Urteil des VG Aachen vom 24.02.2009

VG Aachen: wohl des kindes, jugendhilfe, form, haushalt, pauschalbetrag, gespräch, schlüssiges verhalten, körperliche behinderung, klinik, jugendamt

Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 1101/07
Datum:
24.02.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 1101/07
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in
der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Soweit über die Klage noch streitig zu entscheiden ist, wird der Beklagte
unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5. Mai 2007 und des
Wider- spruchsbescheides vom 9. Oktober 2007 in der Fassung des
Abhilfebescheides vom 27. Oktober 2008, soweit darin der Zeitraum vom
7. Mai 2007 bis zum 31. Oktober 2007 geregelt ist, verpflichtet, der
Klägerin für den Zeitraum ab dem 19. Juni 2006 bis zum 6. Mai 2007
Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege einschließlich der
wirtschaft-lichen Jugendhilfe mit der Erhöhung des Erziehungsanteils
um 25 vom Hundert sowie für den Zeitraum vom 7. Mai 2007 bis zum 31.
Oktober 2007 über die bereits gewährte wirtschaftliche Jugendhilfe
hinaus einen um 25 vom Hundert erhöhten Erziehungsanteil zu
bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskosten-freien Verfahrens
einschließlich der außergericht-lichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit
in der gleichen Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin erstrebt mit der vorliegenden Klage Hilfe zur Erziehung in Form der
Vollzeitpflege für die Betreuung ihres Sohnes O. F. im Haushalt seiner Großeltern, der
beigeladenen Eheleute O1. und N. Q. . Streitig sind 1.) die Hilfe zur Erziehung für die
Zeit ab 18. Juni 2006 bis 6. Mai 2007 und 2.) eine Erhöhung des Erziehungsanteils im
Pauschalbetrag der wirtschaftlichen Jugendhilfe um 25 v.H.
2
O. wurde am 8. Juli 2003 als Kind nicht miteinander verheirateter Eltern geboren. Die
Klägerin ist 1984 geboren, ohne Beruf und war über längere Zeit arbeitslos. Sie hat
mittlerweile zwei weitere Kinder und lebt in V. (Rheinland-Pfalz). Der 1982 geborene
Vater von O. , Martin Q. , der Sohn der Beigeladenen, ist ausgebildeter
Hotelfachangestellter, war in den Jahren 2006 und 2007 gleichfalls arbeitslos und lebte
in der Vergangenheit mal in einer von der Klägerin angemieteten Wohnung, mal bei
wechselnden Freundinnen. Gemeldet war er im Haushalt der Beigeladenen.
3
Die beigeladenen Großeltern von O. sind 1955 und 1957 geboren. Herr Q. ist
selbständig im Sektor Fahrstuhlbau tätig; die Großmutter von O. ist Hausfrau. Neben
dem Vater von O. gehören noch zwei Töchter zur Familie der Beigeladenen. Die älteste
Tochter ist Augenoptikerin und wohnt nicht mehr bei ihren Eltern; die 1990 geborene
jüngste Tochter besuchte zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die letzte Klasse
eines Gymnasiums.
4
Bereits im Januar 2005 gab es auf Initiative der Großeltern erste Kontakte mit Herrn N1.
vom Jugendamt des Beklagten. Am 14. Februar 2005 fand ein erstes Gespräch mit
beiden Kindeseltern, den Beigeladenen und Herrn N1. im Haus der Beigeladenen statt.
Nach dem über das Gespräch gefertigten Vermerk des Herrn N1. waren die Großeltern
hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihren Enkel ganz in ihren Haushalt
aufzunehmen - und dafür aber auch die gesamte Verantwortung zu übernehmen -, und
dem Gedanken, den Kindeseltern in geregelter Absprache regelmäßig unter die Arme
zu greifen. Es sei deutlich zu merken gewesen, dass insbesondere der Großvater den
Kindeseltern nur wenig zugetraut habe. Herr N1. klärte nach seinem Vermerk die
Beteiligten im Gespräch über mögliche Hilfen im Rahmen der Jugendhilfe auf. Die
Großeltern und die Kindeseltern wollten die Informationen verarbeiten und sich dann
noch einmal beim Jugendamt melden. Ein Vermerk über eine solche zeitnahe
Rücksprache ist aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.
5
Die Klägerin hielt sich wegen einer Risikoschwangerschaft von Dezember 2005 bis zur
Geburt der zweiten Tochter N2. am 18. März 2006 fast durchgängig in einem
Krankenhaus auf und konnte deshalb O. nicht selbst versorgen. O. hielt sich während
dieser Zeit zunächst bei einer Freundin der Mutter und anschließend im Haushalt der
Beigeladenen auf.
6
Am 1. Februar 2006 beantragten die Beigeladenen beim Amtsgericht (AG) F1. -
Familiengericht -, der Kindesmutter das Personensorgerecht für O. zu entziehen und es
auf sie zu übertragen
7
Am 22. März 2006 hielt sich O. bei seinem Vater in N3. auf, und zwar in einer Wohnung,
die von der Klägerin angemietet war. In dieser Wohnung brach an diesem Tag ein
Brand aus, und nur das beherzte Eingreifen eines Nachbarn rettete O. bei schwersten
Brandverletzungen und einer Rauchvergiftung das Leben. Es folgte ein längerer
Aufenthalt in der Kinderklinik L. , B. Straße.
8
Das AG F1. verhandelte am 11. April 2006 über den Antrag der Beigeladenen, der
Klägerin das Sorgerecht zu entziehen. Die vom Amtsgericht vermittelte Regelung sah
schließlich so aus, dass die Klägerin allein sorgeberechtigt und in jeder Hinsicht allein
verantwortlich für O. blieb. Für den Fall, dass sie selbst verhindert sei, erklärte sie ihr
Einverständnis, dass der Beigeladene zu 1.) bzgl. O. die erforderlichen Entscheidungen
9
zur Gesundheitsvorsorge treffen könne. Der Großvater sei allerdings verpflichtet, die
Kindesmutter unverzüglich über zu treffende oder bereits getroffene Entscheidungen zu
informieren.
Die Beigeladenen hielten mit Blick auf die schweren Verletzungen und Ver- brennungen
von O. trotz der famliengerichtlichen Regelung an ihrer Auffassung von der
Überforderung der leiblichen Kindeseltern fest; sie zeichneten sich während des
Aufenthalts von O. in der Kinderklinik in L. durch regelmäßige Besuche und dessen
intensive Betreuung - auch über Nacht - aus. Die medizinische Versorgung stellte
höchste Ansprüche. Die Klägerin und der Kindesvater nahmen - im Vergleich zu den
Beigeladenen - in deutlich geringerem Umfang Besuchstermine bei O. im Krankenhaus
wahr.
10
In der Kinderklinik B. Straße in L. kam es am 18. Mai 2006 auf Veranlassung des
Beigeladenen zu 1.) zu einem Gespräch, an dem neben den Beigeladenen und der
Klägerin Mitarbeiterinnen der Klinik sowie Herr N1. vom Jugendamt des Beklagten
teilnahmen. In diesem Gespräch sollte geklärt werden, wie es mit der Betreuung und
Versorgung von O. weitergehen sollte. Dabei standen zum einen die anstehende
Verlegung in eine Reha-Klinik in I. als auch die Zeit danach im Mittelpunkt. Zwischen
den Beteiligten ist streitig, ob in diesem Gespräch ein Antrag auf Hilfe zur Erziehung in
Form der Vollzeitpflege gestellt worden ist.
11
Am 19. Juni 2006 erfolgte die Verlegung von O. vom Krankenhaus in L. in eine Reha-
Klinik nach I. . Die Beigeladene zu 2.) ließ sich als Begleitperson ihres Enkels in der
Reha-Klinik aufnehmen und wurde in dieser Funktion zeitweise durch zwei
Freundinnen der Familie, Frau T. und E. F2. , vertreten. Von dort aus begannen dann
die Wochenendurlaube von O. im Haushalt der Beigeladenen, bei denen er seit dem 18.
August 2006 (wieder) ganz lebt. Auch in der Folge waren wegen der weiteren
Behandlung der Brandverletzungen immer wieder stationäre Krankenhausaufenthalte
erforderlich, bei denen O. im Wesentlichen von den Beigeladenen betreut wurde. Die
Großeltern erhalten seit Mai 2006 Pflegegeld der Stufe 2 nach dem SGB XI in Höhe von
420 EUR und ab Juli 2006 das Kindergeld für O. in Höhe von 154 EUR.
12
Am 21. Februar 2007 stellten die Beigeladenen zusätzlich einen förmlichen Antrag auf
Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, da ihr Enkel seit Februar 2006 ständig
von ihnen betreut werde und - wenn er nicht im Krankenhaus sei - bei ihnen auch lebe.
Mit Bescheid vom 22. April 2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zum einen seien
die Beigeladenen nicht antragsbefugt; zum anderen lebe der Kindesvater mit im
Haushalt der Beigeladenen, was der Bewilligung von Jugendhilfe entgegenstehe. Diese
Entscheidung ist bestandskräftig.
13
Am 7. Mai 2007 stellte die Klägerin einen förmlichen Antrag auf Hilfe zur Erziehung in
Form der Vollzeitpflege im Haushalt der beigeladenen Großeltern. Auch diesen Antrag
lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Mai 2007 ab. Zur Begründung verwies er
erneut auf den im Haushalt der Beigeladenen lebenden Kindesvater; bei dieser
Sachlage könne die gewünschte Jugendhilfe nicht bewilligt werden.
14
Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9.
Oktober 2007 mit der inhaltsgleichen Begründung zurück.
15
Die Klägerin hat am 24.Oktober 2007 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren
16
weiterverfolgt. Nachdem der Beklagte sie im Anschluss an den Termin vom 22. April
2008 für den Zeitraum ab dem 7. Mai 2007 insoweit klaglos gestellt hatte, als er Hilfe zur
Erziehung in Form der Vollzeitpflege für O. einschließlich eines monatlichen
Pflegegeldes in Höhe von 642.- EUR und ab 1. Januar 2008 in Höhe von 655.- EUR,
bewilligte, auf das noch ein Viertel Anteil des Kindergeldes angerechnet wurde, wurde
seitens der Klägerin verdeutlicht, dass die Hilfe zur Erziehung ab dem 18. Mai 2006
erstrebt werde. Die Hilfe könne nicht erst zum Zeitpunkt der Stellung des förmlichen
Antrags einsetzen, sondern es müsse berücksichtigt werden, dass sie, die Klägerin,
bereits im Gespräch mit Herrn N1. vom 18. Mai 2006 in der L. Kinderklinik mündlich
ihren Wunsch nach Hilfe zur Erziehung zum Ausdruck gebracht habe. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - reiche es zur Erfüllung des
Antragserfordernisses aus, dass die Leistungen der Jugendhilfe mindestens in Form
eines schlüssigen Verhaltens beantragt worden seien. Dies sei hier der Fall. Die Hilfe
müsse deshalb rückwirkend ab diesem Tag bewilligt werden. Zwar setze die
Hilfegewährung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen
Antrag voraus; dieser könne auch mündlich gestellt werden. Dieser Hilfeantrag sei dem
zuständigen Mitarbeiter des Jugendamtes, Herrn N1. , bei der Besprechung in der Klinik
vom Beigeladenen zu 1.) am 18. Mai 2006 mit ihrer - der Klägerin - Billigung unterbreitet
worden. Bei diesem Termin sei es um die Klärung der Frage gegangen, wie es mit O.
nach der Entlassung aus dem L1. Krankenhaus weitergehen solle. Sie - die Klägerin -
habe auch nachträglich dem Antrag weder ausdrücklich noch durch ein konkludentes
ablehnendes Verhalten widersprochen.
Ferner erstrebt die Klägerin, für den gesamten Zeitraum vom 18. Mai 2006 bis zum
Ablauf des Monats Oktober 2007, den Erziehungsanteil in den Pauschalbeträgen bei
Vollzeitpflege um 25 v.H. zu erhöhen. Sie ist der Auffassung, dass die jährlich
festgesetzten Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege solche Kinder beträfen, deren
Entwicklung "normal" verlaufe. Dies sei bei O. aufgrund der Schwere seiner
Verletzungen und der dadurch bedingten Rehabilitationsmaßnahmen und anderer
zusätzlicher Aufwendungen nicht der Fall. So werde etwa in den Berliner Richtlinien die
Pauschale zum Lebensunterhalt bei Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf um
monatlich 59 EUR erhöht. Weiter würden nach den Berliner Richtlinien einmalige
Beihilfen gewährt. Für das Land Nordrhein-Westfalen könne insoweit nichts anderes
gelten. Der Beklagte könne nicht mit Erfolg geltend machen, dem bei O. anfallenden
Förderbedarf werde durch die Zahlung des Pflegegeldes nach dem SGB XI Rechnung
getragen. Insbesondere könne der Beklagte sich nicht mit Erfolg auf eine Entscheidung
des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) München aus dem Jahr 2005 berufen,
weil der dort entschiedene Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei. Dort sei der
Pauschalbetrag bereits um 30 v. H. erhöht gewesen und die dortigen Kläger hätten
neben dem bezogenen Pflegegeld noch eine weitere Erhöhung um 30 v. H. erstrebt
(also 160 % Pauschalbetrag + Pflegegeld nach § 37 SGB XI), während die vorliegende
Klage nur auf den Pauschalbetrag zuzüglich 25 v. H. Erhöhung des Erziehungsanteils +
Pflegegeld nach § 37 SGB XI gerichtet sei. O. beziehe zurzeit noch Pflegegeld der
Pflegestufe 2; in Zukunft sei mit einer Rückstufung in die Pflegestufe 1 zu rechnen, da
sich sein Gesundheitszustand langsam verbessere. Die Erhöhung um 25 v.H. des
Erziehungsanteils erscheine unter Berücksichtigung des ganz erheblichen Pflege- und
Betreuungsaufwandes einschließlich der gebotenen besonderen emotionalen
Zuwendung als angemessen zu betrachten. Mit diesem Erhöhungsbetrag solle den
besonderen pädagogischen Anforderungen Rechnung getragen werden, die mit der
Lebenssituation eines durch schwere Verbrennungen gekennzeichneten Kindes
prägend verbunden seien. Dazu gehöre etwa die besondere Unterstützung von O. ,
17
wenn er ablehnende Reaktionen gleichaltriger Kinder auf die optisch wahrnehmbaren
Brandverletzungen erfahren müsse. Aber auch die Berücksichtigung der großen
seelischen Belastung der Pflegeeltern durch den permanenten Umgang mit dem
schwerstbeschädigten Kind sei bei der Bemessung eines angemessenen
Erhöhungsbetrages mit einzubeziehen. Außerdem würden viele der von den
Beigeladenen zu leistenden Aufwendungen im Zusammenhang mit den schweren
gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Behandlung von der
Pflegeversicherung nicht abgedeckt. Dazu gehörten etwa Fahrtkosten zu den
Untersuchungen und Therapien, die Parkgebühren, ferner die Aufwendungen bei
Wartezeiten für Verpflegung vor und während Untersuchungen und Operationen.
Die Klägerin beantragt , den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide
zu verpflichten, der Klägerin - soweit noch streitig - ab dem 18. Mai 2006 Leistungen der
Vollzeitpflege gemäß § 27 Abs. 1 und 2 I.V.m. § 33 SGB VIII zu gewähren, und zwar
ohne Kürzung nach § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII sowie mit der Erhöhung des
Erziehungsanteils um 25 v.H. gemäß § 39 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGB VIII sowie
insgesamt in zeitlicher Hinsicht bis zum Ablauf des Monats Oktober 2007.
18
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er tritt der Klage entgegen. Bezüglich des noch streitigen Zeitraums vom 18. Mai 2006
bis 6. Mai 2007 sei für ihn auch nach der Zeugenvernehmung in der mündlichen
Verhandlung vom 10. Februar 2009 nicht ersichtlich, dass die allein antragsbefugte
Klägerin vor dem bislang berücksichtigten Zeitraum einen Antrag auf Hilfe zur
Erziehung gestellt habe. Ein solcher Nachweis lasse sich auch nicht aus einem privaten
Protokoll des Beigeladenen zu 1.) führen. Die Klägerin erhalte weiter für O. das
Pflegegeld nach dem SGB XI , das sie unmittelbar an die Pflegeltern, die Beigeladenen,
weiterleite. Diese Leistungen der Pflegekasse seien in vollem Umfang auf eine etwaige
Pflegegelderhöhung nach § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII anzurechnen. Das folge bereits
aus dem sozialrechtlichen Grundsatz, Doppelleistungen auszuschließen. Im
vorliegenden Fall werde das Pflegegeld nach § 37 SGB XI auch wegen des
Sonderbedarfs gewährt, mit dem die Klägerin die Erhöhung des Pauschalbetrages
begehre. Bei einem Erziehungsanteil von 208 EUR bzw. 212 EUR würde eine
Erhöhung um 25 v. H. das gezahlte Pflegegeld nicht übersteigen.
20
Die Beigeladenen beantragen ebenfalls, den Beklagten unter Aufhebung der
angefochtenen Bescheide zu verpflichten, der Klägerin unter Berücksichtigung der
Bewilligung vom 27. Oktober 2008 ab dem 18. Mai 2006 Leistungen der Vollzeitpflege
gemäß § 27 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 33 SGB VIII zu gewähren, und zwar ohne Kürzung
nach § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII sowie mit der Erhöhung des Erziehungsanteils um 25
v.H. gemäß § 39 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGB VIII sowie insgesamt in zeitlicher
Hinsicht bis zum Ablauf des Monats Oktober 2007.
21
Sie treten dem Vortrag der Klägerin bei.
22
Die Kammer hat am 22. April 2008 einen Erörterungstermin durchgeführt und dort den
Kindesvater und seine frühere Freundin, Frau B1. N4. , als Zeugen zu den tatsächlichen
Aufenthaltsverhältnissen des Kindesvaters in den Jahren 2006 bis 2008 gehört. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 22. April
2008 erwiesen. In Auswertung der bei dieser Vernehmung gewonnenen Erkenntnisse
hat der Beklagte als Ergebnis akzeptiert, dass der Kindesvater zwar zeitweise in der
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Wohnung der Beigeladenen - seiner Eltern - in der Vergangenheit melderechtlich erfasst
worden sei, aber im streitbefangenen Zeitraum tatsächlich nicht dort gelebt habe.
In der Folge hat der Beklagte mit Bescheid vom 27.Oktober 2008 der Klägerin ab dem 7.
Mai 2007 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gem. §§ 27, 33, 36 SGB VIII
bewilligt; als wirtschaftliche Jugendhilfe ermittelte er ein monatliche Pflegegeld in Höhe
von 642 EUR und ab 1.1.2008 in Höhe von 655 EUR, auf das noch ein Viertel Anteil
des Kindergeldes angerechnet wurde. Die Zahlbeträge reduzierten sich deshalb in den
genannten Zeiträumen auf 604,50 EUR bzw. 616,50 EUR. Diese Hilfebewilligung hatte
der Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 4. Juni 2008 und 23. Juli 2008 angekündigt; die
Umsetzung hatte sich dann aber wegen eines von der Klägerin begonnenen
Umgangsrechtsstreits mit den Beigeladenen (AG F1. 19 F 233/08) verzögert. Soweit
Jugendhilfe bewilligt wurde, haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in
der Hauptsache für erledigt erklärt und stellen wechselseitig Kostenanträge.
24
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2009 hat die Kammer die
Klägerin und den Beigeladenen zu 1.) als Partei sowie den Mitarbeiter des
Jugendamtes des Beklagten, Herrn N1. , als Zeugen zum Gegenstand der Erörterung in
der Kinderklinik B. Straße in L. am 18. Mai 2006 gehört. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.
Februar 2009 Bezug genommen.
25
Den Beiladungsantrag der Eheleute Q. hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom
18. April 2008 abgelehnt; das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
- OVG NRW - hat mit Beschluss vom 23. Juli 2008 diese Entscheidung geändert und die
Großeltern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles beigeladen.
26
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen.
27
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
28
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - einzustellen.
29
Im Übrigen ist die Klage zulässig und auch überwiegend begründet,
30
(1.) soweit die Klägerin auch für die Zeit ab dem 19. Juni 2006 bis zum 6. Mai 2007 Hilfe
zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege durch Unterbringung des Sohnes O. im
Haushalt der Beigeladenen einschließlich der wirtschaftlichen Jugendhilfe
entsprechend den für das Land Nordrhein-Westfalen geltenden Pauschalbeträgen bei
Vollzeitpflege und Barbeträgen gem. § 39 SGB VIII erstrebt, und (2.) soweit die Klage für
die Zeit vom 18. Juni 2006 bis zum 31. Oktober 2007 über die Pauschalbeträge der
wirtschaftliche Jugendhilfe hinaus auf einen um 25 vom Hundert erhöhten
Erziehungsanteil gerichtet ist. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 2007 und der
Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2007 in der Fassung des Abhilfebescheides vom
27. Oktober 2008 sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Im Übrigen ist die Klage bezüglich des Zeitraums vom 18. Mai 2006 bis zum 18. Juni
2006 unbegründet; insoweit sind die entgegenstehenden Bescheide des Beklagten
31
rechtmäßig.
(1.) Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Hilfe zur Erziehung für die Zeit
vom 19. Juni 2006 bis zum 6. Mai 2007 ist § 27 SGB VIII, hier anzuwenden in der
Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998, BGBl. I S.3546, zuletzt geändert
durch Art. 1 Ziff. 12 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe
(Kinder- und Jugendhilfe-Weiterentwicklungsgesetz - KICK) vom 8. September 2005,
BGBl. I S. 2729, in Kraft getreten am 1. Oktober 2005. Danach hat ein
Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen
Anspruch auf Hilfe, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen
entsprechende Erziehung in der Herkunftsfamilie nicht gewährleistet ist und die Hilfe für
seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestimmt,
dass Art und Umfang der Hilfe sich nach dem erzieherischen Bedarf richten. Ist eine
Erziehung des Kindes außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt nach dem
zum 1. Oktober 2005 eingefügten § 27 Abs. 2a SGB VIII der Anspruch auf Hilfe zur
Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese
Aufgabe zu übernehmen; die H. von Hilfe setzt in diesem Fall voraus, dass diese
Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der
öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 SGB VIII zu decken. Für den
vorliegenden Fall heißt dies, dass die Hilfe zur Erziehung nicht deshalb entfällt, weil die
Beigeladenen als Großeltern mit der Aufnahme und Betreuung von O. zugleich eine
nach § 1601 BGB bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht ihrem Enkel gegenüber
erfüllen.
32
Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege soll Kindern und Jugendlichen
entsprechend ihrem Alter und Entwicklungsstand, ihren persönlichen Bindungen sowie
den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der
Herkunftsfamilie in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder
eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten (§ 33 Satz 1 SGB VIII). Für besonders
entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der
Familienpflege zu schaffen und auszubauen (§ 33 Satz 2 SGB VIII). Wird Hilfe nach den
§§ 32 ff. SGB VIII gewährt, so ist ferner der notwendige Unterhalt des Kindes oder
Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII),
der auch die Kosten der Erziehung umfasst (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Dies
geschieht durch Bewilligung des sogenannten Pflegegeldes.
33
Nach dem Erörterungstermin vom 22. April 2008 und der mündlichen Verhandlung vom
10. Februar 2009 ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Eltern von O.
zumindest nach dem Brandereignis von März 2006 nicht in der Lage sind, eine dem
Wohl des Kindes entsprechende Erziehung in der Herkunftsfamilie zu gewährleisten. In
einem solchen Fall besteht für das Jugendamt in der Regel Handlungsbedarf. Dies hat
der Beklagte für die Zeit ab dem 7. Mai 2007 auch anerkannt und zu Recht die
Voraussetzungen der oben angeführten Rechtsvorschriften für die von der Klägerin
erstrebte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege im Haushalt der Beigeladenen
bejaht. Lediglich hinsichtlich des Zeitraums vom 18. Mai 2006 bis zum 6. Mai 2007
besteht Streit, ob dem Antragserfordernis in der Jugendhilfe hinreichend Rechnung
getragen wurde.
34
Dies bejaht die Kammer und hält deshalb die Klage für den Zeitraum vom 19. Juni 2006
bis zum 6. Mai 2007 für begründet.
35
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzen Leistungen der
Jugendhilfe grundsätzlich eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Träger der
Jugendhilfe voraus, BVerwG, Urteil vom 28. September 2000 - 5 C 29/99 -, BVerwGE
112, 98 ff. bestätigt durch Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18/04 -, BVerwGE 124, 83 ff.
36
Es reicht zur Erfüllung des Antragserfordernisses nicht aus, dass - wie bei der
Sozialhilfe (früher § 5 BSHG, heute § 18 Abs. 1 SGB XII) - der Leistungsträger lediglich
Kenntnis von dem Notfall hat. Vielmehr muss der Hilfebedarf rechtzeitig an ihn
herangetragen worden sein. Die genannten Entscheidungen besagen ausdrücklich
nichts dazu, ob der Antrag schriftlich oder mündlich gestellt werden muss. Lediglich im
Rahmen der Erwägungen zur Rückverweisung an das Tatsachengericht führt das
Bundesverwaltungsgericht am Ende der zuerst genannten Entscheidung aus, es könne
"auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen ... indessen nicht mit
Sicherheit ausgeschlossen werden, dass mit der Bitte um Auskunft ... ein auf die
Sozialleistung gerichteter Antrag in der Form schlüssigen Verhaltens verbunden war",
37
Urteil vom 28. September 2000 - 5 C 29/99 -, a.a.O., S. 106.
38
Das heißt, es ist dem Antragserfordernis Genüge getan, wenn sich aus den
Gesamtumständen aufdrängt, dass hier von den Berechtigten eine konkrete Hilfe des
Jugendamtes gewünscht wird.
39
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom
10. Februar 2009 ist das Gericht davon überzeugt, dass unter Berücksichtigung der
aufgezeigten rechtlichen Voraussetzungen auf Grund der Gesamtumstände des
Gesprächstermins vom 18. Mai 2006 davon auszugehen ist, dass dem
Antragserfordernis Genüge getan ist. Diese Überzeugung stützt sich zum einen auf den
Zweck dieses Gesprächstermins, wie er von den Beteiligten und dem Zeugen N1.
geschildert worden ist. Zum andern ergaben sich für die Kammer aus dem geschilderten
Ablauf des Gesprächs hinreichende Anhaltspunkte für ein als Antragstellung zu
wertendes schlüssiges Verhalten der Klägerin im Zusammenwirken mit den
Beigeladenen. Es war absehbar, dass der Krankenhausaufenthalt zu Ende ging und O.
in eine absehbar zeitlich begrenzte Reha-Maßnahme wechseln musste. In dieser
konkreten Situation musste unter Einbeziehung des medizinischen Sachverstands und
des Jugendamtes geklärt werden, wie die weitere Betreuung und Versorgung des
Kindes geregelt werden sollte. Es war nicht ein bloßer Informationstermin, welche Hilfen
das Jugendhilferecht grundsätzlich für solche Fälle bereit hält. Ein solcher
Informationstermin hatte nach dem darüber gefertigten Vermerk des Herrn N1. am 14.
Februar 2005 - also über ein Jahr vor dem Brandunglück - im Haushalt der
Beigeladenen stattgefunden. Am Ende des Gespräches vom Februar 2005 sollten sich
die Klägerin und die Beigeladenen nochmals ausdrücklich bei Herrn N1. melden, wenn
sie konkrete Hilfe des Jugendamtes wünschen.
40
Hier war die Situation eine andere. Am 18. Mai 2006 wurde vom Personal des
Krankenhauses der Kindesmutter und den Beigeladenen unmittelbarer
jugendhilferechtlicher Entscheidungsbedarf für die nahe Zukunft dargelegt. Aus den
Angaben aller in der mündlichen Verhandlung gehörten Personen ergab sich, dass die
Kindeseltern sich zur Betreuung und Versorgung ihres Sohnes nicht in der Lage sahen.
Die Klägerin hat bei ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung ausdrücklich eingeräumt, sie
werde das nicht schaffen und sich wünschen, dass O. zukünftig bei den Beigeladenen
leben könne. Auch wenn ihr der genaue Wortlaut der im Gespräch gefallenen
41
Äußerungen und der Gesprächsablauf im Detail nicht mehr erinnerlich waren, so meinte
sie ihr Einverständnis ausreichend bekundet zu haben, es solle alles auf die Eheleute
Q. übertragen werden, da O. dort gut aufgehoben sei. Sie habe sich auch die vom
Beigeladenen zu 1.) angesprochene Hilfe des Jugendamtes gewünscht. Den fehlenden
Betreuungswunsch des Kindesvaters haben sowohl der Beigeladene zu 1.) als auch
Herr N1. bei ihrer Vernehmung durch das Gericht zum Ausdruck gebracht. Für diese
Unfähigkeit, die Betreuung des eigenen schwerverletzten Kindes zu übernehmen,
spricht schließlich die geringe Besuchsfrequenz der Kindeseltern während des
Aufenthalts von O. in der L1. Kinderklinik. Demgegenüber haben die Beigeladenen
nach den Bekundungen des Beigeladenen zu 1.) und des Herrn N1. mehrfach erklärt,
zur Aufnahme von O. bereit zu sein, dabei aber auf Hilfe des Jugendamtes angewiesen
zu sein. Dass dies nicht nur eine lapidare - jugendhilferechtlich bedeutungslose -
Erklärung war, folgt für die Kammer daraus, dass Herr Q. bei seiner Vernehmung
glaubhaft bekundet hat, Herrn N1. in diesem Gespräch ausdrücklich nach den dem
Jugendamt möglichen konkreten Handlungsalternativen befragt zu haben. Herr N1. hat
dies bei seiner Vernehmung ausdrücklich bestätigt und als Alternative eine
Heimunterbringung ins Gespräch gebracht. Spätestens in diesem Moment musste ihm
nach Auffassung des Gerichts klar sein, dass mit dem Unterbringungswunsch von
Kindesmutter und Beigeladenen ein Antrag auf Jugendhilfe unterbreitet worden war. Der
Umstand, dass er sich zur Zurückhaltung verpflichtet fühlte und zu diesem Zeitpunkt
wegen der Unterhaltspflicht der Großeltern einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Form
der Vollzeitpflege für unbegründet hielt, ist lediglich eine Frage der von ihm (auf einen
Antrag) zu treffenden behördlichen Entscheidung. Es spricht aber letztlich alles dafür,
dass er das Vorliegen eines Antrags hätte erkennen müssen. Seine in diesem Moment
unrichtige (rechtliche) Einschätzung beruhte letztlich darauf, dass - wie er auf
ausdrückliche Befragung einräumte - ihm im Frühjahr 2006 die seit Oktober 2005
geltende Neuregelung des § 27 Abs. 2a SGB VIII noch nicht bekannt gewesen ist.
War somit am 18. Mai 2006 ein Antrag gestellt worden, ist die beantragte Hilfe zur
Erziehung in Form der Vollzeitpflege zu bewilligen. Dabei ist die Kammer allerdings der
Auffassung, dass dem Antrag auf Jugendhilfe nicht schon ab dem 18. Mai 2006,
sondern erst ab dem 19. Juni 2006 zu entsprechen war.
42
Das Gericht ist zunächst davon ausgegangen, dass O. bereits vor dem Brand bei den
Beigeladenen wohnte, dies aber jugendhilferechtlich bedeutungslos ist. Denn diese
Aufnahme in den Haushalt der Großeltern erfolgte, weil die Klägerin seit Dezember
2005 bis zur Geburt ihres zweiten Kindes am 18. März 2006 wegen einer
Risikoschwangerschaft im Krankenhaus stationär untergebracht war und zu diesem
Zeitpunkt völlig unklar war, ob und wann O. in den Haushalt der Mutter zurückkehren
konnte. Dass Großeltern in einer solchen Situation auch für einen längeren Zeitraum für
die Eltern einspringen, ist eine alltäglich vorkommende Situation und geschieht in aller
Regel ohne Einschaltung des Jugendamtes. Nach dem Brand bis zum Wechsel in die
Reha-Klinik in I. waren die Grundversorgung sowie die Versorgung von O. in
medizinischer Hinsicht durch die Kinderklinik B. Straße in L. gesichert. Zweifellos haben
die Beigeladenen sich während des mehrmonatigen Krankenhausaufenthalts durch
eine Vielzahl von Besuchskontakten um O. besonders bemüht und das Krankenhaus
bei der Behandlung unterstützt. Aber dies bewegt sich nach Einschätzung des Gerichts
noch im Rahmen eines "normalen Verhaltens" engagierter Großeltern. Eine Zäsur ist
nach Auffassung des Gerichts mit dem Wechsel in die Reha-Klinik in I. eingetreten.
Denn dort hat sich mit Blick auf den geplanten späteren Wechsel in den großelterlichen
Haushalt insbesondere die Beigeladene zu 2.) für einen zunächst hinsichtlich der Dauer
43
offenen Zeitraum - im Ergebnis waren es letztlich zwei Monate - mit aufnehmen lassen,
um die Betreuung und Versorgung von O. in weiten Bereichen selbst zu übernehmen. In
F1. ließ sie die Versorgung des eigenen Haushalts, in dem damals noch eine
schulpflichtige Tochter lebte, zurück. Dies gebietet es, ab diesem Zeitpunkt (19. Juni
2006) von einem Einsetzen der Jugendhilfe auszugehen und diese auch auf den
Zeitraum bis zum 6. Mai 2007 zu erstrecken. Die Klage ist unter diesen Umständen
lediglich hinsichtlich des Zeitraums vom 18. Mai 2006 bis zum 18. Juni 2006
abzuweisen.
Ist Hilfe zur Erziehung für die Klägerin auch für den Zeitraum vom 19. Juni 2006 bis zum
6. Mai 2007 zu bewilligen, ist der notwendige Lebensunterhalt des Kindes durch die
wirtschaftliche Jugendhilfe nach § 39 Abs. 1 SGB VIII zu sichern. Zwar sieht der mit § 27
Abs. 2a SGB VIII neu eingeführte § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII vor, dass im Falle der
Unterbringung bei einem Unterhaltspflichtigen der Pauschalbetrag angemessen gekürzt
werden kann. Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte unter Abwägung aller Umstände
dieses sicherlich außergewöhnlichen Falles bereits im Bescheid vom 27. Oktober 2008
für die Hilfe zur Erziehung ab dem 7. Mai 2007 abgesehen. Dies unterliegt keinen
rechtlichen Bedenken. Es ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, für den hier maßgeblichen
Zeitraum eine abweichende Entscheidung zu treffen. Die Pauschalbeträge bei
Vollzeitpflege nach § 39 Abs.5 SGB VIII werden im Land Nordrhein-Westfalen durch
Runderlass des (heutigen) Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und
Integration - IV B 2 - 6122.1 - vom 10. Oktober 2000, SMBL. NRW 2160, zuletzt geändert
durch RdErl. vom 8. November 2007, MBl. NRW 2007, 844, regelmäßig fortgeschrieben.
Das Pflegegeld für O. belief sich für die Zeit ab dem 19. Juni 2006 auf monatlich 630
EUR und für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 auf monatlich 643 EUR; davon war, weil
die jüngste Tochter der Beigeladenen im Haushalt lebte, nach § 39 Abs. 6 SGB VIII
noch das Kindergeld (154 EUR) zu 25 v. H. in Abzug zu bringen.
44
(2.) Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf ein um 25 v. H. des Erziehungsanteils
erhöhten Pflegegeldes für die Zeit vom 19. Juni 2006 bis zum 31. Oktober 2008. Nach §
39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII sollen die laufenden Leistungen zum Unterhalt des Kindes
oder Jugendlichen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht
nach der Besonderheit des Einzelfalles abweichende Leistungen geboten sind. Die
Pauschalbeträge bei Vollzeitpflege nach 39 Abs. 5 SGB VIII setzen sich im Land
Nordrhein-Westfalen aus einer materiellen Komponente, mit der der Lebensunterhalt
des Kindes bzw. des Jugendlichen gesichert werden soll, und den Kosten der
Erziehung, also eines Anerkennungsbetrags für die erzieherische Tätigkeit der
Pflegeeltern, zusammen. Mit diesem Pauschalbetrag sind somit die üblicherweise mit
der Erziehung von Kindern, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen und dort
erzogen werden können, verbundenen Belastungen abgegolten. Dies schließt nicht
aus, dass in außergewöhnlich gelagerten Einzelfällen mit einem besonderen
Erziehungsbedarf eine Erhöhung dieser Komponenten des Pauschalbetrages verlangt
werden kann.
45
Zunächst folgt die Kammer der Auffassung des Bayerischen VGH, vgl. Urteil vom 10.
November 2005 - 12 BV 04.1638 - (juris),
46
dass die Zahlung eines erhöhten Pflegegeldes nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil
das Kind oder der Jugendliche hier nicht in einer Pflegestelle im Sinne des § 33 Satz 2
SGB VIII betreut wird, die die fachlichen Anforderungen an eine sozialpädagogische
Pflegestelle erfüllt. Eine entsprechende rechtliche Voraussetzung, dass die
47
Anerkennung eines abweichenden besonderen Erziehungsbedarfs nur in solchen
Pflegefamilien in Betracht kommt, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 39 Abs. 4
Satz 3 SGB VIII, noch lässt sich dies aus der Systematik des 4. Abschnitts des SGB VIII
herleiten. Für die hier vertretene Rechtsauffassung spricht vor allem der Wortlaut des
obengenannten Rd.Erl. des (heutigen) Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen
und Integration - IV B 2 - 6122.1 - vom 10. Oktober 2000 - Pauschalbeträge bei
Vollzeitpflege nach § 39 SGB VIII -. Danach umfassen die Pauschalbeträge nicht die
Unterhaltsleistungen für Kinder und Jugendliche in Familienpflegestellen nach § 33
Satz 2 SGB VIII. Der Lebensbedarf für diese besonders entwicklungsbeeinträchtigten
Kinder und Jugendlichen ist vielmehr nach den "Besonderheiten im Einzellfall" zu
ermitteln und sicherzustellen.
Nach der Rechtsprechung und der Auffassung in der Literatur muss der besondere
Bedarf des Einzelfalls im Sinne des § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII in der Person des
Kindes oder Jugendlichen begründet sein.
48
Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 10. November 2005 - 12 BV
04.1638 - (juris); Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 6. April 2005 - 5 B
86.04 - (juris); Wiesner in Wiesner, SGB VIII, 3. Auflage, 2006, § 39 Rdnr. 34;
Jans/Happe/Saurbier, KJHG, 3. Auflage, § 39 Rdnr. 50.
49
Durch dieses Erfordernis ist aber nur geklärt, dass allein die Pflegefamilie betreffende
Umstände, wie etwa die (hier nicht geltend gemachte ) finanzielle Situation der
Pflegeeltern, keine abweichende Pflegegeldfestsetzung auslösen können.
50
Die Voraussetzungen für die Annahme eines besonderen Bedarfs im Einzelfall im Sinne
des § 39 Abs. 4 SGB VIII sind weder im Gesetz selbst noch im Landesrecht geregelt.
Auch der obengenannte Runderlass des (heutigen) Ministeriums für Generationen,
Familie, Frauen und Integration - IV B 2 - 6122.1 - enthält keine entsprechenden
beispielhaften Anhaltspunkte. Im Zuständigkeitsbereich des Beklagten als des örtlichen
Jugendhilfeträgers bestehen ebenfalls keine Richtlinien oder schriftlich niedergelegten
Anhaltspunkte, wann von einem besonderen Bedarf an Pflege- und Betreuungsaufwand
im Sinne des § 39 Abs. 4 SGB VIII auszugehen ist.
51
Bei der gesetzlichen Regelung, wann in Ansehung "der Besonderheit des Einzelfalls"
abweichende Leistungen geboten sind, handelt es sich um einen unbestimmten
Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, und nicht etwa um eine
nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (vgl. § 114 VwGO) unterliegende
Ermessenentscheidung. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Mehrzahl der
Kinder, die vom Jugendamt in einer Pflegefamilie untergebracht werden, verglichen mit
den Kindern, die in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, meist einen erhöhten
erzieherischen Bedarf haben. Das hat seinen Grund darin, dass in der überwiegenden
Zahl der Fälle Hilfe zur Erziehung erforderlich wird, weil die Personensorgeberechtigten
mit der Erziehung des Kindes oder Jugendlichen überfordert sind. Dieser erhöhte
erzieherische Bedarf ist somit der Regelfall, der mit dem regelmäßig zu zahlenden
Pauschalbetrag abgedeckt ist. Es müssen deshalb weitere Besonderheiten im Einzelfall
hinzutreten, um eine vom Pauschalbetrag abweichende Festsetzung des Pflegegeldes
zu rechtfertigen. Ein derartiger Sonderbedarf, der zu einem anzuerkennenden erhöhten
Pflege- und Betreuungsaufwand führen kann, ist zum Beispiel anzunehmen, wenn
besonders schwere Erziehungsdefizite/Verhaltensauffälligkeiten vorliegen und/oder
schwere Erkrankungen, schwere Formen von Behinderungen, gleich ob körperlicher,
52
geistiger oder seelischer Art, bestehen, die gegenüber der "normalen Pflege und
Erziehung" besonders beanspruchende Anforderungen an Betreuung und Erziehung
des Kindes oder Jugendlichen stellen.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist hier eine Erhöhung des Erziehungsanteils
im Pflegegeld um 25 v. H. gerechtfertigt. Die Besonderheiten, die hier Anlass zur
Annahme besonders beanspruchender Anforderungen geben, folgen aus den erlittenen
schweren Brandverletzungen von O. , die mindestens denselben Betreuungsaufwand
erfordern wie eine sonstige schwere körperliche Behinderung. Zwar bleiben in diesem
Rahmen die Versorgung der Wunden und Narben sowie die im streitbefangenen
Zeitraum häufigen stationären und ambulanten Krankenaufenthalte im Zusammenhang
mit einer größeren Zahl von Operationen außer Betracht, da diesem Aufwand - wie noch
auszuführen sein wird - durch Leistungen der Pflegeversicherung Rechnung getragen
wird. Mit diesem Erhöhungsbetrag soll aber den von den Beigeladenen vorgetragenen
besonderen pädagogischen Anforderungen Rechnung getragen werden, die mit der
Lebenssituation eines durch schwere Verbrennungen gekennzeichneten Kindes
prägend verbunden sind. Dazu gehört beispielsweise die besondere Unterstützung von
O. , wenn er ablehnende Reaktionen und Zurückweisungen gleichaltriger Kinder auf die
optisch wahrnehmbaren Brandverletzungen erfahren muss. Dies erfordert sowohl die
durch ein besonders hohes Maß an Zuwendung erfordernde Stärkung des
Selbstwertgefühls des Kindes als auch die ständige Förderung der Fähigkeit des
Kindes, die Wahrnehmung der Brandverletzungen durch andere Kinder und
Erwachsene anzunehmen. Es erfordert aber auch immer wieder die Notwendigkeit ein
Zugehens auf Dritte, mit denen O. Kontakt aufnehmen will. Mit dieser Hilfe soll
schließlich auch der Berücksichtigung der großen seelischen Belastung der
Pflegeeltern durch den permanenten Umgang mit einem schwerstbeschädigten Kind
Rechnung getragen werden. Eine Erhöhung um 25 v. H. des Erziehungsanteils im
Pauschalbetrag nach § 39 Abs. 5 SGB VIII erscheint der Kammer in diesem Rahmen als
angemessen. Die Kosten der Erziehung waren im Runderlass des (heutigen)
Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration - IV B 2 - 6122.1 - für das
Jahr 2006 auf monatlich 204 EUR und im Jahr 2007 auf 208 EUR festgesetzt, so dass
sich der monatliche Erhöhungsbetrag im Jahr 2006 auf 51 EUR und im Jahr 2007 auf 52
EUR beläuft.
53
Die erstrebte Jugendhilfe in Form der Erhöhung des Erziehungsanteils im
Pauschalbetrag um 25 v. H. scheitert auch nicht an der Bewilligung von Pflegegeld für
die Pflege von O. nach § 37 des Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale
Pflegeversicherung (SGB XI) durch die Pflegekasse. Denn der eben beschriebene
besondere pädagogische Aufwand und die seelischen Belastungen der Pflegepersonen
werden durch die Leistungen der Pflegekasse nicht berührt.
54
Die Pflegekasse übernimmt nur die Kosten, die ihrem Aufgabenbereich obliegen. Als
pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI gelten Personen, die wegen einer
körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die
gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen
Lebens auf Dauer, voraussichtlich aber mindestens sechs Monate, in erheblichem und
höherem Maße der Hilfe bedürfen. Die Hilfe besteht in der Unterstützung, in der
teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen
Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen
Übernahme dieser Verrichtungen. Zu den regelmäßigen wiederkehrenden
Verrichtungen des täglichen Lebens gehören etwa das Waschen, das Kämmen, das
55
Anziehen, die Versorgung von Verletzungen und Wunden, die Gabe von
Medikamenten, hauswirtschaftliche Verrichtungen wie Kochen, Hilfe bei der Einnahme
von Speisen, und die Hilfe bei der Mobilität. Die Höhe der Leistungen der Pflegekasse
bestimmt sich nach Einordnung in eine der drei Pflegstufen (§ 15 SGB XI). Dabei ist bei
Kindern im Alter von O. im streitbefangenen Zeitraum noch zu beachten, dass auch
gesunde Kinder bei Körperpflege, Nahrungsaufnahme und Mobilität noch in
erheblichem Umfang Hilfebedarf haben. Auch gesunde und altersentsprechend
entwickelte Kinder erlernen im Laufe ihrer Entwicklung die einzelnen Verrichtungen des
täglichen Lebens in unterschiedlichem Alter und mit einer großen Variationsbreite. Auch
unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Pflegekasse den Pflegebedarf der Stufe
II O. zuerkannt. Das Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen betrug nach § 37 Abs.
1 Satz 3 Nr. 2 SGB XI im Jahr 2006 in der Pflegestufe II 415 EUR und im Jahr 2007 420
EUR. Der Bezug von Pflegegeld nach § 37 SGB XI schließt zwar die H. von Pflegegeld
nach § 39 Abs. 1 und 4 SGB VIII nicht grundsätzlich aus, weil die Leistungen der
Pflegekasse keinen abschließenden Charakter haben,
vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2000 - 5 C 34/99 -, BVerwGE 111, 241 ff. = FEVS 51,
529 ff. = NJW 2000, 3512 f.
56
Mit ihnen wird eine Vollversorgung der Pflegebedürftigen weder angestrebt noch
erreicht, da die Pflegeversicherung nur eine soziale Grundsicherung in Form
unterstützender Hilfeleistungen darstellt. Andererseits sind die Leistungen der
Pflegeversicherung in vollem Umfang auf die Pflegegelderhöhung nach. § 39 Abs. 4
Satz 3 SGB VIII anzurechnen, wenn sie wegen eines Sonderbedarfs, für den die
Pflegegelderhöhung beantragt wird, gewährt werden.
57
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2000 - 5 C 34/99 -, a.a.O.; Bay.VGH, Urteil vom 10.
November 2005 - 12 BV 04.1638 - (juris).
58
Das folgt bereits aus dem im Sozialleistungsrecht geltenden Grundsatz, dass
Doppelleistungen ausgeschlossen werden sollen.
59
Im vorliegenden Fall wird das Pflegegeld von der Pflegekasse nach den Angaben der
Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung wegen der Anforderungen an die
Versorgung der schweren Brandwunden und des damit verbundenen beson-deren
Behandlungs- und Pflegebedarfs gewährt. Dazu gehören der oben geschilderte
besondere pädagogische Aufwand bei der Erziehung von O. und die seelischen
Belastungen der Pflegepersonen, die nach Auffassung der Kammer die Erhöhung des
Erziehungsanteils rechtfertigen, nicht.
60
Damit steht aber zugleich fest, dass eine abweichende Leistungsfestsetzung nicht auf
den Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen gestützt werden kann, zahlreiche
Aufwendungen im Zusammenhang mit den schweren gesundheitlichen
Beeinträchtigungen und deren Behandlung würden von der Pflegeversicherung nicht
abgedeckt. Dazu gehörten etwa Fahrtkosten zu den Untersuchungen und Therapien,
die Parkgebühren, die Aufwendungen bei Wartezeiten für Verpflegung vor und während
Untersuchungen und Operationen. So sind beispielsweise Fahrtkosten zu Therapien
und Krankenhausbehandlungen und ggfls. Parkgebühren gegenüber der Krankenkasse
geltend zu machen, soweit sie unvermeidbar und erforderlich sind. Kosten dieser Art
fallen aber - zumindest nach der derzeitigen Rechtslage - nicht in den
Zuständigkeitsbereich der Jugendhilfe.
61
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2, 154 Abs. 1, 155 Abs.1 Satz 3, 188
Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Der Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung erfordert
es, dass sowohl über die Kosten des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits und
als auch über die Kosten betr. den streitig entschiedenen Teil des Verfahrens in einer
Kostenentscheidung zu befinden ist.
62
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist
lediglich noch nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden
(§ 161 Abs. 2 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, dem Beteiligten die
Kosten aufzuerlegen, der im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Dies wäre im
vorliegenden Verfahren voraussichtlich der Beklagte gewesen. Dies folgt schon daraus,
dass er die Klägerin bezüglich der streitbefangenen Hilfe zur Erziehung mit Bescheid
vom 27. Oktober 2008 unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide für die Zeit
ab dem 7. Mai 2007 bis zum 31. Oktober 2007 klaglos gestellt hat, ohne dass dies
erkennbar auf Gründen beruht, die in der Sphäre der Klägerin liegen oder die diese zu
vertreten hat. Im Übrigen wäre der Beklagte für diesen Zeitraum im Rechtsstreit auch
unterlegen, da die Erforderlichkeit der der Klägerin zu gewährenden Hilfe zur Erziehung
nicht anders zu beurteilen gewesen wäre als für den Zeitraum vom 19. Juni 2006 bis
zum 6. Mai 2007.
63
Hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils des Rechtsstreits waren dem Beklagten
insgesamt die Kosten aufzuerlegen. Soweit er im Rechtstreit unterlegen ist, beruht dies
auf § 154 Abs. 1 VwGO. Zwar hat der Beklagte in geringen Umfang (für einen Zeitraum
von einem Monat bis insgesamt ca. 12 Monaten) obsiegt; die Kammer macht aber
insoweit von ihrem in § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO eingeräumten Ermessen Gebrauch
und legt dem Beklagten insgesamt die Kosten des Verfahrens auf.
64
Da die Beigeladenen einen Antrag gestellt und sich damit dem Risiko einer
Kostentragungspflicht ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der
Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, die ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens
der Beiordnung entstandenen außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu
erklären. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
65
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
66