Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: aufschiebende wirkung, verfassungsbeschwerde, verfügung, grundsatz der effektivität, vorläufiger rechtsschutz, öffentliches interesse, betriebsstätte, werbung, gemeinschaftsrecht

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
42/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 15 Abs 4 S 1 Verf BE, Art 17
Verf BE, § 49 Abs 2 VGHG BE, §
80 Abs 5 VwGO, § 80 Abs 7
VwGO
Untersagung der Vermittlung von Sportwetten; erfolglose
Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidung im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg, mit dem es den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten
abgelehnt hat.
1. Die Beschwerdeführerin entstand Ende des Jahres 2004 durch Verschmelzung der
Firmen Wettarena GmbH, Sportwettenarena GmbH und Fortuna Wetten OHG. Sie
betreibt in Deutschland mehrere Wettvermittlungsagenturen, darunter auch mehrere
Betriebsstätten in Berlin. Mit Bescheid vom 21. März 2002 untersagte das Land Berlin
der Fortuna Wetten OHG, die eine Betriebsstätte in der Oranienstraße 8 unterhielt, unter
Anordnung der sofortigen Vollziehung „das Vermitteln von Wettverträgen zwischen
Kunden und der Odds Sportdata GmbH sowie jede andere Form des Anbietens von
Sportwetten“. Die Versagung von Eilrechtsschutz gegen diese Untersagungsverfügung
durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Februar 2009 -
OVG 1 S 209.08 - ist Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens VerfGH 38/09.
In der Betriebsstätte Bismarckstraße 69 in Berlin betreibt die Beschwerdeführerin ein
Buchmachergewerbe für Pferdewetten. Dort vermittelt sie seit dem Jahr 2006 auch
Sportwetten in Form der sog. Oddset-Wette an ein im europäischen Ausland ansässiges
Unternehmen.
Mit Verfügung vom 25. April 2007 untersagte das Landeseinwohneramt Berlin der
Beschwerdeführerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines
Zwangsgeldes „für den Bereich des Landes Berlin jegliche Art des Veranstaltens und die
Vermittlung von Sportwetten sowie die Werbung hierfür“. Ein im Mai 2007 gestellter
Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg (Verwaltungsgericht
35 A 256.07 / OVG 1 S 182.07). Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin nach
erfolglosem Widerspruchsverfahren beim Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben. Mit
Urteil vom 25. Februar 2010 - VG 35 A 317.07 - hat das Verwaltungsgericht der Klage
stattgegeben, ohne auf das Verhältnis der angefochtenen Verfügung zu der im
Verfahren VerfGH 38/09 angegriffenen Untersagung einzugehen.Gegen diese
Entscheidung hat das beklagte Land Berlin Berufung eingelegt, über die noch nicht
entschieden ist.
Einen am 21. Mai 2007 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechts-schutzes
hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 26. Oktober 2007 - VG 35 A 256.07
- abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 - OVG 1 S 182.07 - zurück.
Mit dem Berliner Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel vom 15. Dezember 2007
(GVBl. S. 604) stimmte das Land Berlin dem am 19. März 2007 von den Bundesländern
geschlossenen Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV - zu und verabschiedete das
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geschlossenen Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV - zu und verabschiedete das
Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG GlüStV -. Der
Glücksspielstaatsvertrag und das Ausführungsgesetz traten am 1. Januar 2008 in Kraft.
Mit Urteilen vom 7. Juli 2008 (VG 35 A 108.07, 149.07, 167.08, juris) gab das
Verwaltungsgericht den Klagen anderer privater Sportwettenvermittler gegen
Untersagungsverfügungen statt, weil die Ausgestaltung des staatlichen
Sportwettenmonopols auch im Ausführungsgesetz zum neuen Glücksspielstaatsvertrag
nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im „Sportwetten-Urteil“ vom 28.
März 2006 (BVerfGE 115, 276) entspreche. Die Beschränkungen der Berufsfreiheit und
der Dienstleistungsfreiheit der Vermittler privater Sportwetten durch deren Ausschluss
von der erforderlichen Erlaubnis seien weder verfassungsrechtlich noch
gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber sei seiner
verfassungsrechtlichen Verpflichtung nicht nachgekommen, die wesentlichen
Entscheidungen betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten, Vertrieb, Werbung und
Spielerschutz selbst zu treffen, sondern habe diese der Verwaltung überlassen. Einer
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bedürfe es nicht, da die rechtliche und
tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols des Landes Berlin
zugleich gegen Gemeinschaftsrecht verstoße und deshalb die Verfassungswidrigkeit
nicht entscheidungserheblich sei. Insbesondere das Ziel der Suchtbekämpfung werde
nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der
Wetttätigkeit verwirklicht. Die zwangsläufige formelle Illegalität ihrer Tätigkeit könne den
Klägern wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht
entgegengehalten werden.
Unter Berufung auf die veränderte Rechtslage beantragte die Beschwerdeführerin im Juli
2008 die Abänderung der Beschlüsse im vorangegangenen Eilverfahren nach § 80 Abs. 7
der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Das Verwaltungsgericht Berlin gab dem
Antrag statt und ordnete mit Beschluss vom 21. Oktober 2008 - VG 35 A 207.08 - die
aufschiebende Wirkung der Klage der Beschwerdeführerin gegen die
Untersagungsverfügung mit der Begründung an, diese lasse sich nicht in
verfassungskonformer Weise auf die Ermächtigungsgrundlage im
Glücksspielstaatsvertrag oder eine andere Ermächtigungsgrundlage stützten. Vor
diesem Hintergrund falle auch die Interessenabwägung im Übrigen zugunsten der
Beschwerdeführerin aus. Der Zulässigkeit des Antrages stehe nicht entgegen, dass der
Beschwerdeführerin auch mit Bescheid vom 21. Mai 2002 (gemeint: 21. März 2002)
hinsichtlich ihrer weiteren Betriebsstätte in der Oranienstraße 8 untersagt worden sei,
Sportwetten in Berlin zu vermitteln. Nach Mitteilung des Antragsgegners beziehe sich die
hier angegriffene Untersagungsverfügung nur auf die Betriebsstätte Bismarckstraße 69,
so dass davon auszugehen sei, dass sich die Untersagungsverfügung aus dem Jahr
2002 ebenfalls nur auf die dort angeführte Betriebsstätte (Oranienstraße 8) beziehe.
Mit der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung vom 5. Februar
2009 änderte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Oktober 2008 und lehnte den Antrag der
Beschwerdeführerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. Zur Begründung
führte es unter Bezugnahme auf den Beschluss vom gleichen Tage im Verfahren OVG 1
S 209.08 (= Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens VerfGH 38/09) aus,
über die mit der Beschwerde des Landes Berlin dargelegten Gründe hinaus, die für sich
genommen vom Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts eine Änderung des
angefochtenen Beschlusses bereits rechtfertigten, stelle sich die Entscheidung auch aus
anderen Gründen als fehlerhaft dar. Der Antrag sei bereits teilweise unzulässig, soweit
damit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den
Untersagungsbescheid vom 25. April 2007 begehrt werde. Diese Verfügung, mit der der
Beschwerdeführerin Sportwetten für den Bereich des Landes Berlin umfassend untersagt
worden seien, habe lediglich wiederholenden Charakter, da gegen die
Beschwerdeführerin bereits einem Verfügung mit gleichem Regelungsgehalt wirke, die
das Land Berlin am 21. März 2002 gegenüber der Firma Fortuna Wetten OHG erlassen
habe. Die Beschwerdeführerin sei teilidentisch mit der in ihr aufgegangenen OHG und
daher an die gegen diese erlassene Verfügung gebunden. Hinsichtlich dieser
Untersagungsverfügung habe der Senat im Verfahren OVG 1 S 209.08 entschieden,
dass den dagegen eingelegten Rechtsbehelfen der Beschwerdeführerin keine
aufschiebende Wirkung zukomme. Der Verfügung vom 25. April 2007 komme nur
insoweit rechtserhebliche Wirkung zu, als zusätzlich das Verbot der Werbung für
Sportwetten ausgesprochen sei und bezogen auf die konkrete Betriebsstätte
Bismarckstraße 69 ein Zwangsgeld für den Fall der Nichteinstellung des Betriebes
angedroht worden sei. Insoweit sei der Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes unbegründet. Die Rechtmäßigkeit beider Regelungsteile unterliege -
ebenso wie die maßgebliche Untersagungsverfügung vom 21. März 2002, wofür auf den
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ebenso wie die maßgebliche Untersagungsverfügung vom 21. März 2002, wofür auf den
diesbezüglichen, zwischen denselben Beteiligten ergangenen Beschluss des Senats in
dem Beschwerdeverfahren OVG 1 S 209.08 verwiesen werden könne - auch unter
Berücksichtigung der zum 1. Januar 2008 eingetretenen Änderungen der Rechtslage
keinen ernstlichen Zweifeln. Die Befugnis, die Werbung für unerlaubte Sportwetten zu
untersagen, ergebe sich aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Glücksspielstaatsvertrages i. V.
m. Art. 1 § 1 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 15. Dezember 2007. Für
die Vereinbarkeit dieser Rechtsgrundlage mit nationalem Verfassungsrecht und mit
Gemeinschaftsrecht könne ebenfalls auf den Beschluss OVG 1 S 209.08 verwiesen
werden, der die Untersagungsverfügung im Übrigen zum Gegenstand habe. Die
Zwangsgeldandrohung finde ihre Rechtsgrundlage in § 5 a des Gesetzes über das
Verfahren der Berliner Verwaltung i. V. m. §§ 11 Abs. 2 und 3, 13 Abs. 1 und 2 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes; die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes sei mit
Blick auf den bestehenden erheblichen wirtschaftlichen Anreiz, der
Untersagungsverfügung zuwider zu handeln, angemessen. Da ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Verfügung nicht bestünden, überwiege das gesetzliche
Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.
2. Mit ihrer gegen diesen Beschluss gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die
Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus
Art. 15 Abs. 4 der Verfassung von Berlin - VvB -. In mehreren parallel gelagerten
Verfahren haben die Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin ausdrücklich
klargestellt, dass die Verfassungsbeschwerde nicht auf die klärungsbedürftige Frage
gerichtet sei, ob die Vermittlung von Sportwetten an EU-konzessionierte Unternehmen
mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar sei.
Das Oberverwaltungsgericht habe ihr das Rechtschutzbedürfnis hinsichtlich wesentlicher
Teile ihres Anspruches abgesprochen und sie damit in ihrem Recht auf effektiven
Rechtsschutz verletzt. Der angefochtene Beschluss sei bereits allein unter diesem
Gesichtspunkt aufzuheben. Abgesehen davon, dass nicht nachvollziehbar sei, woraus
sich ergeben solle, dass die Untersagungsverfügung vom 21. März 2002 eine auf das
Gebiet des Landes Berlin gerichtete Untersagung enthalte, habe die Beschwerdeführerin
ein berechtigtes Interesse daran, gegen sie belastende Bescheide vorzugehen. Auch
eine wiederholende Verfügung stelle eine belastende Verfügung dar, insbesondere weil
die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, die Rechtsauffassung der Behörde zu
durchschauen und davon ausgehen müsse, dass die Behörde aus dieser Verfügung
gegen sie vorgehen werde. Ein Rechtsschutzinteresse habe umso mehr bestanden, als
die streitgegenständliche Verfügung im Gegensatz zur Verfügung aus dem Jahre 2002
die Vermittlung von Sportwetten in ganz Berlin untersage. Die Beschwerdeführerin wisse
gar nicht mehr, welche Verfügung sich denn nun auf welche Betriebsstätte erstrecken
solle. Ihr hier das Rechtsschutzinteresse abzusprechen, sei ein unglaublicher Vorgang.
Im Hinblick auf das Verbot der Werbung für die Vermittlung von Sportwetten und die
Androhung eines Zwangsgeldes habe das Oberverwaltungsgericht auf die
Parallelentscheidung im Verfahren OVG 1 S 209.08 Bezug genommen. Unter
Wiederholung ihres Vorbringens in dem gegen diese Entscheidung gerichteten
Verfassungsbeschwerdeverfahren VerfGH 38/09 macht die Beschwerdeführerin unter
Berufung auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 1.
November 2007 - VerfGH 103/07 - geltend, das Oberverwaltungsgericht habe sich in
verfassungswidriger Weise über die erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidungen
zugunsten anderer privater Sportwettenvermittler hinweggesetzt. Darüber hinaus habe
es unzutreffende Tatsachen in die Interessenabwägung einfließen lassen, indem es
darauf abgestellt habe, dass sie die Tätigkeit aufgenommen habe, obwohl ihr das Verbot
der Veranstaltung privater Wetten ohne behördliche Erlaubnis habe bekannt gewesen
sein müssen. Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass sie die Tätigkeit im Jahr
2003, also zu einem Zeitpunkt aufgenommen habe, für den das
Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 28. März 2006 die damalige
Rechtslage für verfassungswidrig erklärt und mittelbar zudem deren
Europarechtswidrigkeit festgestellt habe.
Aus allen vorgetragenen Gesichtspunkten ergebe sich zudem, dass die Entscheidung
des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg willkürlich sei.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat den Beteiligten gemäß § 53 Abs. 1 des Gesetzes über
den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Der Beteiligte zu 2 trägt im Wesentlichen vor: Die Verfassungsbeschwerde sei mangels
Beschwerdebefugnis und Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig. Die
Beschwerdeführerin rüge primär, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe
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Beschwerdeführerin rüge primär, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe
die Reichweite von Untersagungsverfügungen unzutreffend ausgelegt. Selbst wenn das
der Fall wäre, sei nicht erkennbar, inwieweit durch eine solche Auslegung der
verfassungsrechtliche Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes verletzt sein sollte.
Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz - wie im
Parallelbeschluss durch das Oberverwaltungsgericht entschieden - jedenfalls
unbegründet wäre und damit unabhängig von der Auslegung der
Untersagungsverfügungen in keinem Fall zum Erfolg geführt hätte.
Eine Verletzung von Art. 15 Abs. 4 VvB durch die angegriffene Entscheidung sei
offensichtlich ausgeschlossen. Die verfassungsrechtliche Problematik sei durch die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einer vergleichbaren Konstellation
(Beschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 -) als geklärt anzusehen. Der Beschluss
des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 1. November 2007, auf den sich die
Beschwerdeführerin berufe, sei offensichtlich nicht einschlägig, da eine die
Beschwerdeführerin betreffende Hauptsacheentscheidung vor der Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts nicht ergangen sei. Das Rechtsschutzbedürfnis der
Beschwerdeführerin sei fraglich, da ihr selbst ein Obsiegen keinen rechtlichen Vorteil
brächte. Die Verfassungsbeschwerde sei auch nicht begründet. Die Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts, die auf die Parallelentscheidung im Verfahren OVG 1 S 209.08
Bezug nehme, genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 15 Abs. 4
VvB.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist mit Ausnahme der pauschalen Rüge einer Verletzung
des Willkürverbots (Art. 10 Abs. 1 VvB) zulässig.
Der Rechtsweg ist im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG erschöpft. Die
Beschwerdeführerin kann nicht auf die noch ausstehende rechtskräftige Entscheidung im
Hauptsacheverfahren verwiesen werden, denn der geltend gemachte
Grundrechtsverstoß beruht gerade auf der Versagung von Eilrechtsschutz (vgl.
Beschluss vom 1. November 2007 - VerfGH 103/07 -, LVerfGE 18, 123 <131> und - wie
alle im Folgenden zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs - unter
www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de). Durch die Versagung vorläufigen
Rechtsschutzes wird die Beschwerdeführerin bis zur Klärung der Rechtslage in der
Hauptsache möglicherweise unter Verstoß gegen Art. 12 des Grundgesetzes - GG - bzw.
Art. 17 VvB an der weiteren Ausübung ihrer Vermittlungstätigkeit gehindert.
Eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 15 Abs. 4 VvB ist nicht
offensichtlich ausgeschlossen. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum
Bundesrecht in vergleichbar gelagerten Fällen stellen grundsätzlich nicht bereits die
Beschwerdebefugnis in Frage.
Ebenso wenig bestehen die vom Beteiligten zu 2 geäußerten Zweifel am
Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin. Eine erneute Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts über ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
gegen die ihr gegenüber ergangene Untersagungsverfügung nach einem Erfolg der
Verfassungsbeschwerde wäre für die Beschwerdeführerin rechtlich vorteilhaft. Ob eine
Fortsetzung bzw. Weiterführung der Vermittlungstätigkeit strafrechtliche Konsequenzen
nach sich zöge oder eine (weitere) Untersagungsverfügung auf andere Gründe, etwa auf
das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4
GlüStV), gestützt werden könnte, bedarf der fachgerichtlichen Klärung und wäre für das
vorliegende Verfahren ohne Bedeutung.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht dadurch unzulässig geworden, dass
zwischenzeitlich mit Urteil vom 25. Februar 2010 eine der Klage der Beschwerdeführerin
stattgebende Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist. Die Beschwerdeführerin ist
insoweit nicht auf die Möglichkeit eines weiteren Abänderungsantrages im vorläufigen
Rechts-schutzverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu verweisen. Ein solcher Antrag
wäre offensichtlich aussichtslos. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
entscheidet in ständiger Rechtsprechung in vorläufigen Rechtsschutzverfahren, dass
entgegen der erstinstanzlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts in
Hauptsacheentscheidungen Sportwetten weiterhin nicht von privaten Anbietern
veranstaltet und vermittelt werden dürfen (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2010 - OVG 1
S 94.09 - www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist - soweit sie zulässig ist - nicht begründet. Die
angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg verletzt die
Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes
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Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes
aus Art. 15 Abs. 4 VvB.
a) Soweit die Beschwerdeführerin - wie im Verfahren VerfGH 38/09 - rügt, das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe sich im Rahmen der
Interessenabwägung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren unter Verstoß gegen Art. 15
Abs. 4 VvB über erstinstanzliche Hauptsacheentscheidungen hinweggesetzt und
verkannt, dass sie bei Aufnahme der Sportwettenvermittlung und in der Folgezeit von
deren Rechtmäßigkeit habe ausgehen dürfen, hat der Verfassungsgerichtshof hierzu in
der gleichzeitig ergehenden Entscheidung VerfGH 15/09 ausgeführt:
„Aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB (gleich lautend Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), der nicht
nur die Möglichkeit garantiert, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des
Rechtsschutzes verbürgt, ergeben sich besondere Anforderungen für die Auslegung und
Anwendung der gesetzlichen Regelungen über den vorläufigen Rechtsschutz (Beschluss
vom 16. September 2008 - VerfGH 81/08, 81 A/08 - Rn. 8). Die Gerichte sind gehalten,
der besonderen Bedeutung jeweils betroffener Grundrechte und den Erfordernissen
eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE
79, 69 <74>). Der Verfassungsgerichtshof prüft nur, ob die fachgerichtliche
Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung
von der Bedeutung des Grundrechts des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz
beruhen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, a. a. O.). Der Überprüfung unterliegt dabei hier
grundsätzlich allein, ob das Oberverwaltungsgericht seine Prüfung in einer Weise
durchgeführt hat, die hinsichtlich Umfang und Intensität den Anforderungen gerecht
wird, die Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB (wie Art. 19 Abs. 4 GG) an einen effektiven
verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz stellt. Entscheidend ist insoweit, dass die - in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht notwendig endgültige - Prüfung eingehend
genug ist, um den Beschwerdeführer vor erheblichen und unzumutbaren Nachteilen zu
schützen, die ihm möglicherweise daraus entstehen können, dass die
Untersagungsverfügung schon vor rechtskräftiger Bestätigung ihrer Rechtmäßigkeit
vollzogen wird (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR
2410/08 - Rn. 26, NVwZ 2009, 1221 <1223> m. w. N.).
Gegen kraft Gesetzes oder aufgrund besonderer behördlicher Anordnung sofort
vollziehbare belastende Verwaltungsakte (vgl. § 80 Abs. 2 VwGO) kann umfassender und
effektiver Rechtsschutz mit Hilfe des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 und 7
VwGO erlangt werden, indem das Gericht die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen
im Einzelfall anordnet bzw. wiederherstellt. Art. 15 Abs. 4 VvB gewährleistet die
aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im Verwaltungsprozess nicht schlechthin.
Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch
des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen
im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig zu treffen. Für die sofortige Vollziehung
eines Verwaltungsakts trotz anhängiger Rechtsbehelfe ist ein besonderes öffentliches
Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, welches den Verwaltungsakt
selbst rechtfertigt.
Bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem
privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung kommt den Erfolgsaussichten des
Rechtsbehelfs eine wichtige Bedeutung zu (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NVwZ 1982,
241; AuAs 1996, 62). Eine „summarische Prüfung“ in dem Sinne, dass die Prüfung im
Hauptsacheverfahren eingehender sein und deshalb ein anderes Ergebnis haben kann,
ist dabei kennzeichnend für das Eilverfahren und verfassungsrechtlich grundsätzlich
unbedenklich (zum Bundesrecht: BVerfGK 2, 29 <31>). Dabei ist der
Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je
schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der
Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. zuletzt etwa Beschlüsse vom 26. Februar
2008 - VerfGH 155/07 - Rn. 9 und 1. Novem-ber 2007, a. a. O., S. 133 bzw. Rn.34; zum
Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 8. April 2010 - 1 BvR 2709/09 - juris, Rn. 22).
Dementsprechend intensiver muss die Prüfung der Fachgerichte bereits im Eilverfahren
ausfallen und bei besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffen zur Wahrung des
Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz eine konkrete Interessen- und Folgenabwägung
umfassen, wenn sich die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme nicht ohne
weiteres erschließt, d. h. nicht offensichtlich ist (vgl. Beschluss vom 1. November 2007,
a. a. O., S. 133 bzw. Rn. 35). Die Überprüfung muss in diesem Sinne auch im
vorliegenden Zusammenhang eingehend genug sein, um den Beschwerdeführer vor
erheblichen und unzumutbaren Nachteilen aus der vorläufigen Vollziehung der
Untersagungsverfügung zu schützen (zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 20.
März 2009, a. a. O.).
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Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird die angegriffene Entscheidung
gerecht.
a) Entgegen der Darstellung in der Verfassungsbeschwerde hat das
Oberverwaltungsgericht die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung
offensichtlich auf der Grundlage der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Rechtslage
vorgenommen und nicht pauschal an seiner bisherigen Rechtsprechung zur bis dahin
geltenden Rechtslage festgehalten.
b) Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das
Oberverwaltungsgericht aufgrund einer vorläufigen Prüfung der Regelungen des
Glücksspielstaatsvertrages im Eilrechtsschutzverfahren von der Verfassungsmäßigkeit
der Neuregelung und deren grundsätzlicher Vereinbarkeit mit den Anforderungen des
Gemeinschaftsrechts ausgegangen ist und jedenfalls für die Zeit nach Auslaufen der im
Glücksspielstaatsvertrag und im Berliner Ausführungsgesetz zum
Glücksspielstaatsvertrag angelegten Übergangsfristen nicht der Auffassung des
Verwaltungsgerichts gefolgt ist, die Neuregelung weise mit den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts im „Sportwetten-Urteil“ und des Gemeinschaftsrechts nicht
vereinbare strukturelle Regelungsdefizite auf.
aa) Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit nicht die Bedeutung der durch Art. 17
VvB - dessen Regelung ebenso wie Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG alle Aspekte der
Berufsfreiheit umfasst (Beschluss vom 16. September 2008, a. a. O., Rn. 7) -
geschützten Grundrechtsposition, insbesondere nicht die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts in dessen „Sportwetten-Urteil“ vom 28. März 2006 (BVerfGE
115, 276) verkannt.
Das Bundesverfassungsgericht hat zu vergleichbaren Eilentscheidungen des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 20. März 2009 (a.
a. O., S. 1223 Rn. 21) ausgeführt, das Oberverwaltungsgericht habe davon ausgehen
dürfen, dass die Ausgestaltung des - niedersächsischen - staatlichen
Sportwettmonopols zu dem von ihm für maßgeblich erachteten Zeitpunkt den vom
Sportwetten-Urteil aufgestellten Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 GG entspricht. Es
habe die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des Niedersächsischen
Glücksspielgesetzes bei überschlägiger Prüfung dahingehend bewerten dürfen, dass sie -
trotz der vom Oberverwaltungsgericht unter bestimmten Gesichtspunkten auch
zutreffend angemerkten Kritik - in zureichendem Maße eine suchtpräventive Ausrichtung
des staatlichen Sportwettmonopols gesetzlich gewährleisteten. Vorbehaltlich einer
eingehenden verfassungsrechtlichen Prüfung im Rahmen von Verfassungsbeschwerden
gegen fachgerichtliche Hauptsacheentscheidungen könne das grundlegende
Regelungsdefizit, welches die alte landesrechtliche Regelungslage gekennzeichnet habe,
als grundsätzlich behoben angesehen werden.
Das Oberverwaltungsgericht hat überdies seine Beurteilung der neuen Rechts-lage
nicht allein auf den von ihm in Auszügen wörtlich zitierten Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008 (NVwZ 2008, 1338) gestützt,
sondern in Auseinandersetzung mit den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag und
unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des seine Rechtsauffassung teilenden
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 2. Juni 2008 - 10 Cs 08.1102 -
juris) begründet. Seine Entscheidung wäre daher auch dann nicht durchgreifend in Frage
gestellt, wenn die Einschätzung, die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts zur
Verfassungswidrigkeit der Neuregelung seien durch den zitierten Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts überholt, so nicht zuträfe. Es bedarf daher im vorliegenden
Verfahren keiner weiteren Erörterung, welche Schlussfolgerungen sich aus dem
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Einzelnen ziehen lassen.
bb) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven
verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz wahrt der angegriffene Beschluss auch im
Hinblick auf die Beurteilung der als solcher im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht
rügefähigen gemeinschaftsrechtlichen Dienst- und Niederlassungsfreiheit (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 20. März 2009, a. a. O., S.1225). Das Oberverwaltungsgericht hat sich
sowohl mit den formalen als auch den materiellen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
an die Ausgestaltung eines staatlichen Wettmonopols auseinandergesetzt. Es ist weder
vorgetragen noch ersichtlich, dass es diese offenkundig verkannt hätte. Auch begegnet
es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Oberverwaltungsgericht nach
summarischer Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung im Eilverfahren einen Verstoß
gegen Gemeinschaftsrecht offen gelassen und einer Klärung im Hauptsacheverfahren
nach weiterer Beobachtung der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht
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nach weiterer Beobachtung der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht
vorbehalten hat. Eine intensivere Prüfung war zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes
insoweit nicht geboten (vgl. auch BVerfG, a. a. O., S. 1226).
cc) Das Oberverwaltungsgericht hat sich schließlich nicht in verfassungswidriger
Weise über stattgebende Urteile des Verwaltungsgerichts in parallel gelagerten
Verfahren anderer Sportwettenvermittler hinweggesetzt.
(1) Es hat sich mit den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts
auseinandergesetzt, insbesondere auch mit dessen Ausführungen zum
Gemeinschaftsrecht, von denen das Verwaltungsgericht in seinem vorangegangenen
Beschluss im Eilverfahren noch ausdrücklich abgesehen hatte. Es ist der Argumentation
des Verwaltungsgerichts mit tragfähiger Begründung bereits im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren nicht gefolgt. Das Verwaltungsgericht hat die
Gemeinschaftswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols im Wesentlichen aus den
Gründen bejaht, die aus seiner Sicht auch dessen Verfassungswidrigkeit begründen und
denen sich das Oberverwaltungsgericht im Eilverfahren mit verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandender Begründung gerade nicht angeschlossen hat (s. o.). Die Feststellungen
des Verwaltungsgerichts zur tatsächlichen aktuellen Ausgestaltung des staatlichen
Wettangebots, insbesondere zu Art und Ausmaß der von den staatlichen
Monopolanbietern praktizierten Werbung, hat das Oberverwaltungsgericht aufgegriffen.
Dass es insoweit - anders als das Verwaltungsgericht - im Zeitpunkt seiner mit der
Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung kein in den gesetzlichen
Regelungen angelegtes strukturelles Defizit gesehen hat, begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.
(2) Den Hauptsacheentscheidungen des Verwaltungsgerichts kommt überdies nicht
die Bedeutung eines in derselben Sache ergangenen erstinstanzlichen Urteils zu, wie sie
der Verfassungsgerichtshof im Beschluss vom 1. November 2007 (a. a. O., LVerfGE 18,
123) betont hat: Danach hat das Beschwerdegericht in dem Verfahren, bis zu dessen
rechtskräftigem Abschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu
entscheiden und in dem bereits eine Hauptsacheentscheidung ergangen ist, den
regelmäßig besseren Erkenntnismöglichkeiten und verstärkten Einwirkungsmöglichkeiten
der Beteiligten im Hauptsacheverfahren Rechnung zu tragen, zumal wenn die
Entscheidung nach Beweiserhebung ergangen ist. Eine dem im Hauptsacheverfahren
gefundenen Ergebnis widersprechende Eilentscheidung kann ohne Verstoß gegen das
Gebot effektiven Rechtsschutzes nur ausnahmsweise, etwa bei schwerwiegenden und
offensichtlichen Mängeln der Hauptsacheentscheidung oder sonst bei gleichwertigen
Erkenntnismöglichkeiten und vergleichbar genauer und intensiver Prüfung wie im
Hauptsacheverfahren verfassungsrechtlich tragfähig sein.
Abgesehen davon, dass die in der Verfassungsbeschwerde aufgeführten
Hauptsacheentscheidungen des Verwaltungsgerichts nicht die Beschwerdeführerin
betreffen, war die Ermittlung des konkreten entscheidungserheblichen Sachverhalts in
diesen Verfahren anderer Sportwettenvermittler nicht von entscheidungstragender
Bedeutung. Im Mittelpunkt der bundesweit geführten Verfahren gegen die Untersagung
der privaten Sportwettenvermittlung stand und steht die Frage, ob die Ausgestaltung
des staatlichen Sportwettmonopols auf der Grundlage des Glücksspielstaatsvertrages
mit Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Das Verwaltungsgericht hat dies
für die Rechtslage in Berlin aufgrund einer vom jeweiligen konkreten Einzelfall losgelösten
rechtlichen Prüfung verfassungs- und gemeinschaftsrechtlicher Fragen verneint. Auf die
Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in den konkreten Verfahren kam
es insoweit nicht an, eine förmliche Beweisaufnahme fand ausweislich der mit der
Verfassungsbeschwerde vorgelegten Urteile des Verwaltungsgerichts auch nicht statt.
Die verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zur tatsächlichen Ausgestaltung des
staatlichen Sportwettenangebots beruhten nicht auf den regelmäßig weiter gehenden
Erkenntnismöglichkeiten des Hauptsacheverfahrens, sondern wesentlich auf
allgemeinkundigen Erkenntnissen aus der Beobachtung des öffentlichen Auftritts und
der Werbemaßnahmen des staatlichen Wettveranstalters. Das Verwaltungsgericht
verfügte mithin für die Beurteilung der verfassungs- und gemein-schaftsrechtlichen
Rechtslage nicht über eine andere oder gar bessere Erkenntnisgrundlage als das
Oberverwaltungsgericht im Ausgangsverfahren. Dem Oberverwaltungsgericht war es
daher gemessen an Art. 15 Abs. 4 VvB nicht verwehrt, nach eigener eingehender
Prüfung ebenso wie andere Oberverwaltungs-gerichte (z. B. BayVGH, Beschluss vom 2.
Juni 2008 - 10 CS 08.1008 - juris; HambOVG, Beschluss vom 25. März 2008 - 4 Bs 5/08 -
juris; OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 1215/07 - juris) im Eilverfahren
vorläufig davon auszugehen, der Glücksspielstaatsvertrag entspreche den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts im „Sportwetten-Urteil“ und es bestünden keine
durchgreifenden Bedenken gegen seine Vereinbarkeit mit den Anforderungen des
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durchgreifenden Bedenken gegen seine Vereinbarkeit mit den Anforderungen des
Gemeinschaftsrechts.
c) Auf der Grundlage der danach verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden
Beurteilung der Untersagungsverfügung als voraussichtlich rechtmäßig durfte das
Oberverwaltungsgericht auch angesichts der von ihm aufgezeigten „Restzweifel“ und der
dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen näheren Klärung insbesondere
gemeinschaftsrechtlicher Fragen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise
von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung
ausgehen. Insbesondere begegnen die Annahme eines besonderen
Vollziehungsinteresses und die Einschätzung, die unternehmerische Entscheidung der
Beschwerdeführerin, Sportwetten gegen Provision zu vermitteln, sei von vornherein
risikobehaftet gewesen und verdiene daher kein Vertrauen, keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Oberverwaltungsgericht war von Verfassungs
wegen - wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 20. März 2009 (a. a. O., S.
1225) zu Art. 19 Abs. 4 GG und zur vergleichbaren Rechtslage in Niedersachsen
ausgeführt hat - nicht gehalten, die konkrete Gefährlichkeit der Geschäftstätigkeit der
Beschwerdeführerin zu prüfen. Ebenso wenig musste es im Rahmen der
Interessenabwägung dem Umstand abwägungsentscheidende Bedeutung beimessen,
dass die Wettvermittlungstätigkeit zu einer Zeit aufgenommen worden ist, zu der sich
ein Ausschluss privater Anbieter aus verfassungsrechtlichen Gründen als
unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig darstellte.
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf ihr Vertrauen in die Europarechtswidrigkeit
der Untersagungsverfügung beruft, gilt letztlich nichts anderes. Zum einen hat das
Oberverwaltungsgericht ohne Verfassungsverstoß die neue Rechtslage zum Zeitpunkt
seiner Entscheidung zugrunde gelegt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009,
a. a. O., S. 1223 bzw. Rn. 22), zum anderen war die alte Rechtslage für die Zeit davor
insoweit nicht abschließend geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hatte im
„Sportwetten-Urteil“ mangels Zuständigkeit gerade keine verbindlichen Aussagen zu
gemeinschaftsrechtlichen Fragen gemacht (so ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 27.
Dezember 2007 - 1 BvR 3082/06 - juris, Rn. 20). Die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts von 27. April 2005 (BVerfGK 5, 196), auf die sich die
Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde beruft, betraf die Anforderungen an
die Begründung eines besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses und bot keine
Grundlage für die Annahme, die Vermittlung privater Sportwetten könne nicht
rechtswirksam untersagt werden.“
Diese Ausführungen gelten in entsprechender Weise - ebenso wie für das
Parallelverfahren der Beschwerdeführerin VerfGH 38/09 - auch für das vorliegende
Verfahren; das Oberverwaltungsgericht hat seinerseits zur Begründung seiner
Beschwerdeentscheidung im vorliegenden Ausgangsverfahren auf seinen im Verfahren
VerfGH 38/09 angegriffenen Beschluss vom 5. Februar 2009 – OVG 1 S 209.08 –
verwiesen.
b) Danach kommt es auf die weitere Rüge der Beschwerdeführerin nicht an, das
Oberverwaltungsgericht habe ihr zu Unrecht das Rechtsschutzbedürfnis abge-sprochen.
Denn das Gericht hat in dem angegriffenen Beschluss zum Ausdruck gebracht (BA S. 2),
dass es den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
auch hier aus den in der Entscheidung im Verfahren OVG 1 S 209.08 (= VerfGH 38/09)
dargelegten Gründen abgelehnt hätte, wenn es dem Ausgangspunkt des
Verwaltungsgerichts gefolgt wäre, dass sich die beiden gegen die Beschwerdeführerin
gerichteten Untersagungsverfügungen jeweils nur auf eine Betriebsstätte beziehen.
Im Übrigen wendet sich die Beschwerdeführerin insoweit lediglich gegen die Aus-legung
und Anwendung des einfachen Rechts, ohne eine Verfassungsrechtsfrage schlüssig
aufzuzeigen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführerin nämlich nicht
generell ein Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen, sondern ein solches der Sache nach
nur für einen Eilantrag gegen eine „wiederholende Verfügung“ verneint, wenn im Hinblick
auf die Erstverfügung vorläufiger Rechtsschutz versagt worden ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof
abgeschlossen.
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