Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 27.11.2007

VerfGH Rheinland-Pfalz: broschüre, politische partei, sport, rechtsextremismus, erlass, gefährdung, organisation, markt, gemeinde, absicht

VerfGH
Rheinland-Pfalz
27.11.2007
VGH O 27/07
Verfassungsrecht
Verkündet am 27.11.2007:
gez. Salzig
Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
betreffend die Organklage sowie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung
der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands - NPD -, Landesverband Rheinland-Pfalz, vertreten
durch den Geschäftsführenden Landesvorstand,
g e g e n
den Minister des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz,
w e g e n Einflussnahme auf die kommunalen Gebietskörperschaften zu
Lasten der NPD
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
27. November 2007, an der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Dury
Präsident des Oberlandesgerichts Bartz
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten
Kreisverwaltungsdirektorin Kleinmann
Präsidentin des Verwaltungsgerichts Dr. Freimund-Holler
Bürgermeister Dr. Saftig
Historikerin Meier-Hussing,
für Recht erkannt:
Die Organklage der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
A.
Die Antragstellerin erstrebt, in einem Organstreitverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung für
Rheinland-Pfalz - LV - dem Antragsgegner aufzugeben, die von ihm unter dem Titel "Kommunen gegen
Rechtsextremismus" herausgegebene Broschüre nicht weiter zu verbreiten, verbreitete Exemplare
einzuziehen und zu vernichten, jedenfalls aber solche Textpassagen zu streichen, die konkret auf die
Antragstellerin Bezug nehmen. Die behaupteten Ansprüche sollen durch den Erlass einer einstweiligen
Anordnung gesichert werden.
I.
Im Mai 2007 erschien die erste Auflage der Broschüre mit dem Untertitel "Maßnahmen gegen
Rechtsextremismus: Ein Handlungsleitfaden für kommunale Entscheidungsträger". Die Schrift gliedert sich
in drei Teile, in denen Maßnahmen der Landesregierung (I.) und Handlungsmöglichkeiten auf
kommunaler Ebene bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus (II.) sowie ein Ausblick (III.) aufgezeigt
werden. Teil II. beschreibt vier Fallbeispiele (Versuch des Kaufs einer Immobilie, Demonstrationen,
Anwerbung von Jugendlichen durch Musik ‑ "Schulhof-CDs" -, Umgang mit Wortmeldungen von
Rechtsextremisten in Veranstaltungen) unter teilweiser ausdrücklicher Nennung der Antragstellerin. Sie
wird auch im abschließenden Ausblick erwähnt. Sonstige Parteien werden in der Broschüre nicht
namentlich bezeichnet.
II.
Die Antragstellerin rügt, der Antragsgegner habe durch seine Einflussnahme auf die Kommunen des
Landes mit dem Ziel, sie zu einem Handeln gegen Rechtsextremisten anzuhalten, gegen Art. 21 des
Grundgesetzes - GG - verstoßen, dessen Gewährleistungen auch durch die Landesverfassung verbürgt
seien. Mit dem Leitfaden werde versucht, ihre politische Arbeit gezielt zu stören, da nur sie, nicht aber
andere Parteien als Objekt empfohlener Maßnahmen genannt werde. Zu einem solchen gezielten
Vorgehen sei der Antragsgegner nicht berechtigt. Er leiste letztlich Parteiarbeit zu Gunsten der SPD unter
Verwendung von Steuermitteln. Das aus Art. 21 GG folgende Gleichbehandlungsgebot werde so verletzt.
Insbesondere sei der in dem Leitfaden erhobene Vorwurf nicht gerechtfertigt, sie habe Scheingeschäfte im
Immobilienbereich getätigt.
III.
1. Der Antragsgegner hält den Antrag für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
Es sei zweifelhaft, ob die Antragstellerin über die als "andere Beteiligte" in einem Organstreitverfahren
gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV erforderliche Antragsbefugnis verfüge. Prinzipiell könne sie sich auf eine
Verletzung des ihr durch Art. 21 GG als einen ungeschriebenen Bestandteil des Landesverfassungsrechts
gewährleisteten Status berufen. Die danach dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltene Entscheidung
über die Verfassungswidrigkeit einer Partei schließe ein administratives Einschreiten gegen den Bestand
einer politischen Partei trotz ihrer feindlichen Einstellung gegenüber der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung aus. Der von der Antragstellerin gerügten Maßnahme fehle es an der in diesem Sinne
erforderlichen unmittelbaren Rechtserheblichkeit. Die Broschüre, die nur mögliche Handlungsoptionen
der Kommunen in der Auseinandersetzung mit dem politischen Rechtsextremismus aufzeige, erfülle
lediglich eine Informations-, Beratungs- und Aufklärungsfunktion. Rechtliche Auswirkungen besäßen erst
konkrete Maßnahmen der Kommunen, die sie in eigener Verantwortung treffen müssten. Hiergegen stehe
der Antragstellerin der Rechtsweg offen.
Darüber hinaus sei der Inhalt der Broschüre sachlich nicht zu beanstanden. Der Schutz der Verfassung
stelle nach Grundgesetz und Landesverfassung eine Aufgabe aller Staatsorgane dar. Dabei dürften
Verfassungsorgane - statt auf ein Verbotsverfahren hinzuwirken - zunächst versuchen, eine Partei, die sie
für verfassungswidrig hielten, durch eine mit Argumenten geführte politische Auseinandersetzung in die
Schranken zu verweisen. Ein Kernelement dieser Auseinandersetzung bilde die Aufklärung der
Bevölkerung über extremistische Bestrebungen. Mit dem Leitfaden komme man daher einer Infor-
mationsverpflichtung nach. Die Broschüre stelle keine falschen Behauptungen auf und setze sich sachlich
mit dem Vorgehen von Rechtsextremisten auseinander. In ihr mitgeteilte Handlungsempfehlungen
bedeuteten keineswegs Anweisungen an kommunale Gebietskörperschaften.
2. Der Landtag Rheinland-Pfalz erachtet den Antrag für offensichtlich unbegründet. Die mehrfache
Erwähnung der Antragstellerin in der Broschüre "Kommunen gegen Rechtsextremismus" stelle keine
Maßnahme dar, die mit dem Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 21 Abs. 2
Satz 2 GG über die Verfassungswidrigkeit einer Partei unvereinbar wäre. Auch ohne eine solche
Feststellung könne die Überzeugung vertreten werden, eine Partei verfolge verfassungsfeindliche Ziele.
So müssten etwa auch die Aufnahme in den jährlichen Verfassungsschutzbericht und die damit
verbundenen faktischen Nachteile für eine Partei hingenommen werden. Nichts anderes könne für die
mehrfache Erwähnung der Antragstellerin in der fraglichen Broschüre gelten. Die in ihr enthaltenen
Bewertungen seien deutlich weniger schwerwiegend als die in dem aktuellen rheinland-pfälzischen
Verfassungsschutzbericht 2006 getroffenen Feststellungen. Der Inhalt der Broschüre stelle auch keine
offene oder versteckte Werbung zu Gunsten der Regierungspartei dar. Vielmehr komme der Minister des
Innern und für Sport seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe nach, verfassungsfeindlichen Bestrebungen
politischer Parteien entgegenzutreten.
B.
Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Organklage. Die Klage ist aber jedenfalls
unbegründet.
I.
1. Die Antragstellerin kann als politische Partei die behauptete Verletzung ihres verfassungsrechtlichen
Status durch ein Verfassungsorgan im Wege des Organstreits gemäß Art. 130 Abs. 1 LV geltend machen.
Zwar erwähnt der durch Gesetz vom 8. März 2000 (GVBl. S. 65) neu gefasste Art. 130 Abs. 1 LV die
Antragsberechtigung politischer Parteien nicht mehr ausdrücklich. Sie sind jedoch als durch die
Landesverfassung mit eigenen Rechten ausgestattete "andere Beteiligte" im Sinne des Art. 130 Abs. 1
Satz 2 LV befugt, ein Organstreitverfahren einzuleiten. Art. 21 GG, der die politischen Parteien als
verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkennt und
ihnen einen verfassungsrechtlichen Status zuweist, gilt nicht nur für den Bereich des Bundes, sondern
unmittelbar auch für die Länder. Der den politischen Parteien durch Art. 21 GG verliehene
verfassungsrechtliche Status kommt ihnen daher auch in der Verfassungsordnung der Länder zu
(BVerfGE 66, 107, [114 m.w.N.]). Es handelt sich insoweit um einen ungeschriebenen Bestandteil der
Landesverfassung (Jutzi, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Einleitung C Rn. 28). Diese
Sichtweise entspricht dem erklärten Willen des verfassungsändernden Landesgesetzgebers, wonach
durch eine dem Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG entsprechende Formulierung die Parteien insoweit antragsbefugt
bleiben sollten, als sie durch gesetzgeberische oder exekutive Akte in ihrem verfassungsmäßigen Status
betroffen seien (Begründung des Gesetzentwurfs zur Verfassungsänderung, LT-Drucks. 13/5066, S. 15;
Bericht der Enquete-Kommission "Verfassungsreform", LT-Drucks. 12/5555, S. 89; Bier, in: Grimm/Caesar,
a.a.O., Art. 130 Rn. 30).
2. Der Antrag einer politischen Partei im Organstreit ist gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV allerdings nur
zulässig, soweit sie geltend macht, durch eine Maßnahme oder ein Unterlassen des Antragsgegners in
eigenen verfassungsmäßigen Rechten verletzt zu sein. Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme muss
daher rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung der Antragstellerin beein-
trächtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können; die Verletzung oder Gefährdung der
Rechte und Pflichten muss sich aus dem Sachvortrag als mögliche Rechtsfolge ergeben (BVerfGE 13, 123
[125]; 57, 1 [5]). Es bestehen nachhaltige Zweifel, ob die Antragstellerin in diesem Sinne eine Verletzung
oder Gefährdung ihr zustehender Rechte dargetan hat.
a) Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG kann nur das Bundesverfassungsgericht in dem dafür vorgesehenen
Verfahren (§§ 43 ff. BVerfGG) die verbindliche Feststellung treffen, eine Partei sei verfassungswidrig. Das
Entscheidungsmonopol des Gerichts schließt ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer
politischen Partei schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung noch so feindlich verhalten. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann
deshalb niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Weder
Verfassungsorgane des Bundes noch der Länder haben die verfassungsrechtliche Möglichkeit, von sich
aus die Antragstellerin an der Ausübung der in Art. 21 GG umschriebenen Rechte oder Pflichten zu
hindern. Denn an der Bestands- und Schutzgarantie ("Parteienprivileg") des Grundgesetzes und der
Landesverfassung hat auch die Antragstellerin vollen Anteil. Gegen sie, ihre Funktionäre, Mitglieder und
Anhänger dürfen wegen ihrer mit erlaubten Mitteln durchgeführten parteioffiziellen Tätigkeiten keine
rechtlichen Sanktionen angedroht oder verhängt werden (BVerfGE 40, 287 [291]; 57, 1 [6]).
b) Es ist fraglich, ob die Antragstellerin eine Gefährdung oder gar eine Verletzung ihrer
verfassungsrechtlich gewährleisteten Bestands- und Schutzgarantie hinreichend substantiiert dargelegt
hat. Die von ihr beanstandete Broschüre enthält, soweit Handeln der Antragstellerin als Beispiel
rechtsextremer Aktivitäten genannt wird, überwiegend wertende Feststellungen, an die keine rechtliche
Auswirkungen geknüpft sind. Zudem behauptet die Antragstellerin selbst nicht, in der Broschüre
mitgeteilte tatsächliche Abläufe seien unzutreffend wiedergegeben worden. Unter diesen Umständen
könnte es an ihrer unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit fehlen. Sie kann sich nämlich weiterhin - wie
jede andere Partei - auf die verfassungsrechtlich verbürgten Prinzipien der Gründungs- und
Betätigungsfreiheit berufen und die in § 1 Abs. 2 des Parteiengesetzes - ParteiG - umschriebenen
Tätigkeiten von Rechts wegen ungehindert ausüben. Ihr Recht und die faktische Möglichkeit, sich zur
Wahl zu stellen, bleiben unangetastet. Ihr ist auch unbenommen, sich öffentlich gegen die von ihr für
falsch gehaltenen Beurteilungen seitens der Antragsgegnerin zur Wehr zu setzen und sich dem Bürger so
darzustellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspricht. Ungeschmälert bleiben ferner ihr Anspruch auf
Gleichbehandlung gemäß § 5 ParteiG, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen
zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt, sowie ihr Anspruch auf Erstattung der
Wahlkampfkosten. Ihre Anhänger, Mitglieder und Funktionäre sind nicht gehindert, mit erlaubten Mitteln für
die Ziele der Partei zu werben, an Wahlen teilzunehmen und bei entsprechendem Wahlerfolg ein
Abgeordnetenmandat einzunehmen. Bei Beeinträchtigungen dieser Rechte steht der Partei oder ihren
Mitgliedern der Rechtsweg offen (BVerfGE 57, 1 [6 f.]; vgl. auch OVG RP, AS 28, 46). Soweit im Übrigen
aus der genannten Broschüre für die Antragstellerin faktische Nachteile entstehen, ist sie dagegen nicht
durch Art. 21 GG geschützt (BVerfGE 39, 334 [360]; 40, 287 [293]).
Letztlich kann die Frage, ob unter diesen Umständen gleichwohl eine Antragsbefugnis der Antragstellerin
gegeben ist, dahingestellt bleiben; ihr Antrag ist nämlich jedenfalls unbegründet.
II.
1. Das Land Rheinland-Pfalz versteht sich als wehrhafte Demokratie. Die Landesverfassung selbst gibt in
der Überschrift ihres VII. Abschnitts den Schutz der Verfassung als Aufgabe vor, die allen staatlichen
Organen obliegt. Darüber hinaus trifft die Landesverfassung Vorkehrungen gegen ihre Bedrohung und
institutionalisiert besondere Verfahren zur Abwehr von Angriffen auf die verfassungsmäßige Ordnung (z.B.
Art. 20, Art. 77 Abs. 2, Art. 112, Art. 126 Abs. 1, Art. 129 Abs. 2, Art. 130, Art. 130 a, Art. 131 Abs. 1, Art.
132). Aus dieser Grundentscheidung der Landesverfassung für eine wehrhafte Demokratie folgt der
insbesondere allen Verfassungsorganen erteilte Auftrag, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu
wahren und aktiv für sie einzutreten (vgl. BVerfGE 39, 334 [349]; 40, 287 [292]; 57, 1 [8]).
In Wahrnehmung dieses Schutzauftrages ist der Minister des Innern und für Sport auch befugt, an der
öffentlichen Auseinandersetzung darüber teilzunehmen, ob Ziele und Verhalten einer Partei oder deren
Mitglieder mit der verfassungsmäßigen Ordnung vereinbar sind. Dabei darf er sich auf seine verfassungs-
unmittelbare Aufgabe der Staatsleitung stützen, ohne dass es einer zusätzlichen gesetzlichen
Ermächtigung bedarf. Diese Aufgabe, bei der es um die politische Führung, die verantwortliche Leitung
des Ganzen der Politik geht und die sich die hierzu vorrangig berufene Landesregierung mit anderen
Verfassungsorganen teilt, wird nicht allein mit den Mitteln der Gesetzgebung und der richtungweisenden
Einwirkung auf den Gesetzesvollzug wahrgenommen, sondern auch durch die Verbreitung von
Informationen an die Öffentlichkeit (vgl. BVerfGE 105, 252 [268]; 105, 279 [301]). In diesem
Zusammenhang dürfen die zuständigen Verfassungsorgane grundsätzlich das tatsächliche Verhalten von
Gruppen oder deren Mitgliedern wertend als extremistisch und verfassungsfeindlich beurteilen (vgl.
BVerfGE 113, 63 [78]). Ebenso sind sie befugt, im Anschluss an solche Wertungen Handlungs-
möglichkeiten – etwa für die Kommunen – aufzuzeigen.
Bei der Festlegung der Kompetenzen und Informationsbefugnisse, die dem Antragsgegner bei der
Erfüllung seiner Aufgaben der Staatsleitung und des Schutzes der Landesverfassung eröffnet sind, ist
auch zu berücksichtigen, dass die Landesregierung gemäß § 43 Abs. 2 BVerfGG beim
Bundesverfassungsgericht einen Antrag nach Art. 21 Abs. 2 GG auf Entscheidung, ob eine Partei verfas-
sungswidrig ist, nur gegen eine Partei stellen kann, deren Organisation sich auf das Gebiet ihres Landes
beschränkt. Die Landesregierung als Ganzes wie auch der Minister des Innern und für Sport als
selbständiges Verfassungsorgan (vgl. VerfGH RP, AS 26, 4 [8]) sind daher von vornherein gezwungen, die
Auseinandersetzung mit der von ihnen für rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich gehaltenen
Antragstellerin im politischen Feld zu führen. Hierfür ist eine Unterrichtung der Öffentlichkeit unerlässlich,
wie sie gemäß § 7 Abs. 2 des Landesverfassungsschutzgesetzes – LVerfSchG - ohnehin dem fachlich
zuständigen Minister hinsichtlich der ihm gemäß § 5 LVerfSchG übertragenen Beobachtungsaufgaben
obliegt.
Die Verfassung verlangt allerdings, dass die Teilnahme staatlicher Stellen an der öffentlichen
Auseinandersetzung das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit wahrt. Informationen müssen
auf tatsächlichen Grundlagen beruhen, Bewertungen einer Partei als extremistisch und
verfassungsfeindlich dürfen nicht willkürlich sein. Danach wäre es unzulässig, eine vom
Bundesverfassungsgericht nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfas-
sungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn diese Maßnahme bei verständiger
Würdigung der die Landesverfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich wäre und sich
daher der Schluss aufdrängte, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhte (vgl. BVerfGE 40, 287
[293]; 57, 1 [7]). Dies ist hier indessen nicht der Fall.
2.a) Der Leitfaden "Kommunen gegen Rechtsextremismus" ist neben einer Darstellung bereits von der
Landesregierung ergriffener Maßnahmen in erster Linie darauf angelegt, den Kommunen generell
Handlungsmöglichkeiten gegen Rechtsextremisten auf kommunaler Ebene aufzuzeigen. Eine
ausschließliche Ausrichtung auf die Antragstellerin lässt sich nicht feststellen. Allerdings wird sie als ein-
zige konkret benannte Organisation mehrfach im zweiten Teil der Broschüre erwähnt, in dem vier
Fallbeispiele rechtsextremer Aktivitäten beschrieben sind. Den Schwerpunkt bildet dabei das Auftreten der
Antragstellerin auf dem Immobilienmarkt. So wird der Vorwurf erhoben, sie habe Scheingeschäfte
angestrebt, die dazu dienen sollten, finanziell an der Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die betroffene
Gemeinde zu partizipieren. In weiteren Kapiteln wird die Absicht der Antragstellerin verdeutlicht,
Jugendliche für ihre politischen Ziele durch den Einsatz einer "Schulhof-CD" als Werbemittel zu gewinnen.
Schließlich wird die der Antragstellerin zugeschriebene so genannte "Wortergreifungsstrategie" geschil-
dert. Damit ist das offensive Auftreten von Rechtsextremisten in öffentlichen Veranstaltungen gemeint, die
mit Wortmeldungen und Redebeiträgen ihre eigene politische Auffassung in Veranstaltungen Dritter
publik machen wollen.
b) Soweit in diesen Zusammenhängen in der Broschüre tatsächliche Abläufe beschrieben werden, sind
sie sachlich zutreffend. Dies wird auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt. Gegen negative
Werturteile ("Scheingeschäft"), welche die Landesregierung in Wahrnehmung ihrer verfassungsrecht-
lichen Schutzpflichten trifft, bietet Art. 21 GG grundsätzlich keinen Schutz. Hieran sind keinerlei rechtliche
Auswirkungen geknüpft. Faktische Nachteile, die daraus für eine Partei entstehen können, sind
hinzunehmen (BVerfGE 40, 287 [293]; 57, 1 [6]).
Auch beruht die Benennung der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Aktivitäten
auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten. Nach der im Landesverfassungsschutzbericht 2006 des
Ministeriums des Innern und für Sport wiedergegebenen Einschätzung handelt es sich bei der NPD um
"eine unverhohlen nationalistische Partei, die im rechtsextremistischen Spektrum zu den aggressivsten
Organisationen" zähle (S. 30). Dieser Bewertung entspricht die Feststellung im Verfassungsschutzbericht
2006 des Bundesministeriums des Innern, die NPD halte "unverändert an ihrer offenen, aggressiv-
kämpferischen Feindschaft gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fest" (S. 67).
Darüber hinaus schildert der Landesverfassungsschutzbericht 2006, Ausgangspunkt der Propaganda sei
oftmals die Gemeinde- und Kreisebene. Die NPD versuche "durch regionale Verankerung den Einzug in
weitere Parlamente vorzubereiten" und setze "dabei auf lokale Akzeptanz" (S. 35). Die wiedergegebenen
Passagen der beiden Verfassungsschutzberichte, gegen die die Antragstellerin gerichtlich nicht
vorgegangen ist, rechtfertigen die Erwähnung der Antragstellerin in der fraglichen Broschüre als Beispiel
für rechtsextremistische Aktivitäten. Gerade die Einschätzung, die Antragstellerin strebe auf der Grundlage
ihrer extremistischen Ausrichtung eine regionale Verankerung an, trägt die Absicht des Antragsgegners,
sich speziell an die Kommunen des Landes mit einer solchen Informationsschrift zu wenden. Ihnen
werden entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch keinerlei Handlungsanweisungen erteilt.
Vielmehr bleibt es ihrer autonomen Entscheidung vorbehalten, ob sie in ihrem Zuständigkeitsbereich
konkrete Maßnahmen ergreifen, gegen die im Einzelfall um fachgerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht
werden kann. Des Weiteren sind die in der Broschüre genannten Beispiele für das Auftreten der
Antragstellerin auf dem Immobilienmarkt gleichfalls im Landesverfassungsschutzbericht 2006
wiedergegeben (S. 39). Entsprechendes gilt hinsichtlich der so genannten "Schulhof-CD" (S. 40). Schließ-
lich beschreibt auch der Verfassungsschutzbericht 2006 des Bundesministeriums des Innern die sog.
"Wortergreifungsstrategie" der NPD, die ebenfalls als Fallbeispiel im Rahmen des Handlungsleitfadens
erörtert wird.
Unter diesen Umständen sind keine Ansatzpunkte dafür ersichtlich, die in der Broschüre enthaltenen
Werturteile als willkürlich zu qualifizieren, zumal die als Grundlage der Bewertung aufgeführten Tatsachen
nicht bestritten werden. Die Broschüre bietet darüber hinaus weder Hinweise noch Anreize zu einem
rechtswidrigen Handeln gegenüber der Antragstellerin. Soweit ein solches Verhalten im Einzelfall
vorkommen sollte, kann fachgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden. Die
Gesamtdarstellung ist im Übrigen in Ausdrucksweise und Form sachlich gehalten. Insbesondere ist mit ihr
keine Werbung zu Gunsten der die Landesregierung tragenden Partei verbunden.
C.
Mit der Zurückweisung der Organklage erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung.
D.
Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Gründe dafür, die
volle oder teilweise Erstattung der Auslagen gemäß § 21 a Abs. 3 VerfGHG anzuordnen, liegen
wechselseitig nicht vor.
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dury gez. Prof. Dr. Dr. Merten