Urteil des VerfGH Berlin vom 02.11.1982

VerfGH Berlin: stand der technik, software, summarisches verfahren, verfassungsbeschwerde, patentverletzung, gerät, programm, patentanspruch, rechtskraft, rechtsstaatsprinzip

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
111/99
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 10 Abs 1 Verf BE, Art 15
Abs 4 Verf BE, Art 23 Abs 1
Verf BE, § 114 ZPO
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen
Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Verfahren über die
Verfassungsbeschwerde wird abgelehnt.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer ist Inhaber des deutschen Patents 32 40 773 vom 2. November
1982, das ihm für eine elektronische Überwachungsvorrichtung für die von Fahrern eines
Kraftfahrzeuges abgeleistete Fahrzeit (sog. Taxameter) im Jahre 1986 erteilt worden ist.
Die Beteiligten zu 3) bis 6) hatten ein Taxametersystem entwickelt, hergestellt und
vertrieben, welches dieses Patent verletzt. Gemäß rechtskräftigem Urteil des
Kammergerichts vom 8. Januar 1993 - 5 U 7410/90 - wurde den Beteiligten zu 3) bis 6)
untersagt, ein Taxametersystem anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/
oder zu gebrauchen, der Beteiligten zu 5) ferner, es zu den genannten Zwecken
einzuführen und/oder zu besitzen, das durch Codierkarten betätigt wird, auf denen die
Anzahl der zulässigen Fahrerschichten speicherbar ist und bei dem durch ein Lese- und
Schreibgerät die noch zulässigen Restschichten eingelesen und abgespeichert werden
können. Ferner wurden die Beteiligten zu 3) bis 6) zur Rechnungslegung verurteilt und es
wurde festgestellt, daß sie dem Beschwerdeführer zu Schadensersatz verpflichtet sind.
Die Beteiligten zu 3) und 5) legten Rechnung für die Zeit bis einschließlich 1990.
Nach ihrer Behauptung haben sie ab 1991 ein neues Taxametersystem entwickelt und
vertrieben, das das Patent nicht verletzt. Der Beschwerdeführer meint demgegenüber,
daß auch das veränderte System gegen das Unterlassungsgebot verstoße; außerdem
sei das im Vorprozeß streitgegenständliche System jedenfalls bis 1995 noch vertrieben
worden.
Die Beteiligte zu 5) und seit 1995 die Beteiligte zu 7) stellten die Software für das jeweils
vertriebene Taxametersystem her. Der Beteiligte zu 6) war Geschäftsführer der
Beteiligten zu 5) und sodann der zu 7); nach ihm wurden die Beteiligten zu 8) bis 10) zu
Geschäftsführern der Beteiligten zu 7) bestellt.
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Beschwerdeführer die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Klage, mit der er die
Beteiligten zu 3) bis 10) auf Rechnungslegung für die Zeit ab 8. Januar 1993 und die
Beteiligten zu 3) bis 6) zusätzlich für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 8. Januar 1993 in
Anspruch nehmen und die Feststellung begehren will, daß die Beteiligten zu 3) bis 10)
verpflichtet seien, den ihm seit dem 8. Januar 1993 entstandenen Schaden zu ersetzen.
Die Beteiligten zu 3) bis 10) hätten - wofür mehrere Zeugen benannt wurden - das
streitgegenständliche System als sogenanntes Hale-Taxameter nach 1990 noch
hergestellt oder selbst bzw. über diverse andere Firmen, u. a. in Kiel, Cottbus, Paderborn
und Berlin, vertrieben. Die Einlassung der Beteiligten zu 3) bis 10), die zugehörige
Software sei so geändert worden, daß die Programmierung der Karten die bisherigen
Optionen „zulässige Schichten“ und „maximale Schichtzeit“ nicht mehr enthalte, sei
jedenfalls bis ins Jahr 1997 unzutreffend, im übrigen aber auch unerheblich, da auch die
neue Taxameterversion das Patent des Beschwerdeführers verletze. Es handele sich bei
diesem um ein Vorrichtungspatent. Dessen Schutz sei nicht auf die in der Patentschrift
genannten Zwecke und Funktionen beschränkt, sondern erstrecke sich auch auf jede
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genannten Zwecke und Funktionen beschränkt, sondern erstrecke sich auch auf jede
andere sinnvolle Verwendung. Die zulässige Schichtenzahl sei auf der Codierkarte
weiterhin speicherbar, wenn auch jetzt durch den Hersteller und nicht durch den
Taxiunternehmer. Im übrigen besitze die neue Taxameterversion die nämlichen
Eigenschaften wie diejenige, deren Vertrieb untersagt worden sei.
In einer Stellungnahme vom 6. April 1999 äußerten die Beteiligten zu 3) bis 10) Zweifel
an der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers und an den Erfolgsaussichten der von ihm
beabsichtigten Klage. Die Software sei inzwischen so abgeändert worden, daß sie weder
dem landgerichtlichen noch dem kammergerichtlichen Urteil zuwiderlaufe. Insbesondere
könne man auf der Codierkarte keine Schichtzahlen mehr in bestimmter Weise festlegen
oder ändern. Auch sei das Taxameter nicht mehr mit der Funktion des Fahrzeugs,
insbesondere dessen Stillegung, verknüpft und nicht mehr für eine Überwachung von
Kraftfahrerarbeitsleistungen benutzbar. Der Aufzeichnungsmodus stelle eine
elektronische Übertragung von Abrechnungsdaten sicher, sei dagegen nicht ein System
zur Überwachung des Fahrers oder der Einhaltung der gesetzlichen Fahrzeiten. Die
Limitierung der Fahrertätigkeit, die durch Eingriff in den Zündungsmechanismus des
Fahrzeugs erfolge, sei aber die Essenz des Patents des Beschwerdeführers.
Durch Beschluß vom 29. April 1999 wies das Landgericht Berlin den Antrag auf
Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurück. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg, da von einer Patentverletzung durch die Beteiligten zu
3) bis 10) nicht ausgegangen werden könne. Dafür, daß die alte Taxameterversion auch
nach Rechtskraft des Urteils des Kammergerichts vom 8. Januar 1993 noch produziert
oder vertrieben worden wäre, habe der Beschwerdeführer stichhaltige Tatsachen nicht
vorgetragen, die die Beauftragung von Sachverständigen veranlassen könnten. Ein
Taxametersystem, bei dem die benutzte Software in der Weise geändert worden ist, daß
die Programmierung der Codierkarten die Optionen „zulässige Schichten“ und
„maximale Schichten“ nicht mehr enthalte, sei nicht patentverletzend. Die werkseitig
fest vorgegebene, nicht variierbare Zahl von 15 fahrbaren Schichten auf der Codierkarte
sei rein technisch durch eine begrenzte Speicherkapazität bedingt. Sie diene daher nicht
einer unternehmerseitigen Fahrerüberwachung durch den Einsatz der Codierkarte und
verletze das Erfinderische des Patents des Beschwerdeführers nicht.
Gegen den landgerichtlichen Beschluß legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das
Landgericht habe nicht berücksichtigt, daß ein am 30. April 1995, also Jahre nach
Rechtskraft des kammergerichtlichen Urteils, beschlagnahmtes Gerät unstreitig eines
der alten Version gewesen sei und daß es daher Sache der Beteiligten zu 3) bis 6) sei,
nachzuweisen, daß dieses Gerät schon vor dem Stichtag hergestellt worden sei. Auch
die neue Systemversion mit veränderter Software falle unter das Verdikt des
kammergerichtlichen Urteils. Das streitgegenständliche Patent sei, wie auch das
Kammergericht seinerzeit ausgeführt habe, ein Vorrichtungspatent. Sein Schutz
erstrecke sich daher auf jede sinnvolle Verwendung. Das gelte namentlich, wenn, wie
hier, ein Programm wechselnd in einen Speicher eingelesen werden kann, das
Programm jedoch nicht unabänderbar eingebrannt sei. Das vertriebene Taxameter
enthalte Programmspeicher, in dem variable Programme eingegeben bzw. vorhandene
geändert werden könnten. Auch die geänderte Version diene der Fahrerüberwachung.
Nach Ablauf der vorgegebenen Schichtzahl schalte sich das Taxameter aus.
Die Beteiligten zu 3) bis 10) äußerten, sie seien weitgehend gar nicht mehr mit der
Herstellung von Taxametern und Taxametersoftware befaßt, daher nicht
passivlegitimiert. Das von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Gerät habe man in
dem Keller eines der Beteiligten gefunden. Der reine Besitz eines solchen Geräts sei
keine Verletzungshandlung. Die maßgebliche Software sei eine solche des zugehörigen
PC, nicht des Taxameters. Hinsichtlich der Ausführungen des Beschwerdeführers zum
Begriff des Vorrichtungspatents verweise man auf einen Beschluß des Kammergerichts
vom 14. November 1997 - 5 W 1726/97 -, in dem die Rechtsauffassungen des
Beschwerdeführers widerlegt würden. Es sei im übrigen egal, ob die Vorgabe der
maximalen Schichtzahl und das Einlesen und Abspeichern der Restschichtzahlen durch
Veränderung der Hard- oder der Software erfolge. Insoweit verweise man auf den
Beschluß des Landgerichts vom 18. November 1995 - 16.O.529/89 - in welchem
dargelegt werde, daß auch die Abänderung der Software als Bestandteil eines Systems
ausreichten, um eine frühere Patentverletzung zu korrigieren.
Durch Beschluß vom 9. September 1999 wies das Kammergericht die Beschwerde des
Beschwerdeführers zurück. Die geplante Rechtsverfolgung biete keine hinreichende
Erfolgsaussicht, so daß es darauf, ob der Beschwerdeführer in der Lage sei, die Kosten
der Prozeßführung aufzubringen, nicht mehr ankomme. Schon nach seinem eigenen
Vortrag stehe ihm ein klagevorbereitender Auskunftsanspruch nicht zu. Denn eine
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Vortrag stehe ihm ein klagevorbereitender Auskunftsanspruch nicht zu. Denn eine
schadensersatzbegründende Patentverletzung sei nicht ersichtlich. Der
Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, daß die Beteiligten zu 3) bis 10) das im
Vorprozeß streitgegenständliche Taxametersystem noch nach dem 8. Januar 1993
angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht hätten. Das von der
Staatsanwaltschaft unstreitig beschlagnahmte und seitdem asservierte Gerät alter
Prägung sei lediglich in einem Keller gelagert gewesen und niemals jemandem
angeboten worden. Soweit sonst der fortgesetzte Vertrieb behauptet werde, bleibe
unklar und mit den angebotenen Beweismitteln auch nicht aufklärbar, ob es sich um die
ursprüngliche oder die geänderte Version des Systems handele.
Letzterer verletze das Patent des Beschwerdeführers nicht. Das Erfinderische liege im
Einsatz der Codierkarte für die Überwachung der dem Fahrer gezogenen
Tätigkeitsgrenze. Das Patent stelle eine elektronische Überwachungsvorrichtung für die
vom Fahrer eines Kraftfahrzeugs geleistete Fahrzeit unter Schutz. Der Grundsatz,
wonach sich der Schutz eines Sachpatents auf jedwede Verwendung erstrecke, könne
hier nicht gelten. Der Stand der Technik stehe einem Schutz für andere als die in der
Patentschrift genannten Verwendungen entgegen. Der Einsatz von Codierkarten als
solcher sei schon vorher bekannt gewesen. Daß auf den Karten Schichten abgespeichert
werden könnten, sei unerheblich, da dies nicht dem Zweck diene, das Überschreiten
höchstmöglicher Fahrzeiten zu verhindern. Soweit die geänderte Version die Kontrolle
geleisteter Fahrzeiten ermögliche, beruhe das nicht darauf, daß das Erfinderische am
Klagepatent genutzt werde, sondern folge aus Möglichkeiten der Datenerfassung, die
nicht in den Schutzbereich des Patents des Beschwerdeführers fallen würden. Die
Vorgabe von 15 Schichten sei durch die begrenzte Speicherkapazität bedingt, diene
aber nicht der Fahrerüberwachung.
Selbst wenn man unterstelle, daß die neue Version in derselben Weise funktioniere wie
das geschützte Überwachungssystem, so sei doch nicht ersichtlich, daß ein Fachmann
erkenne, daß der Patentanspruch den Offenbarungsgehalt der Patentschrift nicht
ausschöpfe. Jedenfalls habe er keinen Anlaß, den Gegenstand des Patents auf solche
Lehren zu erstrecken, die im Wortlaut keine Stütze fänden.
Mit seiner am 24. November 1999 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der
Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 VvB i. V. m. dem
Rechtsstaatsprinzip. Das Kammergericht und das Landgericht hätten in ihren
Beschlüssen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage
überzogen und dadurch den Zweck der Prozeßkostenhilfe, grundsätzliche
Waffengleichheit zwischen unterschiedlich bemittelten Parteien eines Zivilprozesses zu
gewährleisten, verletzt. Da es sich bei dem Patent um ein Vorrichtungspatent handele,
sei seine Erfindung unabhängig davon geschützt, zu welchem Zweck sie gebraucht
werde. Der angegriffene Beschluß des Kammergerichts, der dies verkenne, weiche daher
nicht nur von seinem eigenen Urteil vom 8. Januar 1993 ab, sondern auch von der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der vorgenannten Grundsatz in einer
Entscheidung zur Befestigungsvorrichtung (GRUR 1991, 436) aufgestellt habe. Der
Beschluß nehme dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, das Kammergericht durch
einen erfahrenen Rechtsanwalt für Patentstreitigkeiten im Rahmen einer mündlichen
Verhandlung von der Richtigkeit der BGH-Rechtsprechung zu überzeugen und eine etwa
abweichende Kammergerichts-Entscheidung im Wege der Revision überprüfen zu lassen.
Das Kammergericht habe auch nicht genügend berücksichtigt, daß die Lösung des
Rechtsstreits, selbst bei Unterstellung der vom BGH abweichenden Rechtsansichten, von
der Würdigung eines sehr komplexen technischen Sachverhalts abhänge, der nicht ohne
Sachverständigengutachten hinreichend sicher beurteilt werden könne.
Das Kammergericht habe die Erfolgsaussichten der geplanten Klage auch deswegen
falsch beurteilt, weil es darauf abgestellt habe, ob sich das Taxameter nach Erschöpfung
der Kapazität der Codierkarte selbst abschalte oder gar den Motor abschalte. Das
Patent des Beschwerdeführers würde jedoch auch dann verletzt, wenn dieses Merkmal
nicht verwirklicht sei.
In Frage stehe hier auch eine Verletzung von Art. 23 Abs. 1 VvB, denn der gewährleistete
Patentschutz garantiere auch, daß einem mittellosen Patentinhaber die finanzielle
Möglichkeit zur gerichtlichen Verfolgung von Patentverletzungen einzuräumen sei.
Vor allem habe das Kammergericht in einem nur summarisch zu führenden
Prozeßkostenverfahren sämtliche in das Hauptverfahren gehörende Überlegungen
miteinbezogen. Damit sei das Prinzip der Rechtsschutzgleichheit verletzt worden mit der
Folge, daß der Beschwerdeführer sein nach Art. 23 Abs. 1 VvB geschütztes Patent nicht
adäquat verteidigen könne. Das könne angemessen nur in einem ordentlichen
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adäquat verteidigen könne. Das könne angemessen nur in einem ordentlichen
Patentstreitverfahren vor spezialisierten Gerichten und unter Mitwirkung spezialisierter
Patent- und Rechtsanwälte unter sorgfältiger Prüfung und Anhörung von
Sachverständigen erfolgen. Den weitreichenden wirtschaftlichen Folgen für den
Beschwerdeführer würde ein summarisches Verfahren ohne großen technischen
Sachverstand nicht gerecht werden.
Den gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 VerfGHG Äußerungsberechtigten ist Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben worden.
II. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 10 Abs. 1
und Art. 23 Satz 1 VvB beruft, ist sie zulässig, aber unbegründet. Ob die
Verfassungsbeschwerde auch insoweit zulässig ist, als der Beschwerdeführer eine
Verletzung des in Art. 15 Abs. 4 VvB gewährleisteten Rechts auf effektiven Rechtsschutz
gegen Akte der öffentlichen Gewalt beanstandet, kann dahinstehen. Denn die
Verfassungsbeschwerde ist auch insofern jedenfalls unbegründet.
Art. 10 Abs. 1 VvB gebietet - ebenso wie Art. 3 Abs. 1 GG - in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und
Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes, wobei diesen Geboten der
Rechtsschutzgleichheit und - effektivität das Institut der Prozeßkostenhilfe dient (vgl.
Beschlüsse vom 8. Februar 1995 - VerfGH 104/94 - LVerfGE 3, 10 <13> zu Art. 6 Abs. 1
Satz 1 VvB a.F. und vom 20. August 1997 - VerfGH 9/97 - LVerfGE 7, 11 <14>; siehe
zum Bundesrecht z.B. BVerfG, Beschluß vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - , NJW 2000,
1936 <1937> m.w.N.). Dabei braucht der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten
gleich gestellt zu werden, der seine Prozeßaussichten vernünftig abwägt und dabei auch
das Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 9, 124 <130 f.>; 81, 347
<357>). Verfassungsrechtlich ist es demnach unbedenklich, die Gewährung von
Prozeßkostenhilfe davon abhängig zu machen, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig
erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der
Prozeßkostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens
treten zu lassen. Das Prozeßkostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der
Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem
genügt das Gesetz in § 114 ZPO, indem es die Gewährung von Prozeßkostenhilfe bereits
dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten
Rechtsstreit bestehen, ohne daß der Prozeßerfolg schon gewiß sein muß. Dies bedeutet
zugleich, daß Prozeßkostenhilfe verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der
Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber fernliegend ist.
Die Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen
Fachgerichten, die dabei den - verfassungsgebotenen - Zweck der Prozeßkostenhilfe zu
beachten haben. Der Verfassungsgerichtshof ist keine zusätzliche Rechtsmittelinstanz.
Er kann hier nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die
angegriffenen Entscheidungen Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich
unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 10 Abs. 1, Art. 15 Abs. 4 und Art.
23 Satz 1 VvB gewährleisteten Rechte beruhen. Hierbei hat der Verfassungsgerichtshof
zu berücksichtigen, daß die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung in engem Zusammenhang mit der den Fachgerichten
vorbehaltenen Feststellung und Würdigung des jeweils entscheidungserheblichen
Sachverhalts und der ihnen gleichfalls obliegenden Auslegung und Anwendung des
jeweils einschlägigen materiellen und prozessualen Rechts steht. Die Fachgerichte
überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des
gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht zukommt, erst
dann, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten
Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
unverhältnismäßig erschwert wird. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn das
Fachgericht die Anforderung an die Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsstreits
überspannt und dadurch den Zweck der Prozeßkostenhilfe deutlich verfehlt. Dem Gebot
der Rechtsschutzgleichheit läuft es dabei zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender
Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozeßkostenhilfe vorzuenthalten, wenn die
Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang
ungeklärten Rechtsfrage abhängt (siehe Beschluß vom 8. Februar 1995, a.a.O., S. 14
m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen halten die angegriffenen Entscheidungen der
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Nach diesen Grundsätzen halten die angegriffenen Entscheidungen der
verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Die Auslegung der einschlägigen
Vorschriften läßt eine grundlegende Verkennung der Garantiebereiche der gerügten
Grundrechte und deren Einwirkung auf die Auslegung und Anwendung des einfachen
Rechts nicht erkennen. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, daß das
Kammergericht die Tragweite der verfassungsrechtlich geschützten
Rechtsschutzgleichheit dadurch verkannt hat, daß es weit überhöhte Anforderungen an
die Erfolgsaussichten der Klage gestellt hat.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hing die Entscheidung über die
beabsichtigte Klage nicht von der Beantwortung bislang ungeklärter Rechtsfragen ab.
Dies räumt der Beschwerdeführer der Sache nach selbst ein, wenn er darauf hinweist,
daß die sich im Zusammenhang mit dem von ihm im Ausgangsverfahren geltend
gemachten Schadensersatzanspruch stellende Rechtsfrage im Sinne einer nicht auf den
Schutz für die in der Patentschrift genannten Zwecke und Funktionen beschränkten
Reichweite eines Vorrichtungspatents durch den Bundesgerichtshof geklärt sei. Dem
Beschwerdeführer ist allerdings zuzugeben, daß ein rechtsschutzgleichheitswidriges
„Durchentscheiden“ (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 81, 347 <359>) dann vorläge,
wenn das Kammergericht im Prozeßkostenhilfeverfahren von der gefestigten
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder von seiner bisherigen eigenen, mit der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang stehenden Entscheidungspraxis
abgewichen wäre und auf dieser Grundlage die Erfolgsaussicht der beabsichtigten
Rechtsverfolgung verneint hätte. Eine solche Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung
kommt in dem angegriffenen Beschluß des Kammergerichts entgegen der Auffassung
des Beschwerdeführers jedoch nicht zum Ausdruck. Das Gericht stützt seine
Begründung ausdrücklich auch auf den Tenor und die Entscheidungsgründe des Urteils
vom 8. Januar 1993. Das vom Beschwerdeführer angeführte Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 1990 - X ZR 121/88 -, das nach den Ausführungen des
Beschwerdeführers Grundlage des Urteils vom 8. Januar 1993 war, wird zwar nicht
ausdrücklich erwähnt, der Sache nach allerdings insoweit berücksichtigt, als das
Kammergericht sich mit dem „Grundsatz, nach dem sich der Schutz eines Sachpatents
auf jedwede Verwendung der geschützten Sache erstreckt“, befaßt (siehe S. 6 des
Beschlusses). Diesen Grundsatz stellt das Kammergericht nicht in Frage, sondern stellt
lediglich fest, aus bestimmten, im einzelnen dargelegten Gründen sei dieser im zu
entscheidenden Fall nicht anzuwenden. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, das
Kammergericht sei von seiner eigenen Vorentscheidung und von der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs abgewichen, zielt seine Rüge demgemäß nicht auf eine mit der
Rechtsschutzgleichheit unvereinbare Vorwegnahme einer Änderung der
patentrechtlichen Rechtsprechung im Prozeßkostenhilfeverfahren, sondern er
beanstandet lediglich die der Würdigung des Verfassungsgerichtshofs weitgehend
entzogene Auslegung und Anwendung einfachen Rechts.
Diese Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts ist verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden. Sie läßt insbesondere keine Willkür erkennen; dies wäre nur dann
der Fall, wenn eine Rechtsauffassung des Fachgerichts unter keinem denkbaren Aspekt
vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden
Erwägungen (vgl. Beschluß vom 20. August 1997 - VerfGH 9/97 - LVerfGE 7, 11<15>).
Kammergericht und Landgericht haben das Erfinderische des für den Beschwerdeführer
geschützten Patents nicht im beliebigen Einsatz der Codierkarte, sondern nur in ihrer
Verwendung für die Überwachung der Arbeitsleistung von Kraftfahrern erkannt. Diese
unter Berücksichtigung des Stands der Technik bei Patenterteilung vorgenommene
Bestimmung des Patentgegenstandes ist nachvollziehbar und mithin nicht willkürlich.
Zwar sind Sach- und Vorrichtungspatente regelmäßig nicht auf den Schutz für die in der
Patentschrift genannten Zwecke und Funktionen beschränkt (vgl. Ullmann, in: Benkard,
PatG, 9. Aufl. 1993, § 14 Rn. 41), aber die Auslegung des Patents insbesondere anhand
des Stands der Technik kann ergeben, daß sein Schutzbereich ausnahmsweise auf einen
Verwendungsanspruch zu beschränken ist. Dies kommt insbesondere dann in Betracht,
wenn die genannte Vorrichtung als solche im Stande der Technik vorbekannt ist - wie
das die Fachgerichte in bezug auf die Codierkarte angenommen haben - und das
Erfinderische in der Verwendung des bekannten Arbeitsmittels zu einem neuen Zweck
zu sehen ist (Ullmann, a.a.O. Rn 42 m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser vertretbaren
Maßstäbe kommen die angegriffenen Entscheidungen zu dem verfassungsrechtlich nicht
zu beanstandenden Ergebnis, daß das zu beurteilende Taxametersystem - im
Unterschied zu der im Verfahren 5 U 7410/90 gegebenen Version - nicht mehr durch
Ausschöpfen der Erfindung des Beschwerdeführers zur Überwachung von Kraftfahrern
genutzt werden kann, weil die Software so geändert wurde, daß durch die Verwendung
der Codierkarte nicht mehr vorgegebene Zeit- oder Schichteinheiten „aufgebraucht“
werden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist auch nichts dafür
ersichtlich, daß der zu beurteilende technische Sachverhalt so schwierig ist, daß die
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ersichtlich, daß der zu beurteilende technische Sachverhalt so schwierig ist, daß die
Fachgerichte die gerügte patentrechtliche Verletzungshandlung nicht ohne Hinzuziehung
eines Sachverständigen und ohne weitere Erörterung mit den Beteiligten hätten
verneinen dürfen.
Es ist nicht willkürlich, wenn das Kammergericht einen Schadensersatzanspruch wegen
Patentverletzung mit der weiteren Erwägung verneint, es sei nicht ersichtlich, daß ein
Fachmann erkenne, daß der Patentanspruch den Offenbarungsgehalt der Patentschrift
nicht ausschöpfe. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das Gericht sich
damit nicht zur Bedeutung des Durchschnittsfachmanns in patentrechtlichen
Streitigkeiten geäußert noch gar dessen Bedeutung für die Behandlung schwieriger
technischer Fragen verkannt. Mit dem Hinweis auf die (fehlenden)
Erkenntnismöglichkeiten eines „Fachmanns“ begründet das Kammergericht lediglich,
daß - unterstellt, die neue Version funktioniere wie das geschützte Überwachungssystem
- ein Schadensersatzanspruch nach § 139 Abs. 2 Satz 1 PatG wegen
Patentverletzung nicht in Betracht komme, weil für einen Fachmann kein Anlaß
bestanden habe, den Gegenstand des Patents auch auf solche Lehren zu erstrecken,
die im Wortlaut keine Stütze fänden. Ob diese fachgerichtliche Würdigung der Sach- und
Rechtslage im Einzelfall mehr oder weniger überzeugt, hat der Verfassungsgerichtshof
nicht zu entscheiden.
Dem Beschwerdeführer kann Prozeßkostenhilfe für das vorliegende Verfahren nicht
bewilligt werden, da nach alledem die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet (§ 52 Satz 1 VerfGHG i.V.m. § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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