Urteil des VerfGH Berlin vom 29.05.1998

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, auszahlung, faires verfahren, öffentliche gewalt, aufhebungsvertrag, widerruf, verfassungsbeschwerde, kaufpreis, käufer, kaufvertrag

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
166/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 103 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1
GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 15 Abs
1 Verf BE
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen die Verletzung des Grundrechts auf
rechtliches Gehör durch das Land- sowie das Kammergericht in einer Notariatssache.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Mai 1998 zu der UR-Nr. 200/1998 des in Berlin
ansässigen Notars G. veräußerte Herr B. unbebaute Grundstücke an Herrn K. Gemäß
Ziff. 3 Nr. 4 des Vertrages wiesen beide Parteien den Notar gemeinschaftlich und
unwiderruflich an, den vom Käufer auf einem Notaranderkonto zu hinterlegenden
Kaufpreis in Höhe von 30.000,- DM an den Verkäufer oder nach dessen Weisung an
Dritte auszuzahlen, wenn u. a. die Übergabe des Kaufgegenstandes erfolgt und dies
dem Notar seitens des Käufers schriftlich angezeigt worden ist (5. Spiegelstrich).
Mit Abtretungsvereinbarung vom 4. Juni 1998 trat Herr B. seine Rechte aus dem
notariellen Vertrag, darunter den Kaufpreisanspruch gegen Herrn K., an Herrn M. ab.
Dieser wiederum trat an demselben Tag seine Rechte aus dem Abtretungsvertrag vom
4. Juni 1998 mit Herrn B. an den Beschwerdeführer ab, der dem Notar G. die
Abtretungen mit Schreiben vom 8. Juni 1998 anzeigte.
Nach Eintragung der Eigentumsverschaffungsvormerkung zugunsten von Herrn K. im
Grundbuch forderte der Notar G. Herrn K. mit Schreiben vom 19. November 1998 auf,
den Kaufpreis auf dem eingerichteten Notaranderkonto zu hinterlegen. Eine
Hinterlegung des Kaufpreises durch den Käufer erfolgte daraufhin jedoch zunächst nicht.
Vielmehr vereinbarten Herr B. und Herr K. am 7. Oktober 1999 vor der Notarin W. in
Potsdam die Aufhebung des notariellen Vertrages vom 29. Mai 1998.
Zwischenzeitlich hatte der Beschwerdeführer ein Zwangsvollstreckungsverfahren gegen
den Käufer eingeleitet. Hierfür hatte ihm der Notar G. eine vollstreckbare Ausfertigung
der notariellen Verhandlung vom 29. Mai 1998 übersandt. Am 30. Oktober/4. November
1999 beantragte Herr K., die Zwangsvollstreckung aus dem Vertrag vom 28. Mai 1998
bis zum Erlass des Urteils einstweilen einzustellen. Dieser Antrag wurde vom
Landgericht Berlin durch Beschluss vom 7. Dezember 1999 zurückgewiesen -
29.O.777/99 -. Die Zwangsvollstreckungsabwehrklage wurde am 7. Juli 2000 durch Herrn
K. zurückgenommen. Nachdem dieser in der Folgezeit den Kaufpreis hinterlegt hatte,
teilte der Notar G. Herrn K. mit, dass die Auszahlungsvoraussetzungen vorlägen und er
nunmehr die Auszahlung veranlassen werde. Dieses untersagte Herr K. dem Notar mit
Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Juli 2000 unter Hinweis
insbesondere auf den beigefügten Aufhebungsvertrag vom 7. Oktober 1999. Daraufhin
setzte der Notar den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Juli 2000 davon in
Kenntnis, dass die Voraussetzungen zur Auszahlung des Kaufpreises vorlägen, er sich
jedoch an der Auszahlung des Kaufpreises gehindert sähe, weil Herr K. sie ihm untersagt
habe. Gegen diese Entschließung des Notars erhob der Beschwerdeführer am 2. August
2000 Beschwerde beim Landgericht Berlin - 84 T 204/00 - und berief sich darauf, dass
der Notar G. ihm mitgeteilt habe, die Auszahlungsvoraussetzungen lägen vor.
Herr K. beantragte mit Schriftsatz vom 22. August 2000, die Beschwerde
zurückzuweisen und verwies auf den Aufhebungsvertrag vom 7. Oktober 1999. Hierauf
erwiderte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12. September 2000, beim
Landgericht am 15. September 2000 eingegangen, die Auflösungsvereinbarung sei
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Landgericht am 15. September 2000 eingegangen, die Auflösungsvereinbarung sei
unwirksam, da diese die Rechte des neuen Forderungsinhabers aushöhle. Dass der
Kaufpreisanspruch abgetreten worden sei, sei Herrn K. zum Zeitpunkt der
Vertragsauflösung bekannt gewesen. Der Notar G. habe ihm, dem Beschwerdeführer,
bereits mit Schreiben vom 28. Januar 1999 mitgeteilt, dass Herr K. von der Übersendung
der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Verhandlung vom 29. Mai 1998 an den
Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt worden sei. Zum Beweis bezog sich der
Beschwerdeführer auf das Schreiben des Notars vom 28. Januar 1999 sowie auf die
beizuziehende Notariatsakte.
Mit Beschluss vom 12. September 2000 wies das Landgericht die Beschwerde gemäß §
15 BNotO als unbegründet zurück. Der Notar sei zwar an der Auszahlung des
Kaufpreises nicht dadurch gehindert, dass Herr K. ihm untersagt habe, den auf dem
Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreis auszuzahlen. Entgegen der Ansicht des Notars
lägen die Auszahlungsvoraussetzungen des notariellen Vertrages vom 29. Mai 1998
nicht vor: Nach § 3 Nr. 4 des notariellen Vertrages solle die Auszahlung des Kaufpreises
unter anderem davon abhängen, dass die Übergabe des Kaufgegenstandes erfolgt sei
und dies dem Notar seitens des Käufers schriftlich angezeigt worden sei. Weder habe
der Beschwerdeführer vorgetragen, dass der Verkäufer Herrn K. den Kaufgegenstand
übergeben habe, noch sei der notariellen Vereinbarung zwischen Herrn K. und dem
Verkäufer zu entnehmen, dass der Kaufgegenstand bereits übergeben worden sei.
Unabhängig von der Übergabe des Kaufgegenstandes würde die Auszahlung des
Kaufpreises aber auch die schriftliche Anzeige des Herrn K. gegenüber dem Notar
erfordern, dass die Übergabe des Kaufgegenstandes erfolgt sei. Aus den
Notariatsnebenakten sei jedoch nicht ersichtlich, dass Herr K. die Übergabe des
Kaufgegenstandes zu irgendeinem Zeitpunkt dem Notar schriftlich angezeigt habe.
Nach Kenntniserlangung von dem landgerichtlichen Beschluss wandte sich der
Beschwerdeführer an den Notar G. hinsichtlich der Frage der Übergabe der Grundstücke
an Herrn K. Daraufhin übermittelte dieser ihm ein Schreiben vom 4. Dezember 1998, mit
dem Herr K. dem Notar G. die ordnungsgemäße Übergabe der Grundstücke aus dem
Kaufvertrag vom 29. Mai 1998 bestätigt hatte. Unter Beifügung dieses Schreibens erhob
der Beschwerdeführer beim Kammergericht „sofortige Beschwerde“ gegen den
Beschluss des Landgerichts, da die Auszahlungsvoraussetzungen gegeben seien. Auf
Hinweis des Kammergerichts legte der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch
einen Rechtsanwalt, weitere Beschwerde ein und rügte einen Verstoß gegen das Recht
auf rechtliches Gehör sowie gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG, da das
Landgericht dem Beschluss vom 12. September 2000 ohne weitere Nachforschungen
einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt und dem Beschwerdeführer nicht
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe.
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens stellte sich heraus, dass sich die
Übergabemitteilung des Herrn K. nicht in der Notariatshauptakte, sondern in der die
Voraussetzungen für die Auszahlung des Kaufpreises betreffenden Nebenakte befand,
welche dem Landgericht jedoch nicht übersandt worden war.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2001 teilte Herr K., der die Zurückweisung der Beschwerde
beantragte, Einzelheiten zu den Umständen des Grundstückskaufs und dessen
Aufhebung mit und trug vor, ihm seien die Grundstücke weder rechtlich noch tatsächlich
übergeben worden. Hierauf sowie auf gerichtliche Schreiben vom 13. und 29. März 2001,
die unter anderem vorsorglich darauf hinwiesen, dass für den Notar, soweit es um die
Kaufpreisauszahlung gehe, allein die in der Kaufvertragsurkunde vom 29. Mai 1998
enthaltenen Weisungen der ursprünglichen Kaufvertragsparteien maßgebend sein
dürften, erwiderte der Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom 12. Februar und 6. April
2001.
Mit Beschluss vom 17. Juli 2001, dem damaligen Prozessbevollmächtigten des
Beschwerdeführers am 12. September 2001 zugestellt, wies das Kammergericht die
weitere Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Die Zurückweisung der
Erstbeschwerde erweise sich jedenfalls im Ergebnis als rechtsfehlerfrei.
Das Landgericht habe seine Entscheidung allein darauf gestützt, der Eintritt der
Auszahlungsvoraussetzung des § 3 Nr. 4, 4. [richtig: 5.] Spiegelstrich des Kaufvertrages
vom 29. Mai 1998 sei nicht aktenkundig. Es könne dahinstehen, ob die ohne eine nach
den Umständen möglicherweise nahe liegende Rückfrage beim Notar getroffene
Feststellung des Landgerichts, die erforderliche Übergabeanzeige des Beteiligten zu 2.,
Herrn K., gegenüber dem Notar sei aus den beigezogenen Notariatsakten nicht
ersichtlich, verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sei und der Senat deshalb
berücksichtigen könne, dass sich im Rechtsbeschwerdeverfahren das Vorhandensein
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berücksichtigen könne, dass sich im Rechtsbeschwerdeverfahren das Vorhandensein
einer solchen Anzeige bereits zum damaligen Zeitpunkt ergeben habe. Es sei nicht
entscheidungserheblich, ob die genannte Auszahlungsvoraussetzung - ebenso wie die
weiteren Auszahlungsvoraussetzungen, soweit ihr Eintritt zweifelhaft sei - eingetreten
sei. Denn der Notar habe den verwahrten Kaufpreis jedenfalls aufgrund weiterer
Erwägungen nicht an den Beschwerdeführer als Zessionar der Kaufpreisforderung
auszuzahlen, sondern bis zur Klärung des Auszahlungsstreits in einem Zivilprozess
weiter zu verwahren. Nach der Rechtsprechung des Senats könnten zwar gemeinsame
Auszahlungsanweisungen entsprechend ihrem Sicherungszweck für den Verkäufer vom
Käufer grundsätzlich nicht einseitig widerrufen werden. Die Zweckbestimmung entfalle
jedoch, wenn beide Parteien oder auch nur eine Partei den Vertrag nicht mehr fortgelten
lassen, sondern ihn rückabwickeln wollten bzw. wolle; dadurch werde der spätere
einseitige Widerruf eines Beteiligten beachtlich. Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben.
Der Senat halte auch nach erneuter Prüfung an dieser Rechtsprechung fest, zumal sie
den in der neuen, am 1. September 1998 in Kraft getretenen Vorschrift des § 54 c
BeurkG zum Ausdruck kommenden Wertungen entspreche. Gemäß § 54 c Abs. 3 Satz 1
BeurkG solle sich der Notar jeder Verfügung über das Verwahrungsgut enthalten, wenn
der Widerruf nach § 54 c Abs. 2 BeurkG nicht durch alle Anweisenden erfolge und darauf
gegründet werde, dass das mit der Verwahrung durchzuführende Rechtsverhältnis
aufgehoben, unwirksam oder rückabzuwickeln sei. Gegenüber dem Notar und im
Beschwerdeverfahren habe Herr K. den Widerruf der Auszahlungsanweisung unter
Berufung auf den mit dem Verkäufer B. geschlossenen Aufhebungsvertrag vom 7.
Oktober 1999 begründet. Hierbei handele es sich um eine berücksichtigungsfähige
Begründung des einseitigen Widerrufs, die auch nicht erkennbar substanzlos sei. Denn
die Beurteilung der Frage, ob der Verkäufer B. nach Abtretung des Kaufpreisanspruchs
und Übertragung der Rechte aus dem Kaufvertrag an den Beschwerdeführer ohne
dessen Zustimmung der abgetretenen Forderung durch Abschluss eines
Aufhebungsvertrages mit Herrn K. die Grundlage habe entziehen können, sei in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht jedenfalls nicht eindeutig. Unter Zugrundelegung
von § 407 BGB stehe es nicht sicher fest, ob und gegebenenfalls von wem und in welcher
Weise Herr K. vor Abschluss des Aufhebungsvertrages über die vom Verkäufer B.
erklärten Abtretungen informiert worden sei. Daher habe der Notar den unter
Bezugnahme auf den vorgelegten Aufhebungsvertrag begründeten einseitigen Widerruf
der Auszahlungsanweisung seitens Herrn K. beachten müssen. Die Entscheidung aller
Zweifelsfragen hingegen sei außerhalb des Beschwerdeverfahrens nach § 15 BNotO dem
Prozessgericht zu überlassen.
Mit seiner am 12. November 2001 gegen die Beschlüsse des Land- sowie des
Kammergerichts erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine
Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 15 Abs. 1 VvB, Art. 103 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und
Art. 2 Abs. 1 GG.
Der Rechtsweg sei ausgeschöpft, da ihm im Hinblick auf die klaren, nicht einseitig
widerrufbaren Bedingungen im Kaufvertrag vom 29. Mai 1998 nicht zuzumuten sei, die
Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises noch durch ein Prozessgericht durchzusetzen.
Der Beschluss des Landgerichts verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Er habe
bereits im Beschwerdeschriftsatz vom 1. August 2000 vorgetragen, der Notar G. habe
mit Schreiben vom 28. Juli 2000 mitgeteilt, dass alle Voraussetzungen zur Auszahlung
des Kaufpreises gegeben seien. Ohne dies zu berücksichtigen und zu überprüfen, habe
es das Landgericht als richtig unterstellt, dass eine Auszahlungsvoraussetzung nicht
gegeben sei. Noch am 12. September 2000 habe er in Erwiderung des Schriftsatzes des
Herrn K. vom 22. August 2000 Beweis dafür angeboten, dass die
Auszahlungsvoraussetzungen gegeben seien. Dieses Schreiben habe das Landgericht
offenbar vor seiner Entscheidung, die ergangen sei, ohne eine Erwiderung auf die
falschen Ausführungen des Beschwerdegegners abzuwarten, nicht mehr erreicht. Wenn
nur einer Partei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde, liege sowohl eine
Verletzung des rechtlichen Gehörs als auch eine Verletzung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG vor. Das Gericht habe nicht das Mindeste
unternommen, um den offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Inhalt der
Notariatsakte und der Mitteilung des Notars an den Beschwerdeführer aufzuklären. Es
habe stattdessen das Nichtauffinden eines Übergabeprotokolls in den Notariatsakten
mit dessen Nichtexistenz gleichgesetzt und ohne dem Beschwerdeführer die Möglichkeit
zu einer Stellungnahme zu geben, einen abweisenden rechtsfehlerhaften Beschluss
erlassen.
Auch das Recht auf ein faires Verfahren sei verletzt worden. Die Entscheidung verstoße
gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG.
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Auch die Entscheidung des Kammergerichts sei zu beanstanden. Dieses führe aus, dass
die Auszahlungsvoraussetzungen zwar vorlägen, für die Klärung eines Auszahlanspruchs
jedoch ein Prozessgericht zuständig sei. Wäre dem so, könnte jeder Käufer eines
Grundstücks nach Hinterlegung des Kaufpreises notariell von beiden Seiten vereinbarte
Auszahlungsvoraussetzungen einseitig durch ein einfaches Anschreiben an den Notar
wieder außer Kraft setzen. Dies wäre im Hinblick auf den Formzwang des § 313 BGB a. F.
absurd. Dieser Argumentation stehe auch nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall
beide Seiten eine Vertragsauflösung gewollt hätten, denn der Beschwerdeführer habe
einer Vertragsauflösung nicht zugestimmt. Nachdem der Verkäufer seinen
Kaufpreisanspruch und alle Rechte aus dem Kaufvertrag an ihn abgetreten habe, sei
dieser nicht mehr aktivlegitimiert gewesen und habe ohne Zustimmung des
Beschwerdeführers keine Verfügung mehr treffen können, die der abgetretenen
Forderung die Grundlage entziehe.
Auch der plötzliche Wandel der Abweisungsbegründung sei zu beanstanden. Nachdem
sich herausgestellt habe, dass das Landgericht einen aus Gründen der Nichtgewährung
rechtlichen Gehörs fehlerhaften abweisenden Beschluss habe ergehen lassen, habe er
davon ausgehen müssen, dass seiner Beschwerde stattgegeben werde. Das
Kammergericht sei nach Durchsicht der Unterlagen sicherlich auch zu der Erkenntnis
gelangt, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Landgericht verletzt worden
sei, da andernfalls die weitere Beschwerde von vornherein verworfen worden wäre. Es
habe jedoch der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Landgericht nicht
abgeholfen, sondern durch eine äußerst fragwürdige Wandlung eine andere abweisende
Begründung ergehen lassen.
II. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Gemäß § 49 Abs. 1 VerfGHG kann jedermann Verfassungsbeschwerde mit der
Behauptung erheben, durch die öffentliche Gewalt des Landes Berlin in einem seiner in
der Verfassung von Berlin enthaltenen subjektiven Recht verletzt zu sein. Soweit, wie
hier, Gegenstand der Verfassungsbeschwerde die Anwendung von Bundesrecht ist,
besteht die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs in den Grenzen der Art. 142,
31 GG hinsichtlich solcher Grundrechte der Verfassung von Berlin, die inhaltlich mit den
Grundrechten des Grundgesetzes übereinstimmen (Beschlüsse vom 2. Dezember 1993
- VerfGH 89/93 - LVerfGE 1, 169 <179> und vom 21. März 2003 - VerfGH 29/02 -; st.
Rspr.). Vor diesem Hintergrund kann sich der Beschwerdeführer auf das in Art. 15 Abs. 1
VvB inhaltsgleich mit Art. 103 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf rechtliches Gehör
berufen. Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG selbst hingegen kann der
Beschwerdeführer, ebenso wie eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, im
Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht rügen.
Ob die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz sowie die
Begründungsanforderungen der § 49 Abs. 1, § 50 VerfGHG zulässig ist, kann
dahinstehen. Jedenfalls hat sie in der Sache keinen Erfolg, da der Beschwerdeführer nicht
in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt ist.
Der in Art. 15 Abs. 1 VvB verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung
aus dem Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren. Der Einzelne soll nicht
bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte
betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu
können. Dabei ist den jeweiligen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich im
gerichtlichen Verfahren mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu äußern. Art. 15
Abs. 1 VvB gebietet daher, in einer gerichtlichen Entscheidung keine Tatsachen und
Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen die Beteiligten vorher keine Gelegenheit
hatten, sich zu äußern (Beschlüsse vom 31. Oktober 2003 - VerfGH 9/03 -, vom 15.
November 2001 - VerfGH 157/00 - und vom 15. Juni 1993 - VerfGH 18/92 - LVerfGE 1, 81
<87>; st. Rspr.; zum Bundesrecht vgl. z.B. BVerfGE 81, 123 <126>). Art. 15 Abs. 1 VvB
gewährleistet den Verfahrensbeteiligten auch das Recht, sich nicht nur zu dem der
Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern.
Daher kann es auch geboten sein, auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das
Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Eine dem verfassungsrechtlichen
Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der
Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen
vermag, auf welche Gesichtspunkte es bei der Entscheidung ankommt. Es kann im
Ergebnis der Verhinderung eines Vortrages zur Rechtslage gleichkommen, wenn das
Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem
auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte
(Beschlüsse vom 17. Dezember 1997 - VerfGH 112/96 - LVerfGE 7, 49 <58>, vom 24.
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(Beschlüsse vom 17. Dezember 1997 - VerfGH 112/96 - LVerfGE 7, 49 <58>, vom 24.
Juni 1999 - VerfGH 48/99 - LVerfGE 10, 72 <78> und vom 25. Januar 2001 - VerfGH
148/00, 148 A/00 -; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>).
Allerdings ist das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem
Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (Beschluss vom 11. Juli 2003 - VerfGH
49/02 -; vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NJW 1991, 2823 <2824>). Wenn die Rechtslage
umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich
alle vertretbaren Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag
darauf einstellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht einen rechtlichen
Hinweis zu einer entscheidungserheblichen Frage erteilt und im Urteil entgegengesetzt
entscheidet, ohne dass die Verfahrensbeteiligten die Änderung der rechtlichen
Beurteilung vorhersehen und hierzu Stellung nehmen konnten (vgl. zum Bundesrecht:
BVerfG, NJW 1996, 3202). Denn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter
muss nicht damit rechnen, dass ein Gericht unter Aufgabe seiner bisherigen
Einschätzung der Sach- und Rechtslage, auf die es den Prozessbeteiligten selbst
hingewiesen hat, den Antrag aus Gründen abweist, zu denen sich zu äußern der
Prozessbeteiligte wegen der ihm bekannt gegebenen früheren Auffassung des Gerichts
keine Veranlassung hatte (Beschluss vom 16. Mai 2002 - VerfGH 122/01 -; vgl. zum
Bundesrecht BVerfG, NVwZ-Beilage 1995, 66 <67>).
Unter Anlegung dieser Grundsätze kann der Beschwerdeführer vorliegend eine
Gehörsverletzung nicht mit Erfolg geltend machen.
Ein etwaiger Gehörsverstoß des Landgerichts ist dafür, dass das Begehren des
Beschwerdeführers, den Notar G. anzuweisen, den hinterlegten Kaufpreis an ihn
auszuzahlen, im Ergebnis keinen Erfolg hatte, nicht ursächlich. Denn das Kammergericht
hat es letztinstanzlich nicht als entscheidungserheblich angesehen, ob die
Auszahlungsvoraussetzung des § 3 Nr. 4, 5. Spiegelstrich des Kaufvertrages vom 29.
Mai 1998 eingetreten ist. Vielmehr hat es den späteren einseitigen Widerruf der
ursprünglichen Auszahlungsanweisung durch Herrn K. als beachtlich angesehen. Dieser
vom Beschwerdeführer ferner gerügte „plötzliche Wandel der Abweisungsbegründung“ in
der kammergerichtlichen Entscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen
Gehörs nicht zu beanstanden.
Zunächst war das Kammergericht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers im
Hinblick auf die Frage des Eintritts der Auszahlungsvoraussetzung des § 3 Nr. 4, 5.
Spiegelstrich des Kaufvertrages vom 29. Mai 1998 nicht zur Zurückverweisung an das
Landgericht verpflichtet. Denn bei dem Verfahren nach § 27 FGG handelt es sich um ein
Verfahren der Rechtssatzbeschwerde, d.h. der Erfolg derselben setzt voraus, dass die
angegriffene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1
FGG), was dann der Fall ist, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet
worden ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i. V. m. § 546 ZPO). Ergibt die Begründung des
angegriffenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber
aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die weitere Beschwerde zurückzuweisen (§ 27
Abs. 1 Satz 2 FGG i. V. m. § 561 ZPO). Hinsichtlich der vom Kammergericht gewählten
Begründung wiederum ist im Ergebnis kein Verstoß gegen den Grundsatz des
rechtlichen Gehörs zu erkennen. Insoweit kann dahinstehen, ob sich das Kammergericht
unter Anlegung der o. g. verfassungsrechtlichen Grundsätze hätte veranlasst sehen
müssen, den Beschwerdeführer auf seine Rechtsauffassung hinsichtlich der
Beachtlichkeit des einseitigen Widerrufs der Auszahlungsanweisung durch Herrn K.
hinzuweisen, nachdem der zuständige Berichterstatter zuvor den damaligen
Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers durch Schreiben vom 29. März
2001 vorsorglich darauf hingewiesen hatte, für den Notar dürften, soweit es um die
Kaufpreisauszahlung gehe, allein die in der Kaufvertragsurkunde vom 29. Mai 1998
enthaltenen Weisungen der ursprünglichen Kaufvertragsparteien maßgebend sein. Denn
die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nur Erfolg haben, wenn die
angefochtene gerichtliche Entscheidung auf einer Verletzung von Art. 15 Abs. 1 VvB
beruht, d.h. wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des
Beschwerdeführers das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in
einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst hätte oder im Ganzen
zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte (Beschlüsse vom 26.
Oktober 2000 - VerfGH 52/00 - und vom 21. Februar 2002 - VerfGH 74/98 -; st. Rspr.; vgl.
zum Bundesrecht: BVerfGE 28, 17 <20> m. w. N.).
Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers
kann ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung über die weitere Beschwerde zu
seinen Gunsten ausgefallen wäre, wenn er zur Frage der Bedeutung des einseitigen
Widerrufs der Auszahlungsvereinbarung hätte Stellung nehmen können. Der
Beschwerdeführer trägt insoweit nur vor, er könne die Auffassung des Kammergerichts,
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Beschwerdeführer trägt insoweit nur vor, er könne die Auffassung des Kammergerichts,
für die Klärung eines Auszahlungsanspruchs sei ein Prozessgericht zuständig, nicht
teilen. Denn wäre dem so, könnte jeder Käufer eines Grundstücks nach Hinterlegung des
Kaufpreises, trotz notariell von beiden Seiten vertraglich vereinbarter
Auszahlungsvoraussetzungen, diese einseitig und ohne Einschaltung eines Gerichts
durch ein einfaches Anschreiben an den Notar wieder außer Kraft setzen, was im Hinblick
auf den Formzwang nach § 313 BGB absurd sei. Gerade mit diesen nunmehr im
Verfassungsbeschwerdeverfahren geäußerten Bedenken des Beschwerdeführers hat
sich das Kammergericht jedoch ausführlich befasst. Es hat den einseitigen Widerruf des
Herrn K. daraufhin überprüft, ob die Widerrufsbegründung erkennbar substanzlos und
mithin unbeachtlich sei und dies im Hinblick darauf verneint, dass Herr K. den notariell
beurkundeten Aufhebungsvertrag vorgelegt habe und es im Rahmen der Prüfung des §
407 BGB nicht sicher feststehe, ob und gegebenenfalls von wem Herr K. vor Abschluss
des Aufhebungsvertrages über die vom Verkäufer B. erklärten Abtretungen informiert
worden sei. Unter diesen Umständen müsse es dabei bleiben, dass der Notar den unter
Bezugnahme auf den vorgelegten Aufhebungsvertrag begründeten einseitigen Widerruf
der Auszahlungsanweisung beachten müsse.
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Auffassung des Kammergerichts wendet,
die Entscheidung aller Zweifelsfragen sei dem Prozessgericht zu überlassen, und soweit
er anführt, der Verkäufer sei für einen Aufhebungsvertrag ohne seine Zustimmung nicht
mehr aktivlegitimiert gewesen, beanstandet er eine Wertung des einfachen Rechts durch
das Kammergericht, die der Verfassungsgerichtshof nicht zu überprüfen hat (hierzu vgl.
auch Beschlüsse vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 - LVerfGE 1, 7 <8>, vom 26. Oktober
2000 - VerfGH 54/00 - und vom 25. Juli 2002 - VerfGH 83/02, 83 A/02 -; st. Rspr.). Nur bei
Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht kann der Verfassungsgerichtshof
eingreifen. Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine
Entscheidung objektiv fehlerhaft sein sollte (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 22, 267
<273 f.>).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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