Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: aufrechnung, gegenforderung, rechtliches gehör, verfassungsbeschwerde, mietvertrag, grundrecht, auszug, rechtskraft, mietzins, form

1
2
Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
48/01, 48 A/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 Abs 1 Verf BE, § 535
BGB, § 322 Abs 2 ZPO, § 519
Abs 2 ZPO, § 389 BGB
VerfGH Berlin: Verletzung des Willkürverbots durch
berufungsgerichtliche Mißachtung ausdrücklichen Bestreitens
eines Schadensersatzanspruchs wegen Schönheitsreparaturen
in Mietrechtsstreit - willkürliche Rechtsauffassung des LG, dass
Berufung nur zulässig sei, wenn bei hilfsweiser Aufrechnung
ausreichende Berufungsgründe gegen Haupt- und
Gegenforderung geltend gemacht werden
Leitsatz
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Entscheidung der Vorinstanz, daß eine hilfsweise
aufgerechnete, die zugesprochene Klageforderung deckende Gegenforderung des Beklagten
nicht bestehe, könne mit der Berufung zulässigerweise nur angegriffen werden, wenn zugleich
ausreichende Berufungsgründe gegen die zugesprochene Klageforderung vorgebracht
würden, entbehrt jeden sachlichen Grundes und ist deshalb schlechthin unhaltbar.
Tenor
1. Das Teilurteil des Landgerichts Berlin vom 20. März 2001 - 64 S 384/00 - verletzt den
Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 der Verfassung von Berlin,
soweit die Berufung des Beschwerdeführers wegen eines Teilbetrags von 7.757,22 DM
nebst 10 % Zinsen seit dem 9. September 1999 verworfen wurde. Es wird insoweit
aufgehoben. Die Sache wird in diesem Umfang an das Landgericht zurückverwiesen.
2. ...
3. ...
Gründe
I.
1. Der Beschwerdeführer war vom 15. Dezember 1994 bis zum 14. Dezember 1998
Mieter einer bei seinem Einzug nicht renovierten Ein-Zimmer-Wohnung mit Küche, Flur
und Toilette mit Dusche in B... . Nach dem Mietvertrag war der Mieter verpflichtet, die
Schönheitsreparaturen zu tragen, und zwar auf seine Kosten mindestens alle drei Jahre
in Küche, Bad, Toilette und alle fünf Jahre in allen übrigen Räumen
Schönheitsreparaturen fachmännisch ausführen zu lassen bzw. auszuführen. Falls das
Mietverhältnis vor Eintritt der Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen
endete, sah der Mietvertrag die Verpflichtung des Mieters vor, die anteiligen Kosten für
die Schönheitsreparaturen aufgrund eines Kostenvoranschlags eines Malerfachbetriebs
an den Vermieter nach Maßgabe einer Quotenklausel zu zahlen.
Mit der im Ausgangsverfahren erhobenen Klage vor dem Amtsgericht Neukölln nahm die
Beteiligte zu 2. als Vermieterin den Beschwerdeführer nach Beendigung des
Mietverhältnisses auf Zahlung von Mietzins und Nutzungsausfall in Höhe von insgesamt
5.279,86 DM, auf Betriebskostennachzahlung für das Jahr 1998 in Höhe von 175,49 DM
sowie auf Schadensersatz in Höhe von 16.996,05 DM wegen unterlassener
Schönheitsreparaturen, jeweils zuzüglich Zinsen, in Anspruch. Gegen den
Schadensersatzanspruch machte der Beschwerdeführer u.a. geltend, hinsichtlich des
Flures und des Zimmers seien die Fristen für die Durchführung der
Schönheitsreparaturen noch nicht abgelaufen gewesen, so dass bei seinem Auszug
keine Schönheitsreparaturen erforderlich gewesen seien. Die Quotenklausel sei nach
einem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. August 1984 (WuM
1984, S. 266 f.) unwirksam, wenn - wie hier - eine unrenovierte Wohnung überlassen
worden sei. Ferner erklärte der Beschwerdeführer hinsichtlich der mit der Klage geltend
gemachten Forderungen vorsorglich die Aufrechnung aus Gegenansprüchen auf
Kautionsrückzahlung von 1.899,87 DM sowie aus überzahlter Miete (§§ 812 ff. BGB i. V.
3
4
5
6
7
Kautionsrückzahlung von 1.899,87 DM sowie aus überzahlter Miete (§§ 812 ff. BGB i. V.
m. § 5 WiStG) in Höhe von 13.873,66 DM.
Durch Urteil vom 8. Juni 2000 verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer zur
Zahlung von 11.529,79 DM nebst Zinsen an die Beteiligte zu 2. und wies die Klage im
übrigen als unbegründet ab. Die Beteiligte zu 2. habe gegen den Beschwerdeführer
Anspruch auf Nachzahlung von Mietzins für November und Dezember 1998 in Höhe von
1.159,96 DM sowie auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen in
Höhe von 9.481,60 DM für diese selbst, von 950 DM für die Schadensermittlung und von
1.662,61 DM für Nutzungsausfall bis 15. Februar 1999, ferner einen
Nachzahlungsanspruch von 175,49 DM aus der Betriebskostenabrechnung für 1998. Der
gegen den Schadensersatzanspruch erhobene Einwand des Beschwerdeführers, die
Wohnung sei bei seinem Einzug ebenfalls unrenoviert gewesen, sei unbeachtlich. Nach
der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei ein Mieter nämlich auch dann verpflichtet,
turnusgemäß Schönheitsreparaturen vorzunehmen, wenn er die Wohnung unrenoviert
übernommen habe.
Gegen die sich daraus ergebende Gesamtforderung von 13.429,66 DM könne der
Beschwerdeführer lediglich mit einem restlichen Kautionsrückzahlungsanspruch von
949,87 DM aufrechnen. Darüber hinaus sei der Schadensersatzanspruch der Beteiligten
zu 2. bereits durch deren eigene Aufrechnung der Gutachterkosten gegen den
Kautionsrückzahlungsanspruch in Höhe von 950 DM erloschen. Weitere aufrechenbare
Gegenansprüche ständen dem Beschwerdeführer nicht zu. Insbesondere könne er nicht
mit Rückzahlungsansprüchen aus § 812 Abs. 1 BGB aufrechnen. Er habe nicht
hinreichend dargelegt, dass die Mietzinsvereinbarung nach § 134 BGB i. V. m. § 5 WiStG
teilweise nichtig gewesen sei. Hierzu hätte er darlegen müssen, dass er sich vor der
Anmietung der streitbefangenen Wohnung ergebnislos um andere Wohnungen bemüht
habe.
Gegen dieses Urteil legten beide Parteien innerhalb der Berufungsfrist des § 516 ZPO
Berufung ein. Während die Beteiligte zu 2. damit ihr weitergehendes Zahlungsbegehren
in Höhe von 10.921,61 DM weiterverfolgte, begehrte der Beschwerdeführer die
Abweisung der Klage, soweit ihr vom Amtsgericht stattgegeben worden war. Zur
Begründung nahm er innerhalb der Begründungsfrist auf sein gesamtes
erstinstanzliches Vorbringen Bezug und trug u.a. vor, das Amtsgericht habe nicht
beachtet, dass hinsichtlich des Flurs und des einen Zimmers die Fristen zur notwendigen
Schönheitsreparatur entsprechend dem Mietvertrag nicht abgelaufen gewesen seien, so
dass bei Auszug hier keine Schönheitsreparaturen vorzunehmen gewesen seien.
Insoweit wären lediglich Ansprüche aus der Quotenklausel gegeben, wobei nochmals auf
den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. August 1984 verwiesen
werde. Außerdem habe das Amtsgericht verkannt, dass dem Beschwerdeführer
aufrechenbare Gegenansprüche mit Rückzahlungsansprüchen aus § 812 Abs. 1 BGB
zuständen. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sei es nicht notwendig, dass der
Mieter seine ergebnislosen Bemühungen um eine andere Wohnung substantiiert darlege
und unter Beweis stelle. Lediglich vorsorglich trage er aber insoweit unter Beweisantritt
vor, warum er 1994 gezwungen gewesen sei, sich eine neue Wohnung zu suchen, und
dass er u. a. 14 im einzelnen bezeichnete Wohnungen besichtigt habe, die er jedoch aus
verschiedenen, im einzelnen bezeichneten Gründen nicht habe mieten können. Auch im
übrigen lägen die Voraussetzungen einer Mietpreisüberhöhung nach § 5 WiStG vor.
Durch Teilurteil vom 20. März 2001 gab das Landgericht Berlin der Berufung der
Beteiligten zu 2. hinsichtlich eines Teilbetrags von weiteren 2.580 DM nebst Zinsen statt,
wies sie wegen weiterer Teilbeträge von insgesamt 9.657,99 DM als unzulässig bzw.
unbegründet zurück und verwarf die Berufung des Beschwerdeführers wegen eines
Teilbetrags von 7.757,22 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 7. Juni 1999. Soweit der
Beschwerdeführer sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 9.481,60 DM
Schadensersatz für nicht durchgeführte Schönheitsreparaturen und 175,49 DM
Betriebskostennachzahlung für 1998 abzüglich des aufgerechneten
Kautionsrückzahlungsanspruchs von 1.899,87 DM wende, sei seine Berufung gemäß §
519 Abs. 2 ZPO unzulässig. Denn er setze sich weder mit der Verurteilung zur Zahlung
der Betriebskosten 1998 noch zum Schadensersatz wegen nicht durchgeführter
Schönheitsreparaturen mit dem angefochtenen Urteil auseinander; seine
Berufungsbegründung enthalte nur Ausführungen zu § 5 WiStG und zur zulässigen
Miethöhe. Der Beschwerdeführer habe damit die Berufung nicht ordnungsgemäß
begründet, da er in seiner Berufungsbegründung zu den o. g. Streitgegenständen nichts
ausführe. Denn bei einer Mehrheit mit der Berufung verfolgter Ansprüche bzw. der
Abwehr derselben sei eine Begründung für jeden nötig.
Mit der am 12. April 2001 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der
7
8
9
10
11
Mit der am 12. April 2001 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der
Beschwerdeführer eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 15
Abs. 1 der Verfassung von Berlin - VvB - sowie eine Verletzung des Willkürverbots. Die
Begründung, mit der das Landgericht in dem angefochtenen Teilurteil die Zulässigkeit
seiner Berufung teilweise verneint habe, sei unzutreffend und unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt vertretbar. Eine Auseinandersetzung mit der Betriebskostennachzahlung
1998 sei nicht geboten gewesen, da er sich nicht dem Rechtsgrund nach gegen die
Zahlung wende, sondern der Ansicht sei, dass die in erster Instanz erklärte Aufrechnung
greife. Der Einwand, dass er sich hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs wegen der
nicht durchgeführten Schönheitsreparaturen nicht mit dem Urteil auseinandergesetzt
habe, sei falsch. Denn er habe in der Berufungsbegründung ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass nach seiner Rechtsauffassung dieser Anspruch hinsichtlich des Flurs
und des Zimmers nicht bestehe. Im übrigen habe er sich ausdrücklich auf die
Aufrechnungslage bezogen, die erstinstanzlich verneint worden sei. Hier habe er sich
ausführlich mit der erstinstanzlichen Rechtsauffassung auseinandergesetzt, die die
Aufrechnungslage mangels Darlegung der subjektiven Mangellage verneint habe. Die
erstinstanzliche Aufrechnung auch in Form einer Hilfsaufrechnung sei ein
rechtsgestaltender Akt, der nach ständiger Rechtsprechung in der zweiten Instanz nicht
nochmals erklärt werden müsse. Im übrigen enthalte die Berufungsschrift die
Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen. Auch hierauf gehe das Landgericht
nicht ein. Da er die Abwehr verschiedener Ansprüche mit der Aufrechnung verfolgt habe,
wäre es sinnwidrig, ihn zu zwingen, sich gegen Ansprüche zu wenden, deren Bestehen er
nach dem erstinstanzlichen Urteil akzeptiere, und ihm anderenfalls seine berechtigten
Einwendungen in Form der Aufrechnung abzuschneiden.
3. Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 VerfGHG ist dem Präsidenten des Landgerichts und der
Klägerin des Ausgangsverfahrens Gelegenheit gegeben worden, sich zu der
Verfassungsbeschwerde zu äußern. Der Präsident des Landgerichts hat mitgeteilt, der
Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer habe zu der Verfassungsbeschwerde wie folgt
Stellung genommen:
Nach Auffassung der Kammer betreffe das - in der angefochtenen Entscheidung in
Bezug genommene - Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1997 - VII ZR
199/96 - (NJW 1998, S. 1081) auch den Fall, dass Verurteilung auf eine Forderung
erfolge, gegen die - wie hier - subsidiär aufgerechnet werde. Auch in diesem Fall sei eine
Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung
insoweit notwendig, als die Verurteilung darauf gestützt sei. Denn die Aufrechnung sei
erst subsidiär nach Prüfung der Begründetheit der Forderung zu prüfen. Aus der
Berufungsbegründung gehe hervor, dass der Beschwerdeführer zunächst das Urteil des
Amtsgerichts insoweit angreife, als die Forderung zugesprochen worden sei. Erst danach
gehe er auf die zur Aufrechnung gestellte Forderung ein, so dass die Kammer von einer
Hilfsaufrechnung ausgegangen sei. In diesem Fall müsse aber nach Auffassung der
Kammer zunächst geprüft werden, ob die Auseinandersetzung mit der zugesprochenen
Forderung ausreiche, um die Zulässigkeit der Berufung zu bejahen. Wenn dies - wie hier
nach Auffassung der Kammer - nicht der Fall sei, sie die Berufung unabhängig von der
hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung als unzulässig zu verwerfen. Eine
Verletzung des rechtlichen Gehörs könne darin nicht gesehen werden. Die
Terminsvertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung sei auch auf
die daraus resultierenden Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen
worden.
II.
Die Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer bei sachgerechter
Auslegung seines Begehrens das Teilurteil des Landgerichts nur insoweit angreift, als es
seine Berufung teilweise als unzulässig verworfen hat, ist zulässig und begründet.
Insoweit verletzt das Teilurteil den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 10
Abs. 1 VvB in seiner Ausprägung als Willkürverbot.
Soweit - wie hier - eine gerichtliche Entscheidung Gegenstand einer
Verfassungsbeschwerde ist, besteht die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs
nur in engen Grenzen. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung
des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den
einzelnen Fall sind grundsätzlich Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und
insoweit der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen (vgl. Beschluss
vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 - LVerfGE 1, 7 <8 f.>; st. Rspr.). Im
Verfassungsbeschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob das Gericht in der Verfassung
von Berlin enthaltene Rechte des Beschwerdeführers verletzt hat. Ein solcher Verstoß
liegt bei gerichtlichen Urteilen unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots des Art. 10
12
13
14
15
liegt bei gerichtlichen Urteilen unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots des Art. 10
Abs. 1 VvB nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält.
Hinzukommen muss vielmehr, dass die Entscheidung sachlich schlechthin unhaltbar und
deshalb objektiv willkürlich ist. Ohne dass es auf subjektive Umstände oder ein
Verschulden des Gerichts ankäme, stellt eine derartige willkürliche Entscheidung einen
Verstoß gegen das aus Art. 10 Abs. 1 VvB abzuleitende Verbot dar, offensichtlich
unsachliche Erwägungen zur Grundlage einer staatlichen Entscheidung zu machen. Dies
entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem mit
Art. 10 Abs. 1 VvB inhaltsgleichen Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. u. a. BVerfGE 58, 163 <167 f.>,
62, 189 <192>; 71, 122 <136>, 202 <205>).
Gemessen an diesen Grundsätzen überschreitet die in dem angegriffenen Teilurteil
enthaltene teilweise Verwerfung der Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig die
Grenze zur Willkür und kann daher verfassungsrechtlich keinen Bestand haben. Für die
Auslegung und Anwendung des Verfahrensrechts, auf die das Landgericht seine
Entscheidung stützt, fehlt es an jeder nachvollziehbaren Begründung.
Das Landgericht stellt in seinen Entscheidungsgründen zunächst in tatsächlicher
Hinsicht darauf ab, dass der Beschwerdeführer sich in seiner Berufungsbegründung
weder mit der Verurteilung zur Zahlung der Betriebskosten 1998 in Höhe von 175,49 DM
noch zum Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen in Höhe
von 9.481,60 DM mit dem angefochtenen Urteil auseinandergesetzt habe. Soweit es um
den Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen geht, ist diese
Darstellung offensichtlich unzutreffend. Der Beschwerdeführer hatte nämlich in der
Berufungsbegründung hierzu ausdrücklich vorgetragen, das Amtsgericht habe nicht
beachtet, dass hinsichtlich des Flurs und des einzigen Zimmers, also des größten Teils
seiner Mietwohnung, die Fristen zur notwendigen Schönheitsreparatur entsprechend
dem Mietvertrag nicht abgelaufen gewesen seien, so dass er nicht verpflichtet gewesen
sei, beim Auszug hier Schönheitsreparaturen vorzunehmen. Damit war insoweit auch
der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung dieser Verpflichtung dem Grunde nach
bestritten. Auf der unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung beruht auch die
Entscheidung des Landgerichts. Es hat die Berufung in dem in Rede stehenden Umfang
mangels ordnungsgemäßer Begründung verworfen, weil der Beschwerdeführer in seiner
Berufungsbegründung zu den genannten Streifgegenständen nichts ausgeführt habe.
Diese Entscheidung ist sachlich schlechthin unhaltbar und mithin objektiv willkürlich. Es
ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei sachgerechter Würdigung des
Sachverhalts zu einer anderen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung des
Beschwerdeführers hinsichtlich des den aufgerechneten Kautionsrückzahlungsanspruch
übersteigenden Teils der in Rede stehenden Zahlungsansprüche der Beteiligten zu 2.
gelangt wäre.
Unabhängig davon muss die Entscheidung des Landgerichts noch aus einem weiteren
Grund als objektiv willkürlich angesehen werden. Wie sich aus der Stellungnahme des
Vorsitzenden der zuständigen Zivilkammer ergibt, hat das Landgericht nicht verkannt,
dass der Beschwerdeführer sich in seiner Berufungsbegründung ausführlich mit der
Ansicht des Amtsgerichts auseinandergesetzt hatte, die von ihm hilfsweise
aufgerechneten Mietrückzahlungsansprüche wegen verbotener Mietpreisüberhöhung
ständen ihm nicht zu. Es ist jedoch der Auffassung gewesen, die Entscheidung des
Amtsgerichts, dass diese - die zugesprochene Klageforderung deckende -
Gegenforderung nicht bestehe, könne mit der Berufung zulässigerweise nur angegriffen
werden, wenn zugleich ausreichende Berufungsgründe gegen die zugesprochene
Klageforderung vorgebracht würden. Diese Auffassung, die eine eingehende
Auseinandersetzung mit der Rechtslage nicht erkennen lässt, entbehrt jeden sachlichen
Grundes und ist deshalb schlechthin unhaltbar.
Gemäß § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich
decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet
einander gegenübergetreten sind. Hat der Beklagte die Aufrechnung einer
Gegenforderung geltend gemacht, so ist gemäß § 322 Abs. 2 ZPO die Entscheidung,
dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die
Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Um die unentbehrliche
Klarheit über die Tragweite der Rechtskraft des Urteils für Klageforderung und
Gegenforderung zu verbürgen, darf deshalb das Gericht eine im Rechtsstreit erklärte
Hilfsaufrechnung erst berücksichtigen, wenn es die Hauptforderung, gegen die hilfsweise
aufgerechnet wird, für begründet hält. Der sachliche Grund hierfür entfällt jedoch, wenn
die erforderliche Klarheit über das Bestehen der Klageforderung bereits auf andere
Weise hergestellt ist. Dies ist im der Dispositionsmaxime unterliegenden Zivilprozess
etwa dann der Fall, wenn der Beklagte die anspruchsbegründenden Behauptungen nicht
mehr bestreitet und seine Verteidigung auf die Aufrechnung beschränkt (vgl. RGZ 167,
16
17
18
19
mehr bestreitet und seine Verteidigung auf die Aufrechnung beschränkt (vgl. RGZ 167,
257 <258>). Wurde in einem rechtskraftfähigen erstinstanzlichen Urteil - wie hier - die
Klageforderung bejaht und die Gegenforderung verneint, ist die erforderliche Klarheit
über das Bestehen der Klageforderung erst recht erreicht, wenn der Beklagte seine
Berufung entsprechend einschränkt und sich nur gegen die Verneinung der
Gegenforderung wendet (vgl. BGHZ 53, 152 <155>; 109, 179 <189>; BGH, NJW-RR
1995, S. 240 <242>; NJW 1996, S. 527; 1999, S. 2817 <2818>). Denn ein Urteil, das
über die Klageforderung und die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung
sachliche Entscheidungen trifft, enthält insoweit zwei prozessual selbständige, jeweils
rechtskraftfähiger Entscheidung zugängliche Elemente des Streitstoffs.
Wird die Berufung gegen ein solches Urteil, wie das Landgericht hier angenommen hat,
uneingeschränkt eingelegt, jedoch nur hinsichtlich eines der beiden Elemente begründet,
ist das Rechtsmittel allenfalls für den nicht begründeten Teil unzulässig (vgl. BGHZ 22,
272 <278> und st. Rspr.; Müller-Rabe, NJW 1990, S. 283 <286>; MünchKommZPO-
Rimmelspacher § 519 RdNr. 40). Das in der angegriffenen Entscheidung erwähnte Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1997 (BGH, NJW 1998, S. 1081 f.) bestätigt
lediglich diese Rechtsfolge. Ein sachlicher Grund dafür, den hier vom Landgericht
angenommenen Fall anders zu behandeln als den Fall der auf die Aufrechnung
beschränkten Verteidigung in erster Instanz oder den Fall einer von vornherein auf die
Aufrechnung beschränkten Berufungseinlegung ist auch nicht erkennbar. Denn wenn das
Berufungsgericht die Berufung hinsichtlich der dem Kläger in erster Instanz zuerkannten
Hauptforderung für unzulässig hält, verbleibt es im Ergebnis bei der rechtskraftfähigen
Feststellung der Begründetheit der Hauptforderung durch die Vorinstanz. Damit ist die
Rechtsbedingung, unter der die hilfsweise erklärte Aufrechnung und ihre gerichtliche
Prüfung steht, ohne weiteres erfüllt.
Das angegriffene Teilurteil beruht danach, soweit es die Berufung des
Beschwerdeführers verworfen hat, auf einem Verstoß gegen das Grundrecht des
Beschwerdeführers aus Art. 10 Abs. 1 VvB. Einer Prüfung am Maßstab des Art. 15 Abs. 1
VvB bedarf es unter diesen Umständen nicht. Nach § 54 Abs. 3 VerfGHG ist das
angegriffene Teilurteil insoweit aufzuheben und die Sache in entsprechender Anwendung
des § 95 Abs. 2 Halbs. 2 BVerfGG an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum