Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 29.01.2007

VerfGH Rheinland-Pfalz: öffentliche sicherheit, unverletzlichkeit der wohnung, gefahr im verzug, schutz der menschenwürde, garantie der menschenwürde, begriff, verfassungsbeschwerde, straftat, abhören

VerfGH
Rheinland-Pfalz
29.01.2007
VGH B 1/06
Verfassungsrecht
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
betreffend die Verfassungsbeschwerde
des Rechtsanwalts …,
g e g e n Art. 1 des Sechsten Landesgesetzes zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehörden-
gesetzes vom 25. Juli 2005 (GVBl. S. 320)
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
29. Januar 2007, an der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Dury
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Direktorin des Amtsgerichts Terner
Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten
Kreisverwaltungsdirektorin Kleinmann
Präsidentin des Verwaltungsgerichts Dr. Freimund-Holler
Landrätin Röhl
Fachhochschullehrer Dr. Ley
für Recht erkannt:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die Neufassung des § 29 des Polizei- und
Ordnungsbehördengesetzes - POG - durch das Sechste Landesgesetz zur Änderung des Polizei- und
Ordnungsbehördengesetzes vom 25. Juli 2005 (GVBl. S. 320). Die Regelung erlaubt unter bestimmten
Voraussetzungen die akustische und optische Wohnraumüberwachung durch den verdeckten Einsatz
technischer Mittel zur Datenerhebung.
I.
Bereits durch Gesetz vom 26. März 1986 (GVBl. S. 77) wurde in das damalige Polizeiverwaltungsgesetz -
PVG - die Regelung des § 25 b eingefügt, welche die Polizei zu personenbezogenen
Informationserhebungen durch den Einsatz besonderer technischer Mittel ermächtigte und eine
präventive Wohnraumüberwachung gestattete. Die Vorschrift galt der Sache nach bis zu der mit Gesetz
vom 2. März 2004 (GVBl. S. 202) vorgenommenen Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehörden-
gesetzes, das zwischenzeitlich das Polizeiverwaltungsgesetz abgelöst hatte, nahezu unverändert fort. Der
seitdem einschlägige § 29 POG regelte die Befugnis zur Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz
technischer Mittel in oder aus Wohnungen vollständig neu. Allerdings erging an dem auf die Verkündung
des Gesetzes folgenden Tag, dem 3. März 2004, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur
Verfassungsmäßigkeit der akustischen Wohnraumüberwachung zu Strafverfolgungszwecken (BVerfGE
109, 279 ff.). Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in seinem Urteil die vorausgegangene Änderung
des Art. 13 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -, die die Möglichkeit einer repressiven akustischen
Wohnraumüberwachung absichern sollte, als verfassungsgemäß, erklärte jedoch ihre einfachgesetzliche
Ausgestaltung in der Strafprozessordnung ‑ StPO - in Teilen für verfassungswidrig.
Als Konsequenz dieser Entscheidung erfolgte mit dem Sechsten Landesgesetz zur Änderung des Polizei-
und Ordnungsbehördengesetzes vom 25. Juli 2005 eine Neufassung der Regelung des § 29 POG. Sie
lautet nunmehr wie folgt:
§ 29
Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz
technischer Mittel in oder aus Wohnungen
(1) Die Polizei kann personenbezogene Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur
Datenerhebung nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 in oder aus Wohnungen des Betroffenen zur Abwehr einer
dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer
Lebensgefahr, erheben über
1. die nach den §§ 4 und 5 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 7 über die dort
genannten Personen und
2. Kontakt- und Begleitpersonen (§ 26 Abs. 3 Satz 2), soweit die Datenerhebung zur Verhinderung von
besonders schweren Straftaten nach Absatz 2 erforderlich ist.
Die Datenerhebung darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2) Besonders schwere Straftaten im Sinne dieses Gesetzes sind:
1. aus dem Strafgesetzbuch:
a) Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen
Rechtsstaates oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80 , 81 ,
82, nach den §§ 94, 95 Abs. 3 und § 96 Abs. 1, jeweils auch in Verbindung mit § 97 b, sowie nach den
§§ 97 a, 98 Abs. 1 Satz 2, § 99 Abs. 2 und den §§ 100, 100 a Abs. 4,
b) Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Halbsatz 2 und Bildung
terroristischer Vereinigungen nach § 129 a Abs. 1, 2, 4, 5 Satz 1 Alternative 1, jeweils auch in Verbindung
mit § 129 b Abs. 1,
c) Geldfälschung und Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151, jeweils auch in Verbindung mit
§ 152, gewerbs- oder bandenmäßige Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln nach § 152
a Abs. 3 und Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks nach
§ 152 b Abs. 1 bis 4,
d) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 176 a Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3,
§ 177 Abs. 2 Nr. 2 oder § 179 Abs. 5 Nr. 2,
e) Mord und Totschlag nach §§ 211, 212,
f) Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen der §§ 234, 234 a Abs. 1, 2, §§ 239 a , 239 b und
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft
nach § 232 Abs. 3, 4 oder Abs. 5, § 233 Abs. 3, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt,
g) Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244 a,
h) schwerer Raub nach § 250 Abs. 1 oder Abs. 2,
i) räuberische Erpressung nach § 255 und besonders schwerer Fall einer Erpressung nach § 253 unter
den in § 253 Abs. 4 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
j) gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260, 260
a,
k) besonders schwerer Fall der Geldwäsche, Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte
nach § 261 unter den in § 261 Abs. 4 Satz 2 genannten Voraussetzungen,
l) besonders schwerer Fall der Bestechlichkeit und Bestechung nach § 335 Abs. 1 unter den in § 335 Abs.
2 Nr. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen,
2. aus dem Asylverfahrensgesetz:
a) Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3 ,
b) gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 a Abs. 1,
3. aus dem Aufenthaltsgesetz:
a) Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2,
b) gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
4. aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a) besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 in Verbindung
mit § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1,
b) eine Straftat nach §§ 29 a , 30 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 , § 30 a,
5. aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a) eine Straftat nach § 19 Abs. 2 oder § 20 Abs. 1, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b) besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 22 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2,
6. aus dem Völkerstrafgesetzbuch:
a) Völkermord nach § 6,
b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,
c) Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,
7. aus dem Waffengesetz:
a) besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 51 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2,
b) besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 5.
(3) Die Datenerhebung nach Absatz 1 darf nur angeordnet werden, soweit nicht aufgrund tatsächlicher
Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Daten erfasst werden, die dem Kernbereich
privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Abzustellen ist dabei insbesondere auf die Art der zu
überwachenden Räumlichkeiten und das Verhältnis der dort anwesenden Personen zueinander.
(4) Das Abhören, die Beobachtung sowie die Auswertung der erhobenen Daten durch die Polizei sind
unverzüglich zu unterbrechen, sofern sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten, die dem
Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Unberührt bleibt die
automatisierte Speicherung der Daten. Ist das Abhören und die Beobachtung nach Satz 1 unterbrochen
worden, so dürfen diese Maßnahmen unter den in Absatz 3 Satz 1 genannten Voraussetzungen fort-
geführt werden.
(5) Die Datenerhebung nach Absatz 1, die in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eingreift, ist
unzulässig. Die erhobenen Daten sind unverzüglich zu löschen und Erkenntnisse über solche Daten
dürfen nicht verwertet werden. Die Tatsache der Erfassung der Daten und ihrer Löschung sind zu
dokumentieren.
(6) Die Datenerhebung nach Absatz 1 in ein durch ein Amts- oder Berufsgeheimnis geschütztes
Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53 und 53 a der Strafprozessordnung ist unzulässig. Absatz 5 Sätze
2 und 3 gelten entsprechend.
(7) Die Datenerhebung nach Absatz 1 bedarf der richterlichen Anordnung. In dieser schriftlichen
Anordnung sind insbesondere
1. Voraussetzungen und wesentliche Abwägungsgesichtspunkte,
2. soweit bekannt Name und Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet,
3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,
4. die Wohnung oder Räume, in oder aus denen die Daten erhoben werden sollen, und
5. die Art der durch die Maßnahme zu erhebenden Daten
zu bestimmen. Sie ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr
als einen Monat ist zulässig, soweit die in den Absätzen 1 und 3 bezeichneten Voraussetzungen
vorliegen.
(8) Das anordnende Gericht ist fortlaufend über den Verlauf, die Ergebnisse und die darauf beruhenden
Maßnahmen zu unterrichten. Sofern die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vorliegen, ordnet es
die Aufhebung der Datenerhebung an. Polizeiliche Maßnahmen nach Absatz 4 können durch das
anordnende Gericht jederzeit aufgehoben, geändert oder angeordnet werden. Soweit ein Verwertungs-
verbot nach Absatz 5 Satz 2 in Betracht kommt, hat die Polizei unverzüglich eine Entscheidung des
anordnenden Gerichts über die Verwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse herbeizuführen.
(9) Nach Absatz 1 erlangte personenbezogene Daten sind besonders zu kennzeichnen. Nach einer
Übermittlung ist die Kennzeichnung durch die Empfänger aufrechtzuerhalten. Solche Daten dürfen für
einen anderen Zweck verwendet werden, soweit dies zur
1. Verfolgung von besonders schweren Straftaten, die nach der Strafprozessordnung die
Wohnraumüberwachung rechtfertigen,
2. Abwehr einer dringenden Gefahr im Sinne des Absatzes 1
erforderlich ist. Die Zweckänderung muss im Einzelfall festgestellt und dokumentiert werden.
(10) Zuständiges Gericht im Sinne dieser Vorschrift ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die
Polizeibehörde ihren Sitz hat. § 21 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend. Bei Gefahr im Verzug kann die
Datenerhebung nach Absatz 1 durch die Behördenleitung oder einen von ihr besonders beauftragten
Beamten des höheren Dienstes angeordnet werden; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich
nachzuholen.
(11) Werden technische Mittel ausschließlich zum Schutz der bei einem polizeilichen Einsatz in
Wohnungen tätigen Personen verwendet, kann die Datenerhebung nach Absatz 1 durch die
Behördenleitung oder einen von ihr besonders beauftragten Beamten des höheren Dienstes angeordnet
werden. Erkenntnisse aus einem solchen Einsatz dürfen für einen anderen Zweck zur Abwehr einer
dringenden Gefahr oder zur Verfolgung von besonders schweren Straftaten, die nach der Straf-
prozessordnung die Wohnraumüberwachung rechtfertigen, verwendet werden, wenn zuvor die Recht-
mäßigkeit der Maßnahme durch den Richter festgestellt wurde. Bei Gefahr im Verzug ist die richterliche
Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(12) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über den erfolgten Einsatz technischer Mittel
nach Absatz 1 und 11, soweit dieser einer richterlichen Anordnung bedarf. Die Parlamentarische
Kontrollkommission übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. § 20 Abs. 1
Satz 2, § 20 Abs. 2 bis 4 und § 21 Abs. 2 und 3 des Landesverfassungsschutzgesetzes gelten entspre-
chend.
Zugleich erhielt § 40 Abs. 5 POG folgende neue Fassung:
Zugleich erhielt § 40 Abs. 5 POG folgende neue Fassung:
(5) Personen, gegen die sich eine verdeckte Datenerhebung richtet, sind nach Abschluss der Maßnahme
hierüber zu unterrichten. Sonstige betroffene Personen sind nach Maßgabe des Satzes 1 zu unterrichten,
soweit eine Datenerhebung nach § 29 erfolgt ist oder andere besonders schutzwürdige Interessen dies
erfordern. Auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes ist hinzuweisen. Die Unterrichtung nach
Satz 1 oder 2 unterbleibt, soweit Leib, Leben oder Freiheit einer Person, besondere Vermögenswerte oder
der Zweck der Maßnahme gefährdet werden. Ist eine Unterrichtung auch 12 Monate nach Abschluss der
Maßnahme aus den gesetzlichen Gründen nicht zulässig, bedarf die weitere Zurückstellung der
Unterrichtung der richterlichen Zustimmung. Entsprechendes gilt nach Ablauf von jeweils 12 weiteren
Monaten. Über die Zustimmung entscheidet das Gericht, das für die Anordnung der Maßnahme zuständig
gewesen ist. Bedurfte die Maßnahme nicht der richterlichen Anordnung, ist für die Zustimmung das
Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat, zuständig.
§ 26 Abs. 3 POG, auf den § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG Bezug nimmt, lautet:
(3) Die Polizei kann personenbezogene Daten über
1. Personen, bei denen durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass
sie zukünftig Straftaten begehen,
2. Personen, bei denen durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass
sie Opfer von Straftaten werden,
3. Personen im Umfeld einer in besonderem Maß als gefährdet erscheinenden Person,
4. Zeugen, Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen und
5. Kontakt- und Begleitpersonen,
erheben, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (§ 1 Abs. 1 Satz 3) erforderlich ist.
Kontakt- und Begleitpersonen im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die mit einer in Satz 1 Nr. 1
genannten Person in der Weise in Verbindung stehen, dass durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte
für ihren objektiven Tatbezug sprechen.
II.
Mit seiner am 10. Januar 2006 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der als Rechtsanwalt tätige
Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 7 Abs.
1 der Landesverfassung - LV - durch § 29 POG. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:
Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Insbesondere werde er durch § 29 POG selbst, gegenwärtig
und unmittelbar in dem genannten Grundrecht betroffen. Er müsse mit der jederzeitigen Durchführung
einer auf § 29 POG gestützten Datenerhebung rechnen, da sie auch über Kontakt- und Begleitpersonen
erfolgen könne. Dies sei gerade im Hinblick auf seine anwaltliche Tätigkeit wahrscheinlich. Der
Ausschluss der Datenerhebung in ein durch ein Berufsgeheimnis geschütztes Vertrauensverhältnis
gemäß § 29 Abs. 6 POG stehe nicht entgegen. Es müsse vielmehr von der Möglichkeit einer unzulässigen
Datenerhebung im Einzelfall ausgegangen werden. Auf die nicht lückenlos gewährleistete Möglichkeit
eines nachträglichen fachgerichtlichen Rechtsschutzes könne er nicht verwiesen werden.
In der Sache verletze § 29 POG sein Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 7 Abs. 1
LV. Diese vom Gesetzgeber nicht geänderte Bestimmung sei identisch mit dem "alten" Art. 13 GG, der eine
akustische Wohnraumüberwachung ausgeschlossen habe. Art. 7 Abs. 1 LV vermittele schon deshalb ein
höheres Schutzniveau als Art. 13 GG in seiner jetzigen Fassung. Eingriffe in den Schutzbereich des
Grundrechts seien gemäß Art. 7 Abs. 3 LV nur zur "Behebung öffentlicher Notstände" gerechtfertigt. Eine
solche die Allgemeinheit betreffende Ausnahmesituation liege aber schon nach ihrem Wortlaut nicht vor,
wenn eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit angenommen werde, zu deren Abwehr das
Grundgesetz Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung gestatte. Des Weiteren habe der
Landesgesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz überschritten, da § 29 POG auch
Strafverfolgungszwecken diene. Die entsprechenden polizeilichen Befugnisse seien aber abschließend
bundesgesetzlich durch die Strafprozessordnung geregelt. Insbesondere die Bestimmung des § 29 Abs. 9
POG, welche die Verwendung präventiv erhobener Daten zur Verfolgung von besonders schweren
Straftaten erlaube, überschreite die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers. Dieser habe im
Übrigen auch das Bestimmtheitsgebot missachtet. Die Maßstäbe für das Vorliegen einer dringenden
Gefahr, die zu einer Datenerhebung ermächtige, seien nicht hinreichend konkretisiert. Gleiches gelte für
den Begriff der "Kontakt- und Begleitperson". Schließlich schütze § 29 POG den absoluten Kernbereich
privater Lebensgestaltung nicht ausreichend und verletze deshalb die Garantie der Menschenwürde.
Diese erlaube insbesondere keine automatisierte Speicherung von Daten, die § 29 Abs. 4 Satz 2 POG
gestatte. Darüber hinaus erweise sich der Straftatenkatalog des § 29 Abs. 2 POG als unverhältnismäßig.
III.
1. Der Landtag Rheinland-Pfalz erachtet die Verfassungsbeschwerde teilweise als unzulässig. Der
Beschwerdeführer habe sie nicht rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 46 Abs. 3 VerfGHG erhoben,
soweit sie sich gegen § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG richte. Diese bereits durch das Änderungsgesetz vom 2. März
2004 in das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz eingefügte Regelung sei durch das
6. Änderungsgesetz vom 25. Juli 2005 weitgehend übernommen und lediglich zur Klarstellung ergänzt
worden. Solche redaktionellen Gesetzesänderungen könnten die Verfassungsbeschwerdefrist nicht
erneut in Lauf setzen.
Die im Übrigen zulässige Verfassungsbeschwerde sei unbegründet. Die Gesetzgebungsbefugnis des
Landes folge aus Art. 70 Abs. 1 GG. Die angegriffenen Regelungen dienten der Gefahrenabwehr und
träfen insbesondere keine Regelung zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten. Entsprechendes
lasse sich auch nicht aus der Vorschrift des § 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG ableiten, die ausschließlich die
Zweckänderung präventiv gewonnener Erkenntnisse und nicht deren Verwertung regele. Hierzu sei das
Land befugt. Materiell stehe § 29 POG mit den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 LV in Einklang.
Einschränkungen seines Schutzbereichs, wie sie § 29 POG gestatte, rechtfertigten sich nach Art. 7 Abs. 3
LV als Eingriffe zur Behebung öffentlicher Notstände. Der Schutzgehalt dieser Vorschrift sei früher im
Hinblick auf Art. 13 Abs. 3 GG a.F. bestimmt und der präventive Einsatz technischer Mittel zur
Wohnraumüberwachung bereits vor der Änderung des Art. 13 GG für zulässig erachtet worden. Die
Grundgesetzänderung im Jahre 1998 habe sodann mit Art. 13 Abs. 3 n.F. GG erstmals die akustische
Wohnraumüberwachung zu Strafverfolgungszwecken ermöglicht und zugleich das Schutzniveau
hinsichtlich einer präventiven Wohnraumüberwachung in Art. 13 Abs. 4 GG n.F. angehoben. Das
Landesgrundrecht aus Art. 7 LV bleibe daher in seinem Schutzumfang hinter dem Bundesgrundrecht
zurück und müsse grundgesetzkonform unter Berücksichtigung der Wertungen des Art. 13 Abs. 4 GG n.F.
ausgelegt werden. Dessen Anforderungen werde § 29 POG gerecht. Eine danach zulässige Wohnraum-
überwachung setze das Vorliegen einer dringenden Gefahr voraus und schließe bloße Vorfeldermitt-
lungen aus. Auch erweise sich der Straftatenkatalog des § 29 Abs. 2 POG als verhältnismäßig. Die
einschlägigen Regelungen seien darüber hinaus hinreichend bestimmt. Der Gesetzgeber habe zudem
die mit Blick auf den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung verfassungsrechtlich
gebotenen Überwachungs- und Erhebungsverbote ausreichend konkretisiert. Des Weiteren sei die
Möglichkeit einer automatisierten Speicherung von Daten gemäß § 29 Abs. 4 POG nicht zu beanstanden.
Die Abwehr drohender Schäden für besonders hochrangige Rechtsgüter rechtfertige nämlich notfalls tiefe
Grundrechtseingriffe im Hinblick auf bestehende staatliche Schutzpflichten. Zudem seien die weiteren in
§ 29 POG vorgesehenen verfahrensrechtlichen Sicherungen ausreichend.
2. Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für zulässig, aber unbegründet. Der
Beschwerdeführer könne zwar nicht aufgrund seiner anwaltlichen Tätigkeit, jedoch als Bürger Betroffener
von Abhörmaßnahmen nach § 29 POG sein und sei deshalb zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde
befugt. Materiell decke die Ermächtigung in Art. 7 Abs. 3 LV Eingriffe in das Grundrecht des Art. 7 Abs. 1
LV, wie sie § 29 POG ermögliche. Eine danach zulässige Wohnraumüberwachung diene der "Behebung
öffentlicher Notstände" im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LV. Diese Regelung knüpfe nicht an das Vorliegen eines
Katastrophenfalles an, sondern ermächtige den Gesetzgeber zur Einschränkung des Grundrechts der
Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Abwehr oder auch nur der Verhütung einer dringenden
Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Art. 7 LV mache daher die Einschränkung dieses
Grundrechts von der Erfüllung geringerer Voraussetzungen als Art. 13 Abs. 4 GG n.F. abhängig und
müsse deshalb grundgesetzkonform ausgelegt werden. Diesen Anforderungen werde § 29 POG gerecht.
Der Landesgesetzgeber habe im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der Gefah-
renabwehr nach Art. 70 GG gehandelt und insbesondere keine Regelung zur "Vorsorge für die Verfolgung
von Straftaten" getroffen. Auch die Vorschrift des § 29 Abs. 9 Satz 3 POG setze eine zur Gefahrenabwehr
vorgenommene zulässige Datenerhebung voraus und regele keine Datenerhebung zu Zwecken der
Strafverfolgung. Des Weiteren sei die Regelung des § 29 Abs. 1 POG hinreichend bestimmt und der
Begriff der "Kontakt- und Begleitperson" werde in § 26 Abs. 3 Satz 2 POG eindeutig definiert. Zudem
schlössen die im Einzelnen vorgesehenen Schutzbestimmungen einen Eingriff in den von der
Menschenwürdegarantie umfassten unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung aus.
Präventive Grundrechtseingriffe seien ohnehin in weiterem Umfang zulässig als Maßnahmen zu Zwecken
der Strafverfolgung. Deshalb könne auch die Möglichkeit einer automatisierten Datenerhebung nicht
beanstandet werden. Im Übrigen verstoße der Straftatenkatalog des § 29 Abs. 2 POG nicht gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
3. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz hält die Vorschrift des § 29 POG für grundrechtskonform
unter der Prämisse ihrer grundsätzlichen Erforderlichkeit. Er könne allerdings wegen fehlender Sach- und
Fachkenntnisse der Einschätzung polizeilicher Fachleute nicht widersprechen, die eine Erweiterung der
Eingriffsmöglichkeiten angesichts der heutigen Verhältnisse für notwendig hielten. Unter dieser Vor-
aussetzung sei § 29 POG nicht zu beanstanden. Bereits Art. 13 Abs. 3 GG a.F. habe die akustische
Überwachung von Wohnungen im präventiven Bereich gestattet. Art. 13 Abs. 4 GG n.F. schränke die
Eingriffsmöglichkeiten weiter ein. Der danach absolut geschützte Kernbereich individueller Lebens-
gestaltung in der Wohnung werde durch § 29 POG nicht beeinträchtigt. Bei der Präventivüberwachung sei
ein Verzicht auf das automatische Abhören und Speichern nicht möglich, wenn es sich um Gespräche
handele, die wegen undeutlicher Sprechweise oder ihrer Führung in einer Fremdsprache erst
nachträglich verständlich gemacht werden könnten. Auch lasse sich nur bei einer automatischen
Aufzeichnung genau feststellen, wann der unantastbare Kernbereich verlassen werde und eine
Überwachung und Datenerhebung wieder beginnen könne. Zudem seien die Auswirkungen eines
unterlassenen Abhörens im präventiven Bereich ungleich größer als im Strafprozess. Es könne
katastrophale Folgen haben, wenn eine dringende Gefahr nicht erkannt oder ein geplantes schweres
Verbrechen nicht verhindert werde.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
I.
Der Beschwerdeführer kann geltend machen, durch die angegriffene gesetzliche Regelung selbst,
gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen zu sein (vgl. hierzu: VerfGH RP, AS 25, 194
[195]; 31, 348 [350]).
1. Betroffener einer gesetzlich gestatteten Überwachung ist jeder, in dessen Persönlichkeitsrechte durch
die Maßnahme eingegriffen wird, auch wenn er nicht Zielperson der Anordnung ist. Die Möglichkeit,
Objekt einer akustischen oder optischen Wohnraumüberwachung zu werden, besteht praktisch für
jedermann und damit auch für den Beschwerdeführer ungeachtet seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt. Sie
kann nicht nur Verantwortliche nach den §§ 4 und 5 POG oder Personen, die nach § 7 POG in Anspruch
genommen werden dürfen, umfassen. Betroffen sein können auch Wohnungsinhaber, die lediglich als
Kontakt- und Begleitperson mit einer Person in Verbindung stehen, bei der durch Tatsachen begründete
Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zukünftig Straftaten begeht (§ 26 Abs. 3 Satz 2 POG).
Der Überwachung ausgesetzt sind im Übrigen auch diejenigen Personen, die als Dritte von einer Daten-
erhebung unvermeidbar betroffen werden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 POG).
2. Der Sachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof steht auch nicht das Erfordernis unmittelbaren
Betroffenseins entgegen. Beim Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen sowie
der Anfertigung von Bildaufzeichnungen handelt es sich um Maßnahmen, von denen der Betroffene
weder vor noch während ihrer Durchführung etwas erfährt, so dass fachgerichtlicher Rechtsschutz
insoweit nicht in Anspruch genommen werden kann. Auch die nach § 40 Abs. 5 Satz 1 POG vorgesehene
nachträgliche Benachrichtigung über die betreffenden Maßnahmen bewirkt nicht zwangsläufig einen
effektiven fachgerichtlichen Rechtsschutz. § 40 Abs. 5 POG enthält nämlich Ausnahmetatbestände, die in
besonderen Fällen die grundsätzlich bestehende Benachrichtigungspflicht auf unabsehbare Zeit
hinausschieben können. Schließlich regelt § 40 Abs. 6 POG weitere Tatbestände, nach denen eine Unter-
richtung unterbleibt. Unter diesen Umständen ist ein effektiver fachgerichtlicher Rechtsschutz nicht
ausnahmslos gewährleistet, und dem Betroffenen steht die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen
die von ihm angegriffene gesetzliche Regelung zu.
II.
Der Beschwerdeführer hat die Verfassungsbeschwerde, die gegen § 29 POG in der Fassung des Art. 1 Nr.
1 des Sechsten Landesgesetzes zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes vom 25. Juli
2005 gerichtet ist, am 10. Januar 2006 und damit innerhalb der Jahresfrist des § 46 Abs. 3 VerfGHG
erhoben.
Der Wahrung der Jahresfrist steht nicht entgegen, dass mit dem Änderungsgesetz vom 25. Juli 2005 im
Wesentlichen eine bloße (Teil-)Novellierung des bereits durch Gesetz vom 2. März 2004 eingefügten § 29
POG erfolgte, die insbesondere § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG nahezu unverändert ließ. Zwar wird bei der
Änderung eines bestehenden Gesetzes die Jahresfrist des § 46 Abs. 3 VerfGHG grundsätzlich nur für den
geänderten Teil in Lauf gesetzt. Die unmittelbare Rechtssatzverfassungsbeschwerde bleibt danach
ausgeschlossen, falls die Jahresfrist für die unverändert gebliebenen Regelungen bei Inkrafttreten der
Gesetzesänderung schon abgelaufen war. Es ist jedoch verfehlt, die Einhaltung der Jahresfrist des § 46
Abs. 3 VerfGHG ausschließlich aufgrund einer isolierten Bewertung des Regelungsgehalts des § 29 Abs.
1 Nr. 1 POG zu beurteilen. Er erschließt sich in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25. Juli 2005
vielmehr erst durch eine vollständige Betrachtung der äußerst komplexen Gesamtregelung. So lässt sich
das Ausmaß der nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 POG gestatteten Datenerhebungen nur unter gleichzeitiger
Beachtung der in § 29 Abs. 3 und 4 POG enthaltenen Vorgaben zum Schutz des Kernbereichs privater
Lebensgestaltung bestimmen. Das in seiner Gesamtheit grundlegend geänderte gesetzliche Umfeld des §
29 Abs. 1 Nr. 1 POG hatte zudem eine eindeutigere Bestimmung seines Anwendungsbereichs zur Folge.
Erst nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes war es dem Beschwerdeführer möglich, die damit
verbundenen belastenden Wirkungen zu prüfen. Insbesondere konnte er zu keinem früheren Zeitpunkt
eine verfassungsgerichtliche Kontrolle dazu herbeiführen, ob der Gesetzgeber seine Absicht verwirklicht
hat, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen
Wohnraumüberwachung zu Strafverfolgungszwecken eine restriktivere Regelung der präventiven Wohn-
raumüberwachung zu schaffen (vgl. BVerfGE 74, 69 [73]; 100, 316 [356]).
C.
Die hiernach zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die durch § 29 POG vorgenommenen
Beschränkungen des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art.7 Abs. 1 LV erweisen
sich in formeller und materieller Hinsicht als verfassungsgemäß.
I.
Das Land verfügt gemäß Art. 70 Abs. 1 GG über die Gesetzgebungskompetenz für die Bestimmungen des
§ 29 POG (vgl. zu diesem landesverfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab: VerfGH RP, AS 28, 440 [443
f.]; 32, 251 [256]).
Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz die
Gesetzgebungsbefugnis nicht dem Bund verleiht, sowie nach Art. 72 Abs. 1 GG im Bereich der
konkurrierenden Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit
nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat, wie sie ihm etwa gemäß Art. 74 Abs.1 Nr. 1 GG für das
gerichtliche Verfahren zugewiesen ist. Die Gesetzgebungskompetenz der Länder umfasst daher den
Bereich der Gefahrenabwehr einschließlich der Verhütung von Straftaten (BVerfGE 113, 348 [367 f.]).
Allerdings können nur solche Regelungen in die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung fallen, bei denen
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht als Teil einer bereits bundes-
gesetzlich geregelten Sachmaterie zu verstehen ist. Insoweit ist der Gedanke des Sachzusammenhangs
maßgeblich. Erscheint eine Regelung als Annex zu einem Sachgebiet, auf dem der Bund tätig ist, umfasst
die Zuständigkeit zur Gesetzgebung auch präventive Regelungen in diesem Sachbereich (BVerfGE 109,
190 [215]). Diese Besonderheit ist aber in Bezug auf die Vorschrift des § 29 POG nicht gegeben.
§ 29 Abs. 1 POG regelt ausschließlich die Erhebung personenbezogener Daten durch den verdeckten
Einsatz technischer Mittel zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere
einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr. Diese Bestimmung lässt die konkurrierende
Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (gerichtliches Verfahren unter Ein-
schluss des Strafverfahrens) unberührt. Sie steht auch nicht zu einem von der Bundeskompetenz
erfassten Sachbereich in einem notwendigen Zusammenhang oder ist für den wirksamen Vollzug einer
Bundesregelung erforderlich (BVerfGE 109, 190 [215]; 113, 348 [369]). Soweit der Beschwerdeführer auf
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 (BVerfGE 113, 348 ff.) Bezug nimmt, durch
das die Verfassungswidrigkeit von § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die
öffentliche Sicherheit und Ordnung festgestellt wurde, verkennt er, dass sich der Regelungsgehalt der
genannten Bestimmungen deutlich von demjenigen des § 29 POG unterscheidet. Die fraglichen
Vorschriften ermöglichten die von ihnen gestatteten Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung
ausdrücklich zur "Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten". Diesen Bereich präventiven polizeilichen
Handelns ordnete das Bundesverfassungsgericht dem "gerichtlichen Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs.
1 Nr. 1 GG zu, da es gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren betreffe (BVerfGE 113,
348 [370]). Eine entsprechende Ermächtigung zur Verfolgungsvorsorge enthält § 29 POG hingegen nicht.
Die Vorschrift beschränkt sich vielmehr hinsichtlich ihres Regelungszwecks im Zusammenhang mit dem
Bereich der Straftatenbegehung auf die Verhinderung von besonders schweren Straftaten. Diese Aufgabe
ist der Gesetzgebungskompetenz der Länder zugewiesen (BVerfGE 113, 348 [368]).
Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes kraft Sachzusammenhangs lässt sich auch nicht mit der
Erwägung begründen, es sei keine Fallgestaltung vorstellbar, in der Maßnahmen zur präventiven
Bekämpfung einer der in § 29 Abs. 2 POG genannten Straftaten in Betracht kämen, nicht aber zugleich ein
Anfangsverdacht im Sinne der Strafprozessordnung vorliege. Ob diese Einschätzung ausnahmslos zutrifft,
kann dahinstehen. Hierzu haben schon die Vertreter der Landesregierung in der mündlichen
Verhandlung ein konkretes Fallbeispiel aus der Praxis der präventiven Wohnraumüberwachung benannt,
in dem zunächst das Vorliegen eines strafprozessualen Anfangsverdachts verneint worden war.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber die Erwägung, dass selbst das Vorliegen eines solchen
Anfangsverdachts nicht von vornherein die Vornahme (weiterer) präventiver Maßnahmen zur Abwehr
noch fortbestehender dringender Gefahren für Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit ausschließt.
Maßgeblich für die Bestimmung der Rechtsgrundlage konkreter Handlungen muss auch in einer solchen
Situation der mit ihnen beabsichtigte Zweck sein. Besitzt er präventiven Charakter, verbleibt es bei der
Regelungszuständigkeit der Länder, da das gerichtliche Verfahren im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG
nicht berührt wird.
Die vom Beschwerdeführer gezogene Konsequenz aus dem Zusammentreffen präventiver Maßnahmen
mit dem Vorliegen eines strafprozessualen Anfangsverdachts lässt sich zudem mit der grundgesetzlichen
Verfassungslage nicht vereinbaren. So regelt Art. 13 Abs. 3 GG die Voraussetzungen für eine akustische
Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung, während Art. 13 Abs. 4 GG die Anforderungen
für eine präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung festlegt, die auch der Verhinderung besonders
schwerer Straftaten dienen kann. Der (Bundes-)Verfassungsgesetzgeber unterscheidet danach sehr
deutlich zwischen verschiedenen Fallgestaltungen, die der Beschwerdeführer als einheitliche
Sachverhalte behandelt wissen will. Auch das Bundesverfassungsgericht geht daher - wie selbstverständ-
lich - von der Möglichkeit einer akustischen Wohnraumüberwachung zu präventiv-polizeilichen Zwecken
aus (vgl. BVerfGE 109, 279 [378]), ohne die Verhinderung besonders schwerer Straftaten als Maßnahme-
zweck auszunehmen.
Der Regelungsgehalt des § 29 POG lässt sich zudem nicht aufgrund der in Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 enthaltenen
Bestimmung dem Bereich des Strafverfahrensrechts zuordnen. Danach dürfen Daten für einen anderen
Zweck verwendet werden, soweit dies zur Verfolgung von besonders schweren Straftaten, die nach der
Strafprozessordnung die Wohnraumüberwachung rechtfertigen, erforderlich ist. Eine solche gesetzlich
geregelte Zweckänderung von präventiv-polizeilich gewonnenen Daten, um ihre Verwendung zu
Strafverfolgungszwecken zu gestatten, stellt keine Regelung des Strafverfahrensrechts dar. Grundsätzlich
bedarf eine Zweckänderung von zweckgebunden erhobenen Daten einer eigenständigen gesetzlichen
Grundlage (BVerfGE 109, 279 [375 f.]). Sie muss aber durch denjenigen Gesetzgeber geschaffen werden,
der die ursprüngliche Eingriffsbefugnis (hier: zu präventiv-polizeilichen Zwecken) normiert hat, um selber
die Schwere des von ihm zu verantwortenden Grundrechtseingriffs festzulegen (Papier, in: Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Art. 13 Rn. 106). Die Zweckänderung lässt daher die durch den Primärzweck bestimmte
Zugehörigkeit des Regelungsgegenstandes zur Gesetzgebungskompetenz des Landes unberührt (vgl.
BVerfGE 100, 313 [372]).
II.
Die gesetzliche Ermächtigung des § 29 POG zur Durchführung einer akustischen oder optischen
Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Gefahrenabwehr genügt bei einer Gesamtschau der aufgrund
dieser Vorschrift gestatteten Grundrechtseingriffe, der strengen Eingriffsvoraussetzungen und zusätzlicher
der Grundrechtssicherung dienender Verfahrensbestimmungen den Anforderungen, die nach Art. 7 Abs. 3
LV an eine Beschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 7 Abs. 1 LV bzw.
des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 4 a LV zu stellen sind. Der absolute
Schutz des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist gewährleistet, der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und das rechtsstaatliche Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit sind
gewahrt.
1. a) Art. 7 Abs. 1 LV verbürgt dem Einzelnen einen elementaren Lebensraum und gewährleistet das
Recht, in ihm in Ruhe gelassen zu werden. Er schützt die räumliche Privatsphäre insbesondere in Gestalt
eines Abwehrrechts und enthält das an Träger der öffentlichen Gewalt gerichtete grundsätzliche Verbot,
gegen den Willen des Wohnungsinhabers in die Wohnung einzudringen und darin zu verweilen, aber
auch das Gebot, keine Abhörgeräte oder Kameras in der Wohnung zu installieren oder dort zu benutzen.
Darüber hinaus erlauben es die heutigen technischen Gegebenheiten, in die räumliche Sphäre auf
andere Weise einzudringen. Die Gewährleistung des Art. 7 Abs. 1 LV umfasst daher auch den Schutz vor
einer Überwachung der Wohnung durch technische Hilfsmittel, die von außerhalb der Wohnung
eingesetzt werden (vgl. BVerfGE 109, 279 [309]).
Daneben greift der Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 4 a Abs. 1
LV ein, soweit von der Wohnraumüberwachung Personen betroffen werden, die sich nicht auf Art. 7 Abs. 1
LV berufen können. Grundrechtsträger des Art. 7 Abs. 1 LV ist jeder Inhaber oder Bewohner eines Wohn-
raums unabhängig davon, auf welchen Rechtsverhältnissen die Nutzung des Wohnraums beruht.
Maßnahmen der Wohnraumüberwachung können aber nicht nur Wohnungsinhaber, sondern auch
zufällig in einer Wohnung Anwesende erfassen. Diese Personen sind zwar nicht in ihrem Grundrecht aus
Art. 7 Abs. 1 LV, wohl aber in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Es schützt vor
jeder staatlichen Erhebung und Weitergabe personenbezogener Daten (VerfGH RP, AS 31, 348 [352]. Der
Schutz aus Art. 4 a LV kann allerdings nicht weiter reichen als derjenige aus Art. 7 Abs. 1 und 3 LV und
unterliegt somit denselben verfassungsrechtlichen Schranken (vgl. BVerfGE 109, 279 [326]).
b) Ein Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung liegt sowohl im physischen Eindringen
in den Wohnraum und in dem Anbringen von technischen Mitteln in den geschützten Räumen, als auch im
Belauschen und in der Ansicht der Vorgänge in der Wohnung mit akustischen und optischen Hilfsmitteln.
Dabei spielt es keine Rolle, ob der Eingriff durch technische Mittel erfolgt, die in den geschützten Räumen
angebracht oder von außerhalb der Wohnung eingesetzt werden, etwa unter Nutzung von
Richtmikrofonen. Die angegriffene gesetzliche Ermächtigung des § 29 Abs. 1 POG zum Abhören und
Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes sowie zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen
gestattet solche Eingriffe. Sie finden ihre Fortsetzung in der Auswertung (§ 29 Abs. 4 Satz 1 POG),
Speicherung (§ 29 Abs. 4 Satz 2 POG) und Verwendung der gewonnenen Informationen sowie deren
Weitergabe an andere Stellen (§ 29 Abs. 9 Satz 3 POG).
Darüber hinaus greift die akustische oder optische Wohnraumüberwachung in das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 4 a LV ein, soweit Personen betroffen werden, die sich als
lediglich Anwesende in einer überwachten Wohnung nicht auf das speziellere Grundrecht aus Art. 7 Abs.
1 LV berufen können.
c) Die Grundrechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung und informationelle Selbstbestimmung sind nicht
schrankenlos gewährleistet. Sie stehen gemäß Art. 7 Abs. 3 LV unter dem Vorbehalt gesetzlicher Eingriffe
und Einschränkungen zur Behebung öffentlicher Notstände. Die Regelungen des § 29 POG stellen
gesetzliche Bestimmungen im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LV dar. Sie stehen mit dessen inhaltlichen
Anforderungen in Einklang.
aa) Die durch Art. 7 Abs. 3 LV ausgesprochene Ermächtigung zur Einschränkung des Grundrechts auf
Unverletzlichkeit der Wohnung gilt - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht nur für
Naturkatastrophen oder allgemeine Notsituationen. Sie erstreckt sich grundsätzlich auch auf Maßnahmen
der Wohnraumüberwachung zur präventiven Abwehr sonstiger Gefahren. Insoweit kann und muss sie
aber in grundrechtsfreundlicher Auslegung mit dem Schutzniveau in Einklang gebracht werden, das
bundesverfassungsrechtlich nunmehr durch Art. 13 Abs. 4 GG n.F. vermittelt wird.
(1) Schon der Wortlaut der Vorschrift ("Behebung öffentlicher Notstände") unterstellt die Möglichkeit
unterschiedlicher Notstandssituationen, die nicht näher umschrieben werden. Er lässt demnach ein
Regelungsverständnis zu, das die gesamte Bandbreite des so genannten inneren Notstands umfasst, das
heißt sowohl den Katastrophennotstand als auch den innenpolitischen oder inneren Notstand im engeren
Sinne (vgl. hierzu E. Klein, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 169 Rn. 15 ff. und 30 ff.; Dürig, in:
Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 87 a Rn. 30 und 99; Stein, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte,
Bd. I, § 24 Rn. 43). Der Wortlaut reduziert hingegen den Anwendungsbereich der Norm nicht von
vornherein auf Naturkatastrophen oder Unglücksfälle mit einer Vielzahl von Opfern.
Herkömmlicherweise bezeichnet der Begriff des Notstands auch Situationen, die durch das Bestehen
einer Gefahr für hochrangige Individualrechtsgüter geprägt sind (vgl. § 228 BGB, §§ 34, 35 StGB). Nichts
anderes folgt aus dem Erfordernis eines "öffentlichen" Notstands. Er schließt gleichfalls den Schutz von
Individualrechtsgütern nicht aus, wie der Begriff der "öffentlichen" Sicherheit belegt, der auch den
individuellen Rechtsgüterschutz umfasst.
(2) Darüber hinaus macht die Landesverfassung in weiteren Vorschriften deutlich, dass der Notstands-
begriff außer auf den Katastrophennotstand (Art. 111 LV) grundsätzlich auch auf die Abwehr von Gefahren
für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgerichtet sein kann. So setzt die Regelung des Art. 112 LV,
die als ein Fall des inneren Notstands verstanden wird (Franke, in: Grimm/Caesar, Verfassung für
Rheinland-Pfalz, Art. 112 Rn. 1; vgl. Süsterhenn/Schäfer, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Art. 112
Anm. 2), unter anderem eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung voraus.
Vergleichbare inhaltliche Verknüpfungen des Eintritts einer Notstandslage mit Gefährdungen der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung finden sich bereits in Art. 68 der Reichsverfassung von 1871, Art. 48
Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung und Art. 111 des Herrenchiemseer Entwurfs (vgl. Stein, a.a.O., §
24 Rn. 11, 13 und 16). Von einem inhaltlich auch in diesem Sinne geprägten Notstandsbegriff gingen
daher die Schöpfer der Landesverfassung aus.
Dieser Verfassungstradition entsprechend enthält auch das in seiner zeitlichen Entstehung nachfolgende
Grundgesetz mit der Vorschrift des Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG eine Bestimmung, die die Anforderung von
Hilfe zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Fällen von
Hilfe zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Fällen von
besonderer Bedeutung regelt und ausdrücklich auch auf die allgemeine polizeiliche Generalklausel zur
Bestimmung eines Anwendungsfalls des inneren Notstands abstellt (vgl. E. Klein, a.a.O., § 169 Rn. 29;
von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 35 Rn. 60; Bauer, in: Dreier, Grund-
gesetz, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 27). Umgekehrt ist die Abwehr der Gefahr eines terroristischen
Anschlags, der zweifellos die öffentliche Sicherheit berührt, ohne weiteres als ein besonders schwerer
Unglücksfall im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG verstanden worden (BVerfG, NJW 2006, 751 [754]).
Notstandslagen, Unglücks- oder Katastrophenfälle, aber auch Gefahrensituationen für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung stellen demnach von jeher keine inhaltlich trennscharf voneinander abzu-
grenzenden Begriffe dar, sondern umschreiben vielfach sich überschneidende Sachverhalte.
(3) Vor dem Hintergrund dieser begrifflichen Ausgangslage gestattet Art. 7 Abs. 3 LV - nach seinem
Wortlaut ohne weitere verfassungsrechtliche Schranken -, zur Behebung öffentlicher Notstände die
Behörden durch Gesetz zu Eingriffen und Einschränkungen des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der
Wohnung zu ermächtigen. Der danach eröffnete grundsätzlich weite Eingriffsspielraum erfuhr in der
Vergangenheit nur dadurch eine Einschränkung, dass der Begriff der "Behebung öffentlicher Notstände"
schon im Hinblick auf die Rechtslage vor Änderung des Art. 13 GG durch Gesetz vom 26. März 1998
(BGBl. I S. 610) übereinstimmend unter Rückgriff auf Art. 13 Abs. 3 GG a.F. (= Art. 13 Abs. 7 GG n.F.)
ausgelegt worden ist, da er konkreter als Art. 7 Abs. 3 LV gefasst, sachlich aber nicht abweichend gestaltet
sei (Dennhardt, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Art. 7 Rn. 14; Korger, in: Praxis der
Kommunalverwaltung, Art. 7 LV Anm. 3.2.1). Hierzu wurde sogar die Auffassung vertreten, der unbestimmt
gehaltene Begriff "Behebung öffentlicher Notstände" in Art. 7 Abs. 3 LV werde durch Art. 13 Abs. 3 GG a.F.
ersetzt (Süsterhenn/Schäfer, a.a.O., Art. 7 Anm. 5. b). Nach dieser Regelung durften Eingriffe und
Beschränkungen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen,
aufgrund eines Gesetzes aber auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum
Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden. Bereits diese Vorschrift gestattete bundes-
verfassungsrechtlich nach allgemeinem Verständnis die polizeiliche Überwachung von Wohnräumen
unter Einsatz technischer Mittel zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes sowie zur
Anfertigung von Bildaufzeichnungen zu präventiven Zwecken (Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 49, 89). Hiervon
ging auch der Bundesgesetzgeber im Zuge der Änderung des Art. 13 GG aus (Papier, a.a.O., Art. 13 Rn.
90; BT-Drucks. 13/8650, S. 4 f.).
Diese ursprüngliche Ausdeutung des Art. 7 Abs. 3 LV unter Bezugnahme auf Art. 13 Abs. 3 GG a.F.
beruhte daher nicht auf einer Verkennung des Begriffs der "öffentlichen Notstände" oder einem
vermeintlichen Rangverhältnis von Bundes- und Landesverfassungsrecht, sondern diente einer
grundrechtsfreundlichen Bestimmung des Schutzgehalts der Norm. Denn erst die Bezugnahme auf die tat-
bestandlichen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 3 GG a.F. führte zu einer wirksamen inhaltlichen
Beschränkung der bei isolierter und rein am Wortlaut orientierter Betrachtung des Art. 7 Abs. 3 LV in
Notstandssituationen bestehenden weiten Eingriffsmöglichkeiten.
(4) Das so umschriebene Schutzniveau des Art. 7 Abs. 3 LV steht mittlerweile mit den
bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes nicht mehr in Einklang. Die im Zuge
der Änderung des Art 13 GG eingefügte Neuregelung der Zulässigkeit einer Wohnraumüberwachung zu
präventiven Zwecken in Art. 13 Abs. 4 GG n.F. bewirkte nämlich eine Verschärfung der bis dahin gelten-
den Anforderungen des Art. 13 Abs. 3 GG a.F. (BT-Drucks. 13/8650, S. 4 f.; Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 90;).
So dürfen nunmehr gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 GG n.F. technische Mittel zur Überwachung von
Wohnungen nur aufgrund richterlicher Anordnung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche
Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, eingesetzt werden. Das
Anknüpfen an die Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bedeutet das Voraussetzen
einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne und lässt das bis dahin als Eingriffsvoraussetzung
genügende Bestehen einer abstrakten Gefahr nicht mehr ausreichen (vgl. BVerfGE 17, 232 [251 f.]; 109,
279 [379]; Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 93; Herdegen, in: Bonner Kommentar, Art. 13 Rn. 77). Darüber hinaus
darf die Überwachungsmaßnahme nur der Abwehr von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit,
nicht aber mehr von dringenden Gefahren für die öffentliche Ordnung dienen. Schließlich sichert Art. 13
Abs. 4 GG n.F. das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung im Gegensatz zu Art. 13 Abs. 3 GG a.F.
durch die Anordnung eines Richtervorbehalts ab.
Die im Zusammenspiel der genannten Anforderungen bundesverfassungsrechtlich bewirkte weitere
Beschränkung der Eingriffsmöglichkeiten in den Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der
Wohnung ist landesverfassungsrechtlich in gleicher Weise geboten, da sich in dem Grundrecht aus Art. 7
Abs. 1 LV auch die durch Art. 1 Abs. 1 LV in Verbindung mit dem Vorspruch der Landesverfassung garan-
tierte Menschenwürde konkretisiert. Insbesondere im Lichte dieser Bedeutung des Grundrechts sind seine
Einschränkungsmöglichkeiten grundgesetzkonform in Anlehnung an Art. 13 Abs. 4 GG n.F. auszulegen.
Die hieraus folgende Harmonisierung des Schutzniveaus beider Verfassungsräume gewährleistet gemäß
Art. 142, 31 GG die Fortgeltung des Landesgrundrechts (vgl. BVerfGE 96, 345 [365]).
bb) § 29 POG wird den danach bestehenden Anforderungen gerecht.
Die nach Art. 7 Abs. 3 LV unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 4 Satz 1 GG n.F. bestehende Maßgabe,
die Wohnraumüberwachungsmaßnahme dürfe nur zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche
Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, durchgeführt werden, wird
durch § 29 Abs. 1 Satz 1 POG wort- und inhaltsgleich aufgegriffen. Mit diesen hohen Anforderungen wird
dem Erfordernis Rechnung getragen, der Gesetzgeber habe die Ausgewogenheit zwischen der Art und
Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tat-
bestandselementen andererseits, wie der Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis und dem
Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren (BVerfG, NJW 2006, 1939 [1946]; vgl. BVerfGE 100, 313
[392 ff.]).
Das Tatbestandsmerkmal "Abwehr" und die Aufgabe des Begriffs der
- bloßen - "Verhütung" gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 POG in der Fassung des Gesetzes vom 2. März 2004
lassen eine Wohnraumüberwachung nur noch bei Bestehen konkreter Gefahren im polizeirechtlichen
Sinne zu (BVerfGE 109, 279 [378 f.]). Dies setzt eine Sachlage voraus, bei der im konkreten Fall die hin-
reichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für eines der betroffenen
Rechtsgüter eintritt (BVerfG, NJW 2006, 1939 [1947]). Das bloße Vorliegen einer abstrakten Gefahr im
polizeirechtlichen Sinne, die Art. 13 Abs. 3 GG a.F. ausreichen ließ und wonach eine dringende Gefahr für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch nicht eingetreten sein musste (BVerfGE 17, 232 [251 f.];
Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 93; Herdegen, a.a.O., Art. 13 Rn. 77), genügt damit nicht mehr als
Eingriffsvoraussetzung. Des Weiteren ist das Tatbestandsmerkmal der "dringenden Gefahr" durch die
Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit von Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 GG a. F. präzisiert worden: Es
muss bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines wichtigen Rechtsguts drohen (BVerwGE 47, 31 [40]). Das
Erfordernis der Dringlichkeit intensiviert nochmals die inhaltlichen Anforderungen sowohl hinsichtlich der
Rechtsgüter, deren Schutz die Wohnraumüberwachung dienen soll, als auch des Grades der
Wahrscheinlichkeit ihrer Gefährdung. Es genügt in dieser Auslegung verfassungsrechtlichen Anforde-
rungen (vgl. BVerfGE 109, 279 [379]). Die zusätzliche Benennung der "gemeinen Gefahr", die an das
Betroffensein einer unbestimmten Zahl von Personen oder Sachen anknüpft (Papier, a.a.O., Art. 13 Rn
123), und der "Lebensgefahr" - als Beispielsfälle dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit -
gewährleistet, dass nur hochrangige Rechtsgüter gleichwertiger Art eine Wohnraumüberwachung
rechtfertigen können (BT-Drucks. 13/8650, S. 5; Papier, a.a.O., Art. 13 Rn 95). Die durch § 29 Abs. 1 POG
festgelegte Einschreitschwelle entspricht daher dem durch Art. 7 Abs. 1 und 3 LV garantierten
Schutzniveau.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht übernimmt § 29 Abs. 7 Satz 1 POG die Anordnung eines
Richtervorbehalts gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 GG n.F. Die Ausnahmeregelung des § 29 Abs. 11 POG zur
unverzüglichen Nachholung einer richterlichen Entscheidung bei Gefahr im Verzug und ihre
Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen stehen in Einklang mit den entsprechenden Anforderungen
nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 GG. Darüber hinausgehende verfahrensrechtliche Sicherungen im Hinblick auf
die verfassungsrechtlich zwingende richterliche Entscheidung über die Anordnung einer akustischen oder
optischen Wohnraumüberwachung werden von Art. 7 Abs. 1 und 3 LV nicht gefordert.
2. Die gesetzlichen Vorschriften des § 29 POG treffen hinreichende Vorkehrungen für das Unterbleiben
von Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung und die Wahrung der
Menschenwürde.
a) Die Menschenwürdegarantie gemäß Art. 1 Abs. 1 LV in Verbindung mit dem Vorspruch der
Landesverfassung ist tragendes Konstitutionsprinzip und oberster Verfassungswert. Sie schließt es aus,
den Menschen unter Missachtung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und
Achtungsanspruchs zum bloßen Objekt der Abwehr auch dringender Gefahren für hochrangige
Rechtsgüter zu machen. Dabei führt ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Ver-
letzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs. Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht
damit nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher. Bei Beobachtungen ist aber ein
unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung zu wahren. Würde der Staat in ihn eindringen,
verletzte dies die jedem Menschen unantastbar gewährte Freiheit zur Entfaltung in seinen
höchstpersönlichen Belangen. Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in
diesen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen; er ist stets
verboten. Eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet nicht statt (vgl.
BVerfGE 34, 238 [245]; 109, 279 [312 f.]; BVerfG, NJW 2006, 1939 [1945]).
Der Schutz der Menschenwürde wird auch in dem Grundrecht aus Art. 7 Abs. 1 LV konkretisiert. Die
Unverletzlichkeit der Wohnung hat einen engen Bezug zur Menschenwürde und steht zugleich im nahen
Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers
für eine ausschließlich private Entfaltung. Dem Einzelnen soll das Recht, in Ruhe gelassen zu werden,
gerade in seinen Wohnräumen gesichert sein. So gehört zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich
privater Lebensgestaltung die Möglichkeit, innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie
Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen, und zwar
ohne Angst, dass staatliche Stellen dies überwachen. Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung sowie
vertraulicher Kommunikation setzt einen geeigneten Freiraum voraus. Das ist regelmäßig die
Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann, und als "letztes Refugium" ein Mittel zur
Wahrung der Menschenwürde darstellt. Verlangt wird zwar nicht ein absoluter Schutz der Räume der Pri-
vatwohnung, wohl aber ein absoluter Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als
individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. BVerfGE109, 279 [313 f.];
113, 348 [391]).
Dieser unveräußerliche Schutz darf nicht durch eine Abwägung mit Gefahrenabwehrinteressen nach
Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes relativiert werden. Anders jedoch als im Bereich der
Strafverfolgung, bei der es um die staatliche Sanktionierung einer bereits erfolgten, nicht mehr
verhinderbaren Rechtsgutverletzung geht, kann im Bereich der Gefahrenabwehr, die das betroffene
Rechtsgut vor drohender Verletzung schützen, also den Schadenseintritt verhindern soll (BVerfGE 100,
313 [394]), der absolute Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung in ein Spannungsverhältnis
mit der staatlichen Verpflichtung treten, menschliches Leben zu schützen. Sie verpflichtet den Staat und
seine Organe, sich schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen als vitaler Basis der
Menschenwürde zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen An- und Eingriffen von Seiten
Dritter zu bewahren (VerfGH RP, AS 32, 244 [246]; vgl. BVerfG, NJW 2006, 751 [757]; Merten, in:
Gedächtnisschrift für Burmeister, 2005, S. 227 [236]). Ihren Grund hat diese Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 2
LV, der dem Staat ausdrücklich den Schutz der Rechtsgüter des Art. 1 Abs. 1 LV auferlegt
(Süsterhenn/Schäfer, a.a.O., Art. 1 Anm. 3.a).
Was diese Verpflichtung für das staatliche Handeln in dem beschriebenen Spannungsverhältnis konkret
bedeutet, lässt sich nicht abschließend bestimmen. Schlechthin verboten ist allerdings jede Behandlung
des Menschen durch die öffentliche Gewalt, die seinen Status als Rechtssubjekt in Frage stellt. Wann eine
solche Behandlung vorliegt, ist im Einzelfall mit Blick auf die spezifische Situation zu konkretisieren, in der
es zum Konfliktfall kommen kann (vgl. BVerfG, NJW 2006, 751 [757 f.]). Für den Bereich präventiv-
polizeilichen Handelns ist jedenfalls der absolute Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung
zumindest unter denselben Voraussetzungen gewährleistet, die eine Wohnraumüberwachung zu
Zwecken der Strafverfolgung gestatten.
Hiernach sind Gespräche, die eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründen, oder
vorbereitende Handlungen hierzu, nicht vom absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung
umfasst. Allerdings hat eine akustische oder optische Wohnraumüberwachung zu unterbleiben, wenn sich
jemand allein oder ausschließlich mit Personen in der Wohnung aufhält, zu denen er in einem
besonderen, den Kernbereich betreffenden Vertrauensverhältnis steht und es keine konkreten
Anhaltspunkte gibt, die zu erwartenden Gespräche oder Handlungen würden nach ihrem Inhalt einen
unmittelbaren Bezug zu einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit aufweisen. Für die Einord-
nung eines Sachverhalts ist der Inhalt des Gesprächs oder der aufzuzeichnenden Handlungen
maßgeblich. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung fordert, dass vor der Durchführung
von Maßnahmen der Wohnraumüberwachung tatsächliche Anhaltspunkte gegeben sind, aus denen
zumindest in typisierender Weise geschlossen werden kann, dass Gespräche und Handlungen nicht den
Bereich des Höchstpersönlichen betreffen werden. Die Maßnahmen müssen unterbleiben, sofern sie mit
Wahrscheinlichkeit zu einer Kernbereichsverletzung führen. Darüber hinaus hat sich eine
Wohnraumüberwachung auf Gespräche und Vorgänge zu beschränken, die mit Wahrscheinlichkeit
relevante Inhalte hinsichtlich des Eintritts einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit umfassen.
Soweit allerdings nicht wegen hinreichender äußerer Anzeichen für die wahrscheinliche Erfassung abso-
lut geschützter Gespräche oder Handlungen ein Verbot der Durchführung einer Wohnraumüberwachung
besteht, dürfen Gespräche des Betroffenen daraufhin abgehört oder von ihm vorgenommene Handlungen
daraufhin untersucht werden, ob sich ihnen für die Gefahrenabwehr relevante Informationen entnehmen
lassen. Eine für die Bewertung des Inhalts von Gesprächen oder Bildaufnahmen unter dem Gesichtspunkt
des Schutzes der Menschenwürde erforderliche erste "Sichtung" ist unter diesen Voraussetzungen verfas-
sungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sollte hingegen im Rahmen einer Wohnraumüberwachung eine
Situation eintreten, die dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen ist, muss
die Überwachung abgebrochen werden. Dennoch erfolgte Aufzeichnungen sind zu vernichten.
Weitergabe und Verwertung der gewonnenen Informationen sind untersagt (vgl. zu alledem BVerfGE 109,
279 [318 ff.]). Diesen Maßstäben, die den Anforderungen zum absoluten Schutz des Kernbereichs privater
Lebensgestaltung bei einer Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung entsprechen, wird
die angegriffene Regelung des § 29 POG gerecht. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit der
Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen zu Zwecken der Gefahrenabwehr
weitergehende Überwachungsmaßnahmen zulässig wären.
b) Gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 POG darf eine Datenerhebung nach § 29 Abs. 1 POG nur angeordnet
werden, soweit nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung
Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Erforderlich ist
demnach eine negative Kernbereichsprognose. Hierzu ist gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 POG insbesondere
auf die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und das Verhältnis der dort anwesenden Personen
zueinander abzustellen. Mit dieser Vorgabe hat der Gesetzgeber die notwendige, aber auch
ausreichende Konsequenz aus dem Erfordernis gezogen, vor Beginn einer Überwachungsmaßnahme im
Rahmen der vorzunehmenden Prognose mögliche Indikatoren für kernbereichsrelevante Handlungen in
der zu überwachenden Wohnung zu beachten (vgl. BVerfGE 109, 279 [320]). Das
Bundesverfassungsgericht hat als denkbare Anhaltspunkte zur Einschätzung der Situation ausdrücklich
die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten sowie die Tatsache genannt, wer sich in der zu über-
wachenden Wohnung aufhält (BVerfGE 109, 279 [320 f.]). Diese Kriterien werden in § 29 Abs. 3 Satz 2
POG aufgenommen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 29 Abs. 6 Satz 1 POG eine Datenerhebung
in ein durch ein Amts- oder Berufsgeheimnis geschütztes Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53 und 53
a der Strafprozessordnung ausnahmslos für unzulässig erklärt. Der gebotene Schutz der Kommunikation
im höchstpersönlichen Bereich wie auch mit anderen Personen des besonderen Vertrauens ist dadurch
hinreichend gewährleistet. Des Weiteren ordnet § 29 Abs. 4 Satz 1 POG den unverzüglichen Abbruch des
Abhörens, der Beobachtung sowie der Auswertung der erhobenen Daten durch die Polizei an, sofern sich
tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater
Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die einschlägigen
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für den Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung zu
Zwecken der Strafverfolgung ausnahmslos übertragen (BVerfGE 109, 279 [324]). Entsprechendes gilt,
soweit § 29 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 POG die unverzügliche Löschung und die
Nichtverwertbarkeit solcher Daten anordnet, deren Erhebung in den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung eingreift (BVerfGE 109, 279 [324]).
In der Gesamtschau der genannten Regelungen wird dem absoluten Schutz des Kernbereichs privater
Lebensgestaltung in verfassungsgemäßer Weise Rechnung getragen. Ein weitergehender Schutz wäre
nur durch den vollständigen Ausschluss der Möglichkeit zur Wohnraumüberwachung möglich. Er ist
jedoch von Verfassungs wegen nicht geboten.
c) Zudem ist die Regelung des § 29 Abs. 4 Satz 2 POG nicht zu beanstanden, wonach die Verpflichtung
gemäß § 29 Abs. 4 Satz 1 POG, unter den oben beschriebenen Voraussetzungen das Abhören, die
Beobachtung sowie die Auswertung erhobener Daten unverzüglich zu unterbrechen, die automatisierte
Speicherung der Daten unberührt lässt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat eine automatische
Aufzeichnung abgehörter Gespräche nicht generell für unzulässig erachtet, sondern lediglich darauf
hingewiesen, Art. 1 Abs. 1 GG könne es erforderlich machen, bei dem Abhören einer Privatwohnung auf
eine nur automatische Aufzeichnung der abgehörten Gespräche zu verzichten, um jederzeit die Ermitt-
lungsmaßnahmen unterbrechen zu können. In diesem Zusammenhang ist zutreffend darauf aufmerksam
gemacht worden, ein solcher Verzicht sei jedenfalls dann nicht geboten, wenn es sich um Gespräche han-
dele, die wegen undeutlicher Sprechweise überhaupt erst durch technische Mittel verständlich gemacht
werden könnten oder die in einer Fremdsprache geführt würden (Rudolf, Großer Lauschangriff zur Abwehr
drohender Gefahren, in: Weltinnenrecht – Liber amicorum Jost Delbrück, S. 613). Auch sind Dolmetscher
oft erst nach mehrfachem Abhören in der Lage, den richtigen Aussagegehalt einer Äußerung zu
bestimmen. Ferner können bei zwei oder mehreren Gesprächsteilnehmern die Aussagen vielfach nicht
sofort zugeordnet werden (Brocker/Zartmann, DRiZ 2005, 108 [109]). Darüber hinaus gestattet nur eine
automatische Aufzeichnung die Feststellung, wann der absolut geschützte Kernbereich privater
Lebensgestaltung verlassen wird, eine Wohnraumüberwachung also wieder beginnen darf (Rudolf,
a.a.O., S. 613). Diesen Erwägungen kann nicht entgegengehalten werden, eine automatisierte
Speicherung nehme die Erhebung kernbereichsrelevanter Daten bewusst in Kauf. Bestehen hierfür näm-
lich schon vorher tatsächliche Anhaltspunkte, so ist die Anordnung einer automatisierten Speicherung
gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 POG ausgeschlossen und eine gleichwohl erfolgte automatisierte Speicherung
solcher Daten unzulässig mit der Folge eines Verwertungsverbots (§ 29 Abs. 5 Satz 1 und 2 POG).
Schließlich wird das durch eine automatisierte Speicherung erhöhte Risiko einer Erhebung von Daten, die
dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, durch besondere verfahrensrechtliche
Sicherungen kompensiert. Das eine Wohnraumüberwachung anordnende Gericht ist nämlich gemäß § 29
Abs. 8 Satz 1 POG fortlaufend über den Verlauf, die Ergebnisse und die darauf beruhenden Maßnahmen
zu unterrichten. Insbesondere können polizeiliche Maßnahmen nach § 29 Abs. 4 POG, d.h. auch die
automatisierte Speicherung von Daten, gemäß § 29 Abs. 8 Satz 3 POG durch das anordnende Gericht
jederzeit aufgehoben oder geändert werden. Darüber hinaus hat die Polizei gemäß § 29 Abs. 8 Satz 4
POG unverzüglich eine gerichtliche Entscheidung über die Verwertbarkeit erlangter Erkenntnisse
herbeizuführen, soweit ein Verwertungsverbot nach § 25 Abs. 5 Satz 2 POG in Betracht kommt. Die
automatisierte Datenerhebung unterliegt somit einer ständigen richterlichen Kontrolle. Das Vorliegen ihrer
Voraussetzungen bleibt nicht der Einschätzung der die Überwachung durchführenden Polizei überlassen,
sondern untersteht einer begleitenden Prüfung und verantwortlichen Feststellung durch das zuständige
Gericht. Eine effektive gerichtliche Kontrolle wird zudem durch die Möglichkeit nachträglichen
Rechtsschutzes gewährleistet, auf die der Betroffene zusätzlich zu seiner Unterrichtung über die Durch-
führung einer verdeckten Datenerhebung ausdrücklich hinzuweisen ist (§ 40 Abs. 5 Satz 1 und 3 POG).
Schließlich ist die Landesregierung gemäß § 29 Abs. 12 Satz 1 POG verpflichtet, den Landtag jährlich
über den erfolgten Einsatz technischer Mittel nach § 29 Abs. 1 und 11 zu unterrichten, soweit dieser einer
richterlichen Anordnung bedarf. An die Seite der unerlässlichen gerichtlichen Prüfung tritt somit
ergänzend eine - rechtlich und politisch - wirkungsvolle parlamentarische Kontrolle.
3. Soweit die akustische und optische Wohnraumüberwachung gemäß § 29 POG nicht den absolut
geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung betrifft, setzt ihre Verfassungsmäßigkeit die
Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus. Seinen Anforderungen wird die angegriffene
Regelung gerecht: Sie verfolgt einen legitimen Zweck, ist zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich
sowie darüber hinaus verhältnismäßig im engeren Sinne und damit den von Maßnahmen einer
Wohnraumüberwachung Betroffenen zumutbar.
a) Die angegriffene Ermächtigung zur Durchführung der akustischen und optischen
Wohnraumüberwachung verfolgt einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, da sie der Abwehr einer
dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer
Lebensgefahr, dient. Der Gesetzgeber erstrebt zudem mit der Regelung, das polizeiliche Instrumentarium
zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Gewährleistung eines wirkungsvollen Schutzes der
Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen fortzuentwickeln (LT-Drucks. 14/2287, S. 1). Damit kommt er
einem ihm im Hinblick auf bestehende staatliche Schutzpflichten obliegenden Auftrag nach.
b) Die akustische und optische Wohnraumüberwachung auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 POG ist zur
Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit geeignet. Dies ist der Fall, wenn mit Hilfe
eines Gesetzes der erstrebte Erfolg gefördert werden kann (VerfGH RP, AS 31, 348 [357]].
Verfassungsrechtlich durchgreifende Bedenken gegen die grundsätzliche Eignung der akustischen und
optischen Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer dringenden Gefahr für hochrangige Rechtsgüter
sind nicht gerechtfertigt. Zwar hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz in seiner Stellungnahme
Skepsis gegenüber der grundsätzlichen Notwendigkeit einer präventiven Wohnraumüberwachung
geäußert. Zugleich hat er jedoch eingeräumt, weder aufgrund überlegener Sach- und Fachkenntnis noch
aufgrund sonstiger Gesichtspunkte der Einschätzung der überwiegenden Zahl polizeilicher Fachleute und
der ihr folgenden übergroßen Mehrheit der politisch Verantwortlichen widersprechen zu können, eine
entsprechende Erweiterung der polizeilichen Befugnisse sei erforderlich.
Diese Annahme wird nicht durch die Tatsache widerlegt, dass seit der Einfügung der Regelung des
früheren § 25 b PVG im Jahr 1986 bis zur Einbringung der angegriffenen gesetzlichen Neuregelung in
den Landtag sechs präventive Wohnraumüberwachungen in Rheinland-Pfalz erfolgten (LT-Drucks.
14/3936, S. 1) und nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 29 POG gemäß dem Bericht der Landes-
regierung über den Einsatz technischer Mittel nach §§ 29, 31 POG für das Jahr 2005 ein weiteres Ver-
fahren abgeschlossen wurde(LT-Drucks. 15/114, S. 1).
Als Gründe für den bislang seltenen Einsatz des Instruments der Wohnraumüberwachung sind für den
Bereich der repressiven akustischen Wohnraumüberwachung der hohe personelle und finanzielle
Aufwand sowie Probleme bei der technischen Realisierung der Maßnahme angeführt worden (vgl.
BVerfGE 109, 279 [337]). Gleichwohl haben in der Vergangenheit präventive Wohnraumüberwachungen
zu wirksamen Gefahrenabwehrmaßnahmen geführt. Dies haben die Vertreter der Landesregierung in der
mündlichen Verhandlung mit der Schilderung von Ablauf und Ergebnis des aktuellsten Falls einer
Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Gefahrenabwehr belegt. Hat aber eine Maßnahme der
Gefahrenabwehr jedenfalls zum Teil Erfolg, verletzt sie das Eignungsgebot nicht (vgl. BVerfGE 109, 279
[338]). Im Übrigen spricht der offenkundig restriktive Einsatz des Instruments der präventiv-polizeilichen
Wohnraumüberwachung für einen behutsamen Umgang der Verantwortlichen mit diesem einen
schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellenden Mittel und stärkt das Vertrauen der Allgemeinheit in
eine grundrechtsschonende Überwachungspraxis (BVerfGE 107, 299 [328]; 109, 279 [355]). Unter diesen
Umständen wäre es verfehlt, polizeiliche Zurückhaltung als Beleg für die fehlende Eignung eines restriktiv
genutzten Instruments zu werten.
c) Das angegriffene Gesetz ist zur Erreichung seines Zwecks auch erforderlich. Ein gleich wirksames, die
Grundrechte aber weniger beeinträchtigendes Mittel steht nicht zur Verfügung (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348
[357]). Insoweit ist nicht ersichtlich, dass unter Zugrundelegung der hohen Einschreitschwelle, die für
Wohnraumüberwachungsmaßnahmen nach § 29 Abs. 1 POG gilt, weniger grundrechtsbeeinträchtigende
Alternativen bestehen, die in vergleichbarer Weise zur Erreichung desselben Gefahrenabwehrzwecks
geeignet wären. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber rechtliche Sicherungen vorgesehen, die die
Durchführung einer Wohnraumüberwachung nur als letztes Mittel zulassen. Grundsätzlich ist nämlich
gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 POG eine Datenerhebung offen und beim Betroffenen vorzunehmen. Eine
verdeckte Datenerhebung kommt daher nur in Betracht, falls sich weniger belastende Formen der
Datenerhebung als nicht effektiv erweisen.
d) Die angegriffene gesetzliche Regelung ist verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Schwere der
Einbuße an grundrechtlich geschützter Freiheit steht in keinem unangemessenen Verhältnis zu den
Gemeinwohlzwecken, denen die Grund-rechtsbeschränkung dient.
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die von der Regelung ausgehenden
Grundrechtsbeeinträchtigungen für die Betroffenen noch in einem angemessenen und vernünftigen
Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen. Dies erfordert eine Güterabwägung
zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden
Gründe, die vorrangig dem Gesetzgeber obliegt (VerfGH RP, AS 31, 348 [361]). Dabei ist bedeutsam, wie
viele Personen wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind und ob diese Personen hierfür einen
Anlass gegeben haben. Das Gewicht der Beeinträchtigung hängt davon ab, ob die Betroffenen als Person
anonym bleiben, welche Umstände und Inhalte der Kommunikation erfasst werden können und welche
Nachteile den Grundrechtsträgern aus der Überwachungsmaßnahme drohen oder von ihnen nicht ohne
Grund befürchtet werden müssen (vgl. BVerfGE 100, 313 [376]; 109, 279 [353]; BVerfG NJW 2006, 1939
[1942]).
Die Durchführung einer akustischen und optischen Wohnraumüberwachung kann in erheblichem Umfang
solche Personen betreffen, die in keiner Beziehung zur Verursachung der Gefahrenlage stehen, deren
Abwehr die Datenerhebung dienen soll, und die den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben.
Dazu gehören die Gesprächspartner des von einer Wohnraumüberwachung Betroffenen, andere Per-
sonen, die sich in dessen Wohnung vorübergehend oder dauerhaft aufhalten, und nicht zuletzt auch
diejenigen, die von Überwachungsmaßnahmen in Büro- und Geschäftsräumen betroffen werden. Wird die
Kommunikation Unbeteiligter erfasst, so schafft die Wohnraumüberwachung für sie das Risiko,
Gegenstand staatlicher Ermittlungen zu sein, das zu dem allgemeinen Risiko hinzutritt, einem unberech-
tigten Verdacht ausgesetzt zu werden (vgl. BVerfGE 107, 299 [321]; 109, 279 [353]). Zudem betrifft
insbesondere die heimliche Überwachung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen nicht
nur den Einzelnen, sondern kann sich auch auf die Kommunikation der Gesellschaft insgesamt auswirken.
Gerade von der Möglichkeit zur akustischen Wohnraumüberwachung können Einschüchterungseffekte
ausgehen, denen insbesondere auch ein Unbeteiligter ausgesetzt ist, weil auch er nach den gesetzlichen
Regelungen jederzeit und ohne sein Wissen von einer Überwachungsmaßnahme betroffen werden kann.
Allein die Befürchtung einer Überwachung kann aber schon zu einer Befangenheit in der Kommunikation
führen. Art. 7 LV schützt den Einzelnen vor staatlichen Eingriffen in die räumliche Privatsphäre und
gewährleistet damit in seinem objektivrechtlichen Gehalt die Vertraulichkeit der Kommunikation auch in
ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung (vgl. BVerfGE 109, 279 [354 f.]). Gleichwohl erweist sich das
Verhältnis zwischen dem Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung und dem
öffentlichen Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr in der Ausgestaltung, die es durch § 29 POG
erfahren hat, als angemessen.
Das Erreichen der Einschreitschwelle ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 POG geknüpft an das Vorliegen einer
dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer
Lebensgefahr. Es setzt damit ein Eingriffsniveau voraus, bei dessen Vorliegen der
Verfassungsgesetzgeber selbst gemäß Art. 7 Abs. 3 LV in Anlehnung an Art. 13 Abs. 4 GG n.F. unter
Abwägung der zwangsläufigen Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und des beabsichtigten Schutzes
hochrangiger Rechtsgüter andererseits eine Wohnraumüberwachung als zulässig erachtet. Soweit sich
die Überwachungsmaßnahme gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG gegen einen Verhaltens- oder
Zustandsstörer nach §§ 4 und 5 POG richtet, hat der Betreffende zudem im Vorfeld einen zurechenbaren
Anlass gegeben, der die Durchführung einer so schwerwiegenden Gefahrenabwehrmaßnahme zum
Schutz der angesprochenen hochrangigen Rechtsgüter rechtfertigt.
Zulässig ist auch die Durchführung einer Wohnraumüberwachung, die nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG
den durch § 7 POG angesprochenen Personenkreis betrifft, d.h. so genannte nicht verantwortliche
Personen. Insoweit hat der Gesetzgeber eine die Angemessenheit der gesetzlichen Ermächtigung noch
wahrende Einschränkung getroffen, da Maßnahmen gegen die Betreffenden gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 POG
erst dann gerichtet werden dürfen, wenn sie gegen die nach den §§ 4 oder 5 POG Verantwortlichen nicht
oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen. Sie werden daher nur in
Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen sein.
Es ist von Verfassungs wegen ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG eine
Überwachung des Wohnraums von Kontakt- und Begleitpersonen im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 2 POG
ermöglicht. Dabei handelt es sich um Personen, die mit einer anderen Person, bei der durch Tatsachen
begründete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zukünftig Straftaten begeht, in der Weise
in Verbindung stehen, dass durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte für ihren objektiven Tatbezug
sprechen. Zwar knüpft die Bestimmung in zweifacher Hinsicht an das bloße Vorliegen durch Tatsachen
begründeter Anhaltspunkte an, nämlich sowohl hinsichtlich des objektiven Tatbezugs der Kontakt- und
Begleitperson als auch der zukünftigen Straftatbegehung durch eine hierzu verdächtige Person, und sieht
damit vom Bestehen tatsächlicher Gewissheit ab. Dennoch bewirkt diese Kumulierung durch Tatsachen
begründeter Anhaltspunkte und ihre Verknüpfung mit der Planung von Straftaten keine verfas-
sungsrechtlich bedenkliche Verlagerung der Eingriffsbefugnis schon in das Vorfeld einer drohenden
Rechtsgutverletzung. Auch die Wohnraumüberwachung einer Kontakt- und Begleitperson steht nämlich
unter der unerlässlichen Voraussetzung des Vorliegens einer dringenden Gefahr für ein hochrangiges
Rechtsgut im Sinne des § 29 Abs. 1 POG, deren Abwehr der Grundrechtseingriff dienen soll. Die damit
verbundenen hohen inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen hinsichtlich der Bedeutung des
betroffenen Rechtsguts und des Grads der Wahrscheinlichkeit seiner Gefährdung rechtfertigen den
Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen nach Art. 7 Abs. 3 LV auch dann, wenn es
sich bei den Betroffenen um Kontakt- und Begleitpersonen handelt. Denn die gesetzliche Ermächtigung
gewährleistet eine durch eine hinreichende Tatsachenbasis belegte Nähebeziehung des durch die
Anordnung einer Wohnraumüberwachung Betroffenen zu der damit verbundenen Rechtsgutverletzung
(vgl. BVerfGE 100, 313 [395]; 110, 33 [58 ff.]; BVerfG NJW 2006, 1939, 1946).
Darüber hinaus setzt § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG als zusätzlichen einschränkenden Maßnahmezweck
die Verhinderung von besonders schweren Straftaten nach § 29 Abs. 2 POG voraus. Damit übernimmt die
Regelung Elemente des Art. 13 Abs. 3 GG n.F., der die Durchführung einer Wohnraumüberwachung zu
Strafverfolgungszwecken an den durch Tatsachen begründeten Verdacht koppelt, dass jemand eine
besonders schwere Straftat begangen hat. Von der besonderen Schwere einer Straftat im Sinne der
genannten Regelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls dann
auszugehen, wenn sie der Gesetzgeber mit einer höheren Höchststrafe als fünf Jahre Freiheitsstrafe
bewehrt hat (BVerfGE 109, 279 [347 f.]). Dieser Anforderung genügt der Straftatenkatalog des § 29 Abs. 2
POG ausnahmslos. Dient die Wohnraumüberwachung aber sowohl der Verhinderung einer besonders
schweren Straftat, die sogar den Anforderungen des Art. 13 Abs. 3 GG n.F. genügt, als auch der Abwehr
einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LV in Verbindung mit Art.
13 Abs. 4 GG n.F., bekräftigt das zusätzliche Erfordernis der Verhinderung von besonders schweren
Straftaten den Grundrechtsschutz der von einer Wohnraumüberwachung betroffenen Kontakt- und Begleit-
person nachhaltig. Die Regelung trifft daher einen angemessenen Ausgleich zwischen den
abzuwägenden Rechtsgütern.
4. Die Regelungen in § 29 POG erfüllen die Anforderungen, die Art. 7 Abs. 1 LV an die
Normenbestimmtheit und Normenklarheit von Eingriffsbefugnissen in die Unverletzlichkeit der Wohnung
richtet. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Anknüpfens an eine dringende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit (§ 29 Abs. 1 Satz 1 POG) als auch für den Begriff der Kontakt- und Begleitpersonen (§ 29 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 POG).
Grundlage des Bestimmtheitsgebots ist vorliegend Art. 7 Abs. 1 LV selbst (vgl. BVerfGE 110, 33 [52 ff.];
113, 348 [375]). Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende
Maßnahmen einstellen kann, die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und
begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und die Gerichte die Rechtskontrolle wirksam durchführen
können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung
bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden. Bei Ermächtigungen zu
Überwachungsmaßnahmen verlangt das Bestimmtheitsgebot, dass die betroffene Person erkennen kann,
bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der
Überwachung verbunden ist (BVerfGE 110, 33 [53 f.]; 113, 348 [375 f.]).
a) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ermöglicht es das Tatbestandsmerkmal der
"dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit" dem Bürger, sich auf mögliche Maßnahmen der
Wohnraumüberwachung einzustellen. Es geht nämlich - anders als in der von ihm in Bezug genommenen
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 113, 348) - nicht um Maßnahmen zur Vorsorge
für die Verfolgung künftiger Straftaten und damit um ein Tätigwerden im Bereich der Vorfeldermittlung mit
dem besonders hohen Risiko einer Fehlprognose, sondern um Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, bei
denen an die hierzu entwickelten Kriterien angeknüpft werden kann (BVerfGE 113, 348 [377 f.]). Dem-
entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Wohnraumüberwachung
gerade das Erfordernis einer dringenden Gefahr ausdrücklich als einfachrechtlich zwingend geboten
erachtet für die Übermittlung von strafprozessual gewonnenen Informationen an Polizeibehörden zu
Gefahrenabwehrzwecken (BVerwGE 109, 279 [379]). Des Weiteren ist der Begriff durch die
Rechtsprechung zu Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 GG a.F. hinreichend konturiert, wonach eine
dringende Gefahr gegeben ist, wenn bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines wichtigen Rechtsguts droht (BVerwGE 47, 31
[40]).
b) Ferner genügt die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG, die zur Wohnraumüberwachung bei
Kontakt- und Begleitpersonen ermächtigt, soweit die Datenerhebung zur Verhinderung von besonders
schweren Straftaten nach § 29 Abs. 2 POG erforderlich ist, dem Bestimmtheitsgebot . Der Begriff der
"Kontakt- und Begleitperson" wird in § 26 Abs. 3 Satz 2 POG gesetzlich definiert. Der insoweit erhobene
Vorwurf, es sei völlig unklar, wie eng die Verbindung der Kontakt- und Begleitperson zu der einer
künftigen Straftat verdächtigen Person sein müsse, ist nicht gerechtfertigt. Bereits der Begriff der
"Tatsachen", die begründete Anhaltspunkte für einen objektiven Tatbezug belegen müssen, ist isoliert
betrachtet hinreichend bestimmt (BVerfGE 113, 348 [378]). Die Verknüpfung mit einem objektiven
Straftatenbezug ist aber auch im Gesamtzusammenhang der Regelung des § 29 Abs. 1 POG hinreichend
deutlich. Sie ist sowohl hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit einer Straftatenbegehung als auch
in zeitlicher Hinsicht durch das Gesetz eindeutig konkretisiert. Auch die Datenerhebung bei einer Kontakt-
und Begleitperson setzt die Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des §
29 Abs. 1 Satz 1 POG voraus. Dadurch wird die Zulässigkeit unbeschränkter Ermittlungen im Vorfeld einer
Straftatenbegehung erkennbar ausgeschlossen. Es geht daher nicht um die Vorverlagerung des Eingriffs
in eine Phase, in der sich die Konturen eines Straftatbestandes noch nicht abzeichnen und das
Überwachungsrisiko für Betroffene mangels eindeutiger Tatbestandsmerkmale nicht ersichtlich ist.
Vielmehr können sich als Kontakt- und Begleitperson Betroffene aufgrund des Anknüpfens sowohl an das
Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit als auch zusätzlich an die Verhinderung
von besonders schweren Straftaten im Sinne des detaillierten Katalogs des § 29 Abs. 2 POG ausreichend
auf die Möglichkeit von Maßnahmen der Wohnraumüberwachung einstellen. Der Gesetzgeber ist damit
seiner Aufgabe nachgekommen, die Voraussetzungen und Grenzen des Grundrechtseingriffs festzulegen
und entsprechende eingriffsbeschränkende Maßstäbe zu schaffen (BVerfGE 113, 348 [379]).
III.
Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs.1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21 a
Abs. 1 VerfGHG).
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dury gez. Prof. Dr. Dr. Merten