zugestellter Ordnungsverfügung vom 13. Juni 2002 setzte der
Beklagte (1.) die Wegnahme der Pferde fest und ordnete (2.) deren Veräußerung an. Die
sofortige Vollziehung von Ziffer 2 wurde (3.) angeordnet. Zur Begründung führte der
Beklagte aus, im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens 6 L 507/02 seien
die Tiere zunächst von dem Kläger anderweitig untergebracht worden. Überdies habe
der Kläger außergerichtlich zugesagt, in Zukunft eine artgerechte Haltung
sicherzustellen. Aus diesem Grund sei von einer Durchsetzung der Verfügung vom 30.
April 2002 zunächst abgesehen und das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren im
Hinblick auf die Zusage des Klägers für erledigt erklärt worden. In der Folgezeit habe
der Kläger jedoch keinen Nachweis einer zur Verfügung stehenden ordnungsgemäßen
Stallung erbracht. Darüber hinaus erfolge immer noch keine regelmäßige Hufpflege, so
dass die Umstände, die für den Erlass der Ordnungsverfügung vom 30. April 2002
maßgeblich gewesen seien, unverändert vorlägen. Aus diesem Grund sei die
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Vollstreckung der Verfügung vom 30. April 2002 nunmehr im Interesse des Tierschutzes
unerlässlich.
Unter dem 18. Juni 2002 teilte der Beklagte der Staatsanwaltschaft B1. zum dortigen
Ermittlungsverfahren 50 Js 239/02 mit, dass der Kläger die Tiere mittlerweile freiwillig
anderweitig untergebracht habe. Gleichwohl sei am 13. Juni 2002 die amtliche
Wegnahme der Tiere verfügt worden, damit - soweit eine dauerhafte tierschutzgerechte
Unterbringung nicht erfolge - auf die Tiere zugegriffen werden könne.
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Der Kläger erhob am 21. Juni 2002 Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung vom 13.
Juni 2002 und suchte beim erkennenden Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nach.
Zur Begründung seines Widerspruchs führte er aus, die Ordnungsverfügung vom 30.
April 2002 sei aufgrund der erreichten freiwilligen Lösung, nämlich der Verbringung der
Pferde durch den Kläger auf Weiden im Bereich T. -T1. und in O. , erledigt. Der Kläger
sei den Anordnungen insgesamt nachgekommen. Es sei unstreitig, dass die Pferde sich
in einem guten Gesundheits- und Ernährungszustand befänden. Sämtliche Pferde
hätten glänzende Felle und es sei auch eine ausreichende Bearbeitung der Hufe
gesichert. Daher bestehe zur Zeit keine Veranlassung, die Wegnahme der Pferde
festzusetzen. Dies gelte erst recht für die Anordnung der Veräußerung der Pferde. Der
Kläger sei bemüht, auch für den Herbst artgerechte Unterbringungsmöglichkeiten zu
schaffen.
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Im Eilverfahren 6 L 687/02 trug der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Juli 2002 vor, die
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 habe sich entsprechend ihrem Betreff
ausdrücklich auf die Pferdehaltung auf der Burg E. bezogen. Im Zeitpunkt des
Verfügungserlasses habe bereits festgestanden, dass der Kläger zivilrechtlich
verpflichtet gewesen sei, das Objekt zu räumen. Vielfache Gespräche hätten dann dazu
geführt, dass es zu einer Vereinbarung gekommen sei, dass vier Pferde in O. - A. und
die weiteren auf einer Weide in T. -T1. untergebracht würden. Derzeit sei eine
artgerechte Haltung der Pferde gewährleistet. Der Ernährungszustand der Pferde sei
nicht zu beanstanden. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2002 entgegnete der Beklagte, die
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 sei nicht erledigt. Sie beziehe sich nicht allein
auf die Pferdehaltung auf Burg E. . Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2002 trug der Beklagte
weiter vor, Vertreter von "B. " und der Kläger hätten sich darauf verständigt, die Pferde
an den jetzigen Standort zu bringen. Der Beklagte habe zwar gegen diese
Vorgehensweise keine Einwände gehabt, jedoch uneingeschränkt an seiner
Ordnungsverfügung festgehalten.
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Im Erörterungstermin am 11. September 2002 im Verfahren 6 L 687/02 erklärte der
Kläger, er wolle in Zukunft nur noch höchstens 10 Pferde halten und sich von dem
Großteil seiner Herde trennen. Der Vertreter des Beklagten erklärte daraufhin, dass der
Beklagte das festgesetzte Zwangsmittel der Wegnahme der Pferde und auch die
Veräußerung nicht vor dem 15. Oktober 2002 anwenden werde. Nach diesem Zeitpunkt
werde der Beklagte allerdings die Pferdehaltung des Klägers nicht mehr hinnehmen,
wenn dieser nicht bis dahin nachgewiesen habe, dass er die Unterbringung der Tiere
entsprechend § 2 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) für den kommenden Winter und
die nachfolgenden Jahre sichergestellt habe. Der Kläger erklärte sodann, dass er den
Eilantrag mit Rücksicht auf die Zusage des Beklagten zurücknehme. Er sei bereit, sich
den Ordnungsverfügungen des Beklagten zu beugen und sehe ein, dass er nicht in der
Lage sei, eine Herde von 27 Tieren zu halten.
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In einem Aktenvermerk des Beklagten (Blatt 195-196 der Beiakte IV) heißt es, am 7.
November 2002 sei die Pferdehaltung des Klägers in E. ("Scheune X. ") und N.
("Stallgebäude H. ") durch den Kreisveterinär überprüft worden. In der "Scheune X. "
würden zur Zeit die 18 Pferde von der Weide in T1. gehalten. Die Scheune habe eine
Grundfläche von 4 x 15 m. Auf dieser Fläche könnten nach den vorliegenden Gutachten
höchstens 8 Pferde untergebracht werden, auch wenn an diesen Stall eine ausreichend
große Weide als Auslauf angeschlossen sei. Der Kläger habe dem Kreisveterinär
zugesichert, dass der Pferde-bestand in der Scheune in E. bis zum 15. November 2002
reduziert würde.
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Am 11. Dezember 2002 nahm der Beklagte 10 Pferde des Klägers weg. Ausweislich
des diesbezüglichen Aktenvermerks des Beklagten (Blatt 196a der Beiakte IV) hätten
schließlich Zwangsmittel angewendet werden müssen, da der Kläger die Vorgabe einer
Reduktion der Tierzahl in der Scheune in E. nicht eingehalten habe. Der Abtransport der
beschlagnahmten Pferde sei in Absprache mit "B. " organisiert worden. Gegen 11.30
Uhr sei das erste Pferd, eine über 30 Jahre alte, stark abgemagerte Schimmelstute,
verladen worden. Trotz des Einsatzes eines Tierarztes mit Sedierung sei bis 17.30 Uhr
kein weiteres Tier verladen worden. Man habe sich zur Besprechung und zum
Aufwärmen in ein Lokal zurückgezogen und dann entschieden, zwei größere
Pferdetransporter zu organisieren. Gegen 19.30 Uhr hätten nach zwei Versuchen und
einem kurzfristigen Polizeieinsatz 10 Pferde verladen und der Obhut von "B. "
übergeben werden können. Da die Pferde außer dem Schlachtpreis keinen materiellen
Wert besessen hätten, seien sie "B. " unentgeltlich gegen Übernahme der
Transportkosten durch "B. " überlassen worden.
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Der Kläger erhob am 20. Dezember 2002 Widerspruch "gegen die dem Abtransport
zugrunde liegende Ordnungsverfügung".
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Mit Schreiben vom 10. Januar 2003 teilte der Beklagte dem damaligen Bevollmächtigten
des Klägers mit, sämtliche Verfügungen des Beklagten stünden formell und materiell
nicht mehr zur Disposition. Insofern erübrigten sich weitere klägerseitige Maßnahmen.
Weitere interessante Informationen fänden sich auf der Internetseite www.b. .net. Zur
besseren Übersicht über die Chronologie empfehle es sich, die Durchsicht bei der
"Aktion vom 24.4.2002" zu beginnen.
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Mit Schreiben vom 7. Juli 2003 forderte der Kläger den Beklagten auf mitzuteilen, wohin
die 10 sichergestellten Pferde, die immer noch im Eigentum des Klägers stünden,
verbracht worden seien. Außerdem seien die eingelegten Widersprüche zu bescheiden.
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Am 7. Juli 2003 stellte der Kläger beim erkennenden Gericht einen Antrag auf
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Hauptziel der Rückgängigmachung
der Folgen der Vollziehung vom 11. Dezember 2002 und der vorläufigen Rückgabe der
10 Pferde an den Kläger. Der Eilantrag wurde unter dem Aktenzeichen 6 L 734/03
geführt. In seiner Antragserwiderung vom 28. Juli 2003 führte der Beklagte aus, der
Kreisveterinär habe die Einhaltung der Zusage des Klägers vom Erörterungstermin vom
11. September 2002 am 7. November 2002 in E. und N. kontrolliert. Hierbei sei
festgestellt worden, dass der Kläger in der Scheune in E. 18 Pferde halte, obwohl diese
sich von ihrer Fläche her lediglich für die Unterbringung von maximal 8 Pferden eignete.
Hierauf habe der Kläger zugesagt, den Bestand bis zum 15. November 2002 zu
reduzieren. Auch an diese Zusage habe er sich nicht gehalten, so dass am 11.
Dezember 2002 das Zwangsmittel der Fortnahme habe angewendet werden müssen.
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Die Pferde, die keinen Marktwert mehr besäßen, seien "B. " unentgeltlich übereignet
worden und zwischenzeitlich auf verschiedenen Gnadenhöfen untergebracht. Die
Pferde seien im Zeitpunkt der Sicherstellung in keinem guten Ernährungs- und
Gesundheitszustand gewesen. Die Wegnahme sei ein Realakt und bedürfe keiner
schriftlichen Bestätigung durch eine erneute Ordnungsverfügung. Darauf entgegnete der
Kläger mit Schriftsatz vom 13. August 2003, die Sicherstellung der 10 Pferde habe nicht
auf die Ordnungs-verfügungen vom 30. April 2002 und vom 13. Juni 2002 gestützt
werden können. Diese hätten sich ausschließlich auf die Pferdehaltung auf Burg E.
bezogen. Am 9. November 2002 habe der Kläger 18 Pferde von der Tag- und
Nachtweide in T1. nach E. verbracht. Erst in der darauffolgenden Woche sei der
Kreisveterinär erschienen, um sich bezüglich der Unterbringung der Pferde in E. zu
erkundigen. Der Kläger habe ihm mitgeteilt, dass zwei der Pferde bereits verkauft seien
und drei weitere Pferde in einer anderen Stallung untergebracht würden. Der Laufstall,
in welchem die Pferde des Klägers untergebracht gewesen seien, habe insgesamt über
eine angrenzende Auslauffläche von etwa 10.000 m² verfügt. Der Kreisveterinär habe
gegenüber dem Kläger keine Angaben dazu gemacht, ob die von ihm gehaltene Zahl
der Pferde in dem Laufstall untergebracht werden könne. Der vom Beklagten
behauptete Termin vom 7. November 2002 habe nicht stattgefunden. Der Inhalt des
diesbezüglichen Aktenvermerks des Beklagten treffe nicht zu. Der Marktwert der 10
Pferde habe ca. 25.600,- EUR betragen. Es handele sich bei ihnen um Pferde der sog.
"Pregel- Abstammung", einer selten gewordenen Zuchtlinie. Am 11. Dezember 2002
hätten sich alle Tiere in einem guten Ernährungszustand befunden. Bezüglich der 10
Pferde, die der Beklagte sichergestellt habe, habe der Kläger bereits im Zeitpunkt der
Sicherstellung sowie auch zum jetzigen Zeitpunkt über eine geeignete
Unterbringungsmöglichkeit in T. -H1. verfügt. Hierbei handele es sich um einen Reit-
und Zuchtbetrieb mit großzügigen Gebäuden und großen Weideflächen. Mit Schriftsatz
vom 18. August 2003 führte der Kläger weiter aus, die Fortnahme der Tiere am 11.
Dezember 2002 hätte ein Gutachten eines beamteten Tierarztes vorausgesetzt. Ein
solches sei aber nicht erstellt worden. Der Beklagte habe auch nicht nach einzelnen
Tieren differenziert. Vielmehr sei bei der Fortnahme der Tiere vorrangig auf deren
Abstammung abgestellt worden. Die unentgeltliche Weitergabe der Tiere an "B. " sei
rechtswidrig gewesen. Die Sicherstellung lasse sich auch nicht auf §§ 43 ff. des
Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) stützen. Der Beklagte
habe die Pferde nicht wirksam übereignen können. Ein gutgläubiger Erwerb der "B. "
gemäß § 932 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) scheide aus, weil deren
Vertretern bekannt gewesen sei, dass die Pferde dem Kläger und nicht dem Beklagten
gehörten. Unter dem 29. August 2003 trug der Beklagte vor, dass der Kläger wiederholt
(z. B. am 6. und am 9. November 2002) durch den Kreisveterinär mündlich darauf
hingewiesen worden sei, dass die Haltung von 18 Pferden in einer Scheune von 64 m²
gegen das Tierschutzgesetz verstoße. Die Reduzierung des Tierbestandes habe der
Beklagte mehrfach angeordnet, wobei jeweils eine Frist von zwei Wochen eingeräumt
worden sei. Die letzte mündliche Warnung sei am 3. Dezember 2002 erfolgt. Die Pferde
seien weder von "B. " noch von dem Beklagten ausgewählt worden. Es sei lediglich um
eine Reduktion der Besatzdichte auf ein erträgliches Maß gegangen. Der Vorwurf einer
selektiven Pferdeauswahl sei völlig unzutreffend. Die Pferde des Klägers hätten
nachweislich nur noch einen Schlachtwert gehabt. Die Tiere seien in das Eigentum der
"B. " übergegangen und befänden sich derzeit wohl auf zwei Gnadenhöfen in Wuppertal
und Osnabrück. Mit Schriftsatz vom 4. September 2003 erklärte der Kläger dazu, der
Kreisveterinär sei nicht wiederholt bei ihm vorstellig geworden. Weder am 6. noch am 9.
November noch am 3. Dezember 2002 sei er in der Scheune gewesen. Darüber gebe
es auch keinen Vermerk in der Akte des Beklagten. Erst in der Woche vom 10. bis zum
16. November 2002 seien Mitarbeiter des Beklagten beim Kläger erschienen.
Fristsetzungen von zwei Wochen seien nie erfolgt. Bei der vom Beklagten angegebenen
Stallfläche von 64 m² sei zudem die Haltung von 10 bis 12 Pferden zulässig gewesen.
Mit Beschluss vom 11. September 2003 - 6 L 734/03 - lehnte die Kammer den Eilantrag
ab. Im nachfolgenden Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) legte der Kläger mit Schriftsatz vom 30. Oktober
2003 ein Schreiben des Sachverständigen C. vor. Diesem zufolge sei der Verkehrswert
von Stuten der Pregellinie bei Zuchttauglichkeit selbst in einem Alter von über 20 Jahren
noch mit 2.000,- EUR bis 3.000,- EUR anzusetzen. Mit Beschluss vom 28. November
2003 - 20 B 2048/03 - wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen die Beschwerde zurück. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung,
wonach sich die Fortnahme und die anschließende Übereignung der Pferde nicht als
rechtswidrig, sondern wahrscheinlich als rechtmäßig erweise, begegne zwar Bedenken.
Diese hätten aber nicht ein solches Gewicht, dass ohne Weiteres auf das Gegenteil,
nämlich die Rechtswidrigkeit der Fortnahme und/oder Weggabe der Pferde geschlossen
werden könnte. Insbesondere der Hinweis des Klägers darauf, dass sich die vor der
Fortnahme der Pferde erlassene Ordnungsverfügung auf die "Pferdehaltung auf Burg E.
" bezogen habe und konkret benannte Missstände der Tierhaltung tragender Grund der
Ordnungsverfügung mit der Folge gewesen sei, dass die tatsächliche Fortnahme der
Pferde hierauf nicht habe gestützt werden können, weil diese Missstände nicht mehr
gegeben gewesen seien, sei nicht von vornherein abwegig. Gleiches gelte für den
Hinweis des Klägers, dass zum Zeitpunkt der Fortnahme kein den Anforderungen des §
16 a TierSchG genügendes Gutachten eines beamteten Tiersarztes vorgelegen habe
und auch die materiellen Voraussetzungen für ein solches Gutachten nicht bestanden
hätten. Fraglich sei auch, ob der Beklagte bereits im Zeitpunkt der Fortnahme der Pferde
davon habe ausgehen dürfen, dass dem Kläger eine anderweitige
Unterbringungsmöglichkeit der fortgenommenen Tiere nicht - auch nicht in absehbarer
Zeit - möglich sei, und deshalb darauf habe verzichten dürfen, dem Kläger eine Frist zu
setzen, um sogleich einen Eigentumsverlust herbeizuführen. Für den Fall, dass die
Verfügungen vom 30. April 2002 und vom 13. Juni 2003 keine Grundlage mehr bilden
könnten - mithin erledigt seien - sei zu erwägen, ob die Fortnahme der Tiere auch ohne
vorherige Ordnungsverfügung habe ergehen können, und gegebenenfalls zu fragen, ob
auch die gesetzlichen Voraussetzungen des § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG gegeben
gewesen seien.
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Mit E-Mail vom 3. Juni 2004 teilte der Beklagte der Bezirksregierung Köln mit, dass es
bei der Wegnahme nicht in erster Linie um den Zustand der Pferde, sondern um die
Unterbringung gegangen sei. Der Kläger habe 16 Pferde in einer Scheune mit 64 m²
untergebracht. Dieser Zustand habe über mehrere Wochen bestanden. Der
Kreisveterinär habe dem Kläger mindestens zweimal eine Frist von zwei Wochen zur
Veränderung dieses Zustands gesetzt. Er habe den Kläger darauf hingewiesen, dass
bei Nichteinhaltung dieser mündlichen Anordnung der Bestand durch das Veterinäramt
auf ein erträgliches Maß von 8 Pferden reduziert würde.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2004, zugestellt am 15. Juni 2004, wies die
Bezirksregierung Köln die Widersprüche des Klägers zurück. Unter anderem führte sie
aus, am 7. November 2002 habe der Beklagte einen mündlichen Verwaltungsakt
erlassen, der sinngemäß die Feststellung zum Inhalt gehabt habe, dass die erhebliche
Vernachlässigung sämtliche Pferde i.S.d. § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG zu dem
Zeitpunkt, als sie sich in der "Scheune X. " in E. befunden hätten, weiterhin gegeben
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gewesen sei und dass sich daher in Bezug auf 10 Pferde die Anordnung der
Wegnahme nicht erledigt habe. Der Kläger habe in der "Scheune X. " 18 Pferde
gehalten, obwohl das den Pferden in der Scheune zur Verfügung stehende
Platzangebot lediglich in Bezug auf 8 Pferde den tierschutzrechtlichen Anforderungen
genügt habe.
Der Kläger hat am 15. Juli 2004 Klage erhoben.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Zur Frage des Feststellungsinteresses trägt er vor, dieses ergebe sich aus den
Gesichtspunkten der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses, der
Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses und weil in erheblichem Umfang in seine
Grundrechte eingegriffen worden sei.
25
Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 30. April 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Köln vom 14. Juni 2004 rechtswidrig war,
27
2. festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Köln vom 14. Juni 2004 rechtswidrig war,
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3. festzustellen, dass der mündliche Verwaltungsakt des Beklagten vom 7. November
2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Köln vom 14. Juni
2004 rechtswidrig war,
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4. festzustellen, dass die konkrete Durchführung der Fortnahme der zehn Pferde und
ihre Überlassung durch den Beklagten an den Tierschutzverein "B. " e. V. am 11.
Dezember 2002 rechtswidrig waren,
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hilfsweise,
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1. den Bescheid des Beklagten vom 30. April 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Köln vom 14. Juni 2004 aufzuheben,
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2. den Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Köln vom 14. Juni 2004 aufzuheben,
33
3. den mündlichen Verwaltungsakt des Beklagten vom 7. November 2002 in der Gestalt
des Widerspruchs- bescheids der Bezirksregierung Köln vom 14. Juni 2004
aufzuheben,
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4. die Vollziehungsmaßnahmen vom 11. Dezember 2002 (Sicherstellung, Verwahrung
und Unterbringung der zehn Trakehner) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der
Bezirksregierung Köln vom 14. Juni 2004 aufzuheben.
35
Außerdem beantragt der Kläger,
36
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Der Beklagte beantragt,
38
die Klage abzuweisen.
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Er trägt ergänzend vor, die als Fortsetzungsfeststellungsklage erhobene Klage lasse
nicht erkennen, welches Interesse der Kläger verfolge. Eine Rückführung der Tiere sei
nicht möglich und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen scheitere
daran, dass die Tiere im Zeitpunkt der Veräußerung über keinen Marktwert mehr verfügt
hätten.
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Unter dem 9. Dezember 2005 erhob der Kläger Amtshaftungsklage beim Landgericht
Bonn - 1 O 530/05 - mit dem Ziel, den Kreis F. zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v.
30.000,- EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.
Dezember 2002 zu verurteilen. In der Klageschrift trug er vor, dass über das Vermögen
von "B. " am 15. Juni 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Der Kläger habe
seine Ansprüche auf Herausgabe der in seinem Eigentum stehenden Pferde gegenüber
dem Insolvenzverwalter angemeldet und Schadensersatzansprüche geltend gemacht.
Bislang sei jedoch weder eine Herausgabe der Pferde noch eine Ausgleichung der
Schadensersatzansprüche erfolgt. Im Hinblick auf das laufende Insolvenzverfahren
könne auch nicht mit einer Erfüllung der Ansprüche des Klägers durch den
Insolvenzverwalter gerechnet werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die
10 Pferde von "B. " an Dritte vermittelt worden seien. Die Höhe des Schadens ergebe
sich aus dem Marktwert der herauszugebenden Pferde, der zum Zeitpunkt der
Wegnahme bei 30.000,- EUR gelegen habe.
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Am 19. Juli 2006 hat das Gericht einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen des
Ergebnisses der Erörterung und der von den Beteiligten abgegebenen Erklärungen wird
auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
42
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vom Beklagten (3 Hefte) und der Bezirksregierung Köln (1 Heft)
vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Bezug genommen wird
außerdem auf den Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren 6 L 507/02, 6 L 687/02, 6 L
734/03 sowie der Gerichtsakte des Landgerichts Bonn 1 O 530/05, soweit sie dem
Gericht vorgelegen hat.
43
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
44
Die Hauptanträge zu 1. und 4. sind zulässig, die Hauptanträge zu 2. und 3. unzulässig.
45
Der Hauptantrag zu 1. ist unbegründet. Der Hauptantrag zu 4. ist begründet, soweit der
Kläger die Feststellung begehrt, dass die Überlassung der 10 Pferde an "B. " am 11.
Dezember 2002 rechtswidrig war. Im Übrigen ist der Hauptantrag zu 4. unbegründet.
46
Die Hilfsanträge sind - soweit über sie zu entscheiden ist - unzulässig.
47
Die Haupanträge zu 1. bis 3. sind als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs.
1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analog, der Hauptantrag zu 4. als
Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft.
48
Hat sich der Verwaltungsakt vorher - d. h. nach Klageerhebung, aber vor der
gerichtlichen Entscheidung - durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das
49
Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der
Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an
dieser Feststellung hat. Diese Regelung gilt analog für die Fälle des Eintritts der
Erledigung von Klageerhebung.
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 99.
50
Erledigung tritt ein durch den Wegfall der mit einer angefochtenen Regelung
verbundenen Beschwer, also durch den Wegfall ihrer intendierten Regelungswirkung.
51
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 102; Kuntze, in: Bader/Funke-
Kaiser/Kuntze/von Albedyll, 3. Auflage 2005, § 113 Rn. 50; Gerhardt, in:
Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand Mai 1997, § 113 Rn. 81.
52
Fälle der Erledigung eines Verwaltungsaktes sind in § 43 Abs. 2 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) genannt. Danach bleibt ein Verwaltungsakt
wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig
aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Eine Erledigung
des Verwaltungsaktes "auf andere Weise" ist etwa dann anzunehmen, wenn alle
Beteiligten übereinstimmend einen früheren Verwaltungsakt als obsolet ansehen und
davon ausgehen, dass die Sach- und Rechtslage auf dem Boden der neuen
"Geschäftsgrundlage" anzusehen ist.
53
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 102; Sachs, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 43 Rn. 196.
54
Die freiwillige Befolgung bzw. die im Wege des Verwaltungszwangs erfolgende
Durchsetzung einer durch Verwaltungsakt aufgegebenen Verpflichtung allein führt noch
nicht zur Erledigung, solange die Folgen noch rückgängig gemacht werden können und
dies bei objektiver Betrachtung noch sinnvoll erscheint oder der Kläger durch sonstige
unmittelbare rechtliche Auswirkungen des Verwaltungsakts noch beschwert ist, z. B.
wenn noch ein Kostenersatzanspruch in Betracht kommt, für den der Verwaltungsakt die
Grundlage bildet.
55
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 104 und Rn. 106;
Bundesverwaltungsgericht, (BVerwG), Beschluss vom 17. November 1998 - 4 B 100.98
-, juris; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2006 - 8 A 4495/04 -, S. 12 f. des amtlichen
Umdrucks; OVG NRW, Urteil vom 13. Juni 2006 - 13 A 632/04 -, S. 10 des amtlichen
Umdrucks; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 43 Rn. 200;
Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand Mai 1997, §
113 Rn. 88; für eine tierschutzrechtliche Wegnahmeanordnung: Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 25. Februar 2005 - 25 ZB 04.1538 -,
juris; Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart, Beschluss vom 28. Oktober 2004 - 4 K 3529/04
-, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht- Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 2005,
408=juris.
56
Nach diesen Grundsätzen haben sich die mit den Hauptanträgen zu 1. bis 3.
angegriffenen Ordnungsverfügungen des Beklagten vom 30. April 2002, vom 13. Juni
2002 und vom 7. November 2002 - insoweit soll mit der Bezirksregierung Köln davon
ausgegangen werden (siehe S. 12 des Widerspruchsbescheids), dass an diesem Tag
ein feststellender Verwaltungsakt mit dem sinngemäßen Inhalt ergangen ist, dass die
57
erhebliche Vernachlässigung sämtlicher Pferde zu dem Zeitpunkt, als sie sich in der
Scheune in E. befanden, weiterhin gegeben gewesen sei und dass sich daher in Bezug
auf eine Anzahl von 10 Pferden die Anordnung der Wegnahme nicht erledigt habe -
erledigt. Denn die von ihnen im Rahmen ihrer intendierten Regelungswirkung für den
Kläger ausgehende Beschwer ist entfallen.
Die Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 hat sich jedoch nicht bereits dadurch
erledigt, dass der Kläger die Pferde im Mai 2002 von Burg E. entfernte. Das Gericht hält
auch in Ansehnung der Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 28. November 2003 - 20 B 2048/03 - daran fest,
dass die vorgenannte Ordnungsverfügung sich nicht allein auf die Pferdehaltung auf
Burg E. bezog. Wie im Eilbeschluss vom 11. September 2003 - 6 L 734/03 - (dort S. 6 f.)
dargelegt, ergibt sich dies im Wege der Auslegung aus dem Tenor, der
Bescheidbegründung und den sonstigen Umständen des Verfügungserlasses. Für
diese Lesart spricht zudem, dass es sich bei einer auf § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG
gestützten Verfügung grundsätzlich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt,
58
vgl. Kluge, in: Kluge, Tierschutzgesetz, 2002, § 16 a Rn. 22; VG Augsburg, Urteil vom
16. Februar 2005 - Au 5 K 03.512 -, juris,
59
und dass der Beklagte der Staatsanwaltschaft B1. unter dem 18. Juni 2002 mitteilte, die
Wegnahme sei verfügt worden, um auf die Tiere zugreifen zu können, soweit eine
dauerhafte tierschutzgerechte Unterbringung nicht erfolge.
60
Eine Erledigung lässt sich in diesem Zusammenhang im Übrigen nicht aus der
Erledigungserklärung des Beklagten vom 27. Mai 2002 im Eilverfahren 6 L 507/02
herleiten. Die Bezirksregierung Köln weist im Widerspruchsbescheid zu Recht darauf
hin, dass übereinstimmende Erledigungserklärungen im Anfechtungsverfahren die
Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit eines - wie hier im Zeitpunkt der Abgabe der
Erledigungserklärung - tatsächlich nicht erledigten Verwaltungsaktes unberührt lassen.
61
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 161 Rn. 19.
62
Gegen einen Erledigungseintritt wegen einer besonderen Ortsbezogenheit der
Verfügung vom 30. April 2002 spricht überdies gerade das weitere Vorgehen des
Beklagten mit der Ordnungsverfügung vom 13. Juni 2002. In dieser heißt es nämlich, der
Beklagte habe mit seiner Erledigungserklärung im Verfahren 6 L 507/02 lediglich mit
Blick auf die anderweitige Unterbringung der Pferde durch den Kläger zunächst von
einer Durchsetzung der Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 abgesehen.
63
Erledigung ist allerdings durch die Fortnahme der Pferde und ihre Überlassung an den
Tierschutzverein "B. " am 11. Dezember 2002 - mithin vor Klageerhebung - eingetreten.
Denn die Folgen der darin zu sehenden Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 30.
April 2002 können durch den Beklagten faktisch und (öffentlich-)rechtlich nicht mehr
rückgängig gemacht werden. Der Beklagte ist nicht mehr im Besitz der Pferde und hat
auch keine Kenntnis von deren Aufenthaltsort. Im Schriftsatz vom 29. August 2003 im
Eilverfahren 6 L 734/03 wusste der Beklagte zu dieser Frage lediglich anzugeben, dass
die Pferde sich auf Gnadenhöfen in Wuppertal und Osnabrück befänden. Dass sich an
diesem Kenntnisstand des Beklagten etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich. Wie der
Prozessbevollmächtigte des Klägers im Erörterungstermin vom 19. Juli 2006 erklärte,
kann der Kläger selbst gegenwärtig nur den Verbleib von 6 Pferden nachvollziehen; der
64
Verbleib der übrigen 4 Pferde sei hingegen ungeklärt. Unabhängig davon liegt es aber
auch nicht in der öffentlich-rechtlichen Rechtsmacht des Beklagten, den jetzigen
Besitzer der Pferde zu deren Wiederüberlassung an den Kläger zu bewegen. Mit
anderen Worten ist dem Beklagten die Beseitigung der Vollzugsfolgen unmöglich.
Insoweit ist der Kläger auf den Zivilrechtsweg angewiesen, auf dem er nach dem
Bekunden seines Prozessbevollmächtigten im Erörterungstermin vom 19. Juli 2006 und
ausweislich des Klageschriftsatzes im Verfahren vor dem Landgericht Bonn - 1 O
530/05 - bereits entsprechende Schritte unternommen hat bzw. zu unternehmen
beabsichtigt.
Der Kläger ist auch nicht mehr durch sonstige unmittelbare rechtliche Auswirkungen der
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 beschwert. Im Erörterungstermin vom 19. Juli
2006 erklärte der Vertreter des Beklagten zur Klarstellung, dass der Beklagte wegen der
Vollstreckung vom 11. Dezember 2002 gegen den Kläger keine Kostenforderung
geltend machen werde. Der Beklagte - so ergänzte dessen Vertreter im
Erörterungstermin - beabsichtigt zudem nicht, aus den Verfügungen vom 30. April 2002
und vom 13. Juni 2002 in Zukunft gegen den Kläger vorzugehen.
65
Abgesehen von den vorstehenden Ausführungen lässt sich eine Erledigung der
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 auch aus dem Umstand begründen, dass die
Beteiligten diese offenbar übereinstimmend als obsolet ansehen, was das momentane
ordnungs-(tierschutz-)rechtliche Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten
anbelangt. Dieses steht mithin gleichsam auf einer neuen "Geschäfts-grundlage". In
diese Richtung können zum einen die bereits erwähnten Erklärungen des Vertreters des
Beklagten im Erörterungstermin vom 19. Juli 2006 verstanden werden und zum anderen
insbesondere die dort abgegebenen beiderseitigen Erklärungen, man gehe davon aus,
dass die im Streit stehenden Ordnungsverfügungen erledigt seien.
66
Aus diesen Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Ordnungsverfügungen vom 13.
Juni 2002 und vom 7. November 2002 jedenfalls mit der Fortnahme der Pferde und ihrer
Überlassung an "B. " am 11. Dezember 2002 ihre Erledigung gefunden haben.
67
Der Hauptantrag zu 4. ist gemäß § 43 Abs. 1 VwGO als Feststellungsklage statthaft.
Nach dieser Vorschrift kann durch Klage u. a. die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein
berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Sein Begehren, die
Rechtswidrigkeit der Vollziehungsmaßnahmen vom 11. Dezember 2002 - also der
konkreten Durchführung der Fortnahme der 10 Pferde und ihrer Überlassung an "B. " -
feststellen zu lassen, kann der Kläger danach im Wege der Feststellungsklage
verfolgen.
68
Vgl. zur Realakteigenschaft der Vollziehungsmaßnahmen OVG für das Land
Brandenburg, Beschluss vom 25. Mai 1998 - 4 E 24/98 -, NVwZ-RR 1999, 117=juris.
69
§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger
seine Rechte durch Gestaltungs- und Leistungsklage verfolgen kann. Da es dem Kläger
ausweislich seiner Erklärung im Erörterungstermin vom 19. Juli 2006 primär um die
Wiedererlangung der Pferde geht, ließe sich zwar erwägen, dass er sein Klageziel - in
Fortführung seines Hauptbegehrens aus dem Eilverfahren 6 L 734/03 - mit einer auf die
Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen gerichteten allgemeinen Leistungsklage
70
ebenso gut oder besser erreichen könnte. Allerdings erscheint eine Feststellungsklage
in der vorliegenden Fallkonstellation als jedenfalls nicht weniger rechtsschutzintensiv.
Denn wie dargelegt, steht einem Folgenbeseitigungsanspruch von vornherein
entgegen, dass der Beklagte zur Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen im Rahmen
seiner öffentlich-rechtlichen Handlungs-möglichkeiten nicht mehr in der Lage ist.
Überdies geht es dem Kläger - wie er im Schriftsatz vom 12. Oktober 2006 vorträgt -
auch um die Vorbereitung des beim Landgericht Bonn anhängigen
Amtshaftungsprozesses und um seine Rehabilitierung, worauf sein
Prozessbevollmächtigter zudem im Erörterungstermin am 19. Juli 2006 hinwies. Diese
Ziele kann der Kläger prinzipiell nur mit der Fest- stellungsklage erreichen, so dass
diese nicht subsidiär ist.
Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung steht dem Kläger jedoch nur
hinsichtlich der Hauptanträge zu 1. und 4. zu, nicht jedoch hinsichtlich der Hauptanträge
zu 2. und 3.
71
Für das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Zulässigkeit des Antrags notwendige
Feststellungsinteresse, das dem Feststellungsinteresse in § 43 Abs. 1 VwGO entspricht,
72
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 129; Gerhardt, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand Mai 1997, § 113 Rn. 90,
73
genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende
schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art. Hauptfälle, in
denen das Feststellungsinteresse als gegeben anzusehen ist, sind: Präjudizialität für
Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche; bei Wiederholungs-gefahr, sofern
diese hinreichend konkret ist; Rehabilitierung, weil der Verwaltungsakt
diskriminierenden Charakter hat und sich aus ihm eine Beeinträchtigung des
Betroffenen ergab sowie bei typischerweise kurzfristiger Erledigung insbesondere
tiefgreifender spezifischer Grundrechtseingriffe mit Blick auf die institutionelle Garantie
des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), weil es in einem solchen Fall ohne die
Zulassung einer (Fortsetzungs-)Feststellungsklage nicht zu einer Haupt-
sacheentscheidung hinsichtlich einer solchen Maßnahme kommen würde.
74
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 129 und Rn. 136 ff.; Kuntze, in:
Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, 3. Auflage 2005, § 113 Rn. 66 ff.; Gerhardt, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand Mai 1997, § 113 Rn. 91 ff.
75
Im Hinblick auf den Hauptantrag zu 1. folgt ein Feststellungsinteresse zunächst nicht
aus dem Gesichtspunkt der Präjudizialität für einen Amtshaftungsanspruch.
76
Insoweit ist ein berechtigtes Interesse an der Feststellung nur anzuerkennen, wenn die
Erledigung des Verwaltungsakts nach Klageerhebung eingetreten ist. Nur in diesem
Fall rechtfertigt der vom Kläger in Bezug auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes bereits entfaltete prozessuale Aufwand ("Fortsetzungs-bonus") die
Fortführung der Anfechtungsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage, obwohl die
ordentlichen Gerichte auch von sich aus in der Lage wären, im Rahmen eines vor ihnen
geltend gemachten Anspruchs auf Amtshaftung die Rechtswidrigkeit der Maßnahme
festzustellen. Ein Anspruch auf den (vermeintlich) "sachnäheren" (Verwaltungs-)Richter
besteht nicht.
77
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 117.03 -, juris; BVerwG, Urteil vom 20.
Januar 1989 - 8 C 30.87 -, Amtliche Entscheidungssammlung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 81, 226 ff.=Neue Juristische Wochenschrift
(NJW) 1989, 2486 ff.=juris; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 136;
Kuntze, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, 3. Auflage 2005, § 113 Rn. 68;
Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand Mai 1997, §
113 Rn. 97.
78
Da nach dem oben Gesagten Erledigung am 11. Dezember 2002 mit der Fortnahme der
Pferde eingetreten ist und der Erledigungszeitpunkt damit vor Klageerhebung liegt,
besteht demzufolge kein Feststellungsinteresse zur Vorbereitung des beim Landgericht
Bonn anhängigen Amtshaftungsprozesses.
79
Für den Kläger besteht ferner keine konkrete Wiederholungsgefahr.
80
Eine solche ist anzunehmen, wenn sich aus dem Sachverhalt, der Interessenlage oder
den Erklärungen der Beteiligten ergibt, dass die Behörde wahrscheinlich in absehbarer
Zukunft einen inhaltsgleichen oder gleichartigen Verwaltungsakt erlassen wird und so
gegebenenfalls erneut gerichtlicher Rechtsschutz mit vergleichbaren Sach- und
Rechtsproblemen erforderlich werden würde.
81
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. November 1998 - 5 A 1107/96 -, NJW 1999, 2202=juris;
Kuntze, in: Bader/Funke- Kaiser/Kuntze/von Albedyll, 3. Auflage 2005, § 113 Rn. 67.
82
Dass der Beklagte in absehbarer Zeit eine Verfügung mit dem Inhalt derjenigen vom 30.
April 2002 erlassen wird, ist jedoch entgegen der Ausführungen im Schriftsatz des
Klägers vom 12. Oktober 2006 nicht ersichtlich. Ausweislich der Erklärung des
Vertreters des Beklagten im Erörterungstermin am 19. Juli 2006 hat der Beklagte seit
Dezember 2002 keine tierschutzrechtlichen Anordnungen gegen den Kläger mehr
erlassen. Er beabsichtigt auch nicht mehr, aus den Verfügungen vom 30. April 2002 und
vom 13. Juni 2002 gegen den Kläger vorzugehen. Es gibt keine hinreichenden
Anhaltspunkte dafür, dass sich daran in absehbarer Zukunft etwas ändern könnte. Dass
der Beklagte gegenüber dem Insolvenzverwalter der "B. " behaupten mag, die vom
Kläger angegriffenen Verfügungen seien bestandskräftig geworden, begründet eine
Wiederholungsgefahr nicht.
83
Ungeachtet dessen ist ein Feststellungsinteresse des Klägers aber mit Rücksicht auf die
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 unter dem Aspekt der Rehabilitierung zu
bejahen.
84
Ein Rehabilitationsinteresse setzt im Einzelnen voraus, dass das Persönlichkeitsrecht
des Betroffenen bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse als schutzwürdig
anzusehen ist. Die diskriminierende Wirkung kann sich außer aus der Art des
ergangenen Verwaltungsakts auch aus der Begründung des Verwaltungsaktes oder aus
den damit im Zusammenhang stehenden Umständen ergeben. Sie kann auch aus der
Art und Weise des Erlasses oder des Vollzugs des Verwaltungsaktes folgen. Gemeint
ist dabei eine ehrenrührige Wirkung, die über die der eigentlichen belastenden
Verfügung hinausgeht. Nicht ausreichend ist der mit einem Bescheid verbundene
Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens.
85
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 142; Kuntze, in: Bader/Funke-
86
Kaiser/Kuntze/von Albedyll, 3. Auflage 2005, § 113 Rn. 70; Gerhardt, in:
Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand Mai 1997, § 113 Rn. 92.
Das Rehabilitationsinteresse kann beispielsweise zu bejahen sein bei einer
publikumswirksamen polizeilichen Identitätsfeststellung.
87
Vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 21 B 90.1066 -, Bayerische
Verwaltungsblätter (BayVBl.) 1993, 429=juris.
88
In Ansehung dieses Maßstabs kann der Kläger sich hinsichtlich der Ordnungsverfügung
vom 30. April 2002 auf ein Rehabilitationsinteresse berufen. Dieses folgt zwar nicht aus
dem Inhalt der Verfügung selbst. Allein die Anordnung der Wegnahme der Pferde, die
Aufforderung, bestimmte Haltungsbedingungen sicherzustellen und die Androhung der
Wegnahme mit der Begründung, aufgrund der allgemeinen Umstände auf Burg E. sei
eine tierschutzgerechte Pferdehaltung nicht mehr möglich, entfaltet noch keine den
Kläger diskriminierende Wirkung. Darin liegt lediglich der Vorwurf rechtswidrigen
Verhaltens. Die ehrenrührige Wirkung der Verfügung ergibt sich allerdings aus den
unmittelbaren Begleitumständen ihres Erlasses. Dieser steht in engem zeitlichem
Zusammenhang mit der "Aktion" der "B. " vom 23. April 2002. Ausweislich der
Zeitungsberichte im Kölner Stadt-Anzeiger und in der Kölnischen Rundschau drangen
"Aktivisten" im Beisein mehrerer Fernsehteams auf das Burggelände ein und
beschuldigten den Kläger in publikumswirksamer und zugespitzter Weise, die Pferde
nicht artgerecht zu halten. Da zudem Vertreter des Beklagten anlässlich dieser "Aktion"
am Schauplatz erschienen und Erklärungen gegenüber Journalisten zum Vorgehen des
Beklagten in tierschutzrechtlicher Hinsicht abgaben, ist die "Aktion" der "B. " als
diskriminierender Begleitumstand des kurze Zeit später erfolgenden Erlasses der
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 anzusehen. Die im Vorfeld des
Verfügungserlasses medial erzeugte "Prangerwirkung" (noch mit Schreiben an den
damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 10. Januar 2003 verwies der
Kreisveterinär zur Darstellung des Hergangs auf die Internetseite www.b. .net und nahm
die "Aktion" vom 23. April 2002 in Bezug) führen zu der Annahme eines schutzwürdigen
Interesses des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung
vom 30. April 2002.
89
Für den Hauptantrag zu 2., der die Ordnungsverfügung vom 13. Juni 2002 zum
Gegenstand hat, ist ein Feststellungsinteresse hingegen zu verneinen.
90
Ein solches ergibt sich weder unter dem Aspekt des Präjudizinteresses noch unter dem
Aspekt der Wiederholungsgefahr. Insoweit kann auf die diesbezüglichen Ausführungen
zum Hauptantrag zu 1. Bezug genommen werden. Anders als dort besteht hier aber
auch kein Rehabilitationsinteresse. Maßgeblich für die Bejahung des
Rehabilitationsinteresses im Hinblick auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 sind die geschilderten unmittelbaren Begleit-
umstände ihres Erlasses. Entsprechendes gilt für die Ordnungsverfügung vom 13. Juni
2002 indessen nicht. Auch dass diese als Vollstreckungsmaßnahme auf der
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 aufbaut und überdies die Veräußerung der
Pferde anordnet, ändert nichts daran, dass diese Verfügung nicht mit einer
publikumswirksamen Diskriminierung des Klägers einherging. Zu einer anderen
Beurteilung führt nicht, dass die Pferdehaltung des Klägers Gegenstand der
Berichterstattung in den Ausgaben 1/2003 und 3/2003 der Zeitschrift "Pferde heute" war
und dass sich "B. " auf seiner Internetseite und im Magazin Nr. 13/03 negativ über die
91
Pferdehaltung des Klägers äußerte. Diese Berichterstattung ist ebenso wenig wie der
Bericht in der Fernsehsendung "Blitz" auf Sat 1 am 16. Mai 2002 als Begleitumstand
des Erlasses der Verfügung vom 13. Juni 2002 anzusehen. Der Artikel in der
ReiterRevue (Heft 11/2001) betrifft Vorgänge aus dem Jahre 2001 und nimmt allein die
Ordnungsverfügung vom 2. Juli 2001 in Bezug. Im Übrigen kann sich der Kläger
demgegenüber mit presse- bzw. zivilrechtlichen Mitteln zur Wehr setzen, so dass er
insofern originär verwaltungsgerichtlichen Schutzes nicht bedarf. Auch gegen losgelöst
vom Erlass eines Verwaltungsakts getätigte Äußerungen eines Amtswalters stehen
gegebenenfalls gesonderte verwaltungsrechtliche Instrumentarien zur Verfügung, um
deren Widerruf oder Unterlassung zu erreichen.
Vgl. dazu etwa Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 40 Rn. 28 ff. m.w.N.
92
Da es sich bei der Ordnungsverfügung vom 13. Juni 2002 nicht um eine sich
typischerweise kurzfristig erledigende Maßnahme handelt und sie auch keinen
tiefgreifenden spezifischen Grundrechtseingriff beinhaltet, scheidet ein Feststellungs-
interesse auch aus diesem Blickwinkel aus. Tiefgreifende spezifische Grundrechts-
eingriffe, die über den Zeitpunkt ihrer Erledigung hinaus ein Feststellungsinteresse zu
begründen vermögen, sind etwa Freiheitsbeschränkungen, polizeiliche Misshand-
lungen, Telefonüberwachungen oder Hausdurchsuchungen bzw. vor allem Anord-
nungen, die das Grundgesetz - wie in den Fällen des Art. 13 Abs. 2 GG und Art. 104
Abs. 2 und 3 GG - vorbeugend dem Richter vorbehalten hat.
93
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. November 1998 - 5 A 1107/96 -, NJW 1999, 2202=juris;
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90, 2
BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95 -, Amtliche Entscheidungssammlung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 96, 27 ff.=juris; BVerwG, Urteil vom 23. März
1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991=juris; OVG NRW, Urteil vom 13. November 1992 -
12 A 949/90 -, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 1993, 192=juris.
94
Eine mit den genannten Grundrechtseingriffen vergleichbare Qualität erreichen die in
der Festsetzung der Wegnahme der Pferde und der Anordnung von deren Veräußerung
liegenden Eingriffe in das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG und - subsidiär -
die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht. Hinzu kommt, dass die
Pferdehaltung offenbar nicht der Schaffung und Erhaltung der wirtschaftlichen
Existenzgrundlage des Klägers diente, was die Schwere des Grundrechtseingriffs
zusätzlich mindert.
95
Hinsichtlich des Hauptantrags zu 3., der den Bescheid vom 7. November 2002 betrifft,
scheidet die Annahme eines Feststellungsinteresses gleichfalls aus. Genauso wenig
wie bei den Hauptanträgen zu 1. und 2. kann sich der Kläger auf ein Präjudizinteresse
oder auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Aus den zu dem Hauptantrag zu 2.
ausgeführten entsprechenden Gründen steht dem Kläger auch kein
Rehabilitationsinteresse und kein ideelles Interesse infolge eines sich kurzfristig
erledigenden tiefgreifenden spezifischen Grundrechtseingriffs zur Seite.
96
Was den Hauptantrag zu 4. anbelangt, kann der Kläger hingegen ein
Feststellungsinteresse geltend machen. Der Kläger hat ein anzuerkennendes ideelles
Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der konkreten Durchführung der
Fortnahme der 10 Pferde und ihrer Überlassung an "B. " vom 11. Dezember 2002.
97
Dieses ergibt sich aus einer Kombination der Gesichtspunkte des
Rehabilitationsinteresses und des Feststellungsinteresses bei typischerweise sich
kurzfristig erledigenden tiefgreifenden spezifischen Grundrechtseingriffen. Mag auch die
Fortnahme der Pferde als solche nicht publikumswirksam gewesen sein, so können ihre
Begleitumstände und die Art und Weise des Vollzugs, in dessen Verlauf der Beklagte
durch die Überlassung der Pferde an "B. " Fakten schuf, doch als diskriminierend
angesehen werden. Der Beklagte führte die Wegnahme in Kooperation mit "B. " aus, so
dass aus der Sicht des Klägers der Eindruck entstehen konnte, jene
"Tierschutzaktivisten", die ihn im Rahmen der "Aktion" vom 23. April 2002 öffentlich der
Tierquälerei bezichtigt hatten, stünden im Lager des Beklagten. Zudem haben sich
Mitarbeiter der "B. " ausweislich des vom Kläger mit Schriftsatz vom 13. August 2003 im
Verfahren 6 L 734/03 vorgelegten Ausdrucks aus dem Internet in einem allgemein
zugänglichen Medium über eine bevorstehende Wegnahme der Pferde geäußert und
dabei auch ihre eigene Rolle betont. Darüber hinaus kommt die Fortnahme der Pferde
mit dem Ziel der Eigentumsentziehung dem oben beispielhaft erläuterten tiefgreifenden
spezifischen Grundrechtseingriff wenigstens sehr nahe. Die sofortige Überlassung der
Pferde an "B. " brachte es außerdem mit sich, dass der Kläger sich gegen diese von
vornherein nicht im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes effektiv mit der Chance
der Verhinderung vollendeter Tatsachen zur Wehr setzen konnte. Vielmehr war er
bereits für das Eilverfahren auf das Ziel der Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen
festgelegt. Diese Umstände rechtfertigen in ihrer Gesamtheit die Annahme eines
Feststellungsinteresses.
98
Dem Anspruch des Klägers auf eine sachliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der
Vollziehungsmaßnahmen vom 11. Dezember 2002 steht nicht entgegen, dass diese
Fragen bereits Gegenstand des Eilverfahrens 6 L 734/03 und des nachfolgenden
Beschwerdeverfahrens beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
- 20 B 2048/03 - gewesen sind. Der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren wird durch
das Eilverfahren nicht überflüssig. Durch ein Eilverfahren wird das
Rechtsschutzinteresse nur vorläufig und anders als im Hauptsacheverfahren erfüllt.
99
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, NJW 2004, 2510=juris.
100
Der Hauptantrag zu 1. ist jedoch unbegründet.
101
Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 30. April 2002 war rechtmäßig.
102
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Ziffer 1 der Verfügung vom 30. April 2002
(Wegnahme der Pferde und anderweitige pflegliche Unterbringung) ist § 16 a Satz 2 Nr.
2 Halbsatz 1 TierSchG in der Fassung der Neubekanntmachung des
Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I S. 1105), die im
maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung, also am 11. Dezember 2002, in Kraft war.
103
Diese Ermächtigungsgrundlage hat der Beklagte rechtmäßig angewandt.
104
Gemäß § 16 a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung
festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen
Anordnungen. Sie kann insbesondere gemäß § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ein Tier, das
nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen
des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltens-
störungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig
105
pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende
Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist eine anderweitige
Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige
Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den
Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG
seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und
verhaltensgerecht unterbringen (Nr. 1), darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer
Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder
Schäden zugefügt werden (Nr. 2), muss über die für eine angemessene Ernährung,
Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und
Fähigkeiten verfügen (Nr. 3).
106
Wie das Gericht bereits im Eilbeschluss vom 11. September 2003 - 6 L 734/03 -
ausgeführt hat, sind diese allgemein gehaltenen und durch unbestimmte Rechtsbegriffe
gekennzeichneten Haltungsgrundsätze durch Auslegung - namentlich unter
Berücksichtigung des in § 1 Satz 1 TierSchG niedergelegten Zwecks des
Tierschutzgesetzes, "aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf
dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen" - sowie mit Hilfe des einschlägigen
tiermedizinischen und verhaltenswissenschaftlichen Schrifttums sowie sachverständiger
Äußerungen, vor allem den vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft herausgegebenen Leitlinien der Sachverständigengruppe
"tierschutzgerechte Pferdehaltung" zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter
Tierschutzgesichtspunkten vom 10. November 1995 (im Folgenden: Leitlinien), zu
bestimmen.
107
Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteil vom 25. September 1997 - 20 A 688/96 -, juris; VG
Aachen, Urteil vom 30. Januar 2006 - 6 K 1032/03 -.
108
Weiterhin ist im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung zu beachten, dass es sich bei der
Fortnahmeverfügung - wie weiter oben bereits angesprochen - um einen Verwaltungsakt
mit Dauerwirkung handelt, weil sein Regelungsgehalt sich grundsätzlich nicht mit der
Fortnahme erledigt, sondern auch den Rechtsgrund für die auf längere Zeit angelegte
öffentlich-rechtliche Verwahrung darstellt, auf deren Begründung eine auf § 16 a Satz 2
Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG gestützte Verfügung von der gesetzlichen Grundkonzeption
her regelmäßig abzielt.
109
Vgl. Kluge, in: Kluge, Tierschutzgesetz, 2002, § 16 a Rn. 22; VG Augsburg, Urteil vom
16. Februar 2005 - Au 5 K 03.512 -, juris.
110
Dies hat zur Folge, dass eine nachträgliche Veränderung der Sach- und Rechtslage
dazu führen kann, dass ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt nachträglich
rechtswidrig und aufhebbar wird.
111
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1994 - 3 C 1.93 -, BVerwGE 96, 372 ff.=juris;
BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1988 - 3 C 48.85 -, NJW 1988, 2056=juris; BVerwG,
Urteil vom 29. November 1979 - 3 C 103.79 , BVerwGE 59, 160 ff.=juris; Kopp/Schenke,
VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rn. 43.
112
Gemessen an diesen Maßstäben lagen die Voraussetzungen für den Erlass von Ziffer 1
113
der Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 vor.
Anhand der am 14. Januar 2002 und am 16. April 2002 getroffenen und in den
Aktenvermerken vom 16. Januar 2002 und vom 16. April 2002 dokumentierten
Feststellungen des Kreisveterinärs lässt sich ersehen, dass die Pferdehaltung auf Burg
E. nicht den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprach und die Pferde daher erheblich
vernachlässigt waren.
114
Das Gericht hält dabei auch für das Hauptsacheverfahren an der Einschätzung fest,
dass die Aktenvermerke des Kreisveterinärs vom 16. Januar 2002 und vom 16. April
2002 aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles noch als "Gutachten eines
beamteten Tierarztes" i.S.d. § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG angesehen werden können.
115
An das Gutachten des Amtstierarztes, dem bei der Durchführung tierschutzrechtlicher
Vorschriften von Gesetzes wegen eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt
ist und dessen Gutachten daher im Rahmen des § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG eine
besondere Bedeutung zukommt,
116
vgl. Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2005 - 25 ZB 04.1538 -, juris, und
vom 17. Mai 2002 - RN 11 K 98.2185 -, juris,
117
sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Ein solches kann je nach Lage des
einzelnen Falles bereits dann vorliegen, wenn der gesetzlich als Sachverständiger
vorgesehene Amtstierarzt - unter Umständen auch in der Form eines Aktenver-merks -
eine Aussage zu einer sein Fachgebiet betreffenden Frage macht. Nicht erforderlich ist,
dass zu jedem fortgenommenen Tier ein Gutachten eines beamteten Tierarztes vorliegt.
118
Vgl. Kluge, in: Kluge, Tierschutzgesetz, 2002, § 16 a Rn. 20; Hirt/Maisack/Moritz,
Tierschutzgesetz, 2003, § 16 a Rn. 15; Thum, Giftspinnen, Schlangen und andere
gefährliche Tiere, Natur und Recht (NuR) 2001, 558, 564; VG Stuttgart, Beschluss vom
19. September 1997 - 4 K 5186/97 -, NuR 1998, 218.
119
Diesen Maßstäben werden die genannten Aktenvermerke noch gerecht. Insbesondere
der Vermerk vom 16. Januar 2002 gibt hinreichend Aufschluss über die
Haltungsbedingungen auf Burg E. . Wie im Eilbeschluss vom 11. September 2003 (dort
S. 4 ff.) insbesondere unter Verweis auf Nr. 1.6 der Leitlinien ausgeführt, tragen die darin
enthaltenen Feststellungen die Annahme, dass zu diesem Zeitpunkt namentlich den
Vorgaben des § 2 Nr. 1 und 2 TierSchG nicht Rechnung getragen wurde. Da sich die
Haltungsbedingungen im Hinblick auf die Bewegungsmöglichkeiten für die Pferde ab
April 2002 verschlechterten, nachdem der Kläger das Burgtor aufgrund einer
zivilrechtlichen Anordnung grundsätzlich offen zu halten hatte und damit die
Auslaufmöglichkeit im Burginnenhof entfiel, bedurfte es im Aktenvermerk vom 16. April
2002, demzufolge das Hoftor am Tag der Ortsbesichtigung offen stand, keine Pferde auf
der Koppel gewesen und die "Zustände wie gehabt" gewesen seien, keiner
weitergehenden Ausführungen.
120
Mit Blick darauf, dass die Pferde auf Burg E. recht offenkundig keine ausreichenden
Bewegungsmöglichkeiten mehr hatten, dass die Pferdehaltung des Klägers auf Burg E.
seit Jahren Anlass zur Beanstandung gegeben hatte (siehe dazu die
Ordnungsverfügungen des Beklagten vom 9. Mai 1995, vom 2. Juli 2001 und vom 18.
Februar 2002) und dass der Kläger letztlich selbst nicht in Abrede stellte, dass er die
121
Pferde auf Burg E. nicht ordnungsgemäß hielt - nur so lässt sich seine Erklärung im
Erörterungstermin vom 11. September 2002 im Verfahren 6 L 687/02 verstehen, er
arbeite daran, sich von zwei Dritteln seiner Herde zu trennen und nur noch 10 Pferde zu
behalten -, verzichtet das Gericht für den zu entscheidenden Fall darauf zu verlangen,
dass der Aktenvermerk explizit mit Rücksicht auf eine beabsichtigte Anordnung nach §
16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG angefertigt wurde. Diese - hier ausnahmsweise
nicht zu beachtende - Formalie dient dazu, dass der beamtete Tierarzt gezielt
Feststellungen trifft und sich der Bedeutung und Tragweite seiner Bewertung, der - wie
dargelegt - besondere Bedeutung zukommt, bewusst wird.
Das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren, seine Pferde verfügten über eine
ausreichende Auslauffläche auf einer hinter den Stallungen gelegenen Weide und die
Ställe hätten über eine ausreichende Belichtung und Belüftung verfügt, entkräftet die
sachverständige Einschätzung des Kreisveterinärs nicht. Das Gericht hat bereits im
Eilbeschluss vom 11. September 2003 dargelegt, dass der Kläger aufgrund der gegen
ihn auf der Burg E. betriebenen Zwangsräumung nicht mehr über Weiden oder sonstige
Auslaufflächen für die Pferde gebot. Dass der Kreisveterinär einzelne Aspekte der
Pferdehaltung nicht beanstandet hat, ändert nichts an der Nichteinhaltung der Vorschrift
des § 2 TierSchG im Übrigen.
122
Die Voraussetzungen für den Erlass der Fortnahmeverfügung sind auch nicht zu einem
späteren Zeitpunkt aufgrund der zwischenzeitlichen Verbringung der Pferde auf die
Sommerweide in T1. und später in die Scheune in E. entfallen. Sie waren auch noch am
11. Dezember 2002, dem Tag der Vollstreckung und des Eintritts der Erledigung,
gegeben.
123
Auch insoweit gelten die Darlegungen aus dem Eilbeschluss vom 11. September 2003
(dort S. 7 f.) fort. Die 18 Pferde waren in der Scheune in E. nicht i.S.v. § 2 Nr. 1 TierSchG
verhaltensgerecht untergebracht, was sich unter Heranziehung von Nr. 3 und Nr. 4 der
Leitlinien ersehen lässt. Der Flächenbedarf wäre auch - was der Kläger in der
Klageschrift einräumt, indem er von einer Überbelegung von 6 bis 8 Pferden spricht - bei
Zugrundelegung einer durchschnittlichen Widerristhöhe der Pferde des Klägers von
1,58 m bis 1,60 m nicht gedeckt gewesen. Bei einer Widerristhöhe von 1,58 m beträgt
der Platzbedarf je Pferd nach Nr. 4 der Leitlinien immer noch 6,2 m², was eine Haltung
von 18 Pferden in einem 64 m² großen Stall nicht zulässt. Warum wegen der günstigen
Voraussetzungen hinsichtlich Raumstruktur, Pferde und Betreuung eine Reduzierung
um bis zu 20 % hätte möglich sein sollen - wie der Kläger auch im Klageverfahren
vorträgt -, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist es im Interesse eines wirksamen
Tierschutzes möglich, dem Halter alle Tiere wegzunehmen, auch wenn nur einige Tiere
vernachlässigt sind.
124
Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 2003, § 16 a Rn. 15.
125
Auch bezogen auf die Haltung der Pferde in der Scheune in E. lag ein "Gutachten eines
beamteten Tierarztes" i.S.v. § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG vor.
126
Dieses ist in dem Aktenvermerk des Kreisveterinärs hinsichtlich einer Überprüfung der
Pferdehaltung am 7. November 2002 (Blatt 195-196 der Beiakte IV) zu sehen. Aus den
bereits genannten Gründen genügt dieser Aktenvermerk - noch - den an das Gutachten
zu stellenden Anforderungen. Diese sind auch in Bezug auf die Pferdehaltung in der
Scheune in E. niedrig anzusetzen, weil diese wiederum recht evident den Vorgaben des
127
§ 2 Nr. 1 TierSchG nicht entsprach. Näherer Ausführungen von Seiten des
Kreisveterinärs bedurfte es zudem deshalb nicht, weil der Kläger seine im
Erörterungstermin vom 11. September 2002 im Verfahren 6 L 687/02 bekundete Absicht,
seinen Pferdebestand zu reduzieren, nicht realisiert hatte und die im Erörterungstermin
vom Beklagten bis zum 15. Oktober 2002 gesetzte Frist verstrichen war.
Die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Wegnahme und anderweitigen
pfleglichen Unterbringung waren gleichfalls erfüllt. Als Halter der Pferde,
128
vgl. zu diesem Begriff Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Januar 1988 - VI ZR 188/87 -,
Neue Juristische Wochenschrift- Rechtsprechungsreport (NJW-RR) 1988, 655;
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 12. Februar 1999 - 19 U 118/98 -, NJW-RR 1999,
155; VG Aachen, Urteil vom 30. Januar 2006 - 6 K 1032/03 -,
129
war der Kläger der richtige Adressat der Ordnungsverfügung. Ermessensfehler i.S.d. §
114 Satz 1 VwGO sind nicht erkennbar. Der Beklagte hat das ihm eingeräumte
Ermessen betätigt und dem Kläger eine angemessene Frist zur Wiederherstellung
tierschutzgerechter Zustände eingeräumt.
130
Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass der Beklagte vom Kläger auf der
Grundlage des § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG die Sicherstellung der in Ziffer 2
der Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 genannten Haltungsbedingungen
rechtmäßigerweise fordern konnte.
131
Die in Ziffer 4 der Ordnungsverfügung ausgesprochene Androhung der Wegnahme der
Tiere ab dem 13. Mai 2002 war ebenfalls rechtmäßig. Sie ließ sich auf §§ 55 Abs. 1, 57
Abs. 1 Nr. 3, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen (VwVG NRW) stützen.
132
Der Hauptantrag zu 4. ist unbegründet, soweit der Kläger die Feststellung der
Rechtswidrigkeit der konkreten Durchführung der Fortnahme der 10 Pferde am 11.
Dezember 2002 begehrt. Er ist indessen begründet, soweit der Kläger die
Rechtswidrigkeit der Überlassung der Pferde durch den Beklagten an "B. " festgestellt
wissen will.
133
Die konkrete Durchführung der Fortnahme der 10 Pferde am 11. Dezember 2002, die
vollstreckungsrechtlich als Anwendung unmittelbaren Zwangs einzuordnen ist, war
rechtmäßig.
134
Die Fortnahmeverfügung vom 30. April 2002 war aufgrund der Anordnung der sofortigen
Vollziehung in ihrer Ziffer 3 vollstreckbar. Die Wegnahme der Pferde ist in Ziffer 4 der
Ordnungsverfügung vom 30. April 2002 angedroht worden. Die Festsetzung der
Wegnahme ist in der Ordnungsverfügung vom 13. Juni 2002 erfolgt. Die sofortige
Vollziehbarkeit von Androhung und Festsetzung folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
VwGO i.V.m. § 8 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung.
Wie dargelegt, hatten sich die Verfügungen vom 30. April 2002 und 13. Juni 2002 am
11. Dezember 2002 auch noch nicht erledigt.
135
Die Anwendung des Zwangsmittels bewegte sich im Rahmen der Festsetzung (§ 65
Abs. 1 VwVG NRW). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 58
VwVG NRW) ist nicht erkennbar. Insofern kann auf die Ausführungen im Eilbeschluss
136
vom 11. September 2003 (dort S. 9) Bezug genommen werden. Des Weiteren kann
auch im Hauptsacheverfahren nicht festgestellt werden, der Beklagte habe die
fortgenommenen Pferde nach sachfremden Motiven und damit ermessensfehlerhaft
ausgewählt. Der Kläger hat im Klageverfahren keine Umstände dargetan, die ein
Abweichen von der im Eilbeschluss vom 11. September 2003 diesbezüglich vertretenen
Einschätzung (dort S. 9 f.) gebieten würden. Zu einer anderslautenden Schlussfolgerung
zwingt auch der vom Kläger mit Schriftsatz vom 13. August 2003 im Verfahren 6 L
734/03 vorgelegte Ausdruck der Internetseite von "B. " nicht. Allein die Frage eines
Mitarbeiters von "B. ", um was für eine Stutenlinie es sich handele, weil es bereits
Interessenten für die Tiere gebe, führt nicht zu der Annahme, der Beklagte habe sich bei
der Durchführung der Fortnahme von sachfremden Gesichtspunkten leiten lassen.
Die Überlassung der Pferde durch den Beklagten an "B. " war jedoch rechtswidrig. Nach
nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage ist das Gericht abweichend vom
Eilbeschluss vom 11. August 2003 der Auffassung, dass diese nicht von § 16 a Satz 2
Nr. 2 Halbsatz 2 TierSchG gedeckt war. Denn bei der unentgeltlichen Weitergabe
fortgenommener Pferde unmittelbar im Anschluss an die Fortnahme ohne vorherige
sachverständige Schätzung ihres Wertes handelt es sich nicht um eine (rechtmäßige)
"Veräußerung" im Sinne der Bestimmung.
137
§ 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG selbst enthält keine nähere Regelung zum Begriff der
Veräußerung. Daher kann aufgrund der vergleichbaren Interessenlage auf die im
Polizei- und Ordnungsrecht normierten Grundsätze über die Verwertung sichergestellter
Sachen entsprechend zurückgegriffen werden.
138
Vgl. Thum, Giftspinnen, Schlangen und andere gefährliche Tiere, NuR 2001, 558, 565;
Kluge, in: Kluge, Tierschutzgesetz, 2002, § 16 a Rn. 34.
139
Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 PolG NRW wird die sichergestellte Sache durch öffentliche
Versteigerung verwertet; § 979 Abs. 1 BGB gilt entsprechend. Bleibt die Versteigerung
erfolglos, erscheint sie von vornherein aussichtslos oder würden die Kosten der
Versteigerung voraussichtlich den zu erwartenden Erlös übersteigen, so kann die Sache
freihändig verkauft werden (§ 45 Abs. 3 Satz 2 PolG NRW). Lässt sich innerhalb
angemessener Frist kein Käufer finden, so kann die Sache einem gemeinnützigen
Zweck zugeführt werden (§ 45 Abs. 3 Satz 4 PolG NRW).
140
Darüber hinaus kann je nach den Umständen des Einzelfalles von der grundsätzlich
vorgesehenen öffentlichen Versteigerung abgesehen werden, wenn dies aus
übergeordneten Gründen des öffentlichen Interesses - etwa wenn es sich um
gefährliche Tiere handelt, die nur an zuverlässige Personen oder Institutionen mit
entsprechenden sicherheitsrechtlichen Erlaubnissen abgegeben werden - notwendig
ist.
141
Vgl. Thum, Giftspinnen, Schlangen und andere gefährliche Tiere, NuR 2001, 558, 565 f.
142
Der Begriff der Veräußerung in § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 TierSchG muss im Lichte
von Art. 14 Abs. 1 GG ausgelegt werden. Der auf Dauer angelegte Sachentzug stellt
einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht dar, der nur unter strikter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsprinzips zulässig ist. Eine nach den Umständen des Einzelfalles
nicht zwingend gebotene zu schnelle Veräußerung des fortgenommenen Tieres ist mit
dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.
143
Vgl. Kluge, in: Kluge, Tierschutzgesetz, 2002, § 16 a Rn. 32.
144
Gemessen an diesen Maßstäben kann die unentgeltliche Weitergabe der 10
fortgenommenen Pferde an "B. " durch den Beklagten noch am 11. Dezember 2002
nicht auf § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 TierSchG gestützt werden, weil es sich dabei
nicht um eine Veräußerung im vorgenannten Sinne handelte. Der Beklagte hat die
Pferde weder in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 3 Satz 1 PolG NRW
öffentlich versteigert noch in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 3 Satz 2 PolG
NRW freihändig verkauft. Da der Beklagte sich nicht um einen Käufer bemüht hat, kann
in der Überlassung der Pferde an "B. " von vornherein auch nicht ihre Zuführung zu
einem gemeinnützigen Zweck entsprechend § 45 Abs. 3 Satz 4 PolG NRW gesehen
werden.
145
Von einer öffentlichen Versteigerung und einem freihändigen Verkauf konnte nach Lage
der Dinge ferner nicht aus Gründen des öffentlichen Interesses abgesehen werden.
Solche sind insoweit nicht erkennbar. Allein der nicht näher substantiierte Vermerk des
Beklagten, die Pferde hätten außer dem Schlachtpreis keinen materiellen Wert
besessen, ist nicht ausreichend. Mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre
der Beklagte zu einer unentgeltlichen Weitergabe der Pferde an "B. " allenfalls befugt
gewesen, wenn er deren Wert vorher durch einen Sachverständigen hätte schätzen
lassen und dieser die Wertprognose des Beklagten bestätigt hätte. In der in Rede
stehenden Fallgestaltung obliegt es dem Beklagten, die Wertlosigkeit einer
fortgenommenen Sache zu ermitteln und zu belegen; es ist nicht die Pflicht des Klägers,
nach erfolgter Verwertung durch unentgeltliche Weitergabe deren Werthaftigkeit
darzutun. Dieser Obliegenheit ist der Beklagte nicht nachgekommen.
146
Da sich die Rechtswidrigkeit der Überlassung der 10 Pferde an "B. " bereits aus dem
Vorstehenden ergibt, kann lediglich ergänzend darauf hingewiesen werden, dass der
Beklagte auch die entsprechend heranzuziehenden Verfahrensregelungen,
147
vgl. wiederum Vgl. Thum, Giftspinnen, Schlangen und andere gefährliche Tiere, NuR
2001, 558, 565,
148
nicht beachtet hat. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 PolG NRW sollen die betroffene Person,
der Eigentümer und andere Personen, denen ein Recht an der Sache zusteht, vor der
Verwertung gehört werden. Aus dem Akteninhalt geht nicht hervor, dass der Kläger
ausreichend Gelegenheit hatte, vor der unentgeltlichen Weitergabe der Pferde an "B. "
gerade zu dieser Form der Verwertung Stellung zu nehmen.
149
Die Hilfsanträge zu 1. bis 3., die sich auf die Aufhebung der Ordnungsverfügungen vom
30. April 2002, vom 13. Juni 2002 und vom 7. November 2002 richten, sind unzulässig.
Da diese Verfügungen - wie ausgeführt - erledigt sind, fehlt insoweit das
Rechtsschutzinteresse. Der auf die Aufhebung von Vollziehungsmaßnahmen gerichtete
Hilfsantrag zu 4. ist unstatthaft, weil es sich bei diesen nicht um gemäß § 42 Abs. 1 1.
Alt. VwGO anfechtbare Verwaltungsakte handelt.
150
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen nach der
letztgenannten Vorschrift erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines
Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Die Notwendigkeit der
151
Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren ist anzuerkennen, wenn sie
vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der
Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Beteiligten nach seiner
Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar
war, das Verfahren selbst zu führen. Sie ist nicht nur in schwierigen Ausnahmefällen zu
bejahen, sondern entspricht der Regel, da der Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage
ist, selbst seine Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren. Nach
diesen Grundsätzen war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren
durch den Kläger notwendig.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus einer entsprechenden
Anwendung des § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung.
152