Urteil des VerfGH Berlin vom 13.03.2017

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, wohnraum, anschlussberufung, verfassungsbeschwerde, verbürgung, gewährleistung, klageerweiterung, ermessen, rückzahlung, erlass

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
68/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 15 Abs 1 Verf BE, Art 15
Abs 5 S 2 Verf BE, § 541 Abs 1
ZPO, § 543 Abs 2 ZPO, § 5
WiStrG
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. 1. Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind seit Juli 1996 Mieter einer 96,84 m² großen,
modernisierten Altbauwohnung in der E. Straße in Berlin-Tiergarten, deren Vermieter der
Beschwerdeführer ist. Die im Mietvertrag vereinbarte Nettokaltmiete betrug zu Beginn
des Mietverhältnisses 1.140 DM. Sie erhöhte sich gemäß einer Staffelmietvereinbarung
ab Juli 1997 auf 1.175 DM, ab Juli 1998 auf 1.210 DM, ab Juli 1999 auf 1.240 DM und ab
Juli 2000 auf 1.280 DM.
Im Mai 1999 erhoben die genannten Mieter vor dem Amtsgericht Tiergarten Klage gegen
den Beschwerdeführer, mit der sie dessen Verurteilung zur Rückzahlung überhöhter
Mieten von 8.447,40 DM für Juli 1997 bis April 1999 und die Feststellung begehrten, dass
sie nicht verpflichtet seien, für ihre Wohnung eine höhere Nettokaltmiete als 904,49 DM
monatlich an den Beschwerdeführer zu zahlen. Sie machten geltend, die vereinbarte
Nettokaltmiete liege seit Beginn des Mietverhältnisses um mehr als 20 % über der sich
aus dem Berliner Mietspiegel ergebenden ortsüblichen Vergleichsmiete. Die überhöhte
Miete sei entgegen § 5 WiStG unter Ausnutzung eines geringen Angebots an
vergleichbaren Räumen angenommen worden. Der Beschwerdeführer trat der Klage u.
a. mit der Begründung entgegen, der Mietspiegel sei zur Ermittlung der ortsüblichen
Vergleichsmiete nicht genügend aussagekräftig. Diese sei vielmehr durch ein
Sachverständigengutachten zu ermitteln. Außerdem habe er kein geringes Angebot an
vergleichbarem Wohnraum ausgenutzt. Vielmehr bleibe für Wohnraum wie den
vorliegenden, nämlich in Tiergarten im Bereich der E. Straße, jedenfalls seit 1995 die
Nachfrage weit hinter dem Angebot zurück.
Durch Urteil vom 11. April 2000, berichtigt durch Beschluss vom 26. Juni 2000, verurteilte
das Amtsgericht den Beschwerdeführer unter Abweisung der Klage im Übrigen zur
Zahlung von 7.741,62 DM an die Kläger und stellte fest, dass die Kläger unter der
Geltung des Mietspiegels 1998 nicht verpflichtet seien, für die Wohnung eine höhere
Nettokaltmiete als 945,16 DM monatlich zu zahlen.
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, den Klägern stehe nach § 812 Abs. 1 BGB
i. V. m. § 134 BGB und § 5 WiStG für die Monate Juli 1997 bis April 1999 ein
Rückzahlungsanspruch in dieser Höhe zu. Denn die verlangte und gezahlte Miete habe
die sich aus den Berliner Mietspiegeln 1996 und 1998 ergebende ortsübliche
Vergleichsmiete erheblich überstiegen. Der Mietspiegel sei auch in einem Rechtsstreit
wegen Mietpreisüberhöhung eine geeignete Grundlage für die Ermittlung der
ortsüblichen Vergleichsmiete. Er sei einem Sachverständigengutachten in der Regel
vorzuziehen, wenn er die ortsübliche Vergleichsmiete für die zu beurteilende Wohnung -
wie hier - auf einer breiteren Grundlage ermittelt habe, als dies voraussichtlich in einem
einzelnen Sachverständigengutachten möglich wäre. Bei der Prüfung, ob bei der
Mietpreisvereinbarung ein geringes Angebot von Wohnraum ausgenutzt wurde, könne
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht auf den Teilmarkt „E. Straße“
abgestellt werden. Von einer Mangellage im Sinne des § 5 WiStG sei zumindest dann
auszugehen, wenn sich aus den einschlägigen Mietspiegelfeldern ergebe, dass die
ortsüblichen Vergleichsmieten für nach Alter, Größe und Ausstattung vergleichbare
Wohnungen zur Zeit des Mietvertragsabschlusses angestiegen seien. Dies sei hier der
Fall. Aus dem Mietspiegel 1998 ergebe sich, dass sich die ortsübliche Vergleichsmiete
für Wohnungen der vorliegenden Art bis zum 1. Juli 1997 gegenüber dem Mietspiegel
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für Wohnungen der vorliegenden Art bis zum 1. Juli 1997 gegenüber dem Mietspiegel
1996 um 18 % erhöht habe.
Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer Berufung beim Landgericht Berlin ein. Er
verfolgte damit seinen Klageabweisungsantrag weiter, verwies auf seinen
erstinstanzlichen Vortrag und machte u. a. geltend, dass jedenfalls seit Anfang 1996
überhaupt keine Mangellage mehr an Wohnraum in Berlin bestanden habe, sondern zu
diesem Zeitpunkt bereits ca. 60.000 Wohnungen in Berlin frei gewesen seien, die
jederzeit zu vergleichbaren Bedingungen hätten angemietet werden können. Dies gelte
auch für Wohnraum wie den vorliegenden, von dem es ab Januar 1996 in Berlin
zumindest 10.000 vergleichbare freie Wohnungen gegeben habe. Im Bezirk Tiergarten
hätten sich im Juni/Juli 1996 etwa 160 derartige freie Wohnungen ergeben, was durch
Einholung eines Sachverständigengutachtens bewiesen werden könne. Die Berliner
Mietspiegel seien weder konzipiert noch geeignet dafür, ein geringes Angebot für
vergleichbaren Wohnraum zu indizieren geschweige denn zu beweisen. Jedenfalls bei
einem erst 1996 erfolgten Vertragsschluss müsse der Mieter die behauptete Mangellage
an Wohnraum darlegen und beweisen. Für das Jahr 2001 habe eine
Leerstandsberechnung durch die Stadtentwicklungsverwaltung sogar 132.000
leerstehende Wohnungen ergeben.
Die Kläger traten der Berufung entgegen und erweiterten im Wege der
Anschlussberufung ihre Klage mit dem Antrag, den Beschwerdeführer zur Rückzahlung
weiterer 5.483,10 DM an überhöhter Miete für Mai 1999 bis Dezember 2000 zu
verurteilen und festzustellen, dass sie unter der Geltung des Mietspiegels 2000 nicht
verpflichtet seien, für ihre Wohnung eine höhere Nettokaltmiete als 988,74 DM zu
zahlen.
Durch Urteil vom 10. April 2001 wies das Landgericht die Berufung des
Beschwerdeführers zurück und änderte auf die Anschlussberufung der Kläger das
erstinstanzliche Urteil dahingehend, dass dieser verurteilt wurde, an die Kläger
insgesamt 12.454,92 DM zu zahlen, und festgestellt wurde, dass die Kläger unter
Geltung des Mietspiegels 2000 nicht verpflichtet seien, für ihre Wohnung eine höhere
Nettokaltmiete als 1.040,06 DM zu zahlen; im Übrigen wurden Klage und
Anschlussberufung zurückgewiesen. Von der Darstellung des Tatbestandes im Urteil sah
das Landgericht unter Bezugnahme auf § 543 Abs. 1 ZPO ab. Zur Begründung seines
Urteils führte es u.a. aus, das Amtsgericht habe zutreffend erkannt, dass bei Abschluss
des Mietvertrages Mitte 1996 ein geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen
vorgelegen habe. Das setze keine generelle Wohnraummangellage voraus. Ausreichend
sei vielmehr, wenn die Nachfrage höher als das Angebot sei. Das sei in Ballungsgebieten
wie Berlin zu vermuten, in denen eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung gelte und
die nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB zu Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf erklärt worden
seien. Entgegenstehende Anhaltspunkte habe der Beschwerdeführer nicht konkret
dargetan. Die pauschale Behauptung, 1996 habe keine Mangellage an Wohnraum mehr
bestanden, vielmehr wären ca. 60.000 Wohnungen jederzeit zu vergleichbaren
Bedingungen anzumieten gewesen, reiche hierfür nicht aus. Jedenfalls im maßgeblichen
Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses seien Anhaltspunkte für eine wesentliche
Entspannung des Wohnungsmarktes für vergleichbare Wohnungen nicht erkennbar
gewesen. Im Gegenteil spreche, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt habe, der
anhand der Mietspiegel 1996 und 1998 erkennbare Anstieg der ortsüblichen
Vergleichsmieten für vergleichbare Wohnungen dafür, dass das Angebot die Nachfrage
nicht spürbar überstiegen habe. Wenn aber ein geringes Angebot an vergleichbaren
Wohnungen bestehe, sei auch tatsächlich zu vermuten, dass die Vereinbarung eines die
ortsübliche Miete erheblich übersteigenden Mietzinses auf dieser Mangellage beruhe.
Anhaltspunkte dafür, dass für die Kläger andere Gründe dafür ausschlaggebend
gewesen seien, dass sie eine das ortsübliche Niveau erheblich übersteigende Miete
akzeptiert hätten, seien nicht ersichtlich.
Es begegne auch keinen Bedenken, die ortsübliche Miete anhand der Berliner
Mietspiegel zu ermitteln. Diese spiegelten aufgrund der Vielzahl der zugrundeliegenden
Daten sowie ihrer ständigen Verwendung in der Praxis die tatsächliche ortsübliche Miete
wider. Sie seien deshalb regelmäßig einem Sachverständigengutachten vorzuziehen, in
dem der Sachverständige in der Regel nur auf der Grundlage einer in seinem Ermessen
liegenden Auswahl von wenigen Vergleichswohnungen die ortsübliche Miete für eine
konkrete Wohnung ermittele. In Fällen, in denen wie hier bei einer modernisierten
Berliner Altbauwohnung ohne ganz außergewöhnliche Ausstattungsmerkmale keine
Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Wohnung aufgrund besonderer Umstände nicht
hinreichend von den statistischen Erhebungen zum Mietspiegel erfasst werde, sei dieser
im Rahmen der tatrichterlichen Überzeugung ein geeignetes Mittel, die ortsübliche Miete
für eine Wohnung zu bestimmen, und einem Sachverständigengutachten regelmäßig
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für eine Wohnung zu bestimmen, und einem Sachverständigengutachten regelmäßig
vorzuziehen.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil und das vorangegangene
Urteil des Amtsgerichts rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1
und Abs. 5 Satz 2 der Verfassung von Berlin - VvB -.
Das Landgericht habe seinen sich aus Art. 15 Abs. 1 VvB ergebenden Anspruch auf
Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es den konkreten und unter
Beweis gestellten Vortrag des Beschwerdeführers, dass und aus welchen Gründen es
keine Mangellage an vergleichbarem Wohnraum in Berlin mehr gebe bzw. gegeben
habe, unbeachtet gelassen habe. Der gerichtsbekannte Umstand, dass es keine
Wohnungsknappheit in Berlin mehr gebe, hätte in Verbindung mit dem konkreten
Vortrag des Beschwerdeführers das Landgericht zur Einholung eines
Sachverständigengutachtens über das Vorliegen einer Mangellage an vergleichbarem
Wohnraum in Berlin veranlassen müssen.
Das Landgericht habe auch dadurch gegen Art. 15 Abs. 1 VvB verstoßen, dass es von
der Darstellung des Tatbestandes im Urteil abgesehen habe. § 543 Abs. 1 ZPO erlaube
dies dann nicht, wenn das zweitinstanzliche Urteil auf neuem Vorbringen und neuen
Feststellungen beruhe. Das sei hier hinsichtlich der Anschlussberufung und
Klageerweiterung der Fall. Art. 15 Abs. 1 VvB garantiere jedoch ein Recht der
Prozessbeteiligten auf Kenntnis des Prozessstoffs und auf Kenntnis davon, auf welchen
Tatsachenvortrag es dem Gericht für die Entscheidung angekommen sei.
Gegen die in Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB verbürgte Gewährleistung des gesetzlichen
Richters habe das Landgericht dadurch verstoßen, dass es entgegen § 541 Abs. 1 Satz 1
Halbs. 2 ZPO keinen Rechtsentscheid des Kammergerichts zu der Rechtsfrage eingeholt
habe, ob die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand der Berliner
Mietspiegel vorzunehmen sei. Die dazu im Berufungsurteil vertretene Auffassung
entspreche nämlich nicht der Rechtsprechung sämtlicher Kammern des Landgerichts.
II. 1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts wendet, ist die
Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil ihre Begründung insoweit nicht den
Erfordernissen des § 50 VerfGHG entspricht. Die Verfassungsbeschwerdeschrift enthält
nur Ausführungen dazu, dass und warum das Landgericht Art. 15 VvB verletzt habe. Mit
dem Urteil des Amtsgerichts setzt sich die Beschwerdebegründung in dieser Hinsicht
nicht auseinander.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, jedoch unbegründet. Der
Beschwerdeführer ist durch das von ihm angegriffene Urteil des Landgerichts nicht in
den von ihm geltend gemachten, in der Verfassung von Berlin enthaltenen Rechten
verletzt.
a) Aus der in Art. 15 Abs. 1 VvB enthaltenen verfassungsrechtlichen Verbürgung des
rechtlichen Gehörs folgt zunächst, dass ein Gericht die Ausführungen der
Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung
zu ziehen hat (vgl. Beschluss vom 16. November 1995 - VerfGH 48/94 - LVerfGE 3, 113
<117>). Das heißt jedoch nicht, dass das Gericht sich in den schriftlichen
Entscheidungsgründen mit jedem Einzelvorbringen auseinandersetzen muss. Vielmehr
ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm
entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in
Erwägung gezogen hat. Der Verfassungsgerichtshof kann nur dann feststellen, dass ein
Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen,
verletzt hat, wenn sich dies aus den Umständen des einzelnen Falles eindeutig ergibt
(vgl. Beschluss vom 22. Mai 1997 - VerfGH 34/97 - LVerfGE 6, 80 <82>; st. Rspr.). Ein
derartiger Fall ist hier nicht gegeben. Sein Vorliegen folgt insbesondere nicht daraus,
dass das Landgericht trotz der Ausführungen des Beschwerdeführers zur nach seiner
Auffassung fehlenden Mangellage an vergleichbarem Wohnraum in Berlin kein
Sachverständigengutachten hierüber eingeholt hat.
Aus der verfassungsrechtlichen Verbürgung des rechtlichen Gehörs ergibt sich eine
Verpflichtung zur Berücksichtigung solcher Beweisanträge, die auf der Grundlage der
jeweils einschlägigen Verfahrensordnung und der materiellrechtlichen Beurteilung des
Falles durch das Gericht als erheblich anzusehen sind. Der Anspruch auf rechtliches
Gehör ist jedoch dann nicht verletzt, wenn ein Gericht aus Gründen des formellen oder
des materiellen Rechts das Vorbringen eines Beteiligten unberücksichtigt lässt (vgl.
Beschluss vom 17. Dezember 1997 - VerfGH 112/96 - LVerfGE 7, 49 <56> m. w. N.). So
liegt es hier.
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Das Landgericht hat seine Entscheidung auf die Annahme gestützt, in dem nach seiner
materiellen Rechtsauffassung allein maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
Mitte 1996 habe ein geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen vorgelegen, weil
die Nachfrage höher als das Angebot gewesen sei. Diese Annahme hat es aus einer
widerlegbaren Vermutung hergeleitet, die es mit der Geltung bestimmter
Schutzverordnungen im Ballungsgebiet Berlin begründet hat. Den Vortrag des
Beschwerdeführers zum Fehlen einer Wohnraummangellage hat es deshalb nicht zum
Anlass einer Beweiserhebung genommen, weil der Beschwerdeführer der Vermutung für
den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses entgegenstehende Anhaltspunkte nicht
konkret dargetan habe. Zwar hat es in diesem Zusammenhang nur die pauschale
Behauptung des Beschwerdeführers erwähnt, seit 1996 habe keine Mangellage mehr an
Wohnraum bestanden, vielmehr wären ca. 60.000 Wohnungen jederzeit zu
vergleichbaren Bedingungen anzumieten gewesen. Die konkretere Behauptung, davon
seien zumindest 10.000 Wohnungen in Berlin und etwa 160 in Tiergarten der
streitbefangenen Wohnung vergleichbar gewesen, hat das Landgericht nicht ausdrücklich
behandelt. Da der Beschwerdeführer jedoch nicht hatte erkennen lassen, woher er
Erkenntnisse über diese Zahlen gewonnen haben wollte, konnte das Landgericht auch
insoweit davon ausgehen, dass es sich um pauschale Behauptungen handelte, für die
tatsächliche Unterlagen ganz fehlten. Der Antrag, über eine derartig unsubstantiierte
Behauptung, für deren Richtigkeit keine Wahrscheinlichkeit spricht, Beweis durch
Sachverständigengutachten zu erheben, kann jedoch nach dem Prozessrecht als
unzulässig behandelt werden, weil er auf einen Ausforschungsbeweis zielt (vgl.
Baumbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, Einf. § 284, Rn. 27).
b) Aus dem zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung rechtlichen Gehörs zählende
Recht der Parteien, sich zu dem Sachverhalt, der einer gerichtlichen Entscheidung
zugrunde liegt, vor Erlass der Entscheidung zu äußern, folgt auch ein Recht der
Verfahrensbeteiligten darauf, sich bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt über den
gesamten Verfahrensstoff informieren zu können, um zu erkennen, auf welchen
Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann (vgl. zum inhaltsgleichen Art.
103 Abs. 1 GG: BVerfGE 89, 28 <35>). Dieses Recht ist nicht schon dadurch verletzt,
dass das Landgericht, wie der Beschwerdeführer beanstandet, in seinem Urteil von der
Darstellung des Tatbestandes abgesehen hat. Ob es dabei von dem ihm durch § 543
Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, ist eine Frage des einfachen Rechts und
unterliegt deshalb nicht der Beurteilung des Verfassungsgerichtshofs. Dass der
Beschwerdeführer vor Urteilsfällung keine Kenntnis von der Anschlussberufung und der
Klageerweiterung hatte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
c) Das angegriffene Urteil des Landgerichts lässt auch keine Verletzung der in Art. 15
Abs. 5 Satz 2 VvB enthaltenen Garantie des gesetzlichen Richters erkennen. Das
Landgericht war bei der Beurteilung der Frage, ob die ortsübliche Vergleichsmiete allein
durch den Mietspiegel ermittelt werden konnte oder aber ein
Sachverständigengutachten einzuholen war, verfassungsrechtlich nicht zur Einholung
eines Rechtsentscheides verpflichtet.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs die Unterlassung
einer gesetzlich gebotenen Vorlage an ein übergeordnetes Gericht einen Verstoß gegen
den Grundsatz des gesetzlichen Richters darstellen (vgl. Beschluss vom 19. Oktober
1995 - VerfGH 23/95 - LVerfGE 3, 99 <103>). Die Nichtvorlage verletzt die Verbürgung
des gesetzlichen Richters aber nur, wenn sich dem entscheidenden Gericht die - hier ggf.
aus § 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgende - Notwendigkeit einer Vorlage aufdrängen musste
bzw. sich deren Unterlassung als unvertretbar und damit objektiv willkürlich darstellt (vgl.
Beschluss vom 17. Dezember 1997, a. a. O., S. 54 m. w. N.). Das war hier schon deshalb
nicht der Fall, weil das Kammergericht, an das die Vorlage zu richten wäre, einen
Rechtsentscheid zu der genannten Frage für unzulässig hält, weil sie allein die
richterliche Überzeugungsbildung betrifft (vgl. KG, WuM 1991, S. 425 <426>; GE 1994 S.
991 <995>).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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