Urteil des VerfGH Berlin vom 15.03.2017

VerfGH Berlin: rechtliches gehör, treu und glauben, verfassungsbeschwerde, vertreter, zeugenaussage, werkvertrag, aktivlegitimation, willenserklärung, zustandekommen, zeugnis

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 15 Abs 1 Verf BE, § 164
BGB, § 179 BGB, § 631 BGB
VerfGH Berlin: Keine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches
Gehör durch zivilgerichtliche Abweisung einer Werklohnklage
mangels Nachweis der Aktivlegitimierung
Gründe
Die Beschwerdeführerin begehrte von den Beklagten des Ausgangsverfahrens Werklohn
für Arbeiten, die sie in der Mietwohnung der Beklagten ausgeführt hatte. Der
Werkvertrag soll dabei nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren
auf ihrer Seite durch Willenserklärung ihres Bevollmächtigten, des im Ausgangsverfahren
vom Amtsgericht als Zeugen vernommenen Herrn M., zustande gekommen sein. Dies
bestritten die Beklagten des Ausgangsverfahrens. Sie seien der Auffassung gewesen,
Herr M. sei als Vertreter der Vermieterin aufgetreten. Unstreitig war Herr M. auch
Vertreter der Vermieterin, die gleichzeitig in der Wohnung mit Einverständnis der
Beklagten Modernisierungsarbeiten in erheblichem Umfang an der Heizungsanlage und
im Bad durchführte. Zwischen der Klägerin und der Vermieterin bestanden damals
gesellschaftsrechtliche Verflechtungen.
Das Amtsgericht Schöneberg ging in seinem Urteil vom 4. Januar 2001 (8 C 481/97)
davon aus, dass zwischen den Parteien ein Werkvertrag über Arbeiten zwecks
Vergrößerung des Badezimmers zustande gekommen sei, und gab der Klage
überwiegend statt. Der vernommene Zeuge M. habe ausgesagt, dass die Beklagte zu 1.
von ihm darauf hingewiesen worden sei, dass die Beklagten die Kosten der
Badvergrößerung übernehmen müssten. Damit sei sie einverstanden gewesen.
Auf die Berufung der Beklagten des Ausgangsverfahrens änderte das Landgericht mit
dem vorliegend angegriffenen Urteil das amtsgerichtliche Urteil ab und wies die
Werklohnklage insgesamt ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe nicht
darzulegen vermocht, dass sie hinsichtlich eines Werklohnanspruchs gegen die
Beklagten aktiv legitimiert sei. Maßgeblich für den gemäß §§ 133, 157 BGB durch
Auslegung zu ermittelnden Sinngehalt der Willenserklärung sei, wie ein verständiger
Dritter unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte das
Erklärungsverhalten vom Empfängerhorizont aus habe verstehen dürfen. Die Klägerin
habe schon nicht substantiiert dargelegt, dass der Zeuge M. hiernach im Namen der
Klägerin gehandelt habe. Der diesbezügliche Vortrag erschöpfe sich in einer schlichten
Rechtsbehauptung. Die erneut angebotene Vernehmung des Zeugen M. stelle einen
unzulässigen Ausforschungsbeweis dar. Der vom Zeugen M. in seiner erstinstanzlichen
Vernehmung dargestellte Sachverhalt habe die Beklagten berechtigt, davon
auszugehen, dass der Zeuge M. als ihr Ansprechpartner für die Vermieterin auftrete.
Keinesfalls hätten sie ohne ausdrückliche Abrede davon ausgehen müssen, nunmehr
selbst unmittelbar Aufträge an die Beschwerdeführerin als Werkunternehmerin zu
vergeben.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin
beruft sich auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 15 Abs. 1
VvB). Das Landgericht habe ihren erstinstanzlichen Vortrag und die erstinstanzliche
Zeugenaussage nicht ausreichend gewürdigt bzw. zu Unrecht als unsubstantiiert und
damit unerheblich angesehen. Darüber hinaus habe es versäumt, auf seine vom
Amtsgericht abweichende Auffassung zur Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin
rechtzeitig hinzuweisen.
II.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
Das Landgericht Berlin hat im angefochtenen Urteil nicht gegen die Gewährleistung des
rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 15 Abs. 1 VvB verstoßen. Aus dieser
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rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 15 Abs. 1 VvB verstoßen. Aus dieser
verfassungsrechtlichen Verbürgung folgt zunächst, dass ein Gericht die Ausführungen
der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in
Erwägung zu ziehen hat. Das heißt jedoch nicht, dass das Gericht sich in den
schriftlichen Entscheidungsgründen mit jedem Einzelvorbringen auseinandersetzen
muss (s. Beschluss vom 22. Mai 1997 – VerfGH 34/97 – LVerfGE 6, 80 <82>) und erst
recht nicht, dass das Gericht verpflichtet ist, sich die Wertungen des Vortragenden zu
eigen zu machen. Der Verfassungsgerichtshof kann nur dann feststellen, dass ein
Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen,
verletzt hat, wenn sich dies aus den Umständen des einzelnen Falles eindeutig ergibt.
Ein derartiger Fall ist hier nicht gegeben.
Nach dem vom Landgericht zu beurteilenden unstreitigen Sachverhalt war der Zeuge M.
sowohl von der Vermieterin als auch von der Beschwerdeführerin bevollmächtigt. Das
Landgericht geht in Anwendung des einfachen Rechts davon aus, dass bei dieser
Sachlage das Zustandekommen eines Vertrages der Beklagten des
Ausgangsverfahrens gerade mit der Beschwerdeführerin nur dann substantiiert
dargelegt ist, wenn diese Umstände darlegt, die aus der Sicht der Beklagten gerade ein
Handeln des Zeugen M. im Namen der Beschwerdeführerin nahelegen. Es ist nicht
ersichtlich, was gegen diesen Ausgangspunkt des Landgerichts verfassungsrechtlich zu
erinnern wäre.
Das Landgericht würdigt auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung den Vortrag der
Beschwerdeführerin als unsubstantiiert. Es ist entgegen dem Vortrag der
Beschwerdeführerin nicht ersichtlich, weshalb es dabei das Gebot des rechtlichen Gehörs
verletzt haben sollte. In keiner der in der Verfassungsbeschwerde zitierten Textstellen
aus dem Ausgangsverfahren wird von der Beschwerdeführerin eine Tatsache benannt,
die das Landgericht zwingend hätte veranlassen müssen, der Frage, wie die Beklagten
die Erklärungen des Zeugen M. im Einzelnen verstehen mussten, weiter nachzugehen.
Soweit die Beschwerdeführerin auf ihren Vortrag im Schriftsatz vom 30. Januar 1998 auf
Seite 2 verweist, wird dort nicht einmal behauptet, dass die Beklagten den unstreitigen
Auftrag ausdrücklich der Klägerin (und nicht der Vermieterin) erteilten. Auch im
Schriftsatz vom 19. Februar 1998 wird auf Seite 3 lediglich behauptet, die Arbeiten seien
von den Beklagten "gegenüber dem Zeugen M. als Vertreter der Klägerin" in Auftrag
gegeben worden, ohne dass hierfür einzelne Tatsachen genannt werden. Mit Schriftsatz
vom 27. März 1998 wird vorgetragen, der Zeuge M. sei "eindeutig als Bevollmächtigter
der Klägerin gegenüber den Beklagten aufgetreten und (habe) die entsprechenden
Aufträge der Beklagten auch ausdrücklich und unmissverständlich im Namen der
Klägerin entgegengenommen". Auf welche Tatsachen sich diese Wertung stützt, wird
nicht vorgetragen.
Im Berufungsverfahren hat die Beschwerdeführerin sich ausdrücklich die Zeugenaussage
des Zeugen M vor dem Amtsgericht, wie sie sich aus dem Protokoll vom 2. November
1998 ergibt, zu eigen gemacht. Sie führt insoweit erneut unter Verweis auf das Zeugnis
des Herrn M. aus, dieser sei "in erster Linie" für die Beschwerdeführerin tätig gewesen
und die Beklagten des Ausgangsverfahrens hätten keinen Zweifel daran haben können,
dass sie bei den Gesprächen mit dem Zeugen M. ein Vertragsverhältnis mit der
Beschwerdeführerin eingehen.
Der Zeuge M. hatte in seiner Vernehmung insoweit jedoch bekundet, einerseits als
Vermittler zwischen den Beklagten des Ausgangsverfahrens und der Vermieterin
aufgetreten zu sein und andererseits auch Generalbevollmächtigter der
Beschwerdeführerin gewesen zu sein. Er hatte weiterhin ausgesagt, dass er die
Beklagten des Ausgangsverfahrens darauf hingewiesen habe, dass sie die Kosten der
Vergrößerung des Bades tragen müssten. Dies sei von den Beklagten des
Ausgangsverfahrens auch akzeptiert worden. Die Zeugenaussage des Herrn M. enthält
jedoch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass den Beklagten des
Ausgangsverfahrens klar gewesen wäre oder hätte klar sein müssen, dass sie diese
Schuld gerade gegenüber der Beschwerdeführerin und nicht gegenüber der Vermieterin
übernähmen. Insoweit geht der Vortrag der Verfassungsbeschwerde, das Landgericht
habe einen Vortrag der Beschwerdeführerin übersehen oder nicht ausreichend
gewürdigt, ins Leere.
Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, es habe zumindest eines entsprechenden
Hinweises des Landgerichts auf seine von der Auffassung des Amtsgerichts
abweichende Bewertung des Vortrages der Beschwerdeführerin bedurft, vermag dies
auch dann keinen Verstoß gegen das Gebot ausreichenden rechtlichen Gehörs zu
begründen, wenn man unterstellt, dass diese Frage nicht ausdrücklicher Gegenstand
einer Äußerung des Einzelrichters in der mündlichen Verhandlung war. Die Frage der
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einer Äußerung des Einzelrichters in der mündlichen Verhandlung war. Die Frage der
Aktivlegitimation war eine zentrale Frage der Berufungsschrift. Dort wird auf Seite 2 von
den Beklagten des Ausgangsverfahrens ausdrücklich dargelegt, dass der für die
Beschwerdeführerin auftretende Herr M. aus Sicht der Beklagten der maßgebliche
Ansprech- und Verhandlungspartner der Vermieterin gewesen sei und darüber hinaus
die Vermieterin und die Beschwerdeführerin gesellschaftsrechtlich verbunden seien. Bei
dieser Sachlage bedurfte es keines zusätzlichen Hinweises des Gerichts auf die sich
dadurch offenkundig ergebende Substantiierungsproblematik hinsichtlich des Problems,
für wen Herr M. konkret jeweils im Einzelnen handelte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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