Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 16.03.2001

VerfGH Rheinland-Pfalz: rechtliches gehör, negative feststellungsklage, verfassungsbeschwerde, abweisung, verwirkung, abänderungsklage, rüge, umdeutung, unterlassen, erheblichkeit

Verfassungsrecht
VerfGH
Rheinland-Pfalz
16.03.2001
VGH B 14/00
Verfassungsrecht, gesetzlicher Richter, rechtliches Gehör
Verfassungsgerichtshof
Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Verfassungsbeschwerde des Herrn ...,
gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2000 - 13 UF 200/00 -
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 16. März 2001,
an der teilgenommen haben
...
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ein zivilgerichtliches Berufungsurteil, soweit es seine im ersten
Rechtszug erfolgreiche Vollstreckungsgegenklage abgewiesen hat.
1. Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind geschiedene Eheleute. Der Beschwerdeführer war im
Ehescheidungsverfahren durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts vom 16. August 1984 zur
Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 1.500,-- DM an die Beklagte des
Ausgangsverfahrens verpflichtet worden. Die Ehe wurde im März 1986 geschieden. Wegen ihrer
titulierten Unterhaltsansprüche betrieb die Beklagte die Vollstreckung gegen den Beschwerdeführer. Seit
1. Juli 1986 bezieht sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die mit einem über 1.500,-- DM liegenden
Teilbetrag auf der im Ehescheidungsverfahren erfolgten Durchführung des Versorgungsausgleichs
beruht.
beruht.
Auf die im Juni 1999 erhobene Vollstreckungsgegenklage des Beschwerdeführers erklärte das
Amtsgericht Mayen mit Urteil vom 16. März 2000 die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 16.
Juni 1984 für unzulässig und führte zur Begründung aus: Die auch gegen die einstweilige Anordnung
gemäß § 620 ZPO statthafte Vollstreckungsgegenklage sei begründet, da die Unterhaltsansprüche der
Beklagten durch die Anrechnung der betragsmäßig feststehenden Erwerbsunfähigkeitsrente erloschen
seien. Bei dieser auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Rente handele es sich um ein
Unterhaltssurrogat.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
zur Durchführung des Berufungsverfahrens wies das Oberlandesgericht Koblenz durch Beschluss vom 1.
September 2000 wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurück.
Wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wies der Prozessbevollmächtigte
der Beklagten darauf hin, dass seit Juni 1999 bei dem Amtsgericht Mayen ein Verfahren der
Nordrheinischen Ärzteversorgung auf Abänderung des Versorgungsausgleichs gemäß § 10 a des
Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) anhängig sei. In der mündlichen
Verhandlung am 18. September 2000 teilte der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts mit, dass dieser
Hinweis der Beklagten für das Berufungsverfahren von Bedeutung sei und der Senat deshalb die
Verfahrensakte des Amtsgerichts beigezogen habe. Ferner änderte der Senat seinen Beschluss vom 1.
September 2000 ab und bewilligte der Beklagten Prozesskostenhilfe für ihren Antrag auf Abweisung der
Vollstreckungsgegenklage für die Zeit ab 1. Juli 1999.
Mit dem hier angegriffenen Urteil vom 23. Oktober 2000 wies das Oberlandesgericht unter teilweiser
Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils die Vollstreckungsgegenklage des Beschwerdeführers für die
Zeit nach dem 30. Juni 1999 ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Vollstreckungsgegenklage ab
diesem Zeitpunkt nicht mehr die richtige Klageart sei. Zwar sei sie grundsätzlich auch gegen eine
einstweilige Anordnung auf Ehegattenunterhalt nach § 620 Nr. 6 ZPO zulässig. Jedoch seien die für die
Vollstreckungsgegenklage zu fordernden nachträglich entstandenen rechtshemmenden oder
rechtsvernichtenden Einwendungen gegen den titulierten Anspruch für die Zeit ab 1. Juli 1999 nicht mehr
gegeben. Zunächst habe die Beklagte ihre Unterhaltsansprüche nicht verwirkt. Sie habe die Bewilligung
ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente aufgrund des Bescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
vom 13. März 1987 dem Kläger gegenüber nicht verschwiegen. Eine Verwirkung könne auch nicht auf ihr
Verhalten im Zusammenhang mit dem Tod der gemeinsamen Tochter H. gestützt werden. Auch der
Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente ab Juli 1986 führe nicht zu einem Wegfall des titulierten Anspruchs.
Dieser Umstand könne nur dann als Einwendung im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage
berücksichtigt werden, wenn es sich "um ein Ereignis ohne Unklarheiten über seinen
Entstehungszeitpunkt und seinen Einfluss auf den Unterhaltsanspruch" handele. Denn nur die
Anrechnung betragsmäßig feststehender Geldbeträge könne einer Erfüllung gleichgesetzt werden.
Hiervon könne für die Zeit ab 1. Juli 1999 nicht mehr ausgegangen werden, da durch die bei dem
Amtsgericht anhängige Abänderungsklage gemäß § 10 a VAHRG ungewiss geworden sei, in welcher
Höhe die der Beklagten zustehende Rente auf dem bei Scheidung der Ehe durchgeführten
Versorgungsausgleich beruhe. Die Vollstreckungsabwehrklage könne mithin jetzt nicht mehr auf den
Einwand der Erfüllung gestützt werden. Dem Kläger stehe für den Zeitraum ab 1. Juli 1999 vielmehr nur
die Möglichkeit der negativen Feststellungsklage offen. Eine Umdeutung komme insoweit jedoch nicht in
Betracht, da der Kläger unzweifelhaft deutlich gemacht habe, dass eine negative Feststellungsklage von
ihm nicht gewollt werde. Im Übrigen müsste eine solche Klage wegen fehlender Zuständigkeit als
unzulässig abgewiesen werden. Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten zu dem
Abänderungsverfahren nach § 10 a VAHRG könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf eine Verspätung
berufen, da mit der Zulassung dieses Vorbringens eine Verzögerung des Rechtsstreits nicht verbunden
gewesen sei.
2. Mit der gegen dieses Urteil erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die
Verletzung seiner Grundrechte aus Art 6 Abs. 1 und 2 der Verfassung von Rheinland-Pfalz - LV -. Zur
Begründung führt er aus: Der Rechtsweg sei erschöpft, weil das Oberlandesgericht die Revision nicht
zugelassen habe und eine Nichtzulassungsbeschwerde unstatthaft sei. Das Oberlandesgericht habe
seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es Anforderungen an den
Sachvortrag gestellt habe, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu
rechnen brauchte. § 139 Abs. 2 ZPO verlange das "gezielte Rechtsgespräch". Das Oberlandesgericht
hätte das völlig neue Vorbringen der Beklagten hinsichtlich der Anhängigkeit des
Abänderungsverfahrens gemäß § 10 a VAHRG als verspätet zurückweisen müssen (§§ 519 Abs. 2 Satz
2, 527, 296 ZPO). Das Aufgreifen dieses neuen Vortrages sei für ihn höchst überraschend gewesen.
Überrascht habe ihn auch, dass das Oberlandesgericht die Vollstreckungsabwehrklage ohne jeglichen
Anhaltspunkt über die Auswirkung des Verfahrens auf Abänderung des Versorgungsausgleichs
abgewiesen habe. Überraschend seien ferner die hilfsweise erfolgten Ausführungen des
Oberlandesgerichts zur Unzulässigkeit einer Umdeutung der Vollstreckungsabwehrklage in eine negative
Feststellungsklage wegen unterschiedlicher Zuständigkeit der Eingangsgerichte gewesen. Schließlich
habe ihn überrascht, dass das Oberlandesgericht trotz der Vielzahl der Abweichungen von
verfahrensrechtlichen Regeln und bekannter höchstrichterlicher Rechtsprechung die Revision nicht
zugelassen habe. Durch die unbegründete Nichtzulassung der Revision trotz der Vorschrift des § 545
ZPO habe das Oberlandesgericht ihm ferner den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1
LV entzogen. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2001 rügt der Beschwerdeführer des Weiteren, dass das
Oberlandesgericht auch durch die Art und Weise, wie sein Vorbringen zu der Verwirkung des
Unterhaltsanspruchs seiner geschiedenen Ehefrau beschieden worden sei, das Grundrecht auf
rechtliches Gehör verletzt habe.
Das Ministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Die Akten des Ausgangsverfahrens Amtsgericht Mayen - 8 F 252/99 - haben vorgelegen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde, über die der Verfassungsgerichtshof gemäß § 49 Abs. 1 des
Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof (VerfGHG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet,
hat keinen Erfolg.
Der Beschwerdeführer wird durch das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2000 nicht
in seinen Grundrechten gemäß Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 LV verletzt.
Die erhobenen Rügen sind allerdings statthaft. Zwar richten sie sich gegen die Ausführung des
bundesrechtlich geregelten Prozessrechts. Dies macht sie jedoch noch nicht unzulässig, da die sog.
Bundesrechtsklausel nicht für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gilt (§ 44 Abs. 2 VerfGHG
i.d.F. v. 19. Mai 2000 [GVBl. S. 207]). Auch das Grundgesetz erlaubt den Landesverfassungsgerichten,
die Anwendung des grundsätzlich abschließend geregelten Bundesverfahrensrechts an den
Grundrechten der Landesverfassungen zu messen, wenn diese den gleichen Inhalt wie entsprechende
Rechte des Grundgesetzes haben (BVerfGE 96, 345, 371; VerfGH Rh-Pf, DVBl. 2001, 292). Die
Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 LV sind inhaltsgleich mit den Gewährleistungen in Art. 101 Abs.
1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Die Verfassungsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Dies gilt zunächst für die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen einer
Überraschungsentscheidung des Oberlandesgerichts.
Art. 6 Abs. 2 LV garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie Gelegenheit
erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt und zur
Rechtslage zu äußern. Das Gericht hat diese Äußerung zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner
Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das
von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch erwogen hat, und zwar auch dann, wenn
nicht jeder Gesichtspunkt in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich beschieden wird. Eine
Verletzung des Art. 6 Abs. 2 LV kann deshalb nur dann festgestellt werden, wenn im Einzelfall besondere
Umstände deutlich machen, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der
Entscheidung nicht erwogen worden ist. Im Übrigen gewährleistet das Gehörsgrundrecht keinen Schutz
gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder
materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Ebenso kann ein Beteiligter aufgrund von
Art. 6 Abs. 2 LV nicht beanspruchen, dass das Gericht seiner Rechtsansicht folgt (BVerfGE 69, 1, 12; 86,
133, 145 f.; 96, 205, 216 f.).
Darüber hinaus verlangt das rechtliche Gehör von dem Gericht grundsätzlich weder ein Rechtsgespräch
noch einen Hinweis auf seine Rechtsauffassung. Vielmehr hat ein Verfahrensbeteiligter von sich aus alle
vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen und seinen Vortrag darauf einzustellen.
Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Das Fehlen eines Hinweises kann im Ergebnis der Verhinderung
der Äußerungsmöglichkeit der Partei gleichkommen. Ein Hinweis des Gerichts ist deshalb von
Verfassungs wegen dann geboten, wenn der Verfahrensbeteiligte auch bei Anwendung der von ihm zu
verlangenden Sorgfalt nicht zu erkennen vermag, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung
des Gerichts ankommen kann, die Entscheidung mit anderen Worten ohne den Hinweis überraschend
wäre (vgl. BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG, NJW 1994, 1274, Dennhardt, in: Grimm/Caesar, Verfassung
für Rheinland-Pfalz, Art. 6 Rn. 11 f.).
Schließlich kann die auf einen Gehörsverstoß gestützte Verfassungsbeschwerde nur Erfolg haben, wenn
die angegriffene Entscheidung auf der Verletzung des Art. 6 Abs. 2 LV beruht, d.h. wenn nicht
ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des Beschwerdeführers das Gericht zu einer anderen,
ihm günstigeren Entscheidung veranlasst hätte. Im Hinblick darauf genügt der Beschwerdeführer bei der
Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs seiner Darlegungslast nur dann, wenn der Begründung der
Verfassungsbeschwerde entnommen werden kann, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen
Gehörs vorgetragen hätte (vgl. BVerfGE 28, 17, 19 f.; 91, 1, 25).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 LV durch das von dem
Beschwerdeführer angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts nicht dargetan.
Der Beschwerdeführer zeigt sich zunächst überrascht, dass das Oberlandesgericht das Vorbringen der
Beklagten des Ausgangsverfahrens über die Anhängigkeit einer Abänderungsklage gemäß § 10 a
VAHRG nicht als verspätet zurückgewiesen, sondern bei seiner Entscheidung berücksichtigt und als
begründet angesehen hat mit der Folge der Abweisung der Vollstreckungsgegenklage. Insofern kann
dem Gericht indessen ein Gehörsverstoß nicht angelastet werden.
Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2000 ergibt sich, dass der 1.
Familiensenat des Oberlandesgerichts die Verspätungsrüge des Verfahrensbevollmächtigten des
Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen hat. Die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils
zeigen, dass das Gericht dieses Vorbringen auch erwogen hat (vgl. S. 9 des Urteils). Dass das
Oberlandesgericht der Verspätungsrüge des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung
rechtlichen Gehörs dar, abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer die entscheidende Begründung
des Oberlandesgerichts, die Zulassung des Vorbringens führe zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits
(vgl. § 527 i.V.m. §§ 296 Abs. 1, 528 ZPO), bereits nicht in Zweifel gezogen hat.
Auch hinsichtlich der Beurteilung der Erheblichkeit dieses - nicht zurückgewiesenen - Vorbringens der
Beklagten hat das Oberlandesgericht den Beschwerdeführer nicht im Unklaren gelassen. Bereits aus
dem Sitzungsprotokoll ergibt sich insofern ein ausdrücklicher Hinweis des Oberlandesgerichts. Dort heißt
es, dass sich durch das Verfahren nach § 10 a VAHRG eine Unsicherheit ergeben habe, die der
Geltendmachung des Erfüllungseinwands mit der Vollstreckungsgegenklage entgegenstehe. Diese
Konsequenz musste dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer auch bereits aufgrund der in diesem
Verfahren zuvor ergangenen Entscheidungen klar gewesen sein. Denn bereits in dem zu seinen
Gunsten ausgefallenen Urteil des Amtsgerichts Mayen vom 16. März 2000 wird ausgeführt, dass die
Vollstreckungsabwehrklage in Fällen der vorliegenden Art nur anwendbar ist, wenn hinsichtlich des
Rentenbezugs keine Unklarheiten über seinen Entstehungszeitpunkt und seinen Einfluss auf den
Unterhaltsanspruch bestehen. Das Oberlandesgericht hat dies in dem den Prozesskostenhilfeantrag der
Beklagten zunächst ablehnenden Beschluss vom 1. September 2000 bestätigt. Die drohende Abweisung
der Vollstreckungsgegenklage ist dem Beschwerdeführer schließlich durch die Abänderung dieses
Beschlusses vom 1. September 2000 in der mündlichen Verhandlung erneut vor Augen geführt worden.
Das Oberlandesgericht hat darin der Beklagten Prozesskostenhilfe hinsichtlich ihres Antrags auf
Abweisung der Vollstreckungsgegenklage für die Zeit ab 1. Juli 1999 bewilligt. Der
Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat zur Erheblichkeit des Beklagtenvorbringens denn
auch bereits in der mündlichen Verhandlung und ergänzend in dem ihm nachgelassenen Schriftsatz vom
28. September 2000 Stellung genommen. Das Oberlandesgericht hat dies zur Kenntnis genommen und
erwogen. Das Ergebnis dieser Erwägungen ist von dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 LV nicht umfasst.
Eine Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsanwendung in anderer Hinsicht ist weder geltend gemacht noch
ersichtlich.
Der Beschwerdeführer zeigt sich ferner über die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur
Unzulässigkeit einer negativen Feststellungsklage überrascht. Aber auch insofern kann der
Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht feststellen.
Der Beschwerdeführer trägt selbst vor, dass die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage in der
mündlichen Verhandlung erörtert worden sei und sein Verfahrensbevollmächtigter auf Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs hingewiesen habe, wonach die unterschiedliche Zuständigkeit in den
Eingangsgerichten als nicht so gravierend angesehen werde (vgl. für die Abänderungsklage: BGH,
FamRZ 1989, 159, 160, mit Verweis auf BGH, FamRZ 1979, 573, 575, wo allerdings die Sachdienlichkeit
für die Klageänderung verneint worden ist). Soweit sich das Oberlandesgericht dieser Rechtsansicht nicht
angeschlossen hat, ist die Verfassungswidrigkeit dieser Auslegung des einfachen Rechts weder geltend
gemacht noch ersichtlich. Im Übrigen handelt es sich insoweit um hilfsweise Erwägungen des Gerichts.
Das Oberlandesgericht hat in erster Linie darauf abgestellt, dass der anwaltlich vertretene
Beschwerdeführer es im Termin der mündlichen Verhandlung unterlassen hat, die
Vollstreckungsgegenklage ausdrücklich in eine negative Feststellungsklage abzuändern oder um eine
solche Klage hilfsweise zu ergänzen (vgl. zur Unerheblichkeit von Prozesserklärungen im
nachgelassenen Schriftsatz: BGH, FamRZ 1979, 573, 575). Dies hätte indessen nahe gelegen. Dass die
negative Feststellungsklage bei der Unzulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage als alternativer
Rechtsbehelf in Betracht kam, musste dem Beschwerdeführer nicht zuletzt aufgrund der ausführlichen
Erläuterungen hierzu im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 1. September 2000 (S. 2 und 4 des
Urteils) klar gewesen sein.
2. Der Beschwerdeführer hat ferner eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 LV nicht dargetan.
Nach dieser Vorschrift hat jedermann Anspruch auf seinen gesetzlichen Richter. Dies verlangt, dass der
zur Entscheidung eines Rechtsstreits berufene Richter im Voraus abstrakt-generell mit hinreichender
Bestimmtheit festgelegt sein muss (BVerfGE 6, 45, 50 f.; 63, 77, 79; 82, 286, 298; Dennhardt, a.a.O., Rn.
8). Der gesetzliche Richter kann auch dadurch entzogen werden, dass ein Gericht die gesetzliche Pflicht
zur Vorlage an ein anderes Gericht außer Acht lässt. Dabei ist die Auslegung und Anwendung des
jeweiligen Verfahrensrechts allerdings grundsätzlich Sache der Fachgerichte. Die fehlerhafte Anwendung
der maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften durch ein Gericht entzieht den gesetzlichen Richter
daher erst dann, wenn sie die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts grundlegend verkennt oder gar
auf Willkür beruht (BVerfGE 23, 288, 319 f.; zuletzt: BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 2001, ZIP 2001, 350,
Vorlage an den EuGH; Dennhardt, a.a.O., Rn. 9).
Der Beschwerdeführer hat bereits nicht dargetan, dass das Oberlandesgericht es rechtswidrig
unterlassen habe, die Revision zuzulassen. Nach seiner Auffassung war die Zulassung wegen
Abweichungen von den Verfahrensvorschriften über die (Nicht-)Zulassung verspäteten Vorbringens (§§
519 Abs. 2 Satz 2, 527, 296 ZPO) und über die richterliche Aufklärungspflicht (§ 139 Abs. 2 ZPO) geboten.
Dabei verkennt er, dass die Revision nach § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO lediglich wegen grundsätzlicher
Bedeutung oder wegen Divergenz zu höchstrichterlicher Rechtsprechung zugelassen werden darf. In der
Verfassungsbeschwerde wird bereits nicht hinreichend geltend gemacht, dass einer der beiden
Revisionszulassungsgründe vorgelegen hat. Das Vorbringen beschränkt sich vielmehr auf die Rüge der
fehlerhaften Anwendung von Verfahrensvorschriften im Einzelfall, ohne einen grundsätzlichen
Klärungsbedarf oder eine Abweichung im Sinne von § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO darzulegen. Darüber
hinaus lässt die Verfassungsbeschwerde auch Ausführungen dazu vermissen, dass der gerügte Verstoß
gegen die einfachgesetzliche Norm des Prozessrechts zugleich das Maß des Verfassungsverstoßes
erreicht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Oberlandesgericht bei der Anwendung des §
546 Abs. 1 ZPO die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 LV (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG)
grundlegend verkannt oder gar willkürlich entschieden hat.
3. Soweit der Beschwerdeführer schließlich mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13.
Februar 2001 einen weiteren Gehörsverstoß geltend macht, ist diese Rüge bereits deshalb unzulässig,
weil sie erst nach Ablauf der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung der angegriffenen
Entscheidung erhoben worden ist (§ 46 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VerfGHG). Im Übrigen ist auch insofern
für das Vorliegen der geltend gemachten Grundrechtsverletzung nichts ersichtlich. Wie der
Beschwerdeführer selbst vorträgt, hat sich das Oberlandesgericht mit seiner Argumentation zur
Verwirkung des Unterhaltsanspruchs seiner geschiedenen Ehefrau ausdrücklich befasst. Auch lässt der
Inhalt und Umfang der hierauf bezogenen Entscheidungsgründe des Urteils (vgl. S. 5 und 6) nicht den
Schluss zu, das Oberlandesgericht habe diesen Teil seines Vorbringens bei seiner Entscheidung
übergangen.
Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21
a Abs. 1 Satz 1 VerfGHG).