Urteil des VerfGH Berlin vom 02.04.2017

VerfGH Berlin: verfassungsbeschwerde, rechtskraft, foto, klagebegehren, belastung, grundrecht, sammlung, quelle, link, meinung

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
88/93
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
Art 62 Verf BE
(VerfGH Berlin: zu der aus Verf BE Art 62 für die Gerichte
erwachsenden Verpflichtung, den Parteivortrag zur Kenntnis zu
nehmen)
Gründe
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-
Kreuzberg vom 7. Juli 1993. In einem Zivilrechtsstreit hatte das Foto-Studio H.S. gegen
den Beschwerdeführer wegen verschiedener Fotoarbeiten ein Versäumnisurteil über die
Zahlung von 2.290,30 DM zuzüglich Zinsen erstritten, das nach Einspruch mit Urteil vom
28. November 1990 aufrechterhalten wurde. Der Beschwerdeführer legte schon vor
Zustellung des Urteils (am 29. Januar 1991) Berufung ein und bat um Mitteilung, "ob die
Berufungsklage anwaltspflichtig" sei. Mit einem am 12. Februar 1991 zur Post
gegebenen Schreiben des Amtsgerichts wurde der Beschwerdeführer auf den am
Landgericht herrschenden Anwaltszwang hingewiesen. Eine Berufung durch einen Anwalt
erfolgte nicht. Unter Hinweis darauf, der Beschwerdeführer habe schon im letzten
Verhandlungstermin vor dem das Versäumnisurteil aufrechterhaltenden Urteil des
Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg vorgetragen, er habe eine vom Foto-Studio H.S. bei
seiner Klage nicht berücksichtigte a-Cto.-Zahlung von 750,-- DM geleistet, und wegen
einer Berechnungsdifferenz von 39,-- DM erhob der Beschwerdeführer dann seinerseits
Klage gegen das Foto-Studio H.S. auf Rückzahlung von 789,-- DM. Diese wurde mit Urteil
des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 7. Juli 1993 abgewiesen, weil dem
Klagebegehren des Beschwerdeführers die Rechtskraft des Urteils vom 28. November
1990 entgegenstehe.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des
rechtlichen Gehörs. Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts Tempelhof-
Kreuzberg vom 7. Juli 1993 habe zu Unrecht gegenüber dem Klagebegehren des
Beschwerdeführers das Entgegenstehen der Rechtskraft des Urteils vom 28. November
1990 angenommen. Es habe sich insbesondere mit einer näher bezeichneten
Entscheidung des Bundesgerichtshofes, auf die es hingewiesen worden sei, nicht
auseinandergesetzt. Die Streitakten des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - C 38/93 -
und die Akten des Vorprozesses desselben Gerichts - 17 C 232/90 - lagen vor.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. den Beschluß vom
15. Juni 1993 - VerfGH 18/92) dem Art. 62 VvB der Anspruch des Einzelnen auf
Gewährleistung rechtlichen Gehörs zu entnehmen, und eine Verfassungsbeschwerde
kann demzufolge mit der Behauptung, dieses Recht sei verletzt worden, zulässigerweise
erhoben werden. Zu den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen gehören jedoch das
allgemeine Rechtsschutzbedürfnis und die Erschöpfung des Rechtsweges, § 49 Abs. 2
Satz 1 VerfGHG.
Dem Beschwerdeführer geht es darum, daß das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in
seinem Urteil vom 28. November 1990 einen angeblich a-Cto. gezahlten Betrag des
Beschwerdeführers auf die Klagesumme trotz Vorbringens im Verhandlungstermin nicht
angerechnet habe. Obwohl das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg den
Beschwerdeführer innerhalb der noch laufenden Berufungsfrist auf die Notwendigkeit
anwaltlicher Vertretung im Berufungsverfahren hingewiesen hatte, hat der
Beschwerdeführer gegen das ihn nach seiner Meinung mit mindestens 750,-- DM zu
Unrecht belastende Urteil vom 28. November 1990 keine formgerechte Berufung
eingelegt. Bei dieser Sachlage bestehen Bedenken gegen die Zulässigkeit der
Verfassungsbeschwerde, weil der Beschwerdeführer nicht alle ihm zumutbaren
Möglichkeiten zur anderweitigen Beseitigung der von ihm als Unrecht empfundene
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Möglichkeiten zur anderweitigen Beseitigung der von ihm als Unrecht empfundene
Belastung ausgeschöpft hat. Die Frage kann aber dahinstehen, weil die
Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet ist.
Das Grundrecht des rechtlichen Gehörs gewährt den am Verfahren Beteiligten das
Recht, sich zu den der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen und zur
Rechtslage zu äußern. Damit wird das Gericht auch verpflichtet, das Vorbringen eines
Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und mit zu erwägen (vgl. BVerfGE 11, 218/220). Das
Vorbringen des Beschwerdeführers, die Rechtskraft des Urteils vom 28. November 1990
stehe seiner neuen Klage nicht entgegen, ist im Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-
Kreuzberg vom 7. Juli 1993 unter Heranziehung von Literatur und Rechtsprechung
erwogen worden. Damit ist dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gewährung
rechtlichen Gehörs Genüge getan. Es bedarf keiner Beurteilung, ob die Ausführungen im
Urteil des Amtsgerichts überzeugen oder - wie der Beschwerdeführer meint - nicht
überzeugen. Darauf kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Der
Verfassungsgerichtshof ist nämlich keine zusätzliche gerichtliche Instanz, sondern
gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte in seinem Prüfungsmaßstab auf die
Feststellung von Verfassungsverstößen beschränkt.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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