Urteil des VG Aachen vom 07.08.2009

VG Aachen (bewerber, ausschreibung, beurteilung, verwaltungsgericht, erlass, besetzung, anordnung, schule, eignung, auswahl)

Verwaltungsgericht Aachen, 1 L 286/09
Datum:
07.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 286/09
Tenor:
1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, die Funktionsstelle einer Rektorin als Leiterin einer
Grundschule mit mehr als 80 bis zu 180 Schülern, Besoldungsgruppe A
13 BBesO, an der Gemeinschaftsgrundschule T. mit einer anderen
Bewerberin/einem anderen Bewerber zu besetzen, bis in dem Verfahren
VG B. - 1 K 1254/09 - über den Anspruch der Antragstellerin auf
Benennung gegenüber der Schulkonferenz erstinstanzlich entschieden
worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die unter
dem 15. Dezember 2008 ausgeschriebene Funktionsstelle einer Leiterin einer
Grundschule mit mehr als 80 bis zu 180 Schülern an der Gemeinschaftsgrundschule T.
mit einer Mitbewerberin/einem Mitbewerber der Antragstellerin zu besetzen, bis in dem
Verfahren VG B. - 1 K 1254/09 - über den Anspruch der Antragstellerin auf Benennung
gegenüber der Schulkonferenz erstinstanzlich entschieden worden ist,
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ist zulässig und begründet.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung
eines Rechts der Antragstellerin getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass die
Verwirklichung dieses Rechts durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierzu sind das zu sichernde Recht
(Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft
zu machen, vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO.
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Den Anordnungsgrund hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht. Er ergibt sich aus dem
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Umstand, dass die Bezirksregierung L. die vorgenannte Stelle inzwischen erneut, d. h.
offensichtlich zum dritten Mal zur Besetzung ausgeschrieben hat. Insofern steht für die
Antragstellerin zu befürchten, dass die Bezirksregierung im Rahmen des Verfahrens
nach § 61 Schulgesetz für das Land NRW (SchulG) gegenüber der Schulkonferenz eine
andere Bewerberin/einen anderen Bewerber benennt, obwohl die Antragstellerin
aufgrund des Ergebnisses der zweiten Ausschreibung als geeignete Bewerberin zu
benennen wäre und sie diesbezüglich unter dem 10. Juli 2009 vor der erkennenden
Kammer (1 K 1254/09) Klage erhoben hat, mit welcher sie ihren Anspruch geltend
macht.
Auch den Anordnungsanspruch, d.h. hier eine Verletzung ihres
Bewerbungsverfahrensanspruchs hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht.
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Der Bewerbungsverfahrensanspruch verpflichtet den Dienstherrn, die Auswahl auf
einen ausgeschriebenen Beförderungsdienstpostens unter Beachtung des durch Art. 33
Abs. 2 Grundgesetz (GG) verfassungskräftig verbürgten Grundsatzes der Bestenauslese
(Leistungsgrundsatz) vorzunehmen. Dem entspricht einfachgesetzlich die Regelung
nach § 20 Abs. 6 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes (LBG) i. V. m. § 9
Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Dieser Anspruch ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO
sicherungsfähig. Ein Anordnungsanspruch ist zu bejahen, wenn es nach dem im
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Sach- und Streitstand
überwiegend wahrscheinlich ist, dass die vom Dienstherrn getroffene
Auswahlentscheidung zulasten der Antragstellerin rechtsfehlerhaft ist, weil deren
Bewerbungsverfahrensanspruch keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Zugleich
müssen die Aussichten der Antragstellerin, entsprechend dem Auswahlverfahren
ausgewählt zu werden, zumindest "offen" sein, was bereits zu bejahen ist, wenn eine
Auswahl möglich erscheint.
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Vgl. dazu: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 24. September
2002 - 2 BvR 857/02 -, ZBR 2002, 427.
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Vorliegend spricht vieles dafür, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch der
Antragstellerin dadurch verletzt worden ist, dass die Bezirksregierung L. sie gegenüber
der Schulkonferenz nicht zur Fortführung des Verfahrens gemäß § 61 SchulG benannt,
sondern - ohne förmlichen Abbruch des zweiten Auswahlverfahrens aus sachlichem
Grund - eine neue Ausschreibung, d. h. ein drittes Auswahlverfahren eingeleitet hat.
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Die Antragstellerin, die in dem zweiten Auswahlverfahren einzige Bewerberin war, hat
in der anlassbezogenen dienstlichen Beurteilung das Gesamturteil: "Die Leistungen
entsprechen den Anforderungen" erhalten. Die in dem Bescheid der Bezirksregierung L.
vom 10. Juni 2009 geäußerte Ansicht, nur diejenigen Bewerberinnen und Bewerber
könnten gegenüber der Schulkonferenz als geeignet benannt werden, die in ihrer
dienstliche Beurteilung die Gesamtnoten "Die Leistungen übertreffen die Anforderungen
in besonderem Maße" oder "Die Leistungen übertreffen die Anforderungen" erhalten
haben, begegnet erheblichen Bedenken.
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Soweit die Bezirksregierung L. auf den Erlass des Ministeriums für Schule und
Weiterbildung NRW vom 20. Mai 2009/22. Mai 2009 - 212-1.13.03-4045 - verweist, ist
zunächst festzuhalten, dass dieser Erlass für die zweite Ausschreibung noch nicht galt
und dementsprechend die in ihm aufgestellten erhöhten Leistungsanforderungen von
der Antragstellerin nicht erfüllt werden konnten.
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Darüber hinaus lässt sich die Auffassung, nur besonders gut beurteilte Bewerberinnen
und Bewerber zu benennen, kaum mit der Regelung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 SchulG
vereinbaren. Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 SchulG ist die Schulaufsichtsbehörde nach der
Ausschreibung und Prüfung der eingegangenen Bewerbungen verpflichtet, der
Schulkonferenz die geeigneten Personen zu benennen (§ 7 Landesbeamtengesetz).
Diese Formulierung ist eindeutig, soweit sie von "geeigneten" Personen spricht.
Geeignet sind Bewerberinnen und Bewerber, die den Anforderungen (an die Leitung der
betreffenden Schule) entsprechen. Bei dieser Wertung ist allerdings nicht nur die
gestiegene Bedeutung des Schulleitungsamtes in den Blick zu nehmen, wie es in dem
Erlass heißt. Vielmehr macht der ausdrückliche gesetzliche Verweis auf § 7
Landesbeamtengesetz a.F. (vgl. jetzt § 20 Abs. 6 Satz 1 LBG n. F. sowie § 9 BeamtStG)
deutlich, dass die Feststellung der Eignung und die Benennung immer auch den
Bewerbungsverfahrensanspruch des Beamten beachten muss, wonach jeder Deutsche
entsprechend seiner besonderen Eignung und Fähigkeit Zugang zu einem öffentlichen
Amt hat, beachten muss.
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Bei dieser Wertung muss sich die Bezirksregierung L. daran messen lassen, dass sie
der Antragstellerin in der anlassbezogenen dienstlichen Beurteilung im Gesamturteil
attestiert hat, dass ihre "Leistungen den Anforderungen entsprechen", womit sie für die
Besetzung der Funktionsstelle "geeignet" ist. Die abschließende Wertung der
Bezirksregierung L. ist demgegenüber nur auf die vorgeblich gestiegene Bedeutung des
Schulleitungsamts fokussiert und angesichts des verfassungsrechtlich verbürgten
Anspruchs der Antragstellerin höchst zweifelhaft.
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Dies führt dazu, dass die Besetzung der Funktionsstelle mit einer anderen
Bewerberin/einem anderen Bewerber jedenfalls bis zum erstinstanzlichen Abschluss
des Klageverfahrens 1 K 1254/09 zu untersagen ist, um den
Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin zu sichern.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.
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