Urteil des VerfGH Berlin vom 05.10.1990

VerfGH Berlin: politische partei, wahlkampfkosten, politische gruppierung, abschlagszahlung, gleichstellung, chancengleichheit, unterlassen, wahlergebnis, lwg, ddr

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21/92
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 87b Verf BE vom
05.10.1990, Art 72 Abs 1 Nr 1
Verf BE, Art 6 Verf BE, Art 26
Verf BE, § 1 WKostG BE 1978
VerfGH Berlin: Zum Anspruch einer politischen Partei, die sich
im Rahmen einer Listenvereinigung an den letzten Wahlen zum
Abgeordnetenhaus beteiligt hat, auf Abschlagszahlungen auf
die Wahlkampfkostenerstattung - zum Rechtsschutzbedürfnis
für einen Organstreit zu dessen Durchsetzung
Gründe
A
Gegenstand des Verfahrens sind die Regelungen über die Gewährung von
Abschlagszahlungen nach dem Gesetz über die Erstattung der Wahlkampfkosten für die
Wahlen zum Abgeordnetenhaus (Wahlkampfkostengesetz) vom 24. Oktober 1978 (GVBl.
S. 2107), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Oktober 1991 (GVBl. S. 244).
I.
1. Der Antragsteller, der Berliner Landesverband des Bundesverbandes "Bündnis 90",
wendet sich mit seinem am 20. Mai 1992 bei dem Verfassungsgerichtshof
eingegangenen Antrag im Organstreitverfahren gegen die in § 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 3
Abs. 1 S. 1 Wahlkampfkostengesetz getroffene Bestimmung, nach deren Wortlaut
Abschlagszahlungen auf den Erstattungsbetrag für die nächste Wahl zum
Abgeordnetenhaus nur Parteien zu gewähren sind, die sich an der jeweils
vorausgegangenen Wahl zum Abgeordnetenhaus mit eigenen Wahlvorschlägen beteiligt
und hierbei Wahlergebnisse erreicht haben, die die Gewährung einer
Wahlkampfkostenpauschale nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes rechtfertigten. An der am 2.
Dezember 1990 durchgeführten Wahl zum ersten Gesamtberliner Abgeordnetenhaus
hat sich der Antragsteller nicht mit eigenen Wahlvorschlägen, sondern im Rahmen der
Listenvereinigung "Bündnis 90/Grüne/UFV" beteiligt. Dem lag rechtlich und tatsächlich
folgendes zugrunde:
a) Das Gesetz über die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den
Bezirksverordnetenversammlungen (Landeswahlgesetz) - LWahlG - vom 25. September
1987 (GVBl. S. 2370) sah ursprünglich vor, daß Wahlkreisvorschläge nur von Parteien
und von einzelnen Bewerbern, Bezirkslisten nur von Parteien eingereicht werden können
(§ 10 LWahlG). Listenverbindungen und Listenvereinigungen (gemeinsame
Wahlvorschläge) schloß § 11 LWahlG ausdrücklich aus. Nachdem das
Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 29. September 1990 - BVerfGE 82, 322 für
die ebenfalls für den 2. Dezember 1990 vorgesehene Wahl zum Deutschen Bundestag
als Mittel für den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der "unterschiedlichen
Startbedingungen der im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zur Wahl
antretenden Parteien und politischen Gruppierungen" auf die Zulassung von
Listenvereinigungen für Parteien und politische Vereinigungen mit Sitz in der DDR
hingewiesen hatte, wurde durch das Dreiundzwanzigste Gesetz zur Änderung der
Verfassung von Berlin - VvB - vom 5. Oktober 1990 (GVBl. S. 2136) in Art. 87 b VvB für
die Wahl zur ersten Wahlperiode des Gesamtberliner Abgeordnetenhauses Parteien und
anderen politischen Vereinigungen, die ihren Sitz oder den ihres Landesverbandes in
den Bezirken hatten, in denen das Grundgesetz bisher nicht galt, gestattet,
gemeinsame Wahlvorschläge als Listenvereinigung einzureichen. Dementsprechend
wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 6./8.
Oktober 1990 (GVBl. S. 2140/ GVABl. S. 270) § 32 a in das Landeswahlgesetz eingefügt,
der die Einreichung von gemeinsamen Wahlvorschlägen (Listenvereinigungen) näher
regelte und in seinem Abs. 2 S. 1 ausdrücklich bestimmte, daß für Listenvereinigungen
die Vorschriften über die Wahlvorschläge der Parteien sinngemäß gelten. Eine
entsprechende Regelung wurde wenige Tage später für die Wahl zum Deutschen
Bundestag durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes sowie zur
Änderung des Parteiengesetzes vom 8. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2141) getroffen. Art. 2
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Änderung des Parteiengesetzes vom 8. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2141) getroffen. Art. 2
dieses Gesetzes bestimmt in Nr. 1 ausdrücklich, daß Listenvereinigungen den Parteien
gleichgestellt werden. In Art. 2 Nr. 3 werden die an Listenvereinigungen beteiligten
Parteien und anderen politischen Vereinigungen verpflichtet, für die Abwicklung der
Wahlkampfkostenerstattung eine verantwortliche Person zu benennen.
b) An der Wahl zum Abgeordnetenhaus vom 2. Dezember 1990 beteiligte sich daraufhin,
wie schon erwähnt, die Listenvereinigung "Bündnis 90/Grüne/UFV". An ihr waren die
folgenden politischen Gruppierungen beteiligt:
Demokratie Jetzt
Initiative Frieden und Menschenrechte
Neues Forum
Unabhängiger Frauenverband (UFV)
Partei "Die Grünen (Ost)".
Drei dieser Gruppierungen, nämlich Demokratie Jetzt, Initiative Frieden und
Menschenrechte sowie das Neue Forum hatten unter dem Namen "Bündnis 90" bereits
eine Fraktion in der Volkskammer gebildet und waren auch sonst in der Öffentlichkeit in
Erscheinung getreten.
c) Die Listenvereinigung "Bündnis 90/Grüne/UFV" errang bei der Wahl vom 2. Dezember
1990 elf Mandate. Nach der Wahl ergaben sich folgende Veränderungen: Die
Organisationen "Initiative Frieden und Menschenrechte" und "Demokratie Jetzt" sowie
Mitglieder und Organisationsteile des "Neuen Forum" begründeten eine einheitliche
Mitgliedschaft im "Bündnis 90" und paßten die Satzung an das Parteiengesetz an. Der
Bundesverband "Bündnis 90" vollzog dies innerhalb der im Einigungsvertrag gesetzten
Frist bis zum 3. Oktober 1991. Der Landesverband Berlin des "Neuen Forum" sowie der
Unabhängige Frauenverband (UFV) schlossen sich dem "Bündnis 90" nicht an. Die Grüne
Partei (Ost) schloß sich den Grünen (West) an.
Im Abgeordnetenhaus bildeten von den elf auf den Wahlvorschlag der Listenvereinigung
"Bündnis 90/Grüne/UFV" gewählten Abgeordneten sieben gemeinsam mit den über die
Liste des Landesverbandes der "Grünen" gewählten Abgeordneten, zu denen eine
Vertreterin des Unabhängigen Frauenverbandes (UFV) gehört, die
Fraktionsgemeinschaft "Bündnis 90/Grüne (AL)/UFV". Zu diesen sieben Abgeordneten
gehört außer den Mitgliedern des Antragstellers die Vertreterin der damaligen Grünen
Partei (Ost), die nun Mitglied der Grünen ist. Somit wird der Antragsteller gegenwärtig im
Abgeordnetenhaus von sechs Abgeordneten repräsentiert, die über den gemeinsamen
Wahlvorschlag der Listenvereinigung in das Abgeordnetenhaus gewählt worden sind. Von
den weiteren vier seinerzeit gewählten Abgeordneten bilden drei die parlamentarische
Gruppe "Neues Forum"; einer ist fraktionslos.
2. Auf ihren Antrag hin setzte die Präsidentin des Abgeordnetenhauses für die
Listenvereinigung Bündnis 90/Grüne/UFV für die Wahl zum Abgeordnetenhaus vom 2.
Dezember 1990 eine Wahlkampfkostenerstattung in Höhe von 552.468,49 DM fest. Die
Aufteilung dieses Betrages auf die politischen Gruppierungen der Listenvereinigung
erfolgte entsprechend einer von diesen bereits vor der Wahl getroffenen Vereinbarung.
Mit Antrag vom 16. März 1992 beantragte der Antragsteller die erste Abschlagszahlung
für die nächste Wahl zum Abgeordnetenhaus. Der Antrag wurde durch die Präsidentin
des Abgeordnetenhauses mit der Begründung abgelehnt, daß der Antragsteller nicht die
in § 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 des Wahlkampfkostengesetzes festgelegten Voraussetzungen
erfülle, wonach nur diejenigen Parteien Abschlagszahlungen erhielten, die mit eigenen
Wahlvorschlägen an der jeweils vorausgegangenen Wahl zum Abgeordnetenhaus
teilgenommen und dort die in § 1 Abs. 2 näher berechneten Mindeststimmen erhalten
hätten. Gegen den Bescheid hat der Antragsteller Klage bei dem Verwaltungsgericht
Berlin - VG 26 A 575/92 - erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
II.
Der Antragsteller macht geltend, er werde durch die vom Abgeordnetenhaus 1978
geschaffene und auch nach der gesetzlichen Zulassung von Listenvereinigungen nicht
geänderte Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 und § 3 Abs. 1 S. 2 Wahlkampfkostengesetz, die
die Gewährung von Abschlagszahlungen auf Parteien beschränkt, die sich mit eigenen
Wahlvorschlägen an der jeweils vorausgegangen Wahl zum Abgeordnetenhaus beteiligt
und dabei ein bestimmtes Wahlergebnis erzielt hätten, in seinem in Art. 6 und 26 VvB
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und dabei ein bestimmtes Wahlergebnis erzielt hätten, in seinem in Art. 6 und 26 VvB
verbrieften Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt. Zur
Begründung trägt er im wesentlichen vor:
Nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 29. September 1990 -
BVerfGE 82, 322 - den Weg zur Zulassung von Listenvereinigungen gewiesen habe, um
die unterschiedlichen Startbedingungen der im Gebiet der DDR zur Wahl antretenden
Parteien und politischen Gruppierungen auszugleichen, und nachdem der Berliner
Landesgesetzgeber daraufhin Listenvereinigungen zur Wahl zum Abgeordnetenhaus
zugelassen habe, habe er seinerzeit keine Veranlassung gesehen, sich noch vor der
Wahl als Organisation mit einheitlicher Mitgliedschaft und damit als Partei zu
konstituieren und mit eigenen Wahlvorschlägen an der Wahl teilzunehmen. Die
Aufstellung der Wahlvorschläge sei im übrigen seinerzeit gem. § 32 a Abs. 1 LWahlG
nach dem gleichen Verfahren wie bei Parteien erfolgt. Bündnis 90 sei mittlerweile nicht
nur im Abgeordnetenhaus von Berlin mit sechs Abgeordneten in einer
Fraktionsgemeinschaft, sondern darüber hinaus mit eigenen Fraktionen in vier
Landtagen, mit einer parlamentarischen Gruppe im Deutschen Bundestag und mit zwei
Ministern in der Regierung des Landes Brandenburg vertreten. Durch den Ausschluß von
der Gewährung von Abschlagszahlungen laufe es Gefahr, als politische Kraft aus dem
Wettbewerb der Parteien hinausgedrängt zu werden. Durch seine bisherige kurze
politische Existenz im vereinten Berlin sei es ihm nicht möglich gewesen,
Vermögenswerte als Reserve zu schaffen, mit denen er einen ausreichenden Wahlkampf
vorfinanzieren könne. Es sei für die Gewährung von Abschlagszahlungen unerheblich,
daß die Listenvereinigung "Bündnis 90/Grüne/UFV" als solche nicht mehr existiere. Denn
die durch die Listenvereinigung errungenen Mandate seien eindeutig den einzelner.
politischen Gruppierungen der Listenvereinigung zuzurechnen, weil die Kandidaten der
Listenvereinigung schon den Rechtsvorgängern der Partei angehörten und nahtlos in
deren Mitgliedschaft übergegangen seien.
Der Antragsteller beantragt festzustellen,
das Abgeordnetenhaus von Berlin habe die Rechte des Antragstellers aus Art. 6 und 26
der Verfassung von Berlin durch die in § 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1
Wahlkampfkostengesetz i.d.F. des 3. Gesetzes zur Änderung des
Wahlkampfkostengesetzes vom 30. Oktober 1991 (GVBl. Nr. 47, S. 245) getroffene
Bestimmung, daß Abschlagszahlungen auf die Wahlkampfkostenerstattung nur Parteien
erhalten, die sich mit eigenen Wahlvorschlägen an den jeweils vorangegangenen Wahlen
zum Abgeordnetenhaus beteiligt haben, verletzt.
Hilfsweise begehrt er festzustellen,
das Abgeordnetenhaus von Berlin habe dadurch die Rechte des Antragstellers aus Art. 6
und 26 verletzt, daß es unterlassen habe, auch für diejenigen Parteien
Abschlagszahlungen und Wahlkampfkostenerstattung vorzusehen, die an der Wahl zum
Abgeordnetenhaus von Berlin vom 2. Dezember 1990 im Rahmen einer
Listenvereinigung als politische Organisation mit eigenen Kandidaten an einem
gemeinsamen Wahlvorschlag beteiligt waren und mit eignen Abgeordneten im
Abgeordnetenhaus vertreten sind.
Hierzu hilfsweise wird beantragt festzustellen,
das Abgeordnetenhaus von Berlin habe dadurch die Rechte des Antragstellers aus Art. 6
und 26 der Berliner Verfassung verletzt, daß es in § 1 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 3 Abs. 1
Wahlkampfkostengesetz i.d.F. des 3. Gesetzes zur Änderung des Landeswahlgesetzes
und Gesetzes zur Änderung des Wahlkostengesetzes Abschlagszahlungen für solche
Parteien vorgesehen habe, die sich "mit eigenen Wahlvorschlägen an den jeweils
vorangegangenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus beteiligt haben."
III.
Das Abgeordnetenhaus und für den Senat von Berlin der Senator für Inneres haben sich
im wesentlichen wie folgt geäußert:
1. Die Zulässigkeit des Antrags wird von dem Abgeordnetenhaus im Hinblick auf das
anhängige Verwaltungsstreitverfahren und von dem Senator des Inneres angesichts der
weitgehenden Übereinstimmung der Art. 6 und 26 VvB mit Art. 3 Abs. 1 und 28 Abs. 1 S.
2 GG und wegen der bundesgesetzlichen Grundlage der Erstattung von
Wahlkampfkosten in den Ländern in Zweifel gezogen. Es sei fraglich, ob der
Verfassungsgerichtshof die bundesrechtlichen Vorfragen in dem begehrten Umfang
überprüfen könne.
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2. In der Sache sind Abgeordnetenhaus und Senat der Auffassung, verfassungsmäßige
Rechte des Antragstellers seien nicht verletzt. Das Parteienrecht, zu dem auch die
Wahlkampfkostenerstattung gehöre, unterliege der ausschließlichen Gesetzgebung des
Bundes. Zwar seien die Länder durch § 22 ParteiG ermächtigt, Vorschriften über die
Erstattung von Wahlkampfkosten für Landtagswahlen zu erlassen. Sie müßten sich
hierbei jedoch an den vom Parteiengesetz gezogenen Rahmen halten. Nach § 20 Abs. 1
S. 1 ParteiG könnten Abschlagszahlungen nur Parteien erhalten, die sich an der jeweils
vorausgegangenen Bundestagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen beteiligt und dabei
Wahlergebnisse erreicht hätten, die die Voraussetzungen für eine Erstattung erfüllt
hätten. Dies gelte entsprechend für Landtagswahlen. Es sei auch nicht zu beanstanden,
daß das Abgeordnetenhaus es unterlassen habe, Sonderregelungen zugunsten von
Parteien oder Gruppierungen zu treffen, die sich im Rahmen einer Listenvereinigung an
der Wahl zum ersten Gesamtberliner Abgeordnetenhaus beteiligt hätten. Denn auch hier
müßte zunächst der Bundesgesetzgeber tätig werden. Prüfungsmaßstab wäre insoweit
das Grundgesetz, zuständige Instanz das Bundesverfassungsgericht. Das
Abgeordnetenhaus sei auch nicht in der Lage, sich im Wege der Analogie oder
verfassungskonformen Auslegung über den bundesgesetzlich vorgegebenen Rahmen
hinwegzusetzen und ohne entsprechende Bestimmung im Parteiengesetz die von dem
Antragsteller begehrte Regelung zu treffen. Art. 2 des 10. Gesetzes zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes und des Parteiengesetzes böte hierfür ebenfalls keine Grundlage.
Das Bundesverfassungsgericht habe es in seinem Urteil vom 29. September 1990 zwar
für gerechtfertigt angesehen, angesichts der besonderen Situation bei der
Wiederherstellung der Einheit Deutschlands im Wahlrecht des Bundes die 5 %-Klausel zu
modifizieren und Listenvereinigungen zuzulassen, allerdings nur für die Wahl zum 12.
Deutschen Bundestag. Weitergehende Regelungen habe das Bundesverfassungsgericht
nicht für erforderlich gehalten. Daher könnten Listenvereinigungen sowohl nach Bundes-
wie auch nach Berliner Landesrecht Wahlkampfkostenerstattung nur für die Wahlen vom
2. Dezember 1990 erhalten, nicht hingegen für spätere Wahlen, an denen ihre
Beteiligung nicht mehr zulässig sei. Im Falle des Antragstellers komme hinzu, daß auf
ihn die Merkmale einer Listenvereinigung nicht mehr zuträfen. Die Listenvereinigung
"Bündnis 90/Grüne/UFV" sei nach der Wahl auseinandergefallen. Übriggeblieben seien
lediglich Teile der Listenvereinigung, zu denen auch der Antragsteller gehöre. Vor
diesem Hintergrund laufe das Begehren des Antragstellers darauf hinaus,
Abschlagszahlungen nicht mehr der Listenvereinigung als solcher zukommen zu lassen,
sondern sie auf die einzelnen Gruppierungen aufzusplitten. Hierfür fehle ein verläßlicher
Maßstab, zumal die Zahl der auf die einzelnen Gruppierungen entfallenden
Abgeordneten keinesfalls deren tatsächliches Stärkeverhältnis wiedergeben müsse.
Deshalb scheitere das Antragsbegehren auch an seiner praktischen Durchführbarkeit.
Die Erstattungsbeträge seien nach § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Wahlkampfkostengesetz
nur auf der Grundlage des vorausgegangen Wahlergebnisses zu ermitteln. Da der
Antragsteller an den Wahlen vom 2. Dezember 1990 nicht mit eigenen Wahlvorschlägen
teilgenommen habe, gebe es für ihn auch kein Wahlergebnis, das die Grundlage für die
Berechnung von Erstattungsbeträgen nach dem Wahlkampfkostengesetz bilden könne.
B.
Das Organstreitverfahren ist allenfalls im 1. Hilfsantrag zulässig, im übrigen unzulässig.
1. Der Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof ist gem. Art. 72 Abs. 1 Nr. 1 VvB, § 14 Nr.
1 VerfGHG gegeben. Es handelt sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne
dieser Bestimmung. Die Beteiligten streiten beim Hauptantrag wie bei den Hilfsanträgen
trotz der jeweils unterschiedlichen Zielrichtung dieser Anträge im Kern stets um die
Frage, ob das Abgeordnetenhaus aufgrund der Art. 6 und 26 VvB verpflichtet war, im
Wahlkampfkostengesetz Abschlagszahlungen nicht nur für Parteien vorzusehen, die sich
mit eigenen Wahlvorschlägen an der jeweils vorangegangenen Wahl zum
Abgeordnetenhaus beteiligt haben, sondern auch für diejenigen Parteien und
Gruppierungen, die an der Wahl zum Abgeordnetenhaus vom 2. Dezember 1990 nur im
Rahmen einer Listenvereinigung teilgenommen haben. Streitgegenstand ist mithin eine
verfassungsrechtliche Pflicht, die dem Abgeordnetenhaus nach Auffassung des
Antragstellers ihm gegenüber obliegt.
2. Antragsteller und Antragsgegner sind nach §§ 36, 14 Nr. 1 VerfGHG im
Organstreitverfahren parteifähig. Der Antragsteller ist eine politische Partei, der
Antragsgegner ein oberstes Landesorgan. Es ist im Organstreitverfahren des Bundes
(zuletzt BVerfGE 82, 22 <335>) und der Länder (so etwa BayVerfGH, VGH n.F. 29, 62
<80>; StGH Bad.-Württemberg, ESVGH 31, 81; SaarlVerfGH, NJW 1980, 1380 und 2181)
seit langem anerkannt, daß eine politische Partei die Verletzung ihres
verfassungsrechtlichen Status, zu dem auch ihr Recht auf Chancengleichheit im
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verfassungsrechtlichen Status, zu dem auch ihr Recht auf Chancengleichheit im
politischen Wettbewerb gehört, im Organstreitverfahren geltend machen kann. Dies gilt
auch für den Organstreit nach Art. 72 Abs. 1 Nr. 1 VvB, § 14 Nr. 1 VerfGHG. Denn die
einschlägigen Bestimmungen des Verfassungsgerichtshofsgesetzes sind wortgleich mit
denen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Der Verfassungsgerichtshof geht
deshalb davon aus, daß der Berliner Gesetzgeber insoweit die Regelungen des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes übernehmen wollte.
3. Der Antragsteller ist antragsbefugt (§ 37 Abs. 1 VerfGHG). Er macht geltend, durch
die Beschränkung des Anspruchs auf Abschlagszahlungen auf Parteien, die sich mit
eigenen Wahlvorschlägen an der jeweils vorangegangenen Wahl zum Abgeordnetenhaus
beteiligt haben, oder dadurch, daß das Abgeordnetenhaus es unterlassen habe, durch
Ergänzung des Wahlkampfkostengesetzes Abschlagszahlungen auch zugunsten von
Parteien vorzusehen, die sich an der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus im Rahmen
einer Listenvereinigung beteiligt haben, in seinem verfassungsmäßigen Recht auf
Chancengleichheit im politischen Wettbewerb (Art. 6 und 26 VvB) verletzt zu sein. Er
wendet sich somit gegen bestimmte Vorschriften des Wahlkampfkostengesetzes, die er,
soweit sie nur anderen Parteien Abschlagszahlungen gewähren sollten, unter dem
Gesichtspunkt der Chancengleichheit für zu weit, soweit sie für ihn keine
Abschlagszahlungen zulassen sollten, unter diesem Gesichtspunkt für zu eng hält. Der
Erlaß eines Gesetzes kann eine Maßnahme im Sinne von § 37 Abs. 1 VerfGHG sein (so
BVerfGE 24, 300 <329> zu dem gleichlautenden § 64 Abs. 1 BVerfGG). Ebenso kann es
eine Unterlassung im Sinne dieser Vorschrift darstellen, wenn der Gesetzgeber, sollte er
verfassungsrechtlich dazu verpflichtet sein, davon absieht, ein Gesetz zu ändern oder zu
ergänzen.
4. Der Antrag entspricht den Erfordernissen des § 37 Abs. 2 VerfGHG. Er nennt die
beanstandete Maßnahme, nämlich § 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 des
Wahlkampfkostengesetzes. Die Bestimmungen der Verfassung von Berlin, gegen die
durch die beanstandete Maßnahme oder durch die gerügte Unterlassung des
Antragsgegners verstoßen worden sein soll, die Art. 6 und 26 VvB, sind im Antrag
bezeichnet.
5. Nach § 37 Abs. 3 VerfGHG muß der Antrag im Organstreit binnen sechs Monaten
gestellt werden, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem
Antragsteller bekannt geworden ist. Diese Frist beginnt, wenn die beanstandete
Maßnahme in dem Erlaß gesetzlicher Vorschriften liegt, mit der Verkündung des
Gesetzes (so BVerfGE 24, 252 <258> zu § 64 Abs. 3 BVerfGG). Das
Wahlkampfkostengesetz ist ungeachtet einzelner späterer Änderungen, die jedoch nicht
einem vollständigen Neuerlaß des Gesetzes gleich zu erachten sind und daher hier
außer Betracht zu bleiben haben, am 2. November 1978 (GVBl. S. 2107) verkündet
worden. Die Sechsmonatsfrist des § 37 Abs. 3 VerfGHG ist mithin verstrichen, soweit der
Antragsteller sich gegen eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte durch den Erlaß
des Wahlkampfkostengesetzes wendet. Allerdings ist das Wahlkampfkostengesetz für
die Teile der Stadt, in denen bis zum 3. Oktober 1990 das Grundgesetz nicht galt und in
denen der Antragsteller seinen Sitz hat und nach Art. 87 b VvB, § 32 a LWahlG auch
haben mußte, um im Rahmen einer Listenvereinigung an den Wahlen zum 2. Dezember
1990 teilnehmen zu können, erst durch das Gesetz über die Vereinheitlichung des
Berliner Landesrechts vom 28./29. September 1990 (GVBl. S. 2119/ GVABl. S. 240, 272)
in Kraft getreten. Aber auch wenn man auf diesen Zeitpunkt abstellt, ist die
Sechsmonatsfrist des § 37 Abs. 3 VerfGHG verstrichen. Zwar ist die Möglichkeit, sich als
politische Partei gegen Maßnahmen des Abgeordnetenhauses im Organstreitverfahren
zu wenden, erst durch das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof vom 8. November
1990 (GVBl. S. 2246/ GVABl. S. 510) eröffnet worden. Von der Aufnahme einer
Übergangsregelung, die anordnet, daß auch vor Inkrafttreten dieses Gesetzes
bekanntgewordene Maßnahmen Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein können,
hat der Gesetzgeber abgesehen. Um eine solche Übergangsregelung handelt es sich
auch nicht bei Art. 2 Abs. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den
Verfassungsgerichtshof vom 11. Dezember 1991 (GVBl. S. 280). Diese Vorschrift läßt
zwar die zur Geltendmachung von Rechten aufgrund des Gesetzes über den
Verfassungsgerichtshof einzuhaltenden Fristen erst einen Monat nach der Wahl der
Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs beginnen, setzt aber eine der Überprüfung durch
den Verfassungsgerichtshof unterliegende Maßnahme voraus, was bei einem bereits vor
dem Inkrafttreten des Verfassungsgerichtshofsgesetzes verkündeten Gesetz nicht der
Fall ist. Daher sind der Hauptantrag und der 2. Hilfsantrag unzulässig.
Soweit der Antragsteller mit dem 1. Hilfsantrag geltend macht, das Abgeordnetenhaus
habe es unterlassen, im Wahlkampfkostengesetz auch für diejenigen Parteien
Abschlagszahlungen vorzusehen, die an der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin
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Abschlagszahlungen vorzusehen, die an der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin
vom 2. Dezember 1990 im Rahmen einer Listenvereinigung beteiligt waren und mit
eigenen Abgeordneten im Abgeordnetenhaus vertreten sind, ist die Antragsfrist des § 37
Abs. 3 VerfGHG gewahrt. Die von dem Antragsteller angenommene
verfassungsrechtliche Pflicht des Abgeordnetenhauses zur Ergänzung des Gesetzes
konnte frühestens mit der Wahl vom 2. Dezember 1990 entstehen. Nach dem bereits
erwähnten Art. 2 Abs. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den
Verfassungsgerichtshof vom 11. Dezember 1991 (GVBl. S. 280) begann der Lauf der
Frist des § 37 Abs. 3 VerfGHG erst einen Monat nach der Wahl der Mitglieder des
Verfassungsgerichtshofes, also am 26. April 1992. Die am 20. Mai 1992 bei dem
Verfassungsgerichtshof eingegangene Antragsschrift wahrt daher mit ihrem 1.
Hilfsantrag die Frist des § 37 Abs. 3 VerfGHG.
6. Der somit einzig noch einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof
zugängliche 1. Hilfsantrag könnte gleichwohl im Ergebnis ebenfalls unzulässig sein. Das
wäre der Fall, wenn es an einem Rechtsschutzbedürfnis hierfür mangeln sollte. Insoweit
könnten angesichts der Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls Bedenken
deshalb bestehen, weil das Ergebnis des Organstreitverfahrens (zunächst) von der
Beantwortung der Frage abhängt, ob das einfache Landesrecht den vom Antragsteller
der Sache nach in erster Linie geltend gemachten Anspruch auf Abschlagszahlungen
trägt. Darüber zu entscheiden aber ist primär Aufgabe der vom Antragsteller bereits
angerufenen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme nicht
ausgeschlossen, es fehle dem Antragsteller vor Ausschöpfung des
verwaltungsgerichtlichen Rechtswegs am erforderlichen Rechtsschutzinteresse,
ungeachtet des Umstands, daß er sein Begehren hier im Wege eines Organstreits
verfolgt. Doch kann das letztlich offen bleiben. Darauf kommt es für die Entscheidung
nicht an. Denn der 1. Hilfsantrag ist - wie noch darzulegen ist jedenfalls unbegründet.
C.
Das Abgeordnetenhaus war nicht verpflichtet, das Wahlkampfkostengesetz zu ergänzen
und ausdrücklich einen Anspruch auf Gewährung von Abschlagszahlungen auch für
Parteien vorzusehen, die sich nicht mit eigenen Wahlvorschlägen, sondern nur im
Rahmen einer Listenvereinigung an den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus beteiligt
haben. Denn ein Anspruch auf Abschlagszahlungen besteht bereits nach der
gegenwärtigen Gesetzeslage, so daß es einer Gesetzesänderung nicht bedarf. Damit
entfällt von vornherein eine Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf
Chancengleichheit im politischen Wettbewerb durch das Abgeordnetenhaus. Es kann
deshalb unerörtert bleiben, ob im übrigen die Voraussetzungen des von dem
Antragsteller geltend gemachten Verfassungsverstoßes vorliegen.
1. Nach § 1 Abs. 1 des Wahlkampfkostengesetzes werden die notwendigen Kosten eines
angemessenen Wahlkampfes außer den hier nicht interessierenden Einzelbewerbern nur
Parteien erstattet, die sich an der Wahl zum Abgeordnetenhaus mit, wie es in § 1 Abs. 1
S. 1 Wahlkampfkostengesetz ausdrücklich heißt, "eigenen Wahlvorschlägen" beteiligt
haben, und, was hier ebenfalls außer Betracht bleiben kann, ein bestimmtes
Wahlergebnis erzielt haben. Nach § 3 Abs. 1 Wahlkampfkostengesetz erhalten sie für die
nächste Wahl zum Abgeordnetenhaus Abschlagszahlungen auf den zu erwartenden
Erstattungsbetrag, und zwar in vier Jahresraten, die jeweils 15 e des Betrags, der ihnen
für die vorausgegangenen Wahlen erstattet worden ist, nicht überschreiten dürfen. Dem
Antragsgegner ist einzuräumen, daß der Wortlaut dieser Vorschriften Parteien nicht
erfaßt, die nicht mit eigenen Wahlvorschlägen, sondern als Teil einer Listenvereinigung
an der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus teilgenommen haben.
2. Das Wahlrecht des Landes Berlin kannte bei Erlaß des Wahlkampfkostengesetzes im
Jahre 1978 nur Wahlvorschläge von Parteien und von einzelnen Wahlberechtigten (§ 10
LWahlG). Listenverbindungen und Listenvereinigungen wurden durch § 11 LWahlG
ausdrücklich untersagt. Es ist daher folgerichtig, daß das Wahlkampfkostengesetz eine
Kostenerstattung für Listenvereinigungen nicht erwähnt, sondern nur für Parteien (§ 1
Abs. 1) und Einzelbewerber (§ 1 Abs. 3) vorsieht. Anders als bei den Wahlen zu den
Bezirksverordnetenversammlungen, bei denen schon bisher Wählergemeinschaften
zugelassen waren (§ 23 Abs. 1 LWG - die Vorschrift entspricht § 22 Abs. 1 des LWG i.d.F.
des Änderungsgesetzes vom 19. November 1974, mit dem erstmals
Wählergemeinschaften das Recht zur Einreichung von Bezirkswahlvorschlägen
zugestanden wurde), waren Wahlvorschläge zum Abgeordnetenhaus nur für Parteien
und Einzelbewerber zulässig. Erst nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Urteil
vom 29. September 1990 - BVerfGE 82, 322 - im Hinblick auf die Bundestagswahl vom 2.
Dezember 1990 entschieden hatte, daß die "unterschiedlichen Startbedingungen" der
im Gebiet der ehemaligen DDR zur Wahl antretenden Parteien und politischen
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im Gebiet der ehemaligen DDR zur Wahl antretenden Parteien und politischen
Vereinigungen nicht allein durch eine Regionalisierung der Sperrklausel hinreichend
ausgeglichen werden könnten, und als weiteres Mittel des Ausgleichs auf die Zulassung
von Listenvereinigungen für Parteien und politische Vereinigungen, soweit sie im Gebiet
der ehemaligen DDR ihren Sitz haben, hingewiesen hatte, wurde durch Art. 87 b VvB
auch für die Wahl zum ersten Gesamtberliner Abgeordnetenhaus Parteien und anderen
politischen Vereinigungen, die ihren Sitz oder den ihres Landesverbandes im Ostteil der
Stadt hatten, gestattet, gemeinsame Wahlvorschläge als Listenvereinigung
einzureichen. § 32 a LWG, eingefügt durch Art. I Nr. 2 des ÄndG vom 6./8. Oktober 1990
(GVBl. S. 2140 und GVABl. S. 270), inzwischen wieder aufgehoben durch Art. I Nr. 17 des
ÄndG vom 30. Oktober 1991 (GVBl. S. 244), bestimmte in Ausfüllung des Art. 87 b VvB,
daß für Listenvereinigungen "die Vorschriften dieses Gesetzes über die Wahlvorschläge
der Parteien sinngemäß gelten". Eine entsprechende Regelung wurde für die Wahl zum
Deutschen Bundestag durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
sowie zur Änderung des Parteiengesetzes vom 8. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2141)
getroffen. Dieses Gesetz bestimmt für die Bundestagswahl in Art. 2 ausdrücklich, daß
Listenvereinigungen den Parteien gleichgestellt werden und daß die an
Listenvereinigungen beteiligten Parteien und anderen politischen Vereinigungen
verpflichtet sind, für die Abwicklung der Wahlkampfkostenerstattung eine verantwortliche
Person zu benennen.
3. Aus Art. 2 Nr. 1 und 3 des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
sowie zur Änderung des Parteiengesetzes ergibt sich eindeutig, daß hinsichtlich der in
den §§ 18 bis 21 ParteiG geregelten Erstattung von Wahlkampfkosten der
Bundestagswahl Listenvereinigungen Parteien gleichgestellt werden, also gleich diesen
die Erstattung von Wahlkampfkosten verlangen können. Das Berliner
Wahlkampfkostengesetz enthält eine vergleichbare eindeutige Regelung nicht. Eine sich
an Art. 87 b VvB orientierende Auslegung des § 1 Abs. 1 Wahlkampfkostengesetz führt
jedoch zu einem entsprechenden Ergebnis. Über Art. 87 b VvB werden bei der Wahl zur
ersten Wahlperiode des Gesamtberliner Abgeordnetenhauses Parteien, andere
politische Vereinigungen und Listenvereinigungen gleichgestellt. Eine Listenvereinigung
ist demgemäß wie eine Partei zu behandeln, die einen Wahlvorschlag einreicht (vgl. den
aufgehobenen § 32 a LWG, nach dem für Listenvereinigungen die Vorschriften des
Landeswahlgesetzes über die Wahlvorschläge der Parteien sinngemäß galten). Das
Wahlkampfkostengesetz knüpft die Erstattung von Wahlkampfkosten daran, daß sich
eine Partei mit eigenen Wahlvorschlägen an der Abgeordnetenhauswahl beteiligt (§ 1
Abs. 1 Satz 1). Wenn die Listenvereinigung einer Partei mit eigenen Wahlvorschlägen
gleichgestellt ist, drängt sich die Annahme auf, sie solle auch hinsichtlich der Erstattung
von Wahlkampfkosten wie eine Partei mit eigenen Wahlvorschlägen behandelt werden,
also berechtigt sein, gleich dieser die Erstattung von Wahlkampfkosten zu verlangen.
Nur diese Annahme und eine dementsprechende Auslegung des § l
Wahlkampfkostengesetz wird den Anforderungen des Art. 87 b VvB gerecht. Der Berliner
Landesgesetzgeber hätte angesichts dessen bei einer ausdrücklichen gesetzlichen
Regelung im Wahlkampfkostengesetz keine andere Regelung treffen können, als sie sich
aus Art. 87 b VvB ergibt, nämlich eine Gleichstellung der Parteien mit den anderen
politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen, die ihren Sitz oder den ihres
Landesverbandes in den Bezirken hatten, in denen das Grundgesetz bisher nicht galt.
Anders als bei der Regelung der Wahlkampfkostenerstattung für Einzelbewerber, bei der
aus der unterschiedlichen Stellung des Einzelbewerbers in einem Wahlkreis im Verhältnis
zu im gesamten Wahlgebiet sich zur Wahl stellenden Parteien verschiedene Regelungen
denkbar sind, die dem Grundsatz der Chancengleichheit hinreichend Rechnung tragen
(vgl. BVerfGE 41, 399/424), ist jede Differenzierung zwischen Parteien, anderen
politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen nach der durch Art. 87 b VvB
erfolgten Gleichstellung ausgeschlossen.
4. Dem steht § 22 ParteiG, dessen Auslegung dem Verfassungsgerichtshof entgegen
der Auffassung des Senators für Inneres nicht verwehrt ist, nicht entgegen. Auch ein
Landesverfassungsgericht ist grundsätzlich befugt, Vorschriften, auf die es bei seiner
Entscheidungsfindung ankommt, auszulegen, sofern nicht eine Vorlagepflicht durch
höherrangiges Recht, wie etwa durch Art. 177 EWGV oder durch Art. 100 Abs. 3 GG,
begründet ist.
Das Recht der Wahlkampfkostenerstattung an Parteien gehört zum Bereich der
ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes, Art. 21 Abs. 3 GG. Der Bund hat die Länder
jedoch gemäß Art. 71 GG ermächtigt, Regelungen für die Landtagswahlen zu treffen, §
22 ParteiG. Diese Befugnis ist dadurch beschränkt worden, daß die Länder den Rahmen
der §§ 18 Abs. 1 und 7 und der §§ 19 und 20 einhalten. Die Länder sind deshalb in der
ihnen übertragenen Gesetzgebungskompetenz durch die Vorgaben des
Bundesgesetzgebers begrenzt. Sie brauchen den bundesgesetzlich vorgegebenen
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Bundesgesetzgebers begrenzt. Sie brauchen den bundesgesetzlich vorgegebenen
Rahmen nicht auszuschöpfen, dürfen ihn aber nicht überschreiten (vgl. Urteil des NRW
VerfGH vom 19. Mai 1992 - NVwZ 1993, S. 57). Innerhalb dieses Rahmens haben die
Länder einen Ermessensspielraum (vgl. Beschluß des BayVerfGH vom 23. Februar 1977
- Bay VerfGH n.F. 30, 1). Dieser Ermessensspielraum eröffnet ihnen die Möglichkeit, die
Wahlkampfkostenerstattung an die Gestaltung des ihrer ausschließlichen
Gesetzgebungskompetenz unterliegenden Landeswahlrechts anzupassen, auch soweit
es Parteien betrifft. Nur die Länder entscheiden in ihrem Wahlrecht darüber, ob neben
Parteien und Einzelbewerbern noch andere politische Gruppierungen, seien es z.B.
Wählergemeinschaften oder Listenvereinigungen, auch unter Beteiligung von politischen
Parteien, Wahlvorschläge zu Landtagswahlen einreichen dürfen. Dementsprechend
obliegt es der Gesetzgebung der Länder, die sich aus der Zulassung von
Wählergemeinschaften (vgl. Art. 59 Bay LWG, § 1 Hamb WahlkampfkostenG, § 1 Abs. 5
Rpf WahlkampfkostenerstattungsG, § 1 Abs. 1 Saarl G Nr. 941) oder von
Listenvereinigungen (vgl. § 1 Abs. 3 WKKG des Landes Mecklenburg-Vorpommern)
ergebenden Konsequenzen für die Wahlkampfkostenerstattung - soweit Parteien
beteiligt sind, unter Beachtung des Rahmens des § 22 ParteiG - zu ziehen. Der Berliner
Landesgesetzgeber hat durch die Zulassung von Listenvereinigungen in Art. 87 b VvB
eine landesrechtliche Gleichstellung der Listenvereinigungen mit den Parteien verfügt,
die bei verfassungsgemäßer Auslegung des § 1 Abs. 1 Wahlkampfkostengesetz auch die
Gleichstellung bei der Erstattung der Wahlkampfkosten umfaßt. Mit Recht hat deshalb
die Präsidentin des Abgeordnetenhauses der Listenvereinigung "Bündnis 90/Grüne/UFV"
im Anschluß an die Abgeordnetenhauswahl vom 2. Dezember 1990 eine
Wahlkampfkostenerstattung gewährt.
5. Für die Gewährung von Abschlagszahlungen gilt nach Maßgabe des § 3
Wahlkampfkostengesetz nichts anderes. Dem Wahlkampfkostengesetz des Landes
Berlin liegt wie dem des Bundes das Prinzip zugrunde, daß, wer aufgrund des bei einer
Wahl erzielten Ergebnisses eine Wahlkampfkostenerstattung erhält, auch berechtigt ist,
für die nachfolgende Wahl eine Abschlagszahlung zu verlangen. Der Anspruch auf
Abschlagszahlung folgt aus dem Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung. Da - wie
dargelegt - die Listenvereinigungen bei entsprechendem Wahlergebnis einen Anspruch
auf Wahlkampfkostenerstattung besaßen, sind sie grundsätzlich auch berechtigt, im
Hinblick auf die kommende Abgeordnetenhauswahl Abschlagszahlungen zu verlangen.
Art. 87 b VvB ordnet eine Gleichstellung nicht nur für den Tag der Wahl an, sondern "für
die Wahl zur ersten Wahlperiode". Nicht nur bei der Wahl, sondern auch bei den sich aus
der Wahl ergebenden Rechten im politischen Wettbewerb mit den "etablierten" Parteien
werden die Listenvereinigungen gleichgestellt. Nun können sich allerdings
Listenvereinigungen an den kommenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus nicht mehr
beteiligen. Art. 87 b VvB hat Listenvereinigungen nur zu der Wahl zum ersten
Gesamtberliner Abgeordnetenhaus zugelassen. Nach Berliner Wahlrecht können sich die
Parteien oder politischen Vereinigungen, die bei der Wahl vom 2. Dezember 1990 eine
Listenvereinigung gebildet haben, künftig nur noch mit eigenen Wahlvorschlägen
beteiligen, wenn sie die Voraussetzungen einer politischen Partei erfüllen. Dies ist bei der
Listenvereinigung "Bündnis 90/Grüne/UFV" nicht der Fall, die sich nicht zu einer
(gemeinsamen) Partei zusammengeschlossen hat, sondern auseinandergefallen ist.
Das rechtfertigt indes nicht den Schluß, aus diesem Grunde scheide ein Anspruch des
Antragstellers auf die Gewährung von Abschlagszahlungen aus. Die Annahme nämlich,
eine Partei oder politische Gruppierung aus dem Gebiet der ehemaligen DDR, die sich
1990 zum Ausgleich der seinerzeit bestehenden "unterschiedlichen Startbedingungen"
(BVerfGE 82, 322) einer Listenvereinigung angeschlossen und mit dieser einen Anspruch
auf Wahlkampfkostenerstattung erlangt hatte, und die nunmehr, da Listenvereinigungen
nicht mehr zulässig sind, als Partei mit eigenen Wahlvorschlägen an der Wahl teilnehmen
muß, gehe deswegen des Anspruchs auf Abschlagszahlung verlustig, führte zu dem
Ergebnis, daß die vom Bundesverfassungsgericht für die Bundestagswahl und vom
Berliner Verfassungsgeber über Art. 87 b VvB für die Wahl zum ersten Gesamtberliner
Abgeordnetenhaus für ausgleichungsbedürftig angesehenen unterschiedlichen
Startbedingungen, die durch die einmalige Zulassung von Listenvereinigungen
zumindest gemildert werden sollten, revitalisiert und perpetuiert würden. Das aber würde
Sinn und Zweck des Art. 87 b VvB ins Gegenteil verkehren. Dementsprechend gibt es
auch auf Bundesebene - wie von dem Antragsteller in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen wurde - Gesetzesbestrebungen, um den Listenvereinigungen auch zur
nächsten Bundestagswahl Abschlagszahlungen zukommen zu lassen. Ob auf
Bundesebene hierzu eine Gesetzesänderung erforderlich ist oder sich ein Anspruch auf
Abschlagszahlungen schon aus jetzigem Bundesrecht ergibt, bedarf keiner weiteren
Prüfung. Diese Frage ist für die auf Art. 87 b VvB beruhende Auslegung des § l des
Berliner Wahlkampfkostengesetzes ohne Belang.
Überdies wäre es auch mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Prinzip der Freiheit der
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Überdies wäre es auch mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Prinzip der Freiheit der
Parteigründung nicht zu vereinbaren, durch eine Bindung des Anspruchs auf
Abschlagszahlungen an eine gemeinsame Parteigründung auf sämtliche Gruppierungen
in der Listenvereinigung einen Druck zur einheitlichen Parteigründung auszuüben. Eine
verfassungsgemäße Auslegung des Berliner Landesrechts führt deswegen zu der
Erkenntnis, daß die namentlich von Art. 87 b VvB angeordnete Gleichstellung der
Listenvereinigungen mit den mit eigenen Wahlvorschlägen antretenden Parteien auch
die politischen Parteien erfaßt, die sich aus einer zur Wahl 1990 angetretenen
Listenvereinigung entwickelt haben. Ihnen steht an Stelle der gesetzlich nicht mehr
zugelassenen Listenvereinigungen dem Grunde nach ein Anspruch auf Gewährung von
Abschlagszahlungen zu. Auch mit diesem Inhalt ist das Berliner Wahlkampfkostengesetz
durch die vom Gleichstellungsgesichtspunkt getragene Ermächtigung des § 22 ParteiG
gedeckt.
6. Der Anspruch des Antragstellers auf Abschlagszahlungen scheitert auch nicht an
mangelnder praktischer Durchführbarkeit. Zwar regelt das Wahlkampfkostengesetz den
Fall der späteren Auflösung einer Listenvereinigung nicht, weist also insoweit eine Lücke
auf. Die Höhe des Anspruchs kann jedoch im Wege der Gesetzesauslegung ermittelt
werden. Anknüpfungspunkt für die Wahlkampfkostenerstattung wie für die Gewährung
von Abschlagszahlungen ist das Wahlergebnis, das die Listenvereinigung bei der
vorangegangenen Wahl erzielt hat. So hat auch die Präsidentin des
Abgeordnetenhauses bei der Festsetzung der Wahlkampfkostenerstattung die
Listenvereinigung mit den übrigen Parteien völlig gleich behandelt. Bei
Abschlagszahlungen, die auf die Beteiligung an der kommenden Wahl gerichtet sind, ist
zu berücksichtigen, inwieweit der als Partei gebildete Antragsteller mit der
Listenvereinigung identisch ist. Diesen Umfang der Identität (bzw. Teilidentität) zu
ermitteln, ist Sache der die Abschlagszahlung gewährenden Behörde, also der
Präsidentin des Abgeordnetenhauses, deren Entscheidung im Streitfall der Überprüfung
durch die Fachgerichtsbarkeit unterliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 33 ff. VerfGHG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Abweichende Meinung
I. Die Zulässigkeit des Antrages auf Feststellung, der Berliner Landesgesetzgeber habe
es in mit der Verfassung von Berlin unvereinbarer Weise unterlassen, den Antragsteller
in den Kreis der Anspruchsberechtigten für - Abschlagszahlungen einzubeziehen,
scheitert nach unserer Auffassung am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des
Antragstellers. Der Gesichtspunkt der Subsidiarität des verfassungsrechtlichen
Rechtsschutzes gegenüber dem fachgerichtlichen Rechtsschutz führt vorliegend zum
Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses.
Die Verfassungsgerichtsbarkeit (auch des Landes Berlin) ist zwar durchaus nicht
allgemeinen Sinnes "subsidiär" gegenüber der Fachgerichtsbarkeit.
Subsidiaritätsgesichtspunkte kommen nur zum Tragen, wenn sie - in Differenzierung bei
den einzelnen Verfahrensarten - normativ nachweisbar sind, dies durchaus auch durch
Auffindung ungeschriebener Grundsätze des Prozeßrechts. Vor allem im Verfahren der
Verfassungsbeschwerde entspricht es ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, über § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG hinaus ein
Subsidiaritätsprinzip im Blick auf die funktionelle Bedeutung des Instituts der
Verfassungsbeschwerde zu entfalten (vgl. die Darstellung bei Pestalozza,
Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., 1991, § 12 Rdn. 10 ff., 50 m. zahlr. Nachw.). Auch für
die Zulässigkeitsanforderungen in weiteren Verfahren ist der Gedanke der Subsidiarität
zu berücksichtigen. Der Organstreit allerdings - wie er vorliegend geführt wird - gilt als
"der Herrschaft des Subsidiaritätsprinzips nach allgemeiner Ansicht gänzlich entzogen"
(Klein, in: Festschrift für Zeidler, Bd. 2, 1987, 1305, 1314). Der vorliegende Rechtsstreit
zeigt unseres Erachtens, daß eine derartige Aussage zu relativieren ist.
Für dem Organstreit zugängliche Streitigkeiten steht kein fachgerichtlicher Rechtsweg
offen. Die Grenze zwischen verwaltungsgerichtlichem und verfassungsgerichtlichem
Rechtsschutz verläuft trennscharf. Eine Besonderheit ergibt sich jedoch, wenn zwei zum
Organstreitverfahren befähigte Beteiligte miteinander im Hinblick auf ihre
verfassungsrechtliche Stellung um die Auslegung eines Rechtsakts streiten und dieser
Rechtsakt gerade diejenige Maßnahme darstellt, durch die sich die eine Seite von der
anderen Seite verletzt fühlt. Eine derartige Konstellation ist vorliegend eingetreten - dies
freilich auf der Prämisse, daß eine politische Partei zum Organstreit befähigt ist. Diese
Prämisse ist nicht selbstverständlich (vgl. kritisch z.B. Schlaich, Das
Bundesverfassungsgericht, 2. Aufl., 1991, 59; Isensee, 56. OJT, 1986, Q 10), muß aber -
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Bundesverfassungsgericht, 2. Aufl., 1991, 59; Isensee, 56. OJT, 1986, Q 10), muß aber -
wie auch die Mehrheit anspricht - für das Berliner Verfassungsprozeßrecht zugrunde
gelegt werden, weil Art. 72 Abs. 2 Nr. 1 VvB, § 14 Nr. 1 VerfGHG insoweit erkennbar dem
parallelen Bundesrecht nachgebildet sind und damit die diesbezügliche Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (und von Verfassungsgerichten der Länder, s. etwa
VerfGH NW, NVwZ 1986, 463) rezipiert wurde. Die somit anzunehmende
Organstreitbefähigung politischer Parteien gegenüber gesetzgebenden Organen bewirkt
hier ein mißliches Nebeneinander der Rechtswege: Eine politische Partei kann mit der
Präsidentin des Abgeordnetenhauses als Behörde vor dem Verwaltungsgericht über die
Berechtigung eines von ihr geltend gemachten Anspruchs auf
Wahlkampfkostenerstattung streiten (daß ein solcher Streit nicht verfassungsrechtlicher
Art sei, entspricht allgemeiner Ansicht, vgl. VG Köln, DÖV 1972, 356; BVerfGE 44, 187 -
zu Einzelbewerbern; zu einer politischen Partei BVerfGE 27, 152, 156 f.), wobei sich die
Frage der Verfassungskonformität des einfachen Rechts als Vorfrage stellen kann;
zugleich kann eben diese Partei vor dem Verfassungsgerichtshof die Feststellung
erwirken wollen, dasselbe Gesetz bzw. das Unterbleiben seiner Ergänzung verletze ihre
verfassungsmäßigen Rechte.In diesem Sinne ist der Antragsteller in der Tat
vorgegangen. Auch wenn es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände handelt (vor
der Verwaltungsgerichtsbarkeit kann die Feststellung etwa eines verfassungswidrigen
legislativen Unterlassens nicht erreicht werden; der Verfassungsgerichtshof kann nicht
zur Auskehrung von Geldern verurteilen), ist der Zusammenhang zwischen beiden
Verfahren offensichtlich: Dem Antragsteller geht es, wie er auch in der mündlichen
Verhandlung vorgetragen hat, im Kern um die Durchsetzung des Anspruchs auf eine
Abschlagszahlung. Er sucht dies vor dem Verwaltungsgericht durch den Vortrag zu
erreichen, das einfache Recht gestehe ihm einen derartigen Anspruch zu; vor dem
Verfassungsgerichtshof argumentiert er gegenteilig, um die Verletzung seiner
verfassungsrechtlichen Stellung dartun zu können. Nicht diese Widersprüchlichkeit als
solche, wohl aber der auch durch sie indizierte innere Zusammenhang beider Verfahren
bedarf der Berücksichtigung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses.
Denn der Erfolg des Organstreitverfahrens hängt (zunächst) von der Frage ab, ob das
einfache Recht den geltend gemachten Anspruch auf Abschlagszahlung trägt. Darüber
zu entscheiden ist in erster Linie die bereits befaßte Verwaltungsgerichtsbarkeit berufen,
die sich im übrigen ggf. zur Vorlage für verfassungswidrig gehaltenen einfachen Rechts
an ein Verfassungsgericht entschließen mag.
Der für das Verfassungsbeschwerdeverfahren prägenden Subsidiarität, welche ebenso
im Verfahren der konkreten Normenkontrolle Ausdruck findet (das nämlich den einfach
gesetzlichen Rechtsstoff ebenfalls erst nach Aufbereitung durch die Fachgerichtsbarkeit
an die Verfassungsgerichtsbarkeit gelangen läßt), erlangt danach für den Organstreit
einer politischen Partei, der es um die Feststellung der einfach-gesetzlichen Rechtslage
geht, Bedeutung. Kann diese Partei ihr primäres Ziel (hier: den Erhalt einer Zahlung) im
Rahmen eines bereits anhängig gemachten und nicht offensichtlich unzulässigen
Verwaltungsgerichtsstreits erreichen, mag sie diesen Weg. zu Ende gehen, erscheint
dieser als Weg zu einfacherer Abhilfe und hindert mithin das Rechtsschutzbedürfnis für
die verfassungsgerichtliche Klärung ohne vorgängige fachgerichtliche Aufbereitung. Nur
bei dieser Sichtweise kann verhindert werden, daß die gesetzliche Zuerkennung des
Beteiligtenstatus im Organstreitverfahren an politische Parteien in einer Konstellation wie
der vorliegenden die Fachgerichtsbarkeit und die Verfassungsgerichtsbarkeit in ein
unkoordiniertes Neben- und potentiell Gegeneinander bringt und der
Verfassungsgerichtshof der Sache nach als eine (Vor-)gutachterliche Instanz für die
Verwaltungsgerichte in Anspruch genommen werden kann.
Klarstellend sei noch erwähnt, daß die Partei nach erfolgloser Erschöpfung des
Rechtsweges Verfassungsbeschwerde erheben könnte (vgl. BVerfGE 27, 152, 157), und
daß ein Erfolg ihr dort sogar weitergehenden Rechtsschutz verschaffen kann als er im
Organstreit erreichbar ist. Dies gilt, wenn sich eine - im Verfahren der
Verfassungsbeschwerde mittelbar anzugreifende - Vorschrift des einfachen Rechts als
verfassungswidrig erweist und deshalb für nichtig erklärt wird, aber auch im Fall der
Unvereinbarkeitserklärung ohne Erklärung der Nichtigkeit, weil dann jedenfalls seither
ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidungen aufzuheben wären; diese -
weiterreichenden Wirkungen sind im Organstreit von vornherein nicht zu erreichen. Der
von uns vorgetragenen Argumentation kann daher auch nicht entgegengehalten
werden, das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsgerichtlicher Behelfe werde wegen
der Fristbestimmung des § 37 Abs. 3 VerfGHG regelmäßig verfassungsgerichtliche
Rechtsschutzchancen beseitigen.
II. Die von der Mehrheit des Verfassungsgerichtshofs getragenen Entscheidungsgründe
lassen unter B. 6 Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses durchaus
erkennen und betonen - gleich uns - die "primäre Aufgabe" der
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erkennen und betonen - gleich uns - die "primäre Aufgabe" der
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Hinblick auf die Auslegung des einfachen Rechts; die
Mehrheit meint dennoch, die Frage offenlassen zu können, weil der Antrag ohnehin
unbegründet sei.
Dieser Weg ist unseres Erachtens nicht gangbar. Dabei soll hier nicht prinzipiell dazu
Stellung genommen werden, ob und bei welchen Fallgestaltungen es angängig sein
kann, bei Zweifeln an der Zulässigkeit eines Antrags gleichwohl in der Sache abschlägig
zu entscheiden. Wenn jedenfalls - wie hier - die Zweifel an der Zulässigkeit gerade daher
rühren, daß es an verwaltungsgerichtlicher Vorklärung fehlt, dann müssen diese Zweifel
ausgeräumt werden, ehe im Rahmen der Begründetheitsprüfung das unternommen
werden darf, was die Verwaltungsgerichte zu klären hätten: die Beurteilung des von dem
Antragsteller geltend gemachten Anspruchs nach dem geltenden Gesetzesrecht.
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