Urteil des VG Aachen vom 13.12.2006

VG Aachen: neubau, grundstück, stand der technik, subjektives recht, klagebefugnis, stadt, luft, lärmschutz, ausgabe, eigentum

Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 4443/04
Datum:
13.12.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 4443/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. Der Beigeladene zu
1. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger wendet sich gegen den Neubau der Ortsumgehung von Hückelhoven als
Landesstraße L 364n. Er ist Eigentümer des Grundstücks " -Straße" in Doveren. Das
Grundstück wird durch den Straßenbau nicht unmittelbar in Anspruch genommen. Es
liegt von der planfestgestellten Trasse in einer Entfernung von etwa 620 m.
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Die vorhandene L 364 (L 364 alt) verläuft derzeit als städtische Durchgangsstraße (von
Süden nach Norden zunächst als Hilfarther Straße, dann als Dinstühler Straße, als
Markt und schließlich als Gladbacher Straße) durch das Stadtgebiet Hückelhoven mit
späterem Anschluss an die Bundesautobahn A 46. Sie weist mehrere plangleiche
Knotenpunkte und Anbindungen auf, insbesondere den plangleichen Knotenpunkt L
364/L 117 und den benachbarten schienengleichen Bahnübergang.
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Nach einer im Jahre 1995 vor Fertigstellung der Weiterführung der A 46 hinsichtlich der
Verkehrsbelastung der L 364 alt durchgeführten Verkehrszählung belief sich auf dem
Teilabschnitt "Gladbacher Straße" der durchschnittliche tägliche Verkehr (DTV) auf
14.336 Kfz/24 h, davon 5 % Schwerlastverkehr (SV), auf dem Teilabschnitt "Dinstühler
Straße" auf 14.466 Kfz/24 h, davon 5,6 % SV. Zur Erfassung der tatsächlich durch die
Autobahn verursachten Verkehrsverlagerung wurde durch die Beigeladene zu 2. nach
der Inbetriebnahme der Weiterführung der A 46 im April 1996 eine Verkehrszählung
durchgeführt. Diese ergab für den Teilabschnitt "Gladbacher Straße" einen DTV von
4
11.170 Kfz/24 h und für den Teilabschnitt "Dinstühler Straße" einen DTV von 10.200
Kfz/24 h. Bei einer im Jahr 2000 durchgeführten weiteren Verkehrszählung wurde für
den Teilabschnitt "Gladbacher Straße" ein DTV von 10.970 Kfz/24 h und für den
Teilabschnitt "Dinstühler Straße" ein DTV von 12.033 Kfz/24 h ermittelt. Der Anteil des
Schwerlastverkehrs lag dabei auf dem Teilabschnitt "Gladbacher Straße" bei 5,9 % und
auf dem Teilabschnitt "Dinstühler Straße" bei 7,9 %.
Durch den Neubau der L 364 (L 364n) als östliche Umgehung der Stadt Hückelhoven
soll zwischen der Anschlussstelle Hückelhoven der A 46 und der Rheinstraße in
Hückelhoven auf einer Länge von ca. 3,2 km eine Verbindungstrasse erstellt werden.
Vom Planfeststellungsbeginn im Norden (BAB A 46) verschwenkt die L 364n süd-
ostwärts, quert den Hückelhovener Bach mit einer 7,00 m hohen und 160 m langen
Talbrücke und verläuft entlang des Waldgebietes "Weselter Busch". Ab Bau-km 0,9
schwenkt sie nach Süden und quert das Waldgebiet "Am Junkerberg", an dessen
nördlichem Rand eine 30 m breite Grünbrücke über die L 364n vorgesehen ist. Im
weiteren Verlauf in südlicher Richtung zwischen Hückelhoven und Doveren quert die L
364n planfrei die Hückelhovener Straße, einen Rad- und Fußweg, die L 117 (Jülicher
Straße) und die DB-Strecke Baal - Ratheim. Südlich der DB-Strecke (Bau-km 2,9)
schwenkt die L 364n nach Westen und findet ihren Anschluss in der Rheinstraße. Im
Zuge des Neubaus der L 364n sollen 3 Knotenpunkte als Kreisverkehrsplätze
ausgebildet werden. Bauwerke sind ferner erforderlich für die Unterführungen des
Hückelhovener Baches, der Hückelhovener Straße, der Lambertusstraße, der L 117 und
der DB-Strecke sowie die Überführung der Landschaftsbrücke.
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Die planfestgestellte Neubautrasse durchquert einen nur dünn besiedelten, in ihrem
südlichen Verlauf zwischen den Ortschaften Hückelhoven und Doveren gelegenen
Bereich, der fast ausschließlich landwirtschaftlich, vorwiegend als Ackerland, genutzt
wird. Im nördlichen Bereich der Neubaumaßnahme, bis zum Friedhof von Hückelhoven,
verläuft die Trasse der L 364n im Landschaftsschutzgebiet.
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Der planfestgestellte Neubau der L 364n, mit dem die Entlastung der Stadt Hückelhoven
vom Durchgangsverkehr und den damit verbundenen Immissionen erreicht werden soll
(Ortsumgehung Hückelhoven), ist in der bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses
geltenden Fassung des Landesstraßenbedarfsplans als Bedarf und im
Landesstraßenausbauplan als Maßnahme der Dringlichkeitsstufe 1 A dargestellt.
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Das Verfahren für die Planfeststellung nahm folgenden Verlauf:
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Mit Schreiben vom 25. April 2000 leitete das Rheinische Straßenbauamt
Mönchengladbach (RSBA) für den Landschaftsverband Rheinland als
Straßenbaulastträger (seit dem 1. Januar 2001: Landesbetrieb Straßenbau NRW -
Niederlassung Mönchengladbach -) der Beklagten die Planunterlagen für den Neubau
der L 364n zu und bat um Durchführung des Planfeststellungsverfahrens. Die
Planunterlagen wurden nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung vom 2. Juni 2000
in der Zeit vom 13. Juni 2000 bis zum 14. Juli 2000 bei der Beigeladenen zu 2. öffentlich
ausgelegt. Die Beklagte hörte ferner die Träger öffentlicher Belange an. Nach
Durchführung eines ersten Erörterungstermins am 4. Dezember 2002 erfolgten aufgrund
von Einwendungen der Vertreter der Landwirtschaft Änderungen der Planung,
insbesondere eine Überarbeitung und Neuordnung des Wirtschaftswegenetzes sowie
Änderungen hinsichtlich der landschaftspflegerischen Ausgleichsmaßnahmen. Die
überarbeitete Planung wurde nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung vom 23. Mai
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2003 in der Zeit vom 10. Juni 2003 bis zum 9. Juli 2003 bei der Beigeladenen zu 2.
öffentlich ausgelegt. Die Erörterung der geänderten Planung erfolgte in einem
Erörterungstermin am 6. November 2003. Mit Antrag vom 9. Mai 2003 beantragte die
Beklagte bei der Bezirksregierung Münster die Durchführung eines
Bodenordnungsverfahrens nach §§ 87 ff. des Flurbereinigungsgesetzes (FlurBG), weil
in großem Umfang landwirtschaftliche Grundstücke durch die Planung in Anspruch
genommen würden.
Der Kläger machte im Planfeststellungsverfahren folgende Einwendungen gegen das
planfestgestellte Vorhaben geltend:
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Die Variantenprüfung bei der Trassenwahl sei fehlerhaft erfolgt. Die so genannte
Nullvariante, also das Absehen vom planfestgestellten Neubau, sei nicht ernsthaft
erörtert worden. Die Nullvariante habe sich aber aufgedrängt, weil allein bei dieser
Variante die Eingriffe und Beeinträchtigungen, die mit den anderen Varianten
einhergingen, vermieden würden. Die Nullvariante habe vor allem deshalb ernsthaft in
Betracht gezogen werden müssen, weil die Planfeststellungsbehörde zu dem Schluss
gekommen sei, dass es bei der Fertigstellung der Weiterführung der A 46 und einem
Anschluss der L 117 zu einer weiteren Abnahme der Verkehrsbelastung kommen
werde. Gewählt worden sei aber die Variante A 6. Diese sei, mit Ausnahme der Variante
A 1, der die Belange von Natur und Landschaft am meisten beeinträchtigende
Variantenentwurf. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, dass die Forderung der
Naturschutzbehörden nach der Schaffung einer Landschaftsbrücke durch
Untertunnelung des Bereiches Junkerberg ohne nähere Begründung und nur mit dem
Hinweis auf Kostengesichtspunkte nicht weiterverfolgt worden sei. Die Auswahl
zwischen der Variante A 3 und der Variante A 6 sei nur durch den Umwegfaktor
begründet worden. Dies sei nicht nachvollziehbar und fehlerhaft.
11
Auch die Planrechtfertigung sei zweifelhaft. Der Erläuterungsbericht zum
Planfeststellungsentwurf gehe von Verkehrsprognosewerten für das Jahr 2010 aus, die
prognostizierten, dass im Bereich der L 364n mit Verkehrszahlen von 13.400-13.700
Kfz/24 h zu rechnen sei. Im Bereich der L 364 alt verbliebe eine Verkehrsbelastung von
5.500 Kfz/24 h. Die derzeitige Verkehrsbelastung von 14.466 Kfz/24 h für die L 364 alt
stelle sich als nicht so überdurchschnittlich dar, dass sie eine Rechtfertigung für einen
so nachhaltigen und massiven Eingriff in Natur und Landschaft darstellen könnte.
12
Die immissionstechnische Untersuchung sei ebenfalls fehlerhaft erfolgt und nicht
nachvollziehbar. Sie beruhe bereits auf dem unzutreffenden Ansatz, dass im Bereich der
Verlängerung der Straße "Am Sattelplatz" nur mit einem DTV von 2.000 Kfz/24 h zu
rechnen sei. Deswegen solle es im Bereich des Wohngebietes "Am Gritterer Weg" in
Doverheide nicht zu Grenzwertüberschreitungen kommen. Die Prognose habe sich aber
nicht auf eine konkrete Untersuchung gestützt, sondern auf vergleichbare Werte von
ähnlichen benachbarten Straßen, ohne dass diese Straßen aber im Einzelnen benannt
worden seien. Es sei aber zu erwarten, dass durch den Anschluss der Straße "Am
Sattelplatz" an die L 364n eine Verbindungstrasse, ähnlich der L 117, geschaffen würde
und sich der DTV folglich erheblich erhöhen werde. Diese Fernwirkungen, die
erheblichen Einfluss auf die Verträglichkeit des Planvorhabens mit der Wohnbebauung
hätten, seien bereits in der Planung zu berücksichtigen.
13
Es werde bestritten, dass die Untersuchung nach dem anzuwendenden Verfahren der
16. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - (16. BImSchV)
14
vorgenommen worden sei. Die Emissionsbelastung sei zu gering angenommen, auch
die Immissionsermittlung sei fehlerhaft erfolgt. Insbesondere seien die Auswirkungen
der kombinierten Immissionsquellen der L 364 und der Anbindung der Straße "Am
Sattelplatz" nicht hinreichend ermittelt worden. Die in der immissionstechnischen
Untersuchung verwendeten Abkürzungen entsprächen teilweise nicht den in der Anlage
1 zur 16. BImSchV verwendeten Abkürzungen und erschwerten somit eine Überprüfung
der Ergebnisse. Die lärmtechnische Untersuchung weise insoweit erhebliche Defizite
auf.
Die Untersuchung der Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens auf Tiere und
Pflanzen sei völlig defizitär. Hier habe sich der Vorhabenträger lediglich auf
Zufallsbeobachtungen gestützt. Konkrete Beobachtungen des natürlichen
Lebensraumes seien nicht erfolgt.
15
Mit dem planfestgestellten Vorhaben werde der Junkerberg, dem eine besondere
Bedeutung für das Landschaftsbild zukomme, stark beeinträchtigt, und zwar auch mit
Wirkung für das Wohngebiet Doverheide.
16
Mit den Auswirkungen der Beeinträchtigungen des Landschaftsschutzgebietes im
nördlichen Teil des von der planfestgestellten Maßnahme betroffenen Gebietes befasse
sich der Erläuterungsbericht nicht. Auch insoweit sei das Vorhaben mit
landschaftsschützenden Belangen nicht vereinbar.
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Der Beigeladene zu 1. nahm im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zu den
Einwendungen des Klägers wie folgt Stellung:
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Zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch
Verkehrsgeräusche sei beim Neubau einer Straße sicherzustellen, dass der
Beurteilungspegel die in der 16. BImSchV normierten Immissionsgrenzwerte nicht
überschreite. Die auf der Grundlage der "Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen" -
Ausgabe 1990 - (RLS 90) durchgeführte Schallschutzberechnung habe ergeben, dass
die L 364n in ausreichender Entfernung von den vorhandenen Wohngebieten in
Hückelhoven-Doveren liege, sodass keine Grenzwertüberschreitung vorliege. Das
Gleiche gelte für den Bereich des Wohngebietes "Am Gritterer Weg" in Doverheide.
Lediglich für Objekte im Misch- und Sondergebiet in Hückelhoven, und zwar für die
Grundstücke Rheinstraße Nrn. 100, 102, 103, 104 und ein Wohnhaus am Bauhof, lägen
Grenzwertüberschreitungen vor. Hier bestehe Anspruch auf passiven Lärmschutz dem
Grunde nach bis zum 3. Obergeschoss. Die Lärmermittlung sei daher fehlerfrei erfolgt.
Der Kläger könne sich nicht auf eine Überschreitung der Grenzwerte berufen.
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Die Schadstoffimmissionsberechnung sei auf der Grundlage des "Merkblatts über
Luftverunreinigungen an Straßen" - Ausgabe 1992 - (MLuS 92) erfolgt. Zur Beurteilung
der Schadstoffimmissionen seien außerdem die Vorbelastungen des von der
Neubaumaßnahme betroffenen Raumes dem TEMES-Jahresbericht 1992-94 der
Messstation Nettetal entnommen worden. Die Berechnung habe ergeben, dass die
Grenzwerte der Schadstoffbelastung entsprechend der TA Luft und anderer Vorschriften
durch den Neubau der L 364n nicht überschritten würden.
20
Zur Umgebung Hückelhoven und Hilfarth sei im Zuge der L 364n in den Jahren 1989/90
eine Umweltverträglichkeitsstudie erarbeitet worden. Auf der Basis der Raumanalyse
seien von der Straßenbauverwaltung mehrere Varianten zur Umgehung der Ortslagen
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als Linienentwürfe erarbeitet worden. Eine Umgehung des Stadtgebietes Hückelhoven
sei dringend notwendig. Die so genannte Nullvariante komme daher nicht in Betracht.
Zurzeit verlaufe die L 364 durch das Stadtgebiet Hückelhovens. Aufgrund der
vorhandenen Bebauung ergäben sich für die Gehwege entlang der Straße, z. B. im
Bereich der Dinstühler Straße, unterschiedliche, meist jedoch zu geringe Bereiten.
Plangleiche Knotenpunkte und Anbindungen minderten zusätzlich die Qualität der
Ortsdurchfahrt. Insbesondere der plangleiche Knoten L 364/L 117 und der benachbarte
schienengleiche Bahnübergang wiesen in Spitzenstunden erhebliche Behinderungen
des Verkehrsflusses und der Verkehrssicherheit auf. Mit wirtschaftlich vertretbaren
Mitteln sei eine leistungsgerechte und verkehrssichere Abwicklung der Verkehrsströme
innerhalb Hückelhovens nicht möglich. Die Notwendigkeit einer Umgehungsstraße
werde auch aus den in den Jahren 1995, 1996 und 2000 durchgeführten
Verkehrszählungen deutlich. Beim Schwerlastverkehr sei im Bereich der Dinstühler
Straße sogar ein leichter Anstieg zu verzeichnen gewesen.
Die gewählte Variante A 6 sei die relativ konfliktärmste Lösung aus der Sicht von Natur
und Landschaft und Wohn- und Wohnumweltfunktion. Gegen die Variante A 3 sprächen
neben dem großen Umwegfaktor auch die erheblichen Konflikte im Bereich Doveren.
Hier würde eine Schule mit begleitenden Freizeitanlagen stark beeinträchtigt und
Funktionszusammenhänge würden zerstört. Die seitens der Landschaftsbehörden
geforderte Landschaftsbrücke (Untertunnelung im vollständigen Bereich des
Junkerberges) werde nicht nur aus Kostengründen abgelehnt, sondern auch, weil eine
Unterführung der Hückelhovener Straße aufgrund der dann erforderlichen Tieflage der L
364n nicht möglich wäre. Die Unterführung der Hückelhovener Straße statt einer
Überführung mindere aber die Eingriffe in das Landschaftsbild. Durch die Optimierung
der Trassenführung bei der Variante A 6 werde der Wald am "Weselter Busch" nur noch
randlich beeinträchtigt. Die L 364n verlaufe mittig zwischen den Orten Hückelhoven und
Doveren und mindere damit die Konflikte mit der Wohnfunktion. Bei Verwirklichung der
Variante A 6 werde im Bereich des Junkerberges eine Grünbrücke zur Minderung der
Eingriffe ermöglicht. Die Variante A 6 verlaufe geländeangepasster durch den
Waldbereich "Am Junkerberg", wertvolle Buchen- und Eichenalthölzer würden geschont
und nur Niederwald betroffen. Mit der Wahl der Variante A 6 sei die Verpflichtung zur
weitgehenden Vermeidung und Minderung des Eingriffs in Natur und Landschaft erfüllt.
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Zur Frage der Planrechtfertigung habe die Straßenbauverwaltung für den Bereich der
"Dinstühler Straße" in Hückelhoven einer vergleichende schalltechnische Berechnung
durchgeführt. Ausgangswerte seien die heutige Verkehrsbelastung von 14.466 Kfz/24 h
DTV und die Verkehrsbelastung nach dem Bau der Umgehung Hückelhoven von 5.500
Kfz/24 h DTV (2010). Anhand dieser Berechnung sei durch eine Umgehung
Hückelhoven eine Minderung des Beurteilungspegels im Bereich der "Dinstühler
Straße" um 4,2 dB(A) festzustellen.
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Entsprechend der Stellungnahme der Beigeladenen zu 2. werde die Verlängerung der
Straße "Am Sattelplatz" im Planfeststellungsverfahren nicht weiterverfolgt, weil die
Anbindung aufgrund des massiven Widerstands aus der Bevölkerung seitens der Stadt
Hückelhoven nicht mehr gewünscht werde. Die Unterlagen würden entsprechend
geändert.
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Die Schallpegelberechnung sei insoweit auch nicht fehlerhaft erfolgt. Der Kreis der
Anspruchsberechtigten sei für jeden Verkehrsweg, hier die L 364n und die Straße "Am
Sattelplatz", getrennt zu ermitteln. Diesen Anforderungen habe die
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Schallpegelberechnung entsprochen.
Die immissionstechnische Untersuchung sei ebenfalls fehlerfrei erfolgt. Die in ihr
verwendeten Abkürzungen seien identisch mit den Abkürzungen der Anlage 1 zu § 3
der 16. BImSchV. Die Untersuchung weise keine erheblichen Defizite auf.
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Im Rahmen der zur Umgehung der Ortslage Hückelhoven und Hilfarth im Zuge der L
364 in den Jahren 1989/90 erarbeiteten Umweltverträglichkeitsstudie seien unter
anderem auch die Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen untersucht worden. Auf den
Daten und Ergebnissen der Umweltverträglichkeitsstudie bauten die Planung und der
landschaftspflegerische Begleitplan mit dem Ziel auf, projektbedingte Auswirkungen auf
Fauna und Flora zu konkretisieren und erhebliche oder nachhaltige Eingriffe im Sinne
des Landschaftsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (LG NRW) zu ermitteln.
Nach einer Konfliktanalyse seien der Straßenentwurf mit dem Ziel "Konfliktminderung"
(Vermeidung von Eingriffen) überprüft, sowie Art und Umfang der Maßnahmen des
Naturschutzes und der Landschaftspflege (Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) für
unvermeidbare Beeinträchtigungen beschrieben worden. Die landschaftspflegerischen
Maßnahmen seien mit den Fachbehörden einvernehmlich abgestimmt.
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Zusammenfassend sei festzustellen, dass insbesondere durch den Wegfall der
Anbindung der Straße "Am Sattelplatz" an die L 364n keine Auswirkungen des
Vorhabens auf den Kläger zu befürchten seien.
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Mit dem vom Kläger angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vom 16. November
2004 wies die Beklagte die Einwendungen des Klägers zurück und stellte den Plan für
den Neubau der L 364n als Ortsumgehung Hückelhoven fest. Sie führte unter anderem
aus:
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Der Bau der Ortsumgehung Hückelhoven im planfestgestellten Abschnitt sei, gemessen
an den Festlegungen des Landesstraßenausbaugesetzes NRW und den Zielen des
Straßen- und Wegegesetzes NRW, erforderlich. Die Ausweisung des planfestgestellten
Vorhabens im Bedarfsplan in der Stufe "vordringlicher Bedarf" habe die vom
Gesetzgeber angeordnete Wirkung, dass die Planrechtfertigung für das Vorhaben
gegeben sei und nicht mehr in Zweifel gezogen werden könne. Die Verkehrsprognose,
die den vordringlichen Bedarf rechtfertige, könne wegen der gesetzlichen
Bindungswirkung nicht mehr angezweifelt werden. Ob ein Verkehrsbedarf für ein
Vorhaben bestehe, könne die Planfeststellungsbehörde nicht anders als der
Gesetzgeber entscheiden. Der Neubau der L 364n als Ortsumgehung sei im Übrigen
auch aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit vernünftigerweise geboten, weil die
vorhandene Ortsdurchfahrtsstraße L 364 alt nicht mehr dem regelmäßigen
Verkehrsbedürfnis entspreche. Häufige Verkehrsstauungen sowie Lärm- und
Abgasimmissionen belasteten sowohl die Verkehrsteilnehmer als auch die Anwohner in
unzumutbarer Weise. Die für das Vorhaben sprechenden Belange rechtfertigten damit
auch die Inanspruchnahme von Eigentum und die sonstigen Auswirkungen.
30
Mit der Flächeninanspruchnahme, -durchschneidung und -beschränkung sowie mit der
Änderung des Wirtschaftswegenetzes seien erhebliche Eingriffe in landwirtschaftliche
Betriebe verbunden. Vorhabenbedingte Existenzgefährdungen für landwirtschaftliche
Betriebe seien jedoch nicht erkennbar und von den Betroffenen nicht konkret
vorgetragen. Im Hinblick auf die Größe der verbleibenden landwirtschaftlichen
Gesamtnutzfläche dränge sich die Annahme einer straßenbaubedingten
31
Existenzgefährdung bei keinem der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe auf. Ein
Ausgleich für die entstehenden Nachteile (Flächen- und Werteverlust,
Bewirtschaftungserschwernisse etc.) könne nur außerhalb des
Planfeststellungsverfahrens im Entschädigungswege erfolgen.
Für die planfestgestellte Maßnahme sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung
durchgeführt worden. Der durch das Vorhaben bewirkte Eingriff in Natur und Landschaft
werde nach Fertigstellung der mit den Landschafts- und Forstbehörden abgestimmten
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen so kompensiert sein, dass keine erhebliche oder
nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibe und das Landschaftsbild
landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet sei. Nach Fertigstellung des
Vorhabens könne der Naturraum wieder zu Naherholungszwecken genutzt werden.
32
Die Anbindung der Straße "Am Sattelplatz" an die L 364n sei schließlich nicht mehr
Gegenstand der Planung. Die hierzu vorgebrachten Einwendungen seien daher
hinfällig.
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Der Planfeststellungsbeschluss wurde dem Kläger am 3. Dezember 2004 zugestellt.
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Am 23. Dezember 2004 hat der Kläger Klage erhoben.
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Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage im Wesentlichen vor, der
Planfeststellungsbeschluss sei aus folgenden Gründen rechtswidrig:
36
Die auf den Kläger zukommende Lärmbelastung sei fehlerhaft in die Abwägung
eingestellt. Bei Verkehrsprojekten sei insbesondere die von ihnen ausgehende
Lärmbelastung abwägungsrelevant. Dies gelte nicht erst dann, wenn
Grenzwertüberschreitungen aufträten. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichtes sei vielmehr jede dem Vorhaben zuzurechnende
Lärmbelastung, die nicht lediglich als geringfügig einzustufen sei, als
abwägungserheblicher Belang einzustufen. Dies habe die Beklagte verkannt. Sie habe
allein darauf abgestellt, ob Grenzwertüberschreitungen zu erwarten seien. Darunter
liegende Lärmbelästigungen, die den Grenzwert nicht erreichten, seien nicht
berücksichtigt.
37
Ein weiterer Abwägungsfehler ergebe sich aus einer fehlerhaften Verkehrsprognose.
Sie stütze sich auf Straßenverkehrszählungen im Jahre 1995 und im Jahr 2000. Bei der
Verkehrszählung im Jahre 1995 sei auf der L 364 alt eine Verkehrsbelastung von
14.466 Kfz/24 h DTV, davon 1.244 Güterverkehr, gezählt worden. In der
Straßenverkehrszählung aus dem Jahre 2000 seien auf der L 364 alt 12.033 Kfz/24 h
DTV, davon 944 Güterverkehr, ermittelt worden. Laut offizieller Straßenverkehrszählung
des Ministeriums für Verkehr aus dem Jahre 2000 seien in diesem Jahr auf der L 364 alt
aber 2 Zählungen erfolgt, eine mit dem Ergebnis eines DTV von 12.033 Kfz/24 h und
eine mit dem Ergebnis eines DTV von 10.970 Kfz/24 h im Jahresmittel. Die 2. Zählung
mit 10.970 Kfz/24 h habe stadtauswärts geführt. Nicht berücksichtigt worden sei
weiterhin, dass die Zeche "Sophia Jacoba" vor etwa 4-5 Jahren geschlossen worden
sei und aufgrund dessen weniger Verkehr zu verzeichnen sei. Die Verkehrsprognose
sei auch deshalb fehlerhaft, weil keine Zählung dahin gehend erfolgt sei, wie viel
Verkehr die geplante Straße L 364n nutzen könne bzw. werde. Es müsse davon
ausgegangen werden, dass es sich bei einem Großteil des gezählten Verkehrs nicht um
Durchgangs-, sondern vielmehr um Zielverkehr mit dem Ziel "Stadt Hückelhoven"
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gehandelt habe. Dieser Gesichtspunkt sei in die Abwägung einzubeziehen gewesen.
Dies sei verfahrensfehlerhaft nicht erfolgt.
Abwägungsfehlerhaft seien auch falsche Tatsachen zugrunde gelegt bzw. falsch
gewichtet worden. Im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss sei ausgeführt, dass
die vorhandene Bebauung entlang der Straße L 364 alt die Gehwege so einenge, dass
sie meist zu schmal seien. Dies treffe aber lediglich auf eine Stelle zu und trete dort
auch nur einseitig auf. An dieser Stelle könnte dem Engpass schon dadurch abgeholfen
werden, dass eine Fußgängerampel auf die andere Straßenseite führe. Die Beklagte
gehe aber demgegenüber pauschal von engen Gehwegen aus.
39
Die Beklagte habe im Planfeststellungsbeschluss weiter nicht berücksichtigt, dass die
Rheinstraße derzeit als verkehrsberuhigte Straße mit Wohnbebauung zu beiden Seiten
der Straße ausgebaut sei. Das planfestgestellte Bauhaben führe aber dazu, dass der
Schwerlastverkehr über die Rheinstraße insbesondere zu dem neuen Einkaufszentrum
in Hückelhoven weitergeleitet werde. Hierdurch würden neue Probleme auftauchen.
Insbesondere werde ein Rückbau der Verkehrsberuhigung und ein Durchgangsverkehr
von Lkw unausweichlich in der Rheinstraße zu immissionsschutzrechtlichen Problemen
führen. Auch dies sei nicht berücksichtigt.
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Der Planfeststellungsbeschluss berücksichtige auch die Belange des Naturschutzes
nicht bzw. nicht in hinreichendem Maße. Eines der wenigen landwirtschaftlich reizvollen
Gebiete im Stadtgebiet Hückelhoven mit einem ohnehin geringen Waldflächenanteil
ginge verloren. Auch sei die Bedeutung des Gebiets für die Erholung der Bevölkerung
nicht ausreichend berücksichtigt. Das Gebiet sei nicht nur ein beliebter
Naherholungsraum für die Bevölkerung der Stadt Hückelhoven, sondern darüber hinaus
für große Bevölkerungsbereiche der Stadt Erkelenz und werde überdies seit dem Jahre
2002 von etwa 30 Kindern als Waldkindergarten genutzt. Außerdem führe die
planfestgestellte Trasse zu der Zerstörung mehrerer Wanderwege in Wald und Flur, die
heute noch einen Rundgang ermöglichten.
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Abwägungsfehlerhaft seien auch sich aufdrängende Planungsalternativen nicht
einbezogen worden. Im Einzugsbereich der L 364 seien insgesamt 5 verschiedene
Straßenneubaumaßnahmen in Planung, ohne dass diese aufeinander abgestimmt oder
gegenseitig in der Planungsabwägung berücksichtigt worden seien. Mit der L 117n im
Bereich Millich-Ratheim sei für den Innenstadtanschluss eine weitere Straße in
Planung, die in keiner Weise berücksichtigt worden sei. Zu berücksichtigen gewesen
wäre weiterhin die 4. Variante der K 5n, die in ihrer Planung bereits weitgehend fertig
sei. Durch die K 5 könne und solle das Industriegebiet Lindern an die Autobahn
angeschlossen werden. Dieser Autobahnanschluss sei auch eines der hinter dem
Neubau der L 364n stehenden Ziele. Der Autobahnanschluss des Industriegebiets
Lindern über die K 5 sei aber umweltfreundlicher und kostengünstiger. Im Übrigen sei zu
berücksichtigen gewesen, dass der für den Autobahnanschluss des Industriegebiets
Lindern erforderliche weitere Abschnitt der L 364n noch planfestgestellt werden müsse.
Eine Planfeststellung sei aber fraglich, da eine mögliche Trasse durch
Überschwemmungsgebiete führe.
42
Der Planfeststellungsbeschluss erweise sich schließlich auch deshalb als
abwägungsfehlerhaft, weil es an seiner Realisierbarkeit fehle. Das Vorhaben sei
nämlich nicht finanzierbar. Die Beigeladene zu 2. habe für Teilbereiche 30,32 % der
Kosten zu tragen. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 2.
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diese Kostenposition in ihre mittelfristige Finanzplanung eingestellt habe bzw. über die
erforderlichen Finanzmittel verfüge.
Der Kläger beantragt,
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den von der Beklagten am 16. November 2004 erlassenen Planfeststellungsbeschluss
für den Neubau der Landesstraße 364 (L 364n) - Ortsumgehung Hückelhoven - auf dem
Gebiet der Stadt Hückelhoven, Kreis Heinsberg, Az.: 53.3.3.3-1/00 (L 364n),
aufzuheben.
45
Die Beklagte beantragt,
46
die Klage abzuweisen.
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Sie nimmt zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages im Wesentlichen Bezug auf
den Inhalt des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses sowie auf die im Verfahren
abgegebenen Stellungnahmen des Beigeladenen zu 1. Der Planfeststellungsbeschluss
sei nicht zu beanstanden. Der Kläger werde durch das planfestgestellte Vorhaben nicht
in eigenen Rechten verletzt. Seine Einwände hinsichtlich der Lärm- und
Schadstoffbelastungen beruhten in erster Linie auf der Annahme, dass eine Anbindung
der Straße "Am Sattelplatz" an die L 364n erfolge. Diese ursprüngliche Planung sei
jedoch nicht aufrechterhalten, sondern vielmehr aufgehoben worden. Eine Anbindung
finde nicht mehr statt. Die kürzeste Entfernung vom Grundstück zur neuen Straße
betrage nunmehr etwa 600 m. Vor diesem Hintergrund sei eine Verletzung subjektiver
Rechte des Klägers nicht zu erkennen.
48
Der Beigeladene zu 1. hat keinen Antrag gestellt.
49
Er wiederholt hinsichtlich der Einwendungen des Klägers im Wesentlichen seine im
Planfeststellungsverfahren bereits gemachten Ausführungen. Ergänzend führt er aus,
die erforderliche Planrechtfertigung ergebe sich aus der Dringlichkeit und Notwendigkeit
des Vorhabens. Diese sei durch die Aufnahme in den Landesbedarfs- und Ausbauplan
bestätigt und gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 des Straßenausbaugesetzes NRW (StrAusbauG
NRW) gesetzlich festgelegt. Die Zugrundelegung der Verkehrszählungen 1995 und
2000 sei nicht fehlerhaft, da schon die abnehmenden Verkehrsbelastungen auf der L
364 den Hinweis auf die Schließung der Zeche gäben. Die Zeche "Sophia Jacoba"
habe 1997 die Fördertätigkeit eingestellt. Bei der vorliegenden Verkehrsprognose aus
der Landesverkehrsuntersuchung 1994/95 würden auch alle Verkehrsarten,
insbesondere auch Durchgangsverkehr, Ziel- und Quellverkehr, beachtet und
eingerechnet. Es sei gerade der Sinn der Prognose zu sagen, wie hoch die
Verkehrsbelastung der geplanten Straße sei. Für die planfestgestellte Maßnahme seien
die Prognosezahlen für das Jahr 2010 aus der Landesverkehrsuntersuchung 1994/95
entnommen worden. Diese seien auch für die Immissionsschutzberechnung
ausgewertet worden. Die vom Kläger für die genannte Engstelle vorgeschlagene
Fußgängerampel würde den Verkehrsfluss zusätzlich hemmen und durch das
neuerliche Anfahren der Fahrzeuge die Immissionsbelastung der Anlieger erhöhen.
Eine derartige Lösung sei daher abzulehnen. Der Schwerlastverkehr werde künftig auch
nicht über die Rheinstraße geleitet. Bei dem westlichen Teil der Rheinstraße handele es
sich um eine Stadtstraße, die für den Schwerlastverkehr gesperrt sei. Im Knotenpunkt L
364n/Rheinstraße sei die Rheinstraße in westlicher Richtung für Lkw daher nicht
befahrbar. Der Schwerlastverkehr könne nur über die L 117 das neue Einkaufszentrum
50
in Hückelhoven anfahren. Soweit der Kläger ein fehlendes Gesamtkonzept beanstande,
sei festzustellen, dass die geplante L 117n eine Umgehungsstraße der Ortsbereiche
Millich und Ratheim sei, die der Entlastung der genannten Ortslagen diene, während die
L 364n den Ortsbereich Hückelhoven entlasten solle. Bezüglich der K 5 liege kein
Verwaltungsakt mit Außenwirkung vor. Die Umgehung Hückelhoven, die als
selbstständiger Abschnitt gebaut werden könne, diene in erster Linie der Entlastung der
Ortsdurchfahrt. Falls das Industriegebiet Lindern besiedelt werden sollte, könnte die L
364n auch den Verkehr vom Industriegebiet zur A 46 aufnehmen.
Auch die künftige Lärmbelastung sei nicht fehlerhaft in die Abwägung eingestellt. Die
vom Kläger zitierte Rechtsprechung beziehe sich auf eine Klage betreffend den
Lärmschutz in einem Planfeststellungsbeschluss zur Erweiterung eines
Verkehrsflughafens. Insoweit sei schon eine Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf
den Neubau einer Landesstraße fraglich. Die Straßenbauverwaltung habe bei der
Planung für den Neubau der L 364n eine Linienführung angestrebt, bei der schädliche
Umwelteinwirkungen, z. B. Lärm, auf ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen
dienende Gebiete möglichst vermieden werden. Gemäß § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV sei
zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch
Verkehrsgeräusche bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung sicherzustellen, dass
der Beurteilungspegel den Immissionsgrenzwert für Wohngebiete von tagsüber 59
dB(A) und nachts 49 dB(A) nicht überschreite. An dem Grundstück des Klägers lägen
keine Grenzwertüberschreitungen vor. Gemäß der Berechnung lägen die
Immissionswerte tagsüber bei 46,7 dB(A) und nachts bei 36,7 dB(A). Unter den
einschlägigen Grenzwerten liegende Lärmbelästigungen blieben gemäß § 2 Abs. 1 16.
BImSchV unberücksichtigt, da Betroffenheiten außer Betracht blieben, deren Eintritt
unwahrscheinlich sei oder die für die planende Stelle nicht als abwägungsbeachtlich zu
erkennen seien. Im Übrigen liege das Grundstück des Klägers außerhalb des
Ausstrahlungsbereiches der planfestgestellten Trasse.
51
Hinsichtlich des Vorwurfes der nicht ausreichenden Beachtung naturschutzrechtlicher
Belange im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie trägt der Beigeladene zu 1.
ergänzend vor, dass sich aus dem Bestands- und Konfliktplan BK 5 ergebe, dass die
Eichen- und Buchenbestände im Bereich des Junkerberges durch die Baumaßnahme
nicht in Anspruch genommen würden. Die Beeinträchtigung der Vielfalt des
Landschaftsbildes und der Erholungsfunktion durch den Verlust von gliedernden und
belebenden Elementen werde durch die Schaffung neuer Vegetationselemente
kompensiert. Die Fachbehörden, die Höhere und Untere Landschaftsbehörde, hätten
diese Kompensationsmaßnahmen nicht beanstandet. Durch die Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen würden auch die naturpädagogischen Aspekte des
Waldkindergartens nicht behindert. Hinsichtlich der beanstandeten Zerstörung von
Wanderwegen fehle es an einer Verletzung des Klägers, da die behaupteten Nachteile
lediglich in einer Veränderung der allgemeinen Verkehrsverhältnisse bestünden.
Niemand könne aber darauf vertrauen, dass alle Vorteile unverändert fortbestünden, die
sich aus einer bestimmten Lage, hier Wandermöglichkeiten, ergäben. Durch die
Neuanlage von Wirtschaftswegen werde auch das Wandern im Untersuchungsgebiet
weiterhin ermöglicht.
52
Die Beigeladene zu 2. beantragt,
53
die Klage abzuweisen.
54
Sie bezieht sich zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages im Wesentlichen auf
den Inhalt des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses.
55
Die Sach- und Rechtslage ist mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom
29. November 2006 eingehend erörtert worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.
56
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 6 K 4473/04, 6 K 15/05, 6 K 16/05, 6
K 17/05, 6 K 18/05, 6 K 19/05, 6 K 20/05 und 6 K 21/05 nebst den zu diesen Verfahren
beigezogenen Verwaltungsvorgängen Bezug genommen.
57
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
58
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
59
Der Kläger ist im Sinne des § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
klagebefugt. Nach dieser Vorschrift ist Sachurteilsvoraussetzung einer
Anfechtungsklage die Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte. Dabei reicht es
aus, wenn der Kläger geltend machen kann, möglicherweise in eigenen Rechten
verletzt zu sein. An einer Klagebefugnis fehlt es dann, wenn offensichtlich und eindeutig
nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können,
60
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), u.a. Urteil vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 -,
Amtliche Entscheidungssammlung (BVerwGE) Band 101, S. 157.
61
Ausgehend hiervon folgt eine Klagebefugnis des Klägers nicht bereits unmittelbar aus
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) wegen seiner Stellung als
Grundstückseigentümer. Denn sein Grundstück wird durch das planfestgestellte
Vorhaben tatsächlich nicht in Anspruch genommen,
62
vgl. zu diesen Fällen: BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - 4 C 80.79 -, BVerwGE 67, 74;
Wahl/Schütz in: Schoch/Schmidt- Aßmann/ Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblatt-
Sammlung (Stand: April 2006), § 42 Abs. 2 Rdnr. 251 ff.; Dürr, in: Kodal/Krämer,
Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kapitel 35 Rdnr. 30.23.
63
Auch wird sein Eigentum durch das Vorhaben nicht schwer und unerträglich betroffen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes kommt zwar auch im Falle
eines mittelbaren Eingriffs in das Eigentum denjenigen Eigentümern eine gestärkte
Rechtsschutzposition - und wohl auch eine unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3 GG folgende Klagebefugnis - zu, deren Grund und Boden durch das Vorhaben
"schwer und unerträglich" betroffen wird,
64
vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1979 - IV C 10.77 - BVerwGE 59, 253;
Wahl/Schütz, a.a.O., § 42 Abs. 2 Rdnr. 254.
65
Diese Schwelle der "enteignungsrechtlichen" Unzumutbarkeit wird vorliegend
hinsichtlich der Betroffenheit des klägerischen Grundstücks jedoch offensichtlich und
eindeutig nach keiner Betrachtungsweise überschritten. Die Anbindung der L 364n an
die in unmittelbarer Nachbarschaft zum klägerischen Grundstück liegende Straße "Am
Sattelplatz", von der der Kläger eine unzumutbare Erhöhung der Lärm- und
66
Schadstoffbelastung befürchtet hatte, ist tatsächlich nicht planfestgestellt worden. Der
Planentwurf wurde entsprechend abgeändert. Nunmehr beträgt die kürzeste Entfernung
des klägerischen Grundstücks zu der geplanten Trasse etwa 600 m. Ausweislich der
immissionstechnischen Untersuchung werden die für (allgemeine und reine)
Wohngebiete geltenden Immissionsgrenzwerte für Verkehrslärm von 59 dB(A)/49 dB(A)
mit 46,7 dB(A)/36,7 dB(A) im Fall des Klägers ebenso deutlich und offenkundig
unterschritten wie die Grenzwerte für Luftschadstoffe. Vor diesem Hintergrund scheidet
eine schwere und unerträgliche Betroffenheit des klägerischen Grundstücks aus. Eine
Klagebefugnis folgt daher nicht unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GG.
Die Klagebefugnis des Klägers folgt vielmehr daraus, dass nicht ausgeschlossen
werden kann, dass sein Grundstück im immissionsschutzrechtlich relevanten
Einwirkungsbereich des planfestgestellten Vorhabens liegt. Nach dem
immissionsschutzrechtlichen Nachbarbegriff ist eine - zu einer individualisierenden
Betroffenheit führende - Nachbarschaft durch eine engere räumliche und zeitliche
Beziehung des Bürgers zum planfestgestellten Vorhaben gekennzeichnet. Dabei
besteht der Einwirkungsbereich einer umweltgefährdenden Anlage aus der Umgebung
der Quelle, in welcher der von der Quelle ausgehende Immissionsbeitrag bei
Normalbetrieb einerseits und Störfällen andererseits noch belegbar ist, die
Irrelevanzschwelle also überschreitet,
67
vgl. Wahl/Schütz, a.a.O., § 42 Abs. 2 Rdnr. 160 ff.; Hoppe/Schlarmann/Buchner,
Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 3. Aufl.
2001, § 15 Rdnr. 432; Marschall u.a., Kommentar zum Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl.
1998, § 17 Rdnr. 257.
68
Dass sich für das Grundstück des Klägers die Lärm- und/oder Schadstoffbelastung
durch das Vorhaben messbar erhöhen wird und es somit im Einwirkungsbereich der
planfestgestellten Straße liegt, ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Zwar werden
die vorliegend maßgeblichen Grenzwerte ohne weiteres eingehalten. Allerdings kann
der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes auch unterhalb
der Schwelle der Zumutbarkeit geltend machen, dass sein aus dem planungsrechtlichen
Abwägungsgebot abgeleitetes subjektives Recht auf eine gerechte Abwägung der
eigenen Belange mit den für das Vorhaben streitenden Belangen möglicherweise
verletzt worden ist. Dies gilt nach dem Vortrag des Klägers insbesondere hinsichtlich
des zwar unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegenden, gleichwohl möglicherweise
aber abwägungserheblichen Verkehrslärms,
69
vgl. BVerwG, u.a. Urteile vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 -, BVerwGE 121, 152, und vom
14. Februar 1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE 48, 56; Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 13. Juli 2006 - 20 D 87/05.AK und 20 D
89/05.AK -, ; Hoppe/Schlarmann/Buchner, a.a.O., § 15 Rdnr. 423 ff.; Wahl/Schütz,
a.a.O., § 42 Abs. 2 Rdnr. 255, 284 ff.
70
Die Frage einer möglichen, auf die Straßenbaumaßnahme zurückzuführenden
Zunahme der Lärm- und Schadstoffbelastung auch für den Kläger vermag daher seine
Klagebefugnis zu begründen. Denn seinem Interesse, vor Lärm- und
Schadstoffimmissionen ohne Rücksicht auf den Grad der Beeinträchtigung bewahrt zu
bleiben, lässt sich nicht von vornherein jegliche rechtliche Relevanz absprechen. Ob
diesem Gesichtspunkt im konkreten Fall die Bedeutung zukommt, die der Kläger ihr
beimisst, ist der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorbehalten.
71
Der Zulässigkeit der Klage steht auch das Fehlen eines Vorverfahrens nicht entgegen.
Denn die Durchführung eines Vorverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO war vorliegend
entbehrlich, vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 1. HS VwGO i.V.m. §§ 74 Abs. 1, 70 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) vom
12. November 1999 (GV. NRW. 1999, S. 602), im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses
des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.
Juli 2004 (GV. NRW. 2004, S. 370).
72
Die demnach zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.
73
Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 16. November 2004
ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO.
74
Rechtsgrundlage für den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss sind die §§ 37 ff.
des Straßen- und Wegegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1995 (GV. NRW. 1995, S. 1028), in
dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses zuletzt
geändert durch Gesetz vom 4. Mai 2004 (GV. NRW. 2004, S. 259), in Verbindung mit
den Bestimmungen des Teiles V Abschnitt 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW
(vgl. § 39 Abs. 1 StrWG NRW). Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss steht mit
diesen gesetzlichen Bestimmungen in Einklang.
75
Der gerichtliche Kontrollumfang wird grundsätzlich von vornherein beschränkt durch die
Reichweite des subjektiven Rechts des Klägers. Vorliegend belastet die geplante
Maßnahme das Eigentum des Klägers weder mit enteignender Vorwirkung noch in
enteignungsgleicher Weise. Das Grundstück des Klägers wird von der
Straßenbaumaßnahme nicht in Anspruch genommen. Die konkret zu erwartenden
tatsächlichen Auswirkungen auf das Grundstück erreichen kein schweres und
unerträgliches, das Eigentum gleichsam aushöhlendes Ausmaß. Die Lärm- und
Schadstoffbelastungen des vom Kläger bewohnten Grundstücks liegen ausweislich der
Ergebnisse der immissionstechnischen Untersuchung weit unterhalb der zulässigen
Grenzwerte. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich daher auf eine Untersuchung, ob
private Belange des Klägers bei der Planfeststellung gewahrt wurden bzw.
abwägungsfehlerfrei überwunden werden konnten. Weitergehenden Rügen, die sich mit
der Würdigung öffentlicher Belange - etwa des Natur- und Landschaftsschutzes oder der
Frage der Notwendigkeit der Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens -
befassen, muss dagegen nicht nachgegangen werden. Gesichtspunkte, die
ausschließlich zugunsten anderer Betroffener sprechen - wie etwa die vom Kläger
ebenfalls monierte Erhöhung der Lärm- und Schadstoffbelastung für Anwohner der
Rheinstraße in Hückelhoven oder eine etwaige Existenzgefährdung von Landwirten,
deren landwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen durch das planfestgestellte
Vorhaben in Anspruch genommen werden - sind sogar dann unerheblich, wenn eine
aus deren fehlerhafter Gewichtung gegebenenfalls resultierende Aufhebung des
Beschlusses faktisch auch dem Kläger zu Gute kommen würde,
76
vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Juli 2006 - 20 D 87/05.AK und 20 D 89/05.AK -, a.a.O.;
Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 14. Aufl. 2005, § 42 Rdnr. 92;
Hoppe/Schlarmann/Buchner, a.a.O., § 15 Rdnr. 475.
77
Die gerichtliche Überprüfung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ist im
Übrigen auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Demgegenüber entziehen sich
Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte als Ausdruck des umfassenden, wenn auch nicht
schrankenlosen planerischen Gestaltungsspielraums der Behörde - insoweit ähnlich der
Überprüfung von Verwaltungsakten, die im freien Ermessen der Behörde stehen -
grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung. Daraus folgt auch, dass die Wahl, welche
der abwägungsfehlerfei möglichen Planvarianten letztlich umgesetzt werden soll,
originär und abschließend der Planfeststellungsbehörde obliegt.
78
Die für die Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichts maßgeblichen rechtlichen Bindungen
der Planfeststellungsbehörde ergeben sich in formeller Hinsicht aus dem für die
Planung vorgeschriebenen Verwaltungsverfahren nach den Vorschriften der §§ 37 ff.
StrWG NRW sowie - ergänzend (vgl. § 1 Abs. 1 VwVfG NRW) - der §§ 72 ff. VwVfG
NRW. In materieller Hinsicht folgen Planungsschranken vor allem aus der
behördeninternen Bindung an vorrangige Planungsentscheidungen, aus dem
Erfordernis der Planrechtfertigung, aus zwingenden materiellen Rechtssätzen und aus
den Anforderungen des Abwägungsgebotes, das sich sowohl auf das
Abwägungsergebnis als auch auf den Abwägungsvorgang erstreckt, bei dem die
maßgeblichen öffentlichen und privaten Belange ins Verhältnis gesetzt werden und eine
Entscheidung darüber getroffen wird, welche Belange bevorzugt werden und welche
zurücktreten,
79
vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 -, a.a.O.; Urteil vom 22. Juni 1979
- 4 C 8.76 - BVerwGE 58, 154; Knack, Kommentar zum VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 74 Rdnr.
76 ff.; Kopp/ Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 74 Rdnr. 20a;
Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 Rdnr. 91 und § 114 Rdnr. 35; Jarass, Die
enteignungsrechtliche Vorwirkung bei Planfeststellungen, DVBl. 2006, 1329 ff.
80
Davon ausgehend kann der Kläger die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses,
für dessen Erlass die Beklagte gemäß § 39a Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW zuständig
gewesen ist, nicht bereits aufgrund von Verfahrensfehlern begehren. Der
Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen verfahrensrechtliche Bestimmungen
des Landesstraßenrechts oder solche des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts,
die wegen einer Verletzung von Rechten des Klägers eine Aufhebung des Beschlusses
zur Folge hätten.
81
Formelle Fehler führen grundsätzlich nur dann zur Aufhebung des Beschlusses, wenn
der verletzten Verfahrensvorschrift ein drittschützender Charakter zukommt,
82
vgl. Obermayer, Kommentar zum VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 73 Rdnr. 187,
83
und - insoweit abweichend vom Wortlaut des § 46 VwVfG NRW - die konkrete
Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung bei Vermeidung des Fehlers anders
ausgefallen wäre,
84
vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1996 - 4 A 27.95 - NVwZ 1996, 270 ff.; Knack,
a.a.O., § 73 Rdnr. 120; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 73 Rdnr. 114; Obermayer, a.a.O., § 73
Rdnr. 189.
85
Bereits an Letzterem fehlt es. Beteiligen sich die Betroffenen nämlich - wie hier der
Kläger - tatsächlich am Anhörungsverfahren und machen sie dabei alle Gesichtspunkte
86
geltend, die nach Lage der Dinge in Betracht kommen, so führt das zur Heilung, sofern
auszuschließen ist, dass sie weitere Mängel gerügt oder vorgebrachte Rügen mit
besserer Erfolgsaussicht gerügt hätten, wenn das Verfahrensrecht eingehalten worden
wäre. Nur wenn Betroffene durch Mängel etwa der Auslegung gehindert waren,
ausreichend Einsicht in den Plan zu nehmen, und wenn diese Mängel trotz einer
entsprechenden Rüge nicht behoben wurden und deshalb kausal dafür geworden sein
können, dass die Betroffenen wegen unzulänglicher Kenntnis des Plans keine
entsprechenden Einwände erhoben haben bzw. die Erörterung bestimmter Fragen im
Erörterungstermin nicht erreichen konnten, können diese Mängel im Klageverfahren
überhaupt noch geltend gemacht werden. Insoweit müssen im Rechtsbehelfsverfahren
Gesichtspunkte benannt werden, die bei ordnungsgemäßer Durchführung des
Verfahrens vorgetragen worden wären und die, weil sie nicht vorgetragen wurden, von
der Behörde im Planfeststellungsverfahren nicht oder nicht mit dem ihnen für die
Entscheidung zukommenden Gewicht gewürdigt wurden.
vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 74 Rdnr. 115.
87
Derartige Gesichtspunkte hat der Kläger nicht vorgetragen. Ungeachtet dessen
bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der
Planfeststellungsbeschluss frei von Verfahrensfehlern aufgestellt worden ist.
Insbesondere begegnet auch die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung, bei der
es sich um einen unselbstständigen Teil des Verwaltungsverfahrens und damit um
einen bloßen Verfahrensakt handelt, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das hat die Kammer in ihren Urteilen vom heutigen Tage in den Parallelverfahren 6 K
4473/04 und 6 K 15/05 bis 6 K 21/05 im Einzelnen ausgeführt. Der Kläger hat weitere
Verfahrensmängel nicht substanziiert vorgetragen. Da derartige Verfahrensfehler auch
bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung nicht erkennbar sind, ist der
Planfeststellungsbeschluss formell rechtmäßig erlassen worden.
88
Der Planfeststellungsbeschluss ist auch in materieller Hinsicht nicht zu bemängeln. Bei
der hiernach vorzunehmenden Prüfung kann die Kammer die Frage, ob einzelne, erst im
Klageverfahren hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Planfeststellungsbeschlusses geltend gemachte Einwendungen des Klägers bereits
aufgrund der Präklusionsvorschrift des § 39 Abs. 3a Satz 1 StrWG NRW (vgl. auch § 73
Abs. 4 Satz 3 VwVfG NRW) ausgeschlossen sind,
89
vgl. hierzu u.a.: BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2005 - 9 VR 5.05 - und - 9 VR 6.05 -,
beide ; Hoppe/Schlarmann/Buchner, a.a.O., § 2 Rdnr. 144 ff.; Kopp/Ramsauer,
a.a.O., § 73 Rdnr. 80 ff.,
90
vernachlässigen. Denn auch bei Berücksichtigung der gesamten, unter dem Aspekt
einer Verletzung subjektiver Rechte überhaupt der Prüfung unterfallenden
Einwendungen des Klägers erweist sich der Planfeststellungsbeschluss nicht als
rechtswidrig.
91
Ein Verstoß gegen höherrangige Planungsentscheidungen liegt nicht vor. Auch ist die
erforderliche Planrechtfertigung für das planfestgestellte Vorhaben gegeben.
Zwingendes Recht steht dem planfestgestellten Straßenbauvorhaben schließlich
ebenfalls nicht entgegen. Dies hat die Kammer in ihren Urteilen vom heutigen Tag in
den Parallelverfahren 6 K 15/05 bis 6 K 21/05 sowie 6 K 4473/04 im Einzelnen
ausgeführt. Im Übrigen kann der Kläger - wie bereits aufgezeigt - eine Verletzung
92
eigener Rechte nicht mit einem Verweis auf eine möglicherweise fehlende
Planrechtfertigung sowie - hier allein in Betracht zu ziehende - mögliche Verstöße
gegen zwingendes nationales oder europäisches Natur- und Landschaftsschutzrecht
begründen,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Juli 2006 - 20 D 87/05.AK und 20 D 89/05.AK -, a.a.O.
93
Der Planfeststellungsbeschluss leidet schließlich auch nicht an Abwägungsfehlern.
94
Gemäß § 38 Abs. 2 StrWG NRW sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben
berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander
abzuwägen. Dem planerischen Abwägungsgebot wird dann ausreichend Rechnung
getragen, wenn - erstens - überhaupt eine Abwägung stattfindet, - zweitens - die
entsprechenden entscheidungserheblichen Belange eingestellt werden und sie -
drittens - weder in ihrer objektiven Bedeutung verkannt werden noch der Ausgleich der
betroffenen Belange mit anderen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die
außer Verhältnis zum objektiven Gewicht der einzelnen Belange steht,
95
vgl. BVerwG, u.a. Urteil vom 28. Februar 1996 - 4 A 27.95 -, a.a.O., und Beschluss vom
26. Juli 1993 - 4 A 5.93 -, ; OVG NRW, Urteil vom 20. August 1997 - 23 A 375/96 -
, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 74 Rdnr. 51 ff.; Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 Rdnr. 92
und § 114 Rdnr. 35.
96
Die planerische Abwägung vollzieht sich dabei in vier Schritten. Nach der Ermittlung
von abwägungsrelevanten Belangen, dem Prozess der Einstellung der Belange in die
Abwägung und dem Prozess der Gewichtung der in die Abwägung eingestellten
Belange folgt der Ausgleich der konfligierenden und konkurrierenden Belange bei der
eigentlichen Planungsentscheidung. Dem entspricht ein durch die
Planfeststellungsbehörde zu beachtendes Ermittlungsgebot, ein Einstellungsgebot, ein
Gewichtungsgebot und ein Ausgleichs- und Optimierungsgebot, das jeweils bei
unzureichender Beachtung zu einem Ermittlungs-, Einstellungs-, Gewichtungs- oder
Entscheidungsfehler führen kann,
97
vgl. im Einzelnen: Hoppe/Schlarmann/Buchner, a.a.O., § 16 Rdnr. 596 ff., 627 ff.
98
Die ersten drei Phasen betreffen den Abwägungsvorgang, die letzte Phase das
Abwägungsergebnis. Die aus dem planerischen Abwägungsgebot abgeleiteten
Anforderungen an die Abwägung beziehen sich naturgemäß auf alle Phasen der
Abwägung, also sowohl auf den Abwägungsvorgang als auch auf das im Plan zum
Ausdruck kommende Abwägungsergebnis, also ebenso auf das Abwägen wie auf das
inhaltliche Abgewogensein des festgestellten Plans.
99
Allerdings prüft das Gericht Abwägungsvorgang und -ergebnis grundsätzlich nur auf
solche Fehler, die im Rahmen der Gewichtung eigener Belange des Klägers relevant
werden und zu einer Verletzung eigener Rechte des Klägers führen können. Eine -
durch das Kausalitätserfordernis zwischen Fehler und konkreter Entscheidung stark
eingeschränkte - objektive Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses unter jedem
denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt nach Art einer mittelbaren Subjektivierung auch
rein öffentlicher Belange über das Eigentumsrecht des Art. 14 GG kommt zwar bei
enteignender oder enteignungsgleicher Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses
in Betracht,
100
vgl. Knack, a.a.O., 74 Rdnr. 61; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 74 Rdnr. 85; Obermayer,
a.a.O., § 74 Rdnr. 223; Bader u.a., Kommentar zur VwGO, 3. Aufl. 2005, § 113 Rdnr. 18;
Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 Rdnr. 112.
101
Diese liegt hier jedoch - wie im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis im Einzelnen
dargelegt - nicht vor.
102
Nach § 38 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW (vgl. auch § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW) sind
Mängel der Abwägung überdies nur dann erheblich, wenn sie offensichtlich sind und auf
das Abwägungsergebnis von Einfluss waren. Erhebliche Abwägungsmängel führen
nach § 38 Abs. 2 Satz 3 StrWG NRW (vgl. auch § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW) im
Übrigen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht
durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können,
103
vgl. hierzu etwa Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 75 Rdnr. 14 ff.
104
Die an den dargelegten Grundsätzen und am Maßstab der §§ 37 ff. StrWG NRW und der
§§ 72 ff. VwVfG NRW zu messende planerische Abwägung begegnet vorliegend weder
im Hinblick auf den Abwägungsvorgang noch im Hinblick auf das Abwägungsergebnis
durchgreifenden rechtlichen Bedenken, die zu einer Aufhebung des Beschlusses
führen. Die Beklagte hat die Abwägungsrelevanz der für und gegen das Vorhaben
sprechenden Belange erkannt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise unter-
und gegeneinander abgewogen.
105
Ein Ermittlungs- und/oder Abwägungsausfall kann hier nicht konstatiert werden. Die
dem Gericht vorliegenden Unterlagen belegen, dass die Beklagte die generell
abwägungsrelevanten Belange ermittelt hat. Dies ist bereits durch die Beachtung der für
die Planfeststellung geltenden gesetzlichen Form- und Verfahrensvorschriften, die zu
einer Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sowie privater Einwender geführt hat,
gewährleistet worden. Mit den vorgebrachten privaten und öffentlichen Belangen hat
sich die Beklagte innerhalb des Verfahrens, in zwei durchgeführten Erörterungsterminen
sowie in der Planungsentscheidung selbst, eingehend auseinandergesetzt. Die
Beklagte hat sämtliche berücksichtigungsfähigen Einwendungen des Klägers im
Planfeststellungsbeschluss behandelt und in die Abwägung mit eingestellt.
106
Dass die Beklagte sich mit einer seiner Einwendungen nicht auseinander gesetzt hätte,
behauptet auch der Kläger nicht. Vielmehr bemängelt er, dass die Beklagte im Rahmen
der Abwägung seine Einwendungen zurückgewiesen hat und dem Interesse an der
Durchführung der geplanten Straßenbaumaßnahme Vorrang eingeräumt hat. Hierbei
sind Rechtsfehler aber nicht zu erkennen.
107
Der Kläger kann - wie bereits dargelegt - hinsichtlich möglicher Abwägungsfehler allein
geltend machen, durch die von der planfestgestellten Straße ausgehenden Lärm- und
Schadstoffimmissionen möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Weder die
künftige vorhabenbedingte Belastung mit Schadstoffen noch die von der Straße künftig
zu erwartenden Lärmimmissionen führen jedoch zu einer Rechtsverletzung des Klägers,
die die Aufhebung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses erforderte.
108
Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte die künftige Schadstoffbelastung der im
Einwirkungsbereich der planfestgestellten Straße gelegenen Grundstücke nicht
109
beachtet hat. Sie hat im Einzelnen ausgeführt, auf welcher Grundlage in der von ihr in
Auftrag gegebenen immissionstechnischen Untersuchung die Schadstoffbelastung
untersucht worden sei. Dass sie insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen
sein könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Schutz der Allgemeinheit bzw. der Nachbarschaft vor schädlichen Abgasen und
sonstigen stofflichen Einwirkungen des Kraftfahrzeugverkehrs als schädliche
Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 bis 4 BImSchG ist der Behörde bei der
Planung eines Straßenbauvorhabens auferlegt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG gilt
dieses Gesetz u.a. für den Bau öffentlicher Straßen nach Maßgabe der §§ 41 bis 43
BImSchG. Von der Beklagten war im Zeitpunkt der Planfeststellung zudem bereits die
am 18. September 2002 in Kraft getretene Verordnung über Immissionswerte für
Schadstoffe in der Luft (22. BImSchV) vom 11. September 2002 (BGBl. I. S. 3626),
geändert durch Verordnung vom 13. Juli 2004 (BGBl. I. S. 1625), zu beachten. Die 22.
BImSchV dient der Umsetzung der "Richtlinie des Rates der Europäischen
Gemeinschaften vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der
Luftqualität" (96/92/EWG, ABl. 1996 L 296/55), geändert durch Verordnung 1882/2003
vom 29. September 2003 (ABl. 2003 L 284/1), der "Richtlinie des Rates der
Europäischen Gemeinschaften vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid,
Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft" (99/30/EWG, ABl. 1999
L 163/41), geändert durch Entscheidung vom 17. Oktober 2001 (ABl. 2001 L 278/35)
sowie der "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen
Gemeinschaften vom 16. November 2000 über Grenzwerte für Benzol und
Kohlenmonoxid in der Luft" (2000/69/EWG, ABl. 2000 L 313/12, ber. ABl. 2001 L
111/31). Die sich hieraus ergebenden gesetzlichen Anforderungen hat die Beklagte
eingehalten.
110
Die von ihr in Auftrag gegebene immissionstechnische Untersuchung ist auf der
Grundlage des "Merkblattes über Luftverunreinigungen an Straßen, Teil: Straßen ohne
oder mit lockerer Randbebauung, Ausgabe 1992 - MLuS-92 -" (VkBL 1992, 503) erfolgt.
Als Maßstab zur Beurteilung der so ermittelten Schadstoffkonzentrationen sind die
Grenzwerte der 22. BImSchV sowie die Immissionsstandards der Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft -
TA Luft -) vom 27. Februar 1986 (GMBl. S. 95), der VDI-Richtlinie 2310 "Maximale
Immissionswerte" und (hinsichtlich der Kohlenwasserstoffe) der Raffinerie-Richtlinie
(MBl. NW 1975, S. 966) als Orientierungswerte herangezogen worden. Dies ist nicht zu
beanstanden,
111
vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. August 1997 - 23 A 375/96 -, a.a.O.
112
Die Kammer hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit der durchgeführten
Untersuchung und der hierbei gewonnenen Erkenntnisse zu zweifeln. Dass die
Abgasschätzung nicht für jedes einzelne Grundstück im Einwirkungsbereich des
Vorhabens, sondern an einem repräsentativen Immissionsort, dem Wohnhaus
Rheinstraße Nr. 104, durchgeführt worden ist, weil an diesem Gebäude nach der
Lärmberechnung die Verkehrsbelastung voraussichtlich am höchsten sein wird, ist
sachgerecht. Die Untersuchung kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass lediglich der
24 h - Mittelwert für Schwebstaub im Kalenderjahr 37 mal überschritten werden wird. Ab
dem 1. Januar 2005 sei nach der 22. BImSchV nur noch eine 35-malige
kalenderjährliche Überschreitung erlaubt. Für alle anderen Schadstoffe wurden keine
Überschreitungen der einschlägigen Grenz- und Orientierungswerte festgestellt. Die
113
übrigen Grenzwerte der 22. BImSchV und die Orientierungswerte der TA Luft, der
Raffinerie-Richtlinie und der VDI-Richtlinie 2310 werden ausweislich der
durchgeführten immissionstechnischen Untersuchung eingehalten.
Auch die mögliche Überschreitung des Grenzwertes für Schwebstaub führt nicht zu
einer Rechtswidrigkeit des planfestgestellten Vorhabens. Die 22. BImSchV ist zwar
auch soweit es um die Einhaltung erst künftig (hier ab dem 1. Januar 2005) geltender
Grenzwerte handelt, in einem Verfahren der Zulassung von Vorhaben anwendbar. Eine
Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, die Einhaltung der künftigen Grenzwerte
der Verordnung im Planfeststellungsverfahren vorhabenbezogen sicherzustellen,
besteht jedoch nicht,
114
vgl. BVerwG, Urteile vom 1. April 2005 - 9 VR 7.05 -, NuR 2005, 709, vom 23. Februar
2005 - 4 A 5.04 -, BVerwGE 123, 23 ff., und vom 26. Mai 2004 - 9 A 6.03 -, BVerwGE
121, 57.
115
Die Auswirkungen des Vorhabens auf die Luftqualität dürfen im
Planfeststellungsverfahren jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Das Gebot der
Konfliktbewältigung ist verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben
zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt,
die Einhaltung der künftigen Grenzwerte der 22. BImSchV mit den Mitteln der
Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise
zu sichern,
116
vgl. BVerwG, Urteile vom 1. April 2005 - 9 VR 7.05 -, a.a.O., vom 23. Februar 2005 - 4 A
5.04 -, a.a.O., und vom 26. Mai 2004 - 9 A 6.03 -, a.a.O.
117
Die Beklagte hat im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss insoweit ausgeführt,
dass durch geeignete Maßnahmen des Vorhabenträgers (häufiges Kehren oder
Benässen der Fahrbahn, verkehrslenkende Maßnahmen o.ä.) die geringfügige
Überschreitung des Grenzwertes behoben werden könne. Dafür, dass dies wegen
besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich sein sollte, ist weder etwas
vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist der Verweis der
Beklagten auf die Möglichkeit der Einhaltung des - im hier maßgeblichen Zeitpunkt des
Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses - künftig geltenden Grenzwertes für
Schwebstaub durch Maßnahmen der Luftreinhalteplanung nicht zu beanstanden,
118
vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 4 A 5.04 -, a.a.O.
119
Die Bewältigung der Schadstoffproblematik ist vor diesem Hintergrund von der
Beklagten abwägungsfehlerfrei behandelt worden. Es kommt daher für die
Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht darauf an, dass nach der im
Klageverfahren vorgelegten neuen Immissionsberechnung nach der MLuS 2002 die
Überschreitungen der Grenzwerte den Vorgaben der 22. BImSchV nunmehr insgesamt,
also auch hinsichtlich des Schwebstaubes, gerecht werden.
120
Auch aus einer fehlerhaften Bewältigung von Fragen des Lärmschutzes lässt sich ein
Anspruch des Klägers auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht herleiten.
121
Nach § 41 Abs. 1 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung unter
anderem von öffentlichen Straßen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen
122
Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach
dem Stand der Technik vermeidbar sind. Dieses Sicherstellungsgebot ist striktes Recht
und daher der Abwägung durch die Planfeststellungsbehörde nicht zugänglich. Als
abwägungserheblicher Belang ist demgegenüber jede Lärmbelästigung, die nicht
lediglich als nur geringfügig einzustufen ist, anzusehen, also auch der unterhalb der
Zumutbarkeitsschwelle liegende Lärm,
vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 11 A 1.97 -, BVerwGE 107, 313, und
Beschluss vom 17. Mai 1995 - 4 NB 30.94 -, ZfBR 1995, 269; VGH Baden-Württemberg
(VGH BW), Urteil vom 13. März 1996 - 5 S 1743/95 -, VBlBW 1996, 423.
123
Ab welchem Intensitätsgrad schädliche Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche
im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG vorliegen, ist durch die auf der Grundlage des § 43
Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erlassene Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) vom 12.
Juni 1990 (BGBl. I. S. 1036) verbindlich festgelegt. Die dort in § 2 Abs. 1 Nr. 1 -
gebietsartbezogen - bestimmten Lärmgrenzwerte dürfen nicht überschritten werden.
Liegen die Lärmbeeinträchtigungen oberhalb der in der 16. BImSchV festgelegten
Grenzwerte, wird die Zumutbarkeitsgrenze des § 3 Abs. 1 BImSchG überschritten,
124
vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 4 C 26.93 -, BVerwGE 97, 367.
125
Die Auswirkungen der planfestgestellten Neubaumaßnahme hat die Beklagte
vorliegend im Rahmen der immissionstechnischen Untersuchung auch im Hinblick auf
den Verkehrslärm gutachterlich bewerten lassen. Die Berechnung wurde mit dem EDV-
Programm Schallplan auf der Grundlage der der Landesverkehrsuntersuchung
1994/1995 entnommenen Zahlen der Verkehrsprognose für das Jahr 2010 durchgeführt.
Die Bewertung des gewonnenen Datenmaterials erfolgte auf der Grundlage der
"Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen", Ausgabe 1990 (RLS-90, ARS Nr.8/1990),
der "Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des
Bundes", Ausgabe 1997 (- VLärmSchR 97 -, VkBl. 1997 S. 434), und anhand der
Vorgaben der 16. BImSchV. Diese gutachterliche Vorgehensweise ist nicht zu
beanstanden. Dass die Lärmimmission rechnerisch ermittelt und nicht gemessen wurde,
begegnet ebenso wenig Bedenken wie der vorliegend nach der Fußnote zur Tabelle B
der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV für die Verwendung eines lärmmindernden
Straßenbelages berücksichtigte Korrekturwert" "DStrO",
126
vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2004 - 9 A 42.03 -, , und vom 11. Januar
2001 - 4 A 13.99 -, Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 16, sowie Beschluss vom 4.
September 2003 - 4 B 76.03 -, BauR 2004, 1917; OVG NRW, Urteil vom 20. August
1997 - 23 A 375/96 -, a.a.O., und Beschluss vom 18. April 2006 - 11 B 919/05.AK -
(unveröffentlicht).
127
Die Kammer hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit der durchgeführten
Untersuchung und der hierbei gewonnenen Erkenntnisse zu zweifeln. Soweit der Kläger
im Planfeststellungsverfahren moniert hat, der DTV für die ursprünglich geplante
Verlängerung der Straße "Am Sattelplatz" sei fehlerhaft ermittelt und der
Lärmberechnung zugrundegelegt worden, außerdem seien die Auswirkungen der
kombinierten Immissionsquellen der L 364n und der Anbindung der Straße "Am
Sattelplatz" nicht hinreichend ermittelt worden, greifen diese Einwände bereits deshalb
nicht, weil die Beklagte an der ursprünglich beabsichtigten Anbindung der Straße "Am
Sattelplatz" an die L 364n nicht festgehalten hat. Diese Anbindung ist tatsächlich nicht
128
planfestgestellt worden. Die darüber hinaus vom Kläger erhobenen Einwendungen, die
Emissionsbelastung sei zu gering angenommen, die Immissionsermittlung sei fehlerhaft
erfolgt und die verwendeten Abkürzungen entsprächen zum Teil nicht den in der Anlage
1 zur 16. BImSchV verwendeten Abkürzungen, was eine Überprüfbarkeit des
Gutachtens erschwere, sind unsubstanziiert und stellen die Richtigkeit der im Gutachten
gewonnenen Ergebnisse nicht in Frage. Der Kläger hat die von ihm angeführten und bei
einer Prüfung von Amts wegen nicht erkennbaren Fehler des Gutachtens nicht näher
benannt und konkretisiert. Die Verwendung der Abkürzungen im Gutachten ist nicht zu
beanstanden.
Das von der Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass
die für (reine und allgemeine) Wohngebiete geltenden Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2
der 16. BImSchV [59 dB(A) tagsüber und 49 dB(A) nachts] überwiegend eingehalten
werden. Hinsichtlich des Grundstücks des Klägers wurde eine Lärmbelastung von 46,7
dB(A) tagsüber und von 36,7 dB(A) nachts ermittelt. Lediglich im Misch- und
Sondergebiet in der Rheinstraße in Hückelhoven werden für einzelne Objekte
(Rheinstraße Nr. 100, 102, 103 und 104 sowie das Feuerwehrgebäude)
Grenzwertüberschreitungen ermittelt, die zu einem im angefochtenen
Planfeststellungsbeschluss festgestellten Anspruch der Betroffenen auf passiven
Lärmschutz führen. Eine unzumutbare Lärmbelästigung für das Grundstück des Klägers
geht von dem Straßenbauvorhaben damit nicht aus.
129
Auch wenn ein Straßenbauvorhaben die zu wahrenden Lärmgrenzwerte einhält, ist die
Planfeststellungsbehörde gleichwohl nicht der Notwendigkeit enthoben, den von dem
Straßenbauvorhaben verursachten Verkehrslärm im Rahmen der allgemeinen
fachplanerischen Abwägung zu berücksichtigen,
130
vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 11 A 1.97 -, a.a.O.; VGH BW, Urteil vom 13.
März 1996 - 5 S 1743/95 -, a.a.O.
131
Soweit der Kläger insoweit bemängelt, die Beklagte habe die Lärmbelastung im
Rahmen der Abwägung allein mit dem Hinweis, dass die einschlägigen Grenzwerte
nicht überschritten würden, überhaupt nicht berücksichtigt, vermag die Kammer dem
nicht zu folgen. Die Beklagte hat bereits bei der Trassenwahl den von der geplanten
Umgehungsstraße ausgehenden Verkehrslärm und das hiermit korrelierende
Schutzbedürfnis der Wohnbevölkerung im Rahmen der Abwägung mit einem hohen
Gewicht versehen. Verschiedene alternative Trassenführungen (die Variante der
Westumgehung Hückelhoven sowie die Varianten A 3, A 4, A 5 und die Variante
"Sportplatz) wurden unter anderem wegen der von ihnen ausgehenden
Beeinträchtigungen der Wohnfunktion in den angrenzenden Ortslagen ausgeschieden.
Insbesondere die Variante A 3, die mit geringeren Beeinträchtigungen für das
Waldgebiet "Am Junkerberg" verbunden gewesen wäre, wurde wegen des großen
Umwegfaktors, aber auch wegen der ortsnäheren Trassenführung ausgeschieden.
Zudem wurde die ursprünglich vorgesehene Verlängerung der Straße "Am Sattelplatz"
und deren Anbindung an die L 364n letztlich deswegen nicht planfestgestellt, weil es
insoweit massiven Widerstand aus der Bevölkerung gegeben hatte. Die Beklagte hat
sich demnach intensiv mit den Belangen der Bewohner der angrenzenden Ortslagen,
die insbesondere durch ihr Schutzbedürfnis vor zunehmendem Verkehrslärm
gekennzeichnet sind, auseinandergesetzt. Im Übrigen wird auch in der vom Kläger zum
Beleg seiner Rechtsansicht angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichthofes
Baden- Württemberg ausgeführt, dass (allein) im Einzelfall Anlass gegeben sein kann,
132
"bei der Abwägung zu bedenken, ob den Lärmbetroffenen weitergehender Lärmschutz
unterhalb der Schwelle der Lärmgrenzwerte zuzubilligen ist. Regelmäßig wird [scr.
jedoch] bei Einhaltung der Lärmgrenzwerte der 16. BImSchV für einen solchen
zusätzlichen Abwägungsschritt kein Anlass bestehen",
vgl. VGH BW, Urteil vom 13. März 1996 - 5 S 1743/95 -, a.a.O.
133
Dass die Beklagte vorliegend daher angesichts der deutlichen Unterschreitung der
maßgeblichen Grenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV die prognostizierten
Belastungen im Rahmen ihrer Abwägung als prinzipiell hinnehmbar beurteilt hat, ist im
Ergebnis nicht zu beanstanden,
134
vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2005 - 9 A 80.03 -, a.a.O., (zu
Schadstoffbelastungen, die weiten Abstand zu den Grenzwerten der 22. BImSchV
halten).
135
Doch selbst wenn die Beklagte die unterhalb der Lärmgrenzwerte liegenden
Lärmbelastungen nicht oder nur unzureichend im Rahmen ihrer fachplanerischen
Abwägung berücksichtigt hätte, folgte hieraus kein Anspruch des Klägers auf
Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Der von ihm gerügte Abwägungsfehler
hätte sich nämlich offenkundig nicht auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt. Den
angefochtenen Planfeststellungsbeschluss als solchen ergriffe der Fehler nur dann,
wenn die konkrete Möglichkeit dafür erkennbar wäre, dass die Planfeststellungsbehörde
bei rechtsfehlerfreier Beachtung der Belange des Lärmschutzes ihren Beschluss nicht
nur ergänzt, sondern ihre Plankonzeption geändert hätte,
136
vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1990 - 4 B 50.89 -, NVwZ-RR 1990, 454; OVG
NRW, Urteil vom 20. August 1997 - 23 A 375/96 -, a.a.O; Marschall, a.a.O., § 17 Rdnr.
270.
137
Dies ist hier bei verständiger Würdigung aber nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich im
Rahmen der vorgenommenen Trassenwahl maßgeblich auch davon leiten lassen, die
Trasse im Hinblick auf Beeinträchtigungen der Wohnbevölkerung möglichst konfliktfrei
oder jedenfalls konfliktarm zu führen. Die von ihr gewählte Variante A 6 wird diesem
Anspruch am besten gerecht, was sich auch in der weitgehenden Einhaltung der
(Schadstoff- und) Lärmgrenzwerte zeigt. Vor diesem Hintergrund ist nichts dafür
erkennbar, dass die Beklagte angesichts der von der Straße ausgehenden
Lärmbelastung, die erheblich unter den einschlägigen Lärmgrenzwerten liegt, eine
andere, die Wohnbevölkerung (noch) weniger beeinträchtigende Trassenführung
gewählt hätte. Es ist daher ohne weiteres davon auszugehen, dass sich der Fehler,
wenn er überhaupt vorliegen sollte, letztlich nicht zu Lasten des Klägers ausgewirkt hat.
Einen Anspruch auf Planaufhebung kann er hieraus nicht ableiten.
138
Da der Planfeststellungsbeschluss den Kläger nach alledem nicht in eigenen Rechten
verletzt, ist die auf seine Aufhebung gerichtete Anfechtungsklage unbegründet.
139
Die Klage ist daher in vollem Umfang abzuweisen.
140
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der
Billigkeit, dass der Beigeladene zu 1. seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil
er sich mangels Antragsstellung keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, vgl. § 154
141
Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene zu 2. hat sich durch die Stellung des
Klageabweisungsantrages einem Kostenrisiko ausgesetzt. Deshalb entspricht es der
Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der mit ihrem Antrag obsiegenden
Beigeladenen zu 2. dem unterliegenden Kläger aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167
VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung.
142