Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 30.09.2008

VerfGH Rheinland-Pfalz: körperliche unversehrtheit, schüler, rauchverbot, konferenz der vertragsparteien, lehrer, passivrauchen, schule, bevölkerung, belastung, abhängigkeit

VerfGH
Rheinland-Pfalz
30.09.2008
VGH B 21/08 u.a.
Verfassungsrecht
Verkündet am 30. September 2008:
gez. Salzig
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
betreffend die Verfassungsbeschwerden
1. des Herrn Olaf L.,
- VGH B 21/08 -,
2. des Herrn Alfons J. W.,
- VGH B 29/08 -,
g e g e n § 5 des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz - NRSG - vom 5. Oktober 2007 (GVBl. S.
188)
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
30. September 2008, an der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Dury
Präsident des Oberlandesgerichts Bartz
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Landrätin Röhl
Bürgermeister Dr. Saftig
Universitätsprofessor Dr. Hufen
Universitätsprofessor Dr. Robbers
Kreisverwaltungsdirektorin Nagel
für Recht erkannt:
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
A.
Die Beschwerdeführer sind beamtete Lehrer und wenden sich gegen das im Nichtraucherschutzgesetz
Rheinland-Pfalz - NRSG - vom 5. Oktober 2007 (GVBl. S. 188) geregelte uneingeschränkte Rauchverbot
in Schulen und bei schulischen Veranstaltungen.
I.
1. Das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz verbietet seit seinem Inkrafttreten am 15. Februar 2008
zum Schutz der Bevölkerung vor Belastungen sowie gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch
Tabakrauch (Passivrauchbelastung) in zahlreichen Einrichtungen, u.a. auch in Schulen, das Rauchen. §§
1 und 5 NRSG lauten:
§ 1
Zweck des Gesetzes, rauchfreie Einrichtungen
(1) Zweck dieses Gesetzes ist der Schutz der Bevölkerung vor Belastungen sowie gesundheitlichen
Beeinträchtigungen durch Tabakrauch (Passivrauchbelastung) in den in den nachfolgenden
Bestimmungen genannten Einrichtungen.
(2) Für Einrichtungen, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes rauchfrei sind, besteht ein
Rauchverbot für alle Personen, die sich dort aufhalten, soweit in den nachfolgenden Bestimmungen keine
abweichenden Regelungen getroffen sind.
§ 5
Rauchfreie Schulen
(1) Alle Gebäude oder Gebäudeteile, in denen
1. Schulen im Sinne des § 6 des Schulgesetzes einschließlich der in § 6 Abs. 2 des Schulgesetzes
genannten Schulen,
2. Ersatz- oder Ergänzungsschulen in freier Trägerschaft im Sinne des § 1 des Privatschulgesetzes
einschließlich der in § 1 Abs. 2 des Privatschulgesetzes genannten Schulen oder
3. mit den in den Nummern 1 oder 2 genannten Schulen verbundene Schülerheime
untergebracht sind, sowie das zu den Schulen oder Schülerheimen gehörende Schulgelände und
schulische Veranstaltungen sind rauchfrei. Satz 1 gilt für in den betreffenden Gebäuden oder
Gebäudeteilen als Wohnung oder Wohnraum genutzte Räumlichkeiten nur, wenn dort Schülerinnen oder
Schüler wohnen.
(2) Die Leitung der Einrichtung kann volljährigen Schülerinnen und Schülern, die in Schülerheimen im
Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 wohnen, das Rauchen in besonderen Räumen oder sonstigen
abgegrenzten Bereichen erlauben; § 2 Abs. 2 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
Darüber hinaus handelt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 NRSG ordnungswidrig, wer seiner Verpflichtung aus §
1 Abs. 2 NRSG zuwider handelt. Diese Ordnungswidrigkeit kann nach § 11 Abs. 2 NRSG mit einer
Geldbuße geahndet werden.
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum Nichtraucherschutzgesetz vom 16. Mai 2007 ist der
Schutz vor Passivrauchbelastungen Ziel des Gesetzes. Insbesondere die Verhinderung des
Tabakkonsums gerade bei jungen Menschen und der Nichtraucherschutz stellten wegen der mit
Passivrauchen verbundenen Gesundheitsgefährdungen ein zentrales Anliegen der rheinland-pfälzischen
Gesundheitspolitik dar (LT-Drucks. 15/1105, S. 7). In den letzten Jahren sei ein Maßnahmen-Mix aus
intensivierten Angeboten der Tabakprävention und gesetzgeberischen Maßnahmen (Erhöhung der
Tabaksteuer und der Verbesserung des Jugendschutzes) erfolgt. Auch gälten 1021 Schulen in Rheinland-
Pfalz inzwischen als rauchfrei, d.h. weder Schülerinnen und Schüler noch Lehrkräfte rauchten in der
Schule oder auf dem Schulgelände. Allerdings hätten trotz zahlreicher Bemühungen nicht alle Schulen
diese Entwicklung zur rauchfreien Schule nachvollzogen. Negativ auf das Verhalten jüngerer
Schülerinnen und Schüler wirke sich insbesondere die "Vorbildfunktion" einzelner Raucherinnen und
Raucher unter dem Lehrpersonal und den älteren Schülerinnen und Schülern aus. Im Hinblick auf den
tageszeitlich begrenzten Aufenthalt in der Schule sei die absolute Rauchfreiheit für das Schulpersonal
zumutbar (vgl. LT‑Drucks. 15/1105, S. 11).
II.
Der Beschwerdeführer zu 1) ist als Lehrer an der Berufsbildenden Schule B. tätig. Durch das Rauchverbot
sieht er sich in seinem Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in unzumutbarer Weise
eingeschränkt. Er sei gezwungen, in den Pausen das Schulgelände zu verlassen, um in etwa 100 m
Entfernung eine Zigarette rauchen zu können. Dort stehe er mit einem großen Teil der Berufsschüler
zusammen, weshalb er in den Pausen keine Entspannung von den Schulstunden erfahre und keine Ruhe
finde.
Der Beschwerdeführer zu 2) übt seine Tätigkeit als Lehrer an der Berufsbildenden Schule TGHS K. aus. Er
rügt eine Verletzung seiner Handlungsfreiheit sowie seiner Würde als Mensch und Amtsperson. Aufgrund
seiner Nikotinabhängigkeit sei es ihm nicht möglich, ohne das Rauchen einer Zigarette in den
Schulpausen konzentriert und professionell zu unterrichten. Der Schutz der Nichtraucher vor einer
Passivrauchbelastung werde auch bei Gestattung eines "Raucherlehrerzimmers" gewährleistet. Die vom
Gesetzgeber angesprochene Vorbildfunktion der Pädagogen auf ihren Tabakkonsum zu reduzieren,
bedeute eine Missachtung der Person des rauchenden Lehrers. Er habe sich einen alten Bauwagen
gekauft und neben dem Schulgelände aufgestellt, um in den Pausen ungestört rauchen zu können.
Dadurch werde der soziale Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen erheblich beeinträchtigt. Darüber
hinaus entfalle der gesetzliche Unfallversicherungsschutz während seiner Rauchpausen außerhalb des
Schulgeländes.
III.
1. Der Landtag Rheinland-Pfalz hält die Verfassungsbeschwerden für zulässig, in der Sache jedoch für
unbegründet.
Die Beschwerdeführer würden nicht in ihrem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 1
Abs. 1 LV verletzt. Diese sei nicht schrankenlos gewährleistet. Vielmehr habe ein Ausgleich mit den
Belangen Dritter nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Das Rauchverbot diene dem
Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens und damit einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut.
Zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen gehöre zudem die Verpflichtung, an der Gesundheits-
förderung mitzuwirken. Insoweit komme der Vorbildfunktion des pädagogischen Personals besondere
Bedeutung zu. Die Regelung verfolge damit ein legitimes Ziel. Sie sei darüber hinaus zur Erreichung des
angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich. Trotz zahlreicher Bemühungen zum Abschluss freiwilliger
Vereinbarungen hätten sich bislang nicht alle Schulen für rauchfrei erklärt. Das Rauchverbot erweise sich
auch als angemessen. Denn die Schutzgüter Leben und körperliche Unversehrtheit seien gegenüber der
Handlungsfreiheit der rauchenden Lehrkräfte als wesentlich höherrangig anzusehen. Schließlich hätten
rauchende Lehrkräfte die Möglichkeit, in den Pausen zu rauchen und einer etwaigen Abhängigkeit
Rechnung zu tragen. Sie müssten dabei allerdings die Unbequemlichkeit ertragen, das Schulgelände zu
verlassen.
2. Auch die Landesregierung erachtet die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer für
unbegründet.
Das Rauchverbot an Schulen werde durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls legitimiert. Sein Sinn sei
es, nichtrauchende Schüler, aber auch Lehrer und sonstiges Schulpersonal vor einer
Gesundheitsgefährdung durch Tabakrauch zu schützen. Darüber hinaus würden die Schulen
entsprechend ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag angehalten, an der Gesundheitsförderung
mitzuwirken und die körperliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Für die Erreichung
des angestrebten Zwecks sei die Anordnung eines Rauchverbots geeignet und erforderlich. Eine
Erlaubnis für Lehrer, auf dem Schulgelände zu rauchen, schwäche die Glaubwürdigkeit präventiver
Bemühungen. Die Maßnahme sei auch angemessen. Für die Beschwerdeführer bestehe die Möglichkeit,
während der Unterrichtspausen das Schulgelände zu verlassen, um zu rauchen. Die damit verbundenen
Unbequemlichkeiten müssten sie hinnehmen. Letztlich resultiere das Rauchverbot aus der staatlichen
Verpflichtung, das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Bürger zu schützen.
B.
Die zulässigen Verfassungsbeschwerden bleiben ohne Erfolg.
Zwar können die Beschwerdeführer geltend machen, durch das ihnen auferlegte Rauchverbot in Schulen
und bei schulischen Veranstaltungen in ihrer durch Art. 1 Abs. 1 LV verbürgten Handlungsfreiheit berührt
zu werden. Jedoch hat der Landesgesetzgeber diese mit der maßgeblichen Regelung des § 5 NRSG in
verfassungsgemäßer Weise eingeschränkt (Art. 1 Abs. 2 LV).
I.
Die allgemeine Handlungsfreiheit der Beschwerdeführer gemäß Art. 1 Abs. 1 LV ist nicht schrankenlos
gewährleistet. Der Einzelne muss nämlich grundsätzlich Einschränkungen dieses Rechts bei
überwiegendem Interesse der Allgemeinheit hinnehmen. Dies folgt daraus, dass Art. 1 Abs. 2 LV dem
Staat die Verwirklichung des Gemeinwohls zur Aufgabe macht. Zu diesem Gemeinwohlauftrag gehört es,
die rechtlichen Interessen und Belange Einzelner und der Gemeinschaft gegeneinander abzugrenzen
und zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dieser Ausgleich muss insbesondere auch dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (VerfGH RP, AS 27, 199 [204]).
Den damit gestellten Anforderungen wird die Regelung des § 5 NRSG gerecht. Der Bestimmung liegt ein
legitimer Zweck zugrunde, zu dessen Erreichung die Vorschrift geeignet und erforderlich ist. Darüber
hinaus führt sie zu keiner unangemessenen Belastung der Beschwerdeführer und lässt ihre status-
rechtliche Stellung unberührt.
1. Der Gesetzgeber verfolgt mit der beanstandeten Vorschrift ein Gemeinwohlziel, das auf vernünftigen
Erwägungen beruht und daher die den Beschwerdeführern auferlegten Beschränkungen zu legitimieren
vermag.
a) Zweck des Nichtraucherschutzgesetzes ist gemäß seines § 1 Abs. 1 der Schutz der Bevölkerung vor
Belastungen sowie gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Tabakrauch (Passivrauchbelastung). Der
damit angestrebte Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren zählt zu den überragend wichtigen
Gemeinschaftsgütern (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008, NJW 2008, 2409 [2412]). Diese Einschätzung
gilt erst recht im Hinblick auf den mit § 5 NRSG beabsichtigten Schutz von Schülerinnen und Schülern vor
den Auswirkungen des Passivrauchens und das Erziehungsziel, sie zum Verzicht auf das Rauchen zu
motivieren.
b) Der Landesgesetzgeber konnte sich bei seiner Entscheidung auf zahlreiche wissenschaftliche
Untersuchungen stützen, nach denen mit dem Passivrauchen schwerwiegende gesundheitliche Risiken
verbunden sind.
So veröffentlichte das Deutsche Krebsforschungszentrum in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster und dem Hygiene-Institut des
Universitätsklinikums Heidelberg im Jahr 2005 erstmals Zahlen für die durch Passivrauchen erhöhte
Sterblichkeit der nichtrauchenden Bevölkerung in Deutschland aufgrund von Lungenkrebs, chronisch-
obstruktiven Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und plötzlichem Kindstod. Danach
sterben in Deutschland jährlich über 3.300 Nichtraucher an den Folgen des Passivrauchens (Deutsches
Krebsforschungszentrum, Passivrauchen - Ein unterschätztes Gesundheitsrisiko, 2. Aufl. 2006, S. 33).
Ursächlich für die schädigende Wirkung des Passivrauchens ist der Tabakrauch, der aus der Raumluft
vom Menschen eingeatmet wird. Dieser Rauch enthält sowohl den vom Raucher eingezogenen und
wieder ausgeatmeten Hauptstromrauch als auch den Nebenstromrauch, der beim Verglimmen der
Zigaretten zwischen den Zügen entsteht. Der Nebenstromrauch weist die gleichen giftigen und
krebserregenden Substanzen wie der Hauptstromrauch auf, allerdings in der Regel in deutlich höherer
Konzentration. Auch Lüftungsanlagen bewirken keinen wirksamen Schutz vor den ge-
sundheitsgefährdenden Schadstoffen des Tabakrauchs, da selbst modernste Ventilationssysteme die
gefährlichen Inhaltsstoffe des Tabakrauchs nicht vollständig aus der Raumluft eliminieren können
(Deutsches Krebsforschungszentrum, a.a.O., S. 9 ff., 14).
Im Rahmen der im Gesetzgebungsverfahren durch den Landtag Rheinland-Pfalz durchgeführten
Anhörung hat das Tumorzentrum Rheinland-Pfalz ausgeführt, Tabakrauch stelle eine der wichtigsten
Krebsursachen in Deutschland dar. Gerade bei der Entstehung des Lungenkrebses spiele die Belastung
mit Zigarettenrauch und anderen Schadstoffen eine überragende Rolle (Zuschrift 15/0087; Protokoll der
14. Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses, S. 23 f.). Auch der Bundesverband der Pneumologen
Rheinland-Pfalz und Saarland e.V. legte im Einzelnen wissenschaftliche Belege für die Schädlichkeit des
Passivrauchens dar und verdeutlichte, es handele sich beim Tabakrauch um eine extrem krank machende
Substanz nicht nur in Bezug auf Lungenkrebs, sondern auch mit Blick auf die Entstehung von
Atemwegserkrankungen (Zuschrift 15/0091; Protokoll der 14. Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses,
S. 14 ff.). Eine diesen Ausführungen in der Sache entsprechende Stellungnahme gab die
Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. ab (Zuschrift 15/0099; Protokoll der 14. Sitzung des
Sozialpolitischen Ausschusses, S. 2 ff.).
Schließlich hat auch die Weltgesundheitsorganisation - WHO - die wissenschaftlichen Erkenntnisse über
die Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen zum Anlass genommen, auf einer Konferenz der
Vertragsparteien im Jahre 2007 Leitlinien zum Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren durch
Tabakrauch zu verabschieden.
c) Auch die weitere Absicht des Landesgesetzgebers, durch präventive Maßnahmen Schülerinnen und
Schüler von Anfang an vom Rauchen abzuhalten, sie zum "Ausstieg vom Rauchen" zu ermuntern und die
nicht rauchenden Schülerinnen und Schüler vor den Auswirkungen des Passivrauchens bei allen
schulischen Veranstaltungen zu schützen, stützt sich auf hinreichende tatsächliche Grundlagen.
So hat das Deutsche Krebsforschungszentrum auf die besondere Gesundheitsgefährdung von Kindern
und Jugendlichen durch Rauchen hingewiesen. Schon junge Raucher litten häufiger als Nichtraucher
unter Atemwegsbeschwerden. Rauchen verzögere das Lungenwachstum und verringere die
Leistungsfähigkeit der Lunge. Rauchende Jugendliche hätten auch eine schlechtere körperliche
Leistungsfähigkeit als nichtrauchende Gleichaltrige. Es mache bereits Kinder und Jugendliche
tabakabhängig. Erste Symptome einer solchen Abhängigkeit könnten bei jugendlichen Rauchern schon
bei gelegentlichem Zigarettenkonsum und innerhalb weniger Wochen und Monate auftreten (Deutsches
Krebsforschungszentrum, Rauchende Kinder und Jugendliche in Deutschland - leichter Einstieg,
schwerer Ausstieg, 2008, S. 17 ff.).
Darüber hinaus hat das Deutsche Krebsforschungszentrum darauf aufmerksam gemacht, die Schaffung
einer rauchfreien Umwelt an Schulen sei eine der Grundvoraussetzungen für eine wirkungsvolle
Tabakprävention im Kindes- und Jugendalter. Das Gestatten des Rauchens an der Schule vermittele den
Eindruck, es handele sich um eine "Erwachsenensache", und stelle eine effektive Botschaft dar, um Kinder
und Jugendliche dazu zu bewegen, mit dem Rauchen zu beginnen. Suchtverhalten werde auf diese
Weise geradezu gefördert, da Kinder und Jugendliche in der Phase ihrer Identitätsbildung für Signale und
Symbole des Erwachsenseins besonders empfänglich seien (Deutsches Krebsforschungszentrum,
Passivrauchen - ein unterschätztes Gesundheitsrisiko, 2. Aufl. 2006, S. 44 f.).
2. Zum Schutz vor Gefährdungen der Gesundheit durch Passivrauchen und zur Tabakprävention bei den
Schülerinnen und Schülern ist ein gesetzliches Rauchverbot in Schulen und bei schulischen
Veranstaltungen geeignet und erforderlich.
Die Eignung einer Regelung ist gegeben, wenn mit Hilfe des Gesetzes der erstrebte Erfolg gefördert
werden kann (VerfGH RP, AS 34, 169 [198]). Es genügt mithin bereits die Möglichkeit einer
Zweckerreichung (BVerfG, a.a.O., 2413). Diese ist hier zu bejahen, weil ein Rauchverbot in Schulen und
bei schulischen Veranstaltungen zu einer Verminderung der Tabakrauchexposition beiträgt. Es beugt dem
Rauchen vor und reduziert das Ausmaß des Passivrauchens sowie die mit ihm verbundenen
Gesundheitsrisiken für Schülerinnen und Schüler, aber auch für nichtrauchende Lehrerinnen und Lehrer.
Das angegriffene Rauchverbot ist zur Erreichung seines Zwecks auch erforderlich, da ein gleich
wirksames, die Beschwerdeführer aber weniger beeinträchtigendes Mittel nicht zur Verfügung steht (vgl.
VerfGH RP, AS 34, 169 [199]).
Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass bereits eingeleitete staatliche Aktionsprogramme noch
nicht zu einem umfassenden Schutz insbesondere der Schülerinnen und Schüler vor den
Gesundheitsgefahren des Passivrauchens geführt haben. Zwar waren 1021 Schulen in Rheinland-Pfalz
rauchfrei und weitere 364 Schulen hatten sich diesem Ziel verpflichtet (LT-Drucks. 15/1105, S. 7). Jedoch
ist es zum Abschluss weiterer freiwilliger Vereinbarungen zum Nichtraucherschutz nicht gekommen. Der
Landesgesetzgeber konnte sich deshalb aufgrund seines Einschätzungs- und Prognosespielraums zum
Handeln veranlasst sehen.
Der beabsichtigte Schutz der Nichtraucher vor einer Passivrauchbelastung würde auch nicht in
vergleichbar effektiver Weise erreicht, wenn die Einrichtung eines "Raucherlehrerzimmers" gestattet wäre.
Der Beschwerdeführer zu 2) verweist demgegenüber zwar auf die Notwendigkeit fachlicher Kontakte zu
seinen Kolleginnen und Kollegen. So würden Absprachen wegen einzelner Schüler oder ganzer Klassen
üblicherweise in den Pausen im Lehrerzimmer stattfinden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass
nichtrauchende Lehrerinnen und Lehrer, die solche Absprachen mit rauchenden Kollegen vornehmen
oder sich mit ihnen über gemeinsam interessierende Fragen austauschen wollten, gezwungen wären, ein
"Raucherlehrerzimmer" aufzusuchen. Sie müssten dann die gesundheitsgefährdenden Wirkungen des
Passivrauchens in Kauf nehmen oder auf den kollegialen Kontakt verzichten. Der Gesetzeszweck würde
so verfehlt.
3. Die angegriffene Regelung ist schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie belastet die
Beschwerdeführer nicht in unangemessener Weise. Die von der Vorschrift für sie ausgehenden
Belastungen stehen in einem angemessenen und vernünftigen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren
Rechtsgüterschutz. Diese Einschätzung beruht auf einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs
und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, die vorrangig dem Gesetzgeber
obliegt (VerfGH RP, AS 31, 348 [361]; AS 34, 169 [199]).
a) Das Rauchverbot in Schulen und bei schulischen Veranstaltungen schränkt die betroffenen
Lehrerinnen und Lehrer in ihrem Wunsch, auch während ihrer allgemeinen Dienstzeit zu rauchen, nicht
völlig ein. Allerdings müssen sie, wenn sie rauchen wollen, die Unbequemlichkeit hinnehmen, das
Schulgelände während der Pausen zu verlassen. Damit können sie diesen Zeitraum nicht dazu nutzen,
sich innerhalb der Schule zurückzuziehen oder sich mit nichtrauchenden Kolleginnen und Kollegen zu
besprechen. Vielmehr bleiben sie unter diesen Umständen auch während der Schulpausen in Kontakt mit
Schülerinnen und Schülern, die gleichfalls das Schulgelände verlassen, um zu rauchen. Ihr Dienstherr
mutet ihnen insoweit eine Verhaltensweise zu, die er in der Vergangenheit nicht für geboten hielt.
b) Der mit der Einführung eines ausnahmslosen Rauchverbots in Schulen verbundenen Einschränkung
steht gegenüber, dass damit überragend wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt werden.
aa) Die Annahme des Gesetzgebers, das Rechtsgut der Gesundheit der Schülerinnen und Schüler, aber
auch der nichtrauchenden Lehrerinnen und Lehrer sei infolge der Gefahren des Passivrauchens bedroht,
begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; der Gesetzgeber kann sich insoweit auf die darge-
legten wissenschaftlichen Einschätzungen berufen.
bb) Darüber hinaus folgt der Gesetzgeber seiner gemäß Art. 1 Abs. 2 LV bestehenden Verpflichtung, sich
schützend vor das verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsgut der Gesundheit zu stellen. Dabei sind
Entwicklung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts grundsätzlich Sache des Gesetzgebers. Ihm
steht bei der Erfüllung der Schutzpflicht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum
zu, dessen Umfang von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs und der Bedeutung der auf
dem Spiel stehenden Rechtsgüter abhängt (VerfGH RP, AS 32, 244 [246 f.]). Der Gesetzgeber ist danach
grundsätzlich berechtigt, angesichts der vom Passivrauchen allgemein ausgehenden gesundheitlichen
Gefahr und der besonderen Gefährdungssituation von Schülerinnen und Schülern Schutzmaßnahmen zu
ergreifen.
cc) Schließlich durfte der Gesetzgeber in die von ihm vorzunehmende Güterabwägung auch die
Überlegung einstellen, mit einer Ausnahmeregelung von einem generellen Rauchverbot in Schulen und
bei schulischen Veranstaltungen werde der auch insoweit bestehenden besonderen Vorbildfunktion der
Lehrer die Grundlage entzogen.
Lehrer sind gemäß Art. 36 LV gehalten, ihr Amt als Erzieher im Sinne der Grundsätze der Verfassung
auszuüben. Hierzu zählt insbesondere die Verpflichtung des Staates nach Art. 27 Abs. 2 LV, eine
geordnete Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu sichern. Sie kann nach der sachlich begründeten
Einschätzung des Gesetzgebers die Aufgabe umfassen, das Eintreten von Gesundheitsgefahren für die
Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts und schulischer Veranstaltungen zu vermeiden. Der
Gesetzgeber ist daher berechtigt, präventive Maßnahmen gegen die Gesundheitsgefahren zu ergreifen,
die mit dem Rauchen verbunden sind. Er ist dabei nicht gehalten, zu Gunsten persönlicher Bedürfnisse
von Lehrern den von ihm für erforderlich erachteten Schutz der Schülerinnen und Schüler vor
Gesundheitsgefahren einzuschränken. Eine solche Einschränkung wäre aber bereits dann gegeben,
wenn Lehrer auf dem Schulgelände oder bei schulischen Veranstaltungen rauchen dürften. Dadurch
könnte nämlich den Schülerinnen und Schülern der Eindruck vermittelt werden, Rauchen sei Ausdruck
des Erwachsenseins und ein nachahmenswertes Verhalten. Die mit der gesetzlichen Regelung
angestrebte wirksame Tabakprävention würde so vereitelt (vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum,
angestrebte wirksame Tabakprävention würde so vereitelt (vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum,
Passivrauchen, S. 44 f.). Gerade gegenüber älteren Schülerinnen und Schülern könnte zudem kaum
sachlich begründet werden, weshalb ihnen im Gegensatz zu ihren Lehrerinnen und Lehrern kein Rück-
zugsraum zum Rauchen auf dem Schulgelände zur Verfügung gestellt wird.
c) Angesichts dieser Ausgangslage ist es nicht zu beanstanden, wenn sich der Gesetzgeber in
Wahrnehmung seines Entscheidungsspielraums für ein ausnahmsloses Rauchverbot in Schulen und
während schulischer Veranstaltungen ausgesprochen und damit den Belangen eines präventiven
Gesundheitsschutzes Vorrang eingeräumt hat. Hierin liegt insbesondere keine gleichheitswidrige
Benachteiligung, wie sie der Beschwerdeführer zu 2) rügt. Der von ihm behauptete Verlust des
gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes beim Verlassen des Schulgeländes zum Zwecke des
Rauchens wäre nämlich keine unmittelbare Folge der angegriffenen Regelung, sondern seiner
eigenverantwortlichen Entscheidung, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.
4. Durch die Regelung des § 5 Abs. 1 NRSG bleibt die statusrechtliche Stellung der Beschwerdeführer als
Beamte unberührt. Das Recht, im Dienst rauchen zu dürfen, ist nicht Bestandteil des von einem Beamten
wahrgenommenen Amtes. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die landesverfassungsrechtlich
verbürgt ist (Art. 126 und 127 LV), zwingt nicht dazu, einem Beamten das Rauchen im dienstlichen
Bereich zu gestatten. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte geltend macht, auf das Rauchen angewiesen
zu sein, um seine dienstlichen Aufgaben angemessen erfüllen zu können. Vielmehr stellt sich unter
diesen Umständen allenfalls die Frage nach der uneingeschränkten Dienstfähigkeit des Beamten.
II.
Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21a
Abs. 1 VerfGHG).
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Dury gez. Röhl