Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, widerklage, verfassungsbeschwerde, vertretungsmacht, beweismittel, befangenheit, rüge, erlass, schmerzensgeld, bevollmächtigung

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
112/04, 202/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 Abs 1 Verf BE, Art 15
Abs 1 Verf BE, Art 15 Abs 5 S 2
Verf BE
Tenor
Die Verfahren VerfGH 112/04 und 202/04 werden zur gemeinsamen Entscheidung unter
dem führenden Aktenzeichen VerfGH 112/04 verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit seinen Verfassungsbeschwerden wendet sich der Beschwerdeführer gegen
mehrere zivilrechtliche Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Amtsgerichts
Hohenschönhausen im Zusammenhang mit einem Vorfall am 23. November 2000.
An diesem Tag wurde in der U-Bahnlinie U 9 der Fahrschein des Beschwerdeführers
kontrolliert. Da der Fahrschein nach Auffassung der Kontrolleure ungültig war, kam es
auf dem Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz zu einer Auseinandersetzung und schließlich zu
Handgreiflichkeiten, deren Verlauf im Einzelnen vor den Fachgerichten streitig war.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) beantragten am 21. März 2002 bei dem
Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheids über 373,85 Euro nebst Zinsen
gegen den Beschwerdeführer. Nachdem dieser am 17. April 2002 Widerspruch eingelegt
hatte, begründeten die BVG - vertreten durch die Rechtsanwälte K., M. und T. - ihre
Klage gegenüber dem nunmehr zuständigen Amtsgericht Hohenschönhausen damit,
dass der Beschwerdeführer bei dem Vorfall am 23. November 2000 den Schaffner C. im
Gesicht verletzt habe. Dieser sei für drei Tage krankgeschrieben worden. Für den
Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit hätten die BVG Entgeltfortzahlung, Urlaubsvergütung,
Urlaubsgeld sowie verschiedene Beiträge zur Sozialversicherung aufgewandt, die von
dem Beschwerdeführer zu erstatten seien.
Der Beschwerdeführer bestritt mit Schriftsatz vom 6. Juli 2002 sämtliche Behauptungen
der BVG sowie die Bevollmächtigung der genannten Rechtsanwälte.
Mit Schriftsatz vom 25. August 2002 trug der Beschwerdeführer ergänzend vor, der
Vorfall am 23. November 2000 sei von einer Überwachungskamera gefilmt worden.
Außerdem sei die Prozessvollmacht der gegnerischen Rechtsanwälte nicht von den
gesetzlichen Vertretern der BVG ausgestellt worden.
In der mündlichen Verhandlung am 30. August 2002 begann die zuständige Richterin, für
das Protokoll die Anwesenheit der damaligen Klägerin und ihres
Prozessbevollmächtigten zu diktieren, obwohl diese noch nicht anwesend waren; dies
wurde auf Protest des Beschwerdeführers abgebrochen. Anschließend erging
Versäumnisurteil gegen die BVG.
Mit Schriftsatz vom 16. September 2002 trug der Beschwerdeführer vor, die
Prozessvollmacht sei von einem N. L. unterzeichnet worden, der die BVG nicht vertrete.
Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2002 lehnte der Beschwerdeführer die zuständige
Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da sie in dem Sitzungsprotokoll vom 30.
August 2002 das „begonnene Diktat der nicht anwesenden Personen“ und die
anschließende Korrektur nicht erwähnt hatte. Er fügte mit Schriftsatz vom 10. November
2002 hinzu, die Richterin verwende gesetzeswidrig eine weibliche Amtsbezeichnung. Der
Ablehnungsantrag wurde von dem hierfür zuständigen Richter zurückgewiesen, da es
sich nur um eine zulässige Vorbereitung des Protokolls gehandelt habe, das erst mit der
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sich nur um eine zulässige Vorbereitung des Protokolls gehandelt habe, das erst mit der
Unterschrift fertig gestellt werde; der weitere Ablehnungsgrund sei offensichtlich
abwegig.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29. November 2002 - bei
Gericht eingegangen am 17. Februar 2003 - sofortige Beschwerde ein, die das
Landgericht Berlin jedoch mit Beschluss vom 5. März 2003 wegen verspäteter Einlegung
als unzulässig verwarf. Die sofortige Beschwerde sei darüber hinaus unbegründet, zumal
der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 30. August 2002 entgegen §
43 ZPO Anträge gestellt habe, ohne die Befangenheit zu rügen.
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2002 ließ die BVG ein Dokument vorlegen, aus dem
nach ihren Angaben hervorgeht, dass N. L. für sie zeichnungsbefugt ist.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2002 erhob der Beschwerdeführer Widerklage gegen
die BVG sowie Drittwiderklage gegen deren Mitarbeiter C. und D., jeweils mit dem Antrag
auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf Unterlassung von Behauptungen.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2003 wies das Amtsgericht Hohenschönhausen den
Beschwerdeführer darauf hin, dass die Drittwiderklage gegen den Mitarbeiter D. mangels
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei, da das Strafverfahren noch nicht
abgeschlossen sei. Das Gericht werde zunächst über die Widerklagen durch Teilurteil
entscheiden und danach die Drittwiderbeklagten als Zeugen hinsichtlich der Klage hören.
Daraufhin erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. Juni 2003 zusätzlich
Drittwiderklage gegen den Mitarbeiter der BVG W. auf Zahlung von Schmerzensgeld. Der
Name dieses Drittwiderbeklagten sei ihm erst durch Schreiben der Klägerin vom 12. Juni
2003 bekannt geworden.
Mit Schriftsatz vom 22. November 2003 lehnte der Beschwerdeführer die zuständige
Richterin erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab, weil sie weiterhin gesetzeswidrig
eine weibliche Amtsbezeichnung verwende.
In der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2004 legten die BVG eine von dem
Vorstand H. S. unterzeichnete Originalvollmacht vor, in die auch der Beschwerdeführer
Einsicht erhielt.
Im Anschluss lehnte der Beschwerdeführer die Richterin mit Schriftsatz vom 25. Januar
2004 wiederum ab, nunmehr mit der Begründung, sie habe entgegen seinem
ausdrücklichen Willen die Anträge aus seinen früheren Schriftsätzen diktiert, obwohl er
vorgetragen habe, dass er einen neuen Antrag stellen wolle. Seine Absicht sei es
gewesen, Versäumnisurteil zu beantragen, da die BVG nicht wirksam vertreten gewesen
sei. Allerdings sei auch in dem protokollierten Sachantrag nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils enthalten gewesen.
Die Richterin sei jedoch anderer Auffassung als der Bundesgerichtshof gewesen und
habe in Benachteiligungsabsicht auf diesen Umstand - dass mit der Protokollierung kein
Versäumnisurteil beantragt sei - nicht hingewiesen. Der Schriftsatz enthält darüber
hinaus die Äußerungen, die Richterin stelle sich dumm, begehe Straftaten und handle
aus niedrigen Beweggründen; zudem verwende sie verfahrensrechtliche „Tricksereien“.
Die Richterin wird durchweg in männlicher Form als „Richter K.BindestrichA.“ bezeichnet.
Mit Teilurteil vom 30. Januar 2004 wies das Amtsgericht Hohenschönhausen die
Widerklage gegen die BVG als unbegründet ab. Der Befangenheitsantrag vom 22.
November 2003 sei rechtsmissbräuchlich, da er allein der Verfahrensverzögerung diene
und in der Sache (weibliche Amtsbezeichnung) schon zweimal entschieden worden sei.
Auch der Ablehnungsantrag vom 25. Januar 2004 sei rechtsmissbräuchlich, da er
beleidigende Äußerungen enthalte und der Verfahrensverzögerung diene. In der Sache
hätten die Prozessbevollmächtigten der BVG ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung
ausreichend nachgewiesen, indem sie eine Vollmacht und eine Untervollmacht im
Original vorgelegt hätten. Die BVG hätten die Behauptungen des Beschwerdeführers
hinreichend substantiiert bestritten. Hinsichtlich des vermeintlichen Videobands hätten
sie mitgeteilt, dass es keine Aufzeichnung gebe, so dass das Gericht keine weiteren
Nachforschungen habe anstellen können. Der Beschwerdeführer habe insoweit selbst
Beweismittel vorlegen oder Nachforschungen anstellen müssen.
Mit Schriftsatz vom 28. April 2004 beantragte der Beschwerdeführer nochmals, das
vermeintliche Videoband als Beweismittel heranzuziehen.
In der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2004 lehnte der Beschwerdeführer die
Richterin erneut wegen ihres Verhaltens in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar
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Richterin erneut wegen ihres Verhaltens in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar
2004 ab.
Mit Schlussurteil vom 4. Mai 2004 verurteilte das Amtsgericht Hohenschönhausen den
Beschwerdeführer gemäß dem Klageantrag. Die Richterin führte aus, über die
Befangenheitsanträge vom 22. November 2003, vom 25. Januar 2004 und vom 4. Mai
2004 habe sie selbst entscheiden können, da sie rechtsmissbräuchlich gewesen seien.
Sie hätten der Verfahrensverzögerung gedient, zudem sei über den Ablehnungsgrund
vom 22. November 2003 (weibliche Amtsbezeichnung) bereits zweimal entschieden
worden. Ferner enthalte der Antrag vom 25. Januar 2004 beleidigende Äußerungen.
Schließlich sei der Antrag vom 4. Mai 2004 unzulässig, da der Beschwerdeführer
gleichwohl Sachanträge gestellt habe. In der Sache führte das Gericht aus, der
Sachverhalt hinsichtlich des Vorfalls am 23. November 2000 sei so, wie von der BVG
vorgetragen, erwiesen. Der Beschwerdeführer habe den Mitarbeiter C. verletzt, der
daraufhin arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen sei. Die hierdurch verursachten
Schäden habe die BVG ausreichend nachgewiesen. Hinsichtlich der Prozessvollmacht
und des vermeintlichen Videobands äußerte sich das Gericht wie bereits in dem Teilurteil
vom 30. Januar 2004.
Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2004 beantragte der Beschwerdeführer, das Verfahren
gemäß § 321a ZPO wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs fortzusetzen, und führte
im Wesentlichen die insoweit auch in der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten
Gesichtspunkte an. Mit Beschluss vom 7. Juni 2004 wies das Amtsgericht
Hohenschönhausen die Rüge jedoch als unbegründet zurück. Anhängig ist gegen das
Schlussurteil noch eine Berufung des Klägers (53 S 136/04).
Mit Beschluss vom 2. Juli 2004 verwarf das Landgericht Berlin die Berufung gegen das
Teilurteil vom 30. Januar 2004 hinsichtlich der damaligen Drittwiderbeklagten als
unzulässig und wies sie im Übrigen hinsichtlich der damaligen Widerbeklagten (BVG)
gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück, da sie keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Richterin
habe trotz der Befangenheitsanträge selbst entscheiden dürfen, da diese
rechtsmissbräuchlich gewesen seien. Dies zeige sich schon daran, dass der
Beschwerdeführer weiter an dem abwegigen Vortrag festhalte, die Richterin führe eine
gesetzeswidrige Amtsbezeichnung; sein Verhalten diene lediglich der
Verfahrensverschleppung. Ferner habe die BVG Haupt- und Untervollmacht für die
Prozessbevollmächtigten hinreichend nachgewiesen, zumal die in dem Termin am 9.
Januar 2004 erschienene Rechtanwältin gemäß § 89 ZPO vorläufig zugelassen worden
sei. Deshalb sei in diesem Termin ein Versäumnisurteil nicht möglich und damit auch ein
richterlicher Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 ZPO entbehrlich gewesen. Der
Beschwerdeführer sei beweisfällig geblieben; insbesondere habe es angesichts des
Beibringungsgrundsatzes an ihm gelegen, das vermeintliche Videoband vorzulegen.
Hiergegen beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24. August 2004 die
Fortsetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 321a ZPO wegen
Verletzung des rechtlichen Gehörs aus den auch in der Verfassungsbeschwerde
gerügten Gesichtspunkten. Das Landgericht Berlin verwarf die Rüge jedoch mit
Beschluss vom 14. September 2004 als unzulässig, da § 321a ZPO nicht analog
anwendbar sei; zudem sei der Antrag auch unbegründet.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts Hohenschönhausen vom 4. Mai 2004 und gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Hohenschönhausen vom 7. Juni 2004 hat der
Beschwerdeführer am 12. Juli 2004 Verfassungsbeschwerde erhoben (VerfGH 112/04).
Ferner hat er gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Hohenschönhausen vom 30. Januar
2004 sowie die Beschlüsse des Landgerichts Berlin vom 2. Juli 2004 (zugestellt am 10.
August 2004) und 14. September 2004 (zugestellt am 4. Oktober 2004) am 4.
Dezember 2004 Verfassungsbeschwerde erhoben (VerfGH 202/04). Er rügt die
Verletzung seines Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 15 Abs. 1 der
Verfassung von Berlin (VvB), des Willkürverbots gemäß Art. 10 Abs. 1 VvB sowie des
Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB.
Hinsichtlich der Vertretungsmacht der Prozessbevollmächtigten der BVG trägt er vor,
sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, da die Gerichte sich zwar hierzu
geäußert, dabei jedoch seinen Vortrag nicht berücksichtigt hätten. Das Amtsgericht
Hohenschönhausen habe in dem Urteil vom 4. Mai 2004 zudem durch die Verwendung
von „Leerphrasen“ gegen das Willkürverbot verstoßen. Auch der Beschluss des
Amtsgerichts Hohenschönhausen vom 7. Juni 2004 sei willkürlich, da es die Auffassung
vertreten habe, der Anspruch auf rechtliches Gehör verlange nur die Möglichkeit der
Äußerung; gefordert sei aber vielmehr eine Berücksichtigung des Vorbringens durch das
Gericht.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei ferner dadurch verletzt worden, dass die
Gerichte die Behauptung übergangen hätten, dass der Mitarbeiter C. überhaupt nicht
verletzt worden und arbeitsunfähig gewesen sei.
Weiterhin sei der Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt worden, dass das
Amtsgericht Hohenschönhausen es versäumt habe, die Vorlage des Videobands von
Amts wegen anzuordnen; denn dessen Vorhandensein sei unstreitig gewesen. Jedenfalls
sei ein Hinweis nach § 139 ZPO erforderlich gewesen, dass diese Anordnung zu
beantragen sei. Zudem sei die Schlussfolgerung in dem Beschluss vom 7. Juni 2004,
dass das Band nicht existiere, willkürlich gewesen.
Darüber hinaus hätten die Gerichte den Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch
verletzt, dass sie die Behauptung übergangen hätten, dem Mitarbeiter C. seien
überhaupt keine Leistungen ausgezahlt worden. Zwar werde in dem Urteil vom 4. Mai
2004 ausgeführt, die BVG habe die Beträge durch ihre Berechnung ausreichend
nachgewiesen. Dies sei jedoch bloßer Parteivortrag gewesen, der gerade bestritten
worden sei. Sollte die Berechnung hingegen als Beweismittel angesehen worden sein, so
sei sie ohne Beweisaufnahme eingeführt worden.
Ferner habe das Amtsgericht Hohenschönhausen den Anspruch des Beschwerdeführers
auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es seinen unstreitigen Vortrag übergangen
habe, er sei gegen seinen Willen gewaltsam in einen BVG-Raum verbracht und dort 40
Minuten festgehalten worden.
Hinsichtlich der landgerichtlichen Entscheidungen rügt der Beschwerdeführer, sein
Anspruch auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden, dass das Landgericht
seinen Vortrag zu der „Widersprüchlichkeit“ im Tenor des Teilurteils vom 30. Januar 2004
übergangen habe.
Der Beschwerdeführer rügt weiterhin die Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen
Richter. Er verweist zunächst auf den Ablehnungsantrag vom 23. Oktober 2002,
demzufolge die Richterin das Protokoll - durch Nichterwähnung des Vorfalls in der
mündlichen Verhandlung vom 30. August 2002 - nachträglich verfälscht habe. Zudem
sei die Beschwerde gegen die Zurückweisung seines Antrags nicht an das Landgericht
weitergeleitet worden. Weiterhin verweist der Beschwerdeführer auf die Ablehnungen
vom 22. November 2003 und vom 25. Januar 2004. Die Entscheidung über die Anträge
durch die abgelehnte Richterin selbst sei unzulässig gewesen und habe der
„Verfahrensmanipulation“ gedient. Ferner hätten die Ablehnungen nicht der
Verfahrensverzögerung gedient; da dies rechtlich unvertretbar sei und in dem Urteil vom
4. Mai 2004 auch nicht begründet werde, liege zudem Willkür vor. Schließlich seien die
Ablehnungen auch weder rechtsmissbräuchlich noch beleidigend gewesen. Die etwaigen
Beleidigungen seien aber auch unerheblich gewesen, da jedenfalls ein sachlicher
Ablehnungsgrund erkennbar gewesen sei. Über die Ablehnung in der mündlichen
Verhandlung vom 4. Mai 2004 sei im Übrigen zu keinem Zeitpunkt entschieden worden,
auch nicht im Urteil. Darüber hinaus habe das Landgericht Berlin die
Rechtsmissbräuchlichkeit der Ablehnungsanträge lediglich behauptet und damit
willkürlich gehandelt.
II. Die Verfassungsbeschwerde ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Die
angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Amtsgerichts
Hohenschönhausen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
Der Beschwerdeführer ist nicht dadurch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
15 Abs. 1 VvB) verletzt, dass die Gerichte seinen Vortrag hinsichtlich der
Vertretungsmacht der Prozessbevollmächtigten nicht berücksichtigt hätten. Sowohl das
Amtsgericht Hohenschönhausen (Teilurteil vom 30. Januar 2004 und Schlussurteil vom
4. Mai 2004) als auch das Landgericht Berlin (Beschluss vom 2. Juli 2004) haben sich
vielmehr ausdrücklich zu der Frage der Vertretungsmacht geäußert.
Auch dem Vorwurf, das Amtsgericht Hohenschönhausen habe in dem Beschluss vom 7.
Juni 2004 die willkürliche Auffassung vertreten, der Anspruch auf rechtliches Gehör
verlange nur die Möglichkeit der Äußerung, kann nicht gefolgt werden. Aus Art. 15 Abs. 1
VvB ergibt sich allerdings die Pflicht des Gerichts, das Vorbringen der Beteiligten zur
Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu erwägen (vgl. Beschluss vom 23.
August 2004 - VerfGH 96/01 -; Beschluss vom 1. November 2004 - VerfGH 144/03 -; vgl.
auch Degenhart, in: Sachs [Hrsg.], Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 103 GG Rn. 8). Dem
Beschluss des Amtgerichts kann jedoch nicht entnommen werden, dass es - wie vom
Beschwerdeführer unterstellt - der Meinung war, es brauche sein Vorbringen nicht zu
berücksichtigen. Ob die getroffene Entscheidung dabei dem einfachen Recht entspricht
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berücksichtigen. Ob die getroffene Entscheidung dabei dem einfachen Recht entspricht
oder nicht, ist für die Frage des rechtlichen Gehörs unerheblich.
Dass die Gerichte die Behauptung des Beschwerdeführers übergangen hätten, der
Mitarbeiter C. sei überhaupt nicht verletzt worden und arbeitsunfähig gewesen, trifft
ebenfalls nicht zu. Das Amtsgericht Hohenschönhausen hat in dem Urteil vom 4. Mai
2004 vielmehr eine ausführliche Beweiswürdigung vorgenommen. Auch der Vorwurf, das
vermeintliche Übergehen sei willkürlich, geht daher ins Leere. Die Behauptung des
Beschwerdeführers, die fehlende Verletzung des Mitarbeiters C. sei vor Gericht unstreitig
gewesen, erscheint hingegen unverständlich, da die BVG ihre Klage gerade auf diese
Verletzung gestützt hatte. Das Landgericht Berlin - das in der Sache nur hinsichtlich der
Widerklage tätig geworden ist - brauchte sich im Übrigen mit dieser Frage nicht näher zu
befassen, da sie für den Anspruch des Beschwerdeführers nicht entscheidungserheblich
war.
Das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör wurde ferner auch nicht
dadurch verletzt, dass die Gerichte davon abgesehen haben, das vermeintliche
Videoband hinzuzuziehen. Insoweit ist die Rüge des Beschwerdeführers nicht
nachvollziehbar, da sich beide Gerichte mit der Frage des Videobands
auseinandergesetzt haben.
Hinsichtlich der Auffassung der Gerichte, dass der Beschwerdeführer insoweit
beweisfällig geblieben ist, liegt auch keine Willkür vor. Hierbei handelt es sich um eine
Frage des einfachen Prozessrechts, deren Bewertung dem Verfassungsgerichtshof
grundsätzlich entzogen ist. Geprüft werden kann in dem vorliegenden Verfahren
lediglich, ob die Entscheidung auf einer unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr
vertretbaren, schlechthin abwegigen Auffassung beruht (vgl. Beschluss vom 25. April
1994 - VerfGH 34/94 - LVerfGE 2, 16 <18>; Beschluss vom 23. August 2004 - VerfGH
182/03 -; Beschluss vom 1. November 2004 - VerfGH 144/03 -; st. Rspr.). Die
Ausführungen der Gerichte zu den Beweisregeln erscheinen jedoch ohne weiteres
nachvollziehbar.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Amtsgericht Hohenschönhausen habe seine
Behauptung übergangen, dass an den Mitarbeiter C. überhaupt keine Leistungen
ausgezahlt worden seien, trifft dies schon deshalb nicht zu, weil das Amtsgericht in dem
Urteil vom 4. Mai 2004 ausdrücklich festgestellt hat, die geltend gemachten Beträge
seien durch die Berechnung vom 14. Februar 2002 hinreichend nachgewiesen worden.
Das Amtsgericht hat seinen Vortrag mithin zur Kenntnis genommen und berücksichtigt.
Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus die Verletzung von Beweisregeln rügt, ist
der Verfassungsgerichtshof aus den genannten Gründen nicht zu einer umfassenden
Überprüfung berechtigt.
Weiterhin hat das Amtsgericht Hohenschönhausen auch nicht den Vortrag des
Beschwerdeführers übergangen, er sei gewaltsam gegen seinen Willen in einen BVG-
Raum verbracht und dort 40 Minuten festgehalten worden. Vielmehr hat es in dem
Teilurteil vom 30. Januar 2004 diese Behauptung ausdrücklich zur Kenntnis genommen,
die Widerklage jedoch wegen des Bestreitens der BVG (insoweit ausdrücklich mit
Schriftsatz vom 12. Juni 2003) und der Beweisfälligkeit des Beschwerdeführers
abgewiesen.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Landgericht Berlin habe seinen Vortrag zu der
„Widersprüchlichkeit“ des Tenors in dem Teilurteil vom 30. Januar 2004 übergangen, ist
bereits nicht nachvollziehbar, worauf er abheben will. Sollte er damit die Frage meinen,
ob das Teilurteil nur die Widerklage oder auch die Drittwiderklagen betrifft, so hat sich
das Landgericht hiermit jedenfalls umfänglich auseinandergesetzt.
Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Gerichte hätten seinen Anspruch auf den
gesetzlichen Richter verletzt, ist ebenfalls unbegründet. Aus verfassungsrechtlicher Sicht
kann die Einhaltung der einfachgesetzlichen Ablehnungsvorschriften nicht in vollem
Umfang geprüft werden; vielmehr muss das fachgerichtliche Vorgehen willkürlich oder
offensichtlich unhaltbar gewesen sein und damit den Wesensgehalt des maßgeblichen
Grundrechts verkannt haben (vgl. Beschluss vom 7. Dezember 2004 - VerfGH 122/04 -;
Degenhart, in: Sachs [Hrsg.], Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 101 GG Rn. 18). Bei
Anwendung dieses Maßstabs ist kein Verfassungsverstoß erkennbar. Es war keineswegs
unvertretbar, dass in dem Protokoll der Vorfall in der mündlichen Verhandlung vom 30.
August 2002 nicht erwähnt wurde. Die Argumentation des Landgerichts Berlin in dem
Beschluss vom 5. März 2003 leuchtet insoweit unmittelbar ein, zumal der
Befangenheitsantrag auch gemäß § 43 ZPO unzulässig war. Ferner hat der
Beschwerdeführer seine Behauptung, die Beschwerde gegen die Zurückweisung des
Ablehnungsantrags vom 23. Oktober 2002 sei nicht unverzüglich an das Landgericht
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Ablehnungsantrags vom 23. Oktober 2002 sei nicht unverzüglich an das Landgericht
weitergeleitet worden, in keiner Weise substantiiert. Dass darüber hinaus die weiteren
Ablehnungsanträge als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen wurden, ist nicht nur
nachvollziehbar, sondern drängt sich angesichts der gehäuften Anträge mit teils
abwegigen Begründungen und erheblichen Beleidigungen geradezu auf. Über den
Ablehnungsantrag vom 4. Mai 2004 ist im Übrigen am selben Tag entschieden worden,
so dass die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers ins Leere geht.
Eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter ist auch nicht darin zu
sehen, dass die Richterin am Amtsgericht über die Ablehnungsanträge vom 22.
November 2003, 25. Januar und vom 4. Mai 2004 wegen rechtsmissbräuchlichen
Verhaltens selbst entschieden hat. Dies wird vielmehr von Rechtsprechung und Literatur
unter Hinweis auf die Prozessökonomie und den Beschleunigungsgrundsatz für zulässig
gehalten (vgl. nur Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl.
2005, § 45 ZPO Rn. 6 m. w .N.) und ist daher nicht willkürlich.
Soweit der Beschwerdeführer zusätzlich rügt, das Landgericht Berlin habe hinsichtlich
der Ablehnungsanträge bloße Behauptungen über die Rechtsmissbräuchlichkeit
aufgestellt und damit willkürlich gehandelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da das
Landgericht seine Auffassung im Gegenteil eingehend begründet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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