Urteil des VerfGH Berlin vom 14.03.2017

VerfGH Berlin: rechtliches gehör, verfassungsbeschwerde, verwirkung, ersitzung, haus, aufteilungsplan, anfang, eigentümer, grundstück, fristablauf

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
187/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 23 Abs 1 Verf BE, § 195
BGB, § 242 BGB, § 43 Abs 1
WoEigG
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. 1. Durch notarielle Erklärung vom 19. August 1964 teilte der Eigentümer eines
Grundstücks in Berlin-Grunewald gemäß § 8 WEG das Eigentum an dem Grundstück in
drei Miteigentumsanteile in der Weise, daß mit jedem Anteil das Sondereigentum an
einem von drei auf dem Grundstück zu errichtenden, aneinandergebauten und
unterkellerten Einfamilienhäusern in einer in der Erklärung im einzelnen bezeichneten
Weise verbunden ist. Auf diese Weise entstanden drei Wohnungseigentumseinheiten.
Der 1917 geborene Beschwerdeführer führte den Rohbau der Anlage als
Bauunternehmer aus. Die Rohbauabnahme erfolgte am 14. April 1965. Aufgrund eines
notariellen Kaufvertrages vom 17. Mai 1965 ist der Beschwerdeführer seit dem 16.
August 1965 eingetragener Wohnungseigentümer eines der beiden Eckhäuser. Die
Übergabe an ihn erfolgte Anfang September 1965.
Nach der Teilungserklärung, der Abgeschlossenheitsbescheinigung und dem
Aufteilungsplan ist die Unterbringung der gemeinsamen Öl-Zentralheizungsanlage in
einem durch eine Kelleraußentreppe zugänglichen Gemeinschaftskellerraum des
mittleren der drei Häuser vorgesehen. Tatsächlich wurden bei der Bauausführung jedoch
zwei Drittel eines Kellerraums im dann vom Beschwerdeführer erworbenen Haus durch
eine Wand abgetrennt und in dem so entstandenen Raum der 6.000 l umfassende
Öltank aufgestellt, der nur über eine ca. 70 x 70 cm² große Wandtür vom
Gemeinschaftsheizungskeller im mittleren Haus aus erreichbar ist.
Nach dem Erwerb des Hauses verhandelte der Beschwerdeführer mit dem Verkäufer
über eine Verlegung des Öltanks aus seinem dafür im Aufteilungsplan nicht
vorgesehenen Keller. Eine Änderung der Lage des Tanks erfolgte jedoch nicht. Mit
Eigentümerbeschluß vom 27. Juni 1986 wurde die Verwalterin mit der Einholung eines
Kostenangebots zur Modernisierung der Heizungsanlage beauftragt. Mit
Eigentümerbeschluß vom 17. Juli 1987 wurde einstimmig entschieden, drei
Einzelregelsysteme in den Kellern der Gebäude zu installieren sowie Heizkessel und
Brenner auszuwechseln. Im Jahre 1995 führte der Beschwerdeführer verschiedene
Arbeiten im Öltankraum aus und stellte dafür der Eigentümergemeinschaft mit
Schreiben vom 6. August 1995 pauschal 378 DM in Rechnung.
Nach einem Prüfbericht des Technischen Überwachungs-Vereins vom 30. Dezember
1998 sollten an dem Öltank binnen zwei Monaten Nachrüstungsarbeiten vorgenommen
werden, deren Kosten sich nach einem von der Verwalterin eingeholten Angebot auf
6.577,20 DM beliefen. Daraufhin teilte der Beschwerdeführer der Verwalterin mit
Schreiben vom 18. Mai und 6. Juli 1999 mit, er werde eine Reparatur des Tanks in seinem
Sondereigentum nicht dulden, sondern verlange die Entfernung des Tanks aus seinem
Keller. Er schlug die Verlegung des Tanks in den Gemeinschaftskeller, in den
Gartenbereich des Grundstücks oder die Umstellung der Heizung auf Gasbetrieb vor. Die
Eigentümer der beiden weiteren Häuser, die 1976 bzw. 1992 ihr Wohnungseigentum
erworben hatten, lehnten jedoch eine Beteiligung an den dadurch entstehenden Kosten
ab. Auf einer Wohnungseigentümerversammlung am 22. Juli 1999 wurde gegen die
Stimme des Beschwerdeführers mit Mehrheit beschlossen, die Nachrüstung des Öltanks
gemäß dem vorliegenden Angebot vorzunehmen.
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer am 2. August 1999 beim Amtsgericht
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Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer am 2. August 1999 beim Amtsgericht
Charlottenburg, die Ungültigkeit dieses Beschlusses festzustellen sowie die übrigen
Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu verpflichten, den Öltank aus
seinem Keller zu entfernen, hilfsweise hierzu, ihnen zu untersagen, den Vorratsraum
seines Hauses zu betreten und den dort vorhandenen Öltank reparieren zu lassen, sowie
sie zu verpflichten, für die Zeit von August 1995 bis Juli 1999 eine
Nutzungsentschädigung von insgesamt 9.600 DM zu zahlen. Zur Begründung trug er
u.a. vor, der Verkäufer habe ihm bei den Verhandlungen nach Erwerb des Hauses im
Jahre 1965 versichert, daß er den Öltank bei größeren, erforderlich werdenden
Reparaturen des Tanks entfernen und ggf. außerhalb der Häuser in den Garten verlegen
werde. Den Rechtsvorgänger eines der beiden anderen Wohnungseigentümer habe er
vor dessen Eigentumserwerb Anfang 1987 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der
Öltank nicht entsprechend der Teilungserklärung eingebaut worden sei. Auch die frühere
Verwalterin habe er nicht im Unklaren darüber gelassen, daß er den Öltank nur
vorübergehend in seinem Keller dulde.
Das Amtsgericht wies die Anträge durch Beschluß vom 14. Januar 2000 als unbegründet
zurück, weil ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Entfernung des Tanks aus seinem
Keller jedenfalls verwirkt sei und der Beschwerdeführer deshalb das zur ordnungsgemäß
beschlossenen Instandsetzung des Tanks erforderliche Betreten seiner Räume dulden
müsse. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen diesen Beschluß wurde
vom Landgericht Berlin durch Beschluß vom 5. Dezember 2000 mit im wesentlichen
übereinstimmender Begründung zurückgewiesen. Das Kammergericht wies durch
Beschluß vom 18. September 2002 - zugegangen am 30. Oktober 2002 - die sofortige
weitere Beschwerde ebenfalls zurück, weil der Anspruch auf Entfernung des Öltanks aus
dem Kellerbereich des Hauses des Beschwerdeführers und auf Schließung des
Wanddurchbruchs jedenfalls wegen Verwirkung ausgeschlossen und sein Anspruch auf
ordnungsgemäße Erstherstellung der Wohnanlage, auf Rückbau und Herausgabe seines
Sondereigentums zudem verjährt sei.
2. Mit der am 27. Dezember 2002 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der
Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 15 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 VvB. Er macht
geltend, Amtsgericht, Landgericht und Kammergericht hätten in sein Recht auf
rechtliches Gehör und sein Eigentumsrecht eingegriffen, da die Voraussetzungen dafür,
daß er den gemeinschaftlichen Öltank in seinem Sondereigentum dulden müsse, nicht
vorlägen.
Er habe im Ausgangsverfahren vorgetragen, daß er gegenüber dem Verkäufer und den
späteren Eigentümern die Beseitigung des Öltanks verlangt habe. Die Gerichte hätten
jedoch Verwirkung angenommen, statt Beweis über diesen Vortrag zu erheben. Dadurch
sei ihm das rechtliche Gehör versagt worden.
Sein Eigentumsrecht hätten die Gerichte zu eng ausgelegt. Sie hätten weder Verwirkung
noch Ersitzung am Eigentum durch die anderen Wohnungseigentümer annehmen
dürfen. Die Voraussetzungen der Verwirkung lägen nicht vor, weil der Eingriff in sein
Sondereigentum hierfür zu wesentlich sei. Die Ersitzung sei ausgeschlossen gewesen,
weil die anderen Wohnungseigentümer immer Kenntnis davon gehabt hätten, daß der
Öltankraum im Sondereigentum des Beschwerdeführers stehe.
Mit einem am 10. Juli 2003 eingegangenen Schriftsatz hat der Beschwerdeführer
ergänzend geltend gemacht, für die beanstandeten Beschlüsse seien die Gerichte der
freiwilligen Gerichtsbarkeit gar nicht zuständig gewesen. Denn der geltend gemachte
Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 BGB stelle keinen Fall des § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG
dar.
II. 1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer sinngemäß
rügt, entgegen Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB seinem gesetzlichen Richter entzogen worden
zu sein. Denn insoweit hat der Beschwerdeführer die in § 51 Abs. 1 VerfGHG
vorgeschriebene Einlegungsfrist nicht eingehalten. Daß auch die in § 50 VerfGHG
geforderte Begründung der Verfassungsbeschwerde innerhalb dieser Frist vorliegen muß
(vgl. Beschluß des Verfassungsgerichtshofs vom 25. April 1996 - VerfGH 21/95 - LVerfGE
4, 47 <49>; ständige Rechtsprechung), schließt es zwar nicht aus, die Begründung
nachträglich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu ergänzen. Das darf jedoch nicht
dazu führen, daß nach Fristablauf eine weitere behauptete Grundrechtsverletzung mit
neuem Sachvortrag - wie hier der Entzug des gesetzlichen Richters - zum Gegenstand
der Verfassungsbeschwerde gemacht wird. Der Beschwerdeführer hat innerhalb der
Beschwerdefrist weder beanstandet, daß die angegriffenen Beschlüsse sein Recht auf
den gesetzlichen Richter verletzten, noch Umstände dargelegt, die zu einer Überprüfung
der Beschlüsse in dieser Hinsicht hätten Anlaß geben können. Abgesehen davon ist
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der Beschlüsse in dieser Hinsicht hätten Anlaß geben können. Abgesehen davon ist
diese erstmals im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge auch deshalb
unzulässig, weil der Beschwerdeführer in seiner Antragsschrift die nunmehr als
verfassungswidrig gerügte Anwendung des § 43 Abs. 1 WEG auf sein Begehren selbst
angestrebt hat.
Die Verfassungsbeschwerde ist ferner unzulässig, soweit der Beschwerdeführer eine
Verletzung seines in Art. 15 Abs. 1 VvB enthaltenen Anspruchs auf rechtliches Gehör vor
Gericht rügt. Insoweit entspricht sein Vorbringen nicht den sich aus § 50 VerfGHG
ergebenden Anforderungen an die Beschwerdebegründung. Denn er hat die Möglichkeit,
daß er durch die angegriffenen Beschlüsse in diesem Grundrecht verletzt ist, nicht
konkret und nachvollziehbar dargelegt (vgl. Beschluß des Verfassungsgerichtshofs vom
23. Februar 1993 - VerfGH 43/92 - LVerfGE 1, 68). Der in der Beschwerdebegründung
enthaltene Angriff gegen die rechtliche Würdigung seines Tatsachenvortrags durch die
Gerichte reicht dafür ebenso wenig aus wie die Äußerung der prozeßrechtlichen Ansicht,
die Gerichte hätten Beweis über jenen Tatsachenvortrag erheben müssen.
2. Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Der Beschwerdeführer ist
durch die angegriffenen Beschlüsse nicht in dem von ihm geltend gemachten, in Art. 23
Abs. 1 VvB enthaltenen Recht auf Eigentum verletzt.
Selbst eine nach einfachem Recht möglicherweise fehlerhafte und den widerstreitenden
Interessen der Beteiligten nicht hinreichend gerecht werdende gerichtliche Entscheidung
in einer Wohnungseigentumssache begründet nicht in jedem Fall eine Verletzung des
Eigentumsgrundrechts. Dieses wäre vielmehr nur dann verletzt, wenn die gerichtliche
Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und
Reichweite des Grundrechts beruht. Davon kann hier keine Rede sein. Die in den
angegriffenen Beschlüssen vorgenommene, auf einer Feststellung und Würdigung des
Sachverhalts im konkreten Einzelfall beruhende Auslegung und Anwendung des § 242
BGB bzw. des § 195 BGB a.F. läßt keinen derartigen Fehler erkennen, sondern setzt sich
ausführlich mit den Fragen auseinander, ob das für die Annahme einer Verwirkung aus
dem Eigentumsrecht folgender Ansprüche erforderliche Umstands- und Zeitmoment
erfüllt ist und ob zudem die gesetzlichen Voraussetzungen einer Verjährung dieser
Ansprüche vorliegen. Eine Verwirkung des dem Beschwerdeführer zustehenden
Eigentums als solchen oder ein Erwerb dieses Eigentums durch Ersitzung seitens der
anderen Wohnungseigentümer wurde entgegen der Annahme des Beschwerdeführers in
keiner der angegriffenen Entscheidungen festgestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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