Urteil des VerfGH Berlin vom 04.01.1993
VerfGH Berlin: wiedereinsetzung in den vorigen stand, rechtliches gehör, einstellung des verfahrens, verfassungsbeschwerde, verwaltungsbehörde, einspruch, vollmacht, grundrecht, rechtswegerschöpfung
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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
121/93
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 62 Verf BE, § 67 OWiG, §
137 Abs 1 S 2 StPO, § 146a
Abs 2 StPO
VerfGH Berlin: Aufhebung eines Beschlusses im
Bußgeldverfahren wegen Verletzung des Rechts auf rechtliches
Gehör aufgrund verfahrensfehlerhafter amtsgerichtlicher
Auffassung zur Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts
Tenor
1. Der Beschluß des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Januar 1993 - verletzt das
Grundrecht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör und wird aufgehoben. Die
Sache wird an das Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
2. ...
3. ...
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheid vom 28. April 1992, zugestellt am 20. Mai 1992, setzte der
Polizeipräsident in Berlin gegen den Beschwerdeführer als Betroffenen aufgrund des
Vorwurfs, am 2. April 1992 als Führer eines Kraftrades eine Ordnungswidrigkeit begangen
zu haben, eine Geldbuße von 250 DM fest (§ 17 OWiG) und ordnete zugleich ein
einmonatiges Fahrverbot an (§ 25 StVG). Am 1. Juni 1992 ging bei der
Verwaltungsbehörde durch Telefax eine namens des Beschwerdeführers auf einem
Briefbogen der Anwaltssozietät J..., K..., K... verfaßte, von der Rechtsanwältin S...
unterschriebene Einspruchsschrift nebst einer Strafprozeßvollmacht des Betroffenen auf
diese Anwaltssozietät ein. Der Polizeipräsident übersandte hierauf mit Schreiben vom
19. Juni 1992 gemäß § 69 Abs. 1 OWiG den Vorgang über die Amtsanwaltschaft Berlin an
das Amtsgericht Tiergarten zur Entscheidung über den Einspruch.
Der Richter des Amtsgerichts Tiergarten, Abt. 317, sandte die Akten zurück "zur Prüfung
und Mitteilung, ob in dortiger Zuständigkeit überhaupt die Zulässigkeit des Einspruchs
geprüft worden ist", weil die unterzeichnende Rechtsanwältin nicht zu den in der
Vollmacht genannten Sozietätsmitgliedern gehöre und außerdem selbst bei
Unterbevollmächtigung die unzulässige Bestellung eines vierten Verteidigers vorliegen
würde. Der Polizeipräsident sandte die Akten unter dem 5. August 1992 an das
Amtsgericht Tiergarten zurück mit dem Bemerken, daß eine Prüfung der Zulässigkeit
des Einspruchs "im Sinne der dortigen Anfrage" nicht vorgenommen worden sei. Der
Amtsrichter leitete die Akten unter dem 10. August 1992 an die Amtsanwaltschaft Berlin
"m.d.Bitte, prüfen zu lassen, ob die Verwaltungsbehörde die bisher nicht vorgenommene
Prüfung evtl. nachzuholen bereit ist". Die Amtsanwaltschaft sandte die Akten an den
Polizeipräsidenten zurück "mit dem Ersuchen um Erledigung" dieses Anliegens des
Amtsrichters.
Der Polizeipräsident richtete hierauf unter dem 10. September 1992 an Rechtsanwältin
S... folgendes Schreiben:
"Ausweislich der uns übersandten Vollmacht des Mandanten vom 29.5.1992 gehören Sie
nicht zu den legitimierten Bevollmächtigten. Im übrigen wären Sie bereits die vierte
Verteidigerin. Um Klärung der Angelegenheit wird gebeten".
Hierauf teilte Rechtsanwalt J... mit Schreiben vom 24. September 1992 mit, daß
Rechtsanwalt K... sein Mandat niedergelegt habe. Der Polizeipräsident gab die Akten
anschließend am 1. Oktober 1992 über die Amtsanwaltschaft an das Amtsgericht ab,
erhielt sie jedoch gemäß einer Verfügung des Amtsrichters vom 12. Oktober 1992 "zur
Erledigung in eigener Zuständigkeit zurückgesandt"
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Durch einen unter dem 28. Oktober 1992 ergangenen, dem Beschwerdeführer am 6.
November 1992 zugestellten Bescheid verwarf der Polizeipräsident den Einspruch als
unzulässig, da eine Bevollmächtigung für Rechtsanwältin S... nicht nachgewiesen worden
sei.
Mit einem namens des Betroffenen auf einem Briefbogen der Anwaltssozietät J...,K..., K...
verfaßten Schriftsatz, bei der Bußgeldstelle am 11. November 1992 eingegangen,
beantragte Rechtsanwalt J... hiergegen gerichtliche Entscheidung, hilfsweise
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er führte zur Begründung aus, Rechtsanwältin
S... sei von Anfang an bevollmächtigt gewesen, während Rechtsanwalt K... von Anfang an
nicht vertreten habe. Hierzu wurde eine von dem Betroffenen unterzeichnete
Strafprozeßvollmacht auf Rechtsanwältin S... vom 29. Mai 1992 eingereicht.
Durch Beschluß das Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Januar 1993 - ...- wurde der Antrag
des Betroffenen auf Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidenten vom 28. Oktober
1992 verworfen "aus den weiterhin zutreffenden Gründen dieses Bescheides" und mit
der ergänzenden Begründung, daß der Betroffene unter Verstoß gegen
Verfahrensvorschriften mehr als drei Verteidiger gewählt habe. Wegen des
Wiedereinsetzungsgesuchs sandte der Amtsrichter die Akten zunächst wieder an den
Polizeipräsidenten und empfahl die Verwerfung. Die Bußgeldstelle hielt sich jedoch nicht
für zuständig, da der Einspruch rechtzeitig, allerdings nicht wirksam eingelegt worden
sei. Der Amtsrichter verwarf den Wiedereinsetzungsantrag hierauf mit Beschluß vom 17.
Februar 1993,zugestellt am 22. März 1993, als unzulässig, da er nicht die erforderlichen
Angaben über die versäumte Frist, den konkreten Hinderungsgrund und den Zeitpunkt
des Wegfalls des Hindernisses enthalte.
Der Beschwerdeführer legte hiergegen am 25. März 1993 sofortige Beschwerde ein und
machte zur Begründung geltend, es habe keiner näheren Darlegung im
Wiedereinsetzungsantrag bedürft. Aus den Akten ergebe sich auf den ersten Blick, daß
er irrtümlich so behandelt worden sei, als habe er die Einspruchsfrist versäumt.
Mit Beschluß der Strafkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 2. September 1993 - ... -,
zur Post gegeben am 28. September 1993, wurde das Rechtsmittel als unbegründet
verworfen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Ein Wiedereinsetzungsgrund
gemäß § 44 StPO liege nicht vor, da der Betroffene keine Frist versäumt habe. Daß
Rechtsanwältin S... bevollmächtigt gewesen sei, stehe mit der zwischenzeitlichen
Einreichung der Urkunde fest und habe auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist
nachgewiesen werden können. Ob der Betroffene zunächst mehr als drei Verteidiger
bestellt habe, sei gemäß § 146 a Abs. 2 StPO schon deshalb unerheblich, weil
Rechtsanwältin Sie nicht zuvor als Verteidigerin zurückgewiesen worden sei. An einer
Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 4. Januar 1993 sei die Kammer
gehindert, da dieser gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar sei. Diese
Unanfechtbarkeit könne "nicht dadurch umgangen werden", daß Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand gewährt werde.
Der Beschwerdeführer hat am 8. November 1993 beim Verfassungsgerichtshof
Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Januar
1993 - erhoben, nachdem er zuvor schon unter dem 15. Oktober 1993 einen Antrag auf
Erlaß einer einstweiligen Anordnung - VerfGH 113/93 gegen die Vollziehung des
Bußgeldbescheides gestellt hatte. Er macht geltend, durch den angefochtenen Beschluß
des Amtsgerichts in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt worden zu sein.
Die Senatsverwaltung für Justiz hat erklärt, sie sehe von einer Stellungnahme zur der
Verfassungsbeschwerde ab.
II.
1) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
a) Das Erfordernis der vorgängigen Rechtswegerschöpfung (§ 49 Abs. 2 VerfGHG) ist
gewahrt. Da das Amtsgericht im angefochtenen Beschluß vom 4. Januar 1993 noch nicht
über den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag entschieden hatte, gehörte zur
Ausschöpfung des Rechtsweges das Abwarten der diesbezüglichen Entscheidung des
Amtsgerichts vom 17. Februar 1993 und der Entscheidung über die dagegen eingelegte
sofortige Beschwerde vom 25. März 1993. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob bereits
die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Januar 1993 entgegen der
beigefügten Rechtsmittelbelehrung mit der sofortigen Beschwerde nach § 70 Abs. 2
OWiG deswegen anfechtbar war, weil das Amtsgericht mit der erstmaligen Zuleitung des
Vorgangs im Juni 1992 die alleinige Entscheidungskompetenz über den Einspruch erlangt
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Vorgangs im Juni 1992 die alleinige Entscheidungskompetenz über den Einspruch erlangt
hatte und nicht durch zwischenzeitliche Rückgabe ohne verfahrensrechtliche Grundlage
Rechtsmittelmöglichkeiten vereiteln konnte. Denn die Versäumung der Frist für die
sofortige Beschwerde wäre gemäß § 44 Satz 2 StPO als unverschuldet anzusehen
gewesen; das Landgericht Berlin, an das sich der Beschwerdeführer mit der nach dem
ergänzenden Verwerfungsbeschluß des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. Februar 1993
eingelegten Beschwerde wandte, wäre dann schon aus diesem Grunde zur Gewährung
von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (betreffend diese Beschwerdefrist) und zur
sachlichen Überprüfung des ersten Verwerfungsbeschlusses vom 4. Januar 1993 befugt
gewesen. Der Beschwerdeführer hat zwar in dem genannten Beschwerdeverfahren beim
Landgericht nur den Beschluß vom 17. Februar 1993 als angegriffen bezeichnet; der
Sache nach war jedoch klar, daß er sein eigentliches Ziel einer sachlichen richterlichen
Überprüfung in einem Hauptverfahren beim Amtsgericht nur über den Wegfall des
Verwerfungsbeschlusses vom 4. Januar 1993 erreichen konnte. Das Landgericht hat den
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens auch so umfassend verstanden, wie sich aus
der Begründung des Beschlusses vom 2. September 1993 ergibt. Dort wird ausgeführt,
an einer Aufhebung des Beschlusses vom 4. Januar 1993 sei die Kammer gemäß § 62
Abs. 2 Satz 3 OWiG gehindert, da dieser unanfechtbar sei. Falls das Rechtsmittel der
sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß vom 4. Januar 1993 gegeben gewesen sein
sollte, ist dieses somit vom Beschwerdeführer ohne schuldhafte Fristversäumnis
ausgeschöpft worden.
Der Rechtsweg ist im übrigen auch unter Berücksichtigung der unter anderem durch §
33 a StPO eröffneten Möglichkeit, sich bei einem unanfechtbaren Beschluß nachträglich
das rechtliche Gehör zu verschaffen, erschöpft (vgl. insoweit VerfGH, Beschluß vom 15.
Juni 1993, JR 1993, 519 und vom 2. Dezember 1993, VerfGH 89/93, NJW 1994, S. 436).
Denn mit der sofortigen Beschwerde vom 25. März 1993 wurde das Amtsgericht gemäß
§ 311 Abs. 3 Satz 2 StPO in gleicher Weise wie nach den Regeln des § 33 a StPO dazu in
die Lage versetzt, seine irrtümliche Entscheidung, der Beschwerdeführer habe die
Einspruchsfrist versäumt, zu korrigieren und ihm dadurch rechtliches Gehör zu
gewähren. Unter diesen Umständen war ein neuer förmlicher Antrag unter Bezugnahme
auf § 33 a StPO unter dem Gesichtspunkt der Rechtswegerschöpfung entbehrlich.
b) Die Verfassungsbeschwerde ist auch innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei
Monaten nach Mitteilung der den Rechtsweg abschließenden Entscheidung des
Landgerichts Berlin vom 2. September 1993 eingelegt worden (§ 51 Abs. 1 Satz 1
VerfGHG).
c) Die Verfassungsbeschwerde entspricht auch inhaltlich den Zulässigkeitserfordernissen
nach § 49 Abs. 1 und § 50 VerfGHG. Der Schriftsatz vom 8. November 1993 ist zwar
außerordentlich knapp gehalten und wird erst über die darin enthaltene Bezugnahme auf
den schon zuvor mit Schriftsatz vom 15. Oktober 1993 beim Verfassungsgerichtshof
gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (Akten
VerfGH 113/93) verständlich. Der Verfassungsgerichtshof hält diese Form der
Bezugnahme unter den gegebenen Umständen für verfahrensrechtlich zulässig. Die
angegriffene Handlung eines Organs des Landes Berlin ist damit hinreichend klar und
ausführlich dargelegt, und es ist die konkrete Möglichkeit aufgezeigt, daß der
Beschwerdeführer dadurch in einem seiner in der Verfassung von Berlin enthaltenen
Rechte verletzt ist. Das als verletzt geregte Grundrecht auf rechtliches Gehör ist, wie der
Verfassungsgerichtshof bereits entschieden hat (vgl Beschl vom 15. Juni 1993 - VerfGH
18/92 = JR 1993, 519 und vom 11. August 1993 - VerfGH 58/93), auch durch die
Verfassung von Berlin, namentlich durch Art. 62 VvB, gewährleistet. Diese im Umfang
dem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG entsprechende Verbürgung der
Landesverfassung ist gemäß Art. 142 GG wirksam und in der Rechtsanwendung durch
die Berliner Gerichte zu beachten sowie im Verfassungsbeschwerdeverfahren beim
Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin rügefähig, auch wenn die angegriffene
Entscheidung, wie im vorliegenden Falle, in Anwendung von Bundesrecht ergangen ist
(vgl. Beschl. vom 2. Dezember 1993 - VerfGH 89/93 = NJW 1994, 436 m. Nachw.). Eine
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 3 GG ist nicht erforderlich
(vgl. in diesem Zusammenhang Beschluß vom 2. Dezember 1993 a.a.O.).
2) Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß des
Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Januar 1993 - ... - beruht auf Verletzung des in der
Verfassung von Berlin verbürgten Grundrechts des Beschwerdeführers auf rechtliches
Gehör und ist daher gemäß § 54 Abs. 3 VerfGHG aufzuheben.
a) Gemäß § 67 Abs. 1 OWiG kann der Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid der
Verwaltungsbehörde innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zur
Niederschrift der Verwaltungsbehörde Einspruch einlegen. Ein zulässiger Einspruch führt,
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Niederschrift der Verwaltungsbehörde Einspruch einlegen. Ein zulässiger Einspruch führt,
sofern nicht die Verwaltungsbehörde oder die Staatsanwaltschaft gemäß § 69 OWiG eine
Rücknahme des Bescheides bzw. Einstellung des Verfahrens aussprechen, im
Hauptverfahren beim Amtsgericht nach §§ 71 ff. OWiG zu einer sachlichen Klärung über
die als Ordnungswidrigkeit vorgeworfene Tat. Die verfahrensrechtlichen Regelungen,
nach denen das Gericht eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Einspruchs (§ 70
OWiG) oder über einen Rechtsbehelf nach § 62 OWiG gegen eine von der
Verwaltungsbehörde ausgesprochene Verwerfung des Einspruchs (§ 69 Abs. 1 OWiG) zu
treffen hat, stellen zugleich eine Ausprägung des Verfassungsgrundsatzes des
rechtlichen Gehörs dar. Zwar ist nicht jeder den Fachgerichten bei der Anwendung des
Verfahrensrechts unterlaufende Fehler einer Korrektur im
Verfassungsbeschwerdeverfahren zugänglich. Die Schwelle eines Grundrechtsverstoßes
in diesem Bereich ist jedoch überschritten, wenn die Rechtsanwendung grob fehlerhaft,
also offenkundig unrichtig ist (vgl. für die Wahrung des entsprechenden Grundrechts
nach dem Grundgesetz BVerfGE 69, 145 = NJW 1985, 1150; BVerfGE 75, 302 = NJW
1987, 2733) oder es um die Gewährleistung eines Mindestmaßes an
Verfahrensbeteiligung geht, das nicht einmal der Gesetzgeber vorenthalten dürfte (vgl
BVerfG, NJW 1993, 2229).
b) Diese Voraussetzungen eines Verfassungsverstoßes sind hier erfüllt. Das Amtsgericht
hat unter grobem Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften verkannt, daß die
am 1. Juni 1992 durch Telefax übermittelte, von der Rechtsanwältin S... unterschriebene
Einspruchsschrift dem vertretenen Betroffenen wirksam zuzurechnen war. Daß nicht
sogleich schon innerhalb der Einspruchsfrist eine auf Rechtsanwältin S... lautende
Vollmacht bzw. Untervollmacht mit eingereicht wurde, ist nach anerkannter Auffassung
unschädlich. Ein vom Gericht für erforderlich gehaltener schriftlicher Nachweis kann auch
nach Fristablauf nachgereicht werden. Im vorliegenden Falle bestand im übrigen schon
im Hinblick auf die bereits eingereichte Vollmacht zugunsten der Anwaltssozietät J..., K...,
K... niemals ein vernünftiger Zweifel, daß Rechtsanwältin S... , die den Schriftsatz auf
einem Briefbogen dieser Anwaltssozietät fertigte, jedenfalls im Rahmen einer
Vollmachtkette berechtigt für den Beschwerdeführer handelte. Eine förmliche
Bestätigung des Bestehens einer Untervollmacht wurde dem Beschwerdeführer bzw.
seinen Vertretern niemals in klarer Form mit Fristsetzung aufgegeben. Aus dem
Antwortschreiben von Rechtsanwalt J... vom 24. September 1992 an die Bußgeldstelle
als Reaktion auf deren Schreiben vom 10. September 1992 war jedoch mittelbar zu
entnehmen, daß dieser die Berechtigung der Rechtsanwältin S... zum Handeln als
Unterbevollmächtigte für die Anwaltssozietät bestätigen wollte. Nachdem die Behörde
gleichwohl auf Veranlassung des Amtsrichters die Verwerfung des Einspruchs wegen
Fehlens des Vollmachtsnachweises ausgesprochen hatte, reichte Rechtsanwalt J... mit
dem rechtzeitigen Antrag auf gerichtliche Überprüfung e. auf Rechtsanwältin S...
lautende, vom Beschwerdeführer unterschriebene weitere Vollmachturkunde ein. Es ist
nicht nachvollziehbar und findet in dem Akteninhalt keine Grundlage, daß das
Amtsgericht gleichwohl in dem jetzt angegriffenen Beschluß vom 4. Januar 1993 den
Antrag "aus den weiterhin zutreffenden Gründen dieses Bescheids" verworfen hat. Auch
der vom Amtsgericht hinzugefügte weitere Verwerfungsgrund, daß eine zur
Unwirksamkeit führende Tätigkeit als vierter Verteidiger (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO)
vorliege, ist grob gesetzwidrig. Abgesehen davon, daß die Unterzeichnung der auf eine
Sozietät ausgestellten Vollmachturkunde noch nicht die Erlangung der
Verteidigerstellung für alle Sozietätsmitglieder ausweist (vgl. BVerfGE 43, 79 = NJW
1977, 99), ist jedenfalls durch § 146 a Abs. 2 StPO unmißverständlich festgelegt, daß
eine vor der Zurückweisung vorgenommene Handlung eines Verteidigers wirksam ist
und bleibt.
3) Der schon vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde gestellte Antrag, im Wege
einstweiliger Anordnung (§ 31 VerfGHG) die Vollziehung des Bußgeldbescheides
auszusetzen, erübrigt sich mit der Entscheidung zur Hauptsache und bedarf damit
keiner weiteren Erörterung.
Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit und die Erstattung der notwendigen
Auslagen beruht auf § 33 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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