Urteil des VerfGH Berlin vom 13.03.2017

VerfGH Berlin: rechtliches gehör, öffentliche gewalt, amnesty international, verfassungsbeschwerde, beginn der frist, befreiung von gefangenen, rügeobliegenheit, beweisantrag, anwendbares recht

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
45/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 103 Abs 1 GG, Art 16a GG,
Art 20 Abs 3 GG, Art 30 GG, Art
92 Halbs 2 GG
VerfGH Berlin: Verfassungsbeschwerde: Verletzung des
Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz iSv Art 15 Abs 4 Verf
BE durch Abweisung einer Berufungszulassung nach § 78 Abs 3
Nr 3 AsylVfG iVm § 138 Nr 3 VwGO aufgrund prozesswidriger
Ablehnung eines Beweisantrags im
Berufungszulassungsverfahren - keine generelle
Rügeobliegenheit bei Ablehnung von Beweisanträgen - zur
Zuständigkeit des VerfGH Berlin bei Verfassungsbeschwerden
gegen Entscheidungen gemeinsamer Obergerichte Berlins und
Brandenburgs
Leitsatz
1. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin bei
Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg richtet sich danach, ob öffentliche Gewalt des Landes Berlin ausgeübt worden
ist. Bei den aufgrund des Staatsvertrages über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte
der Länder Berlin und Brandenburg geschaffenen gemeinsamen Obergerichten handelt es
sich um Gemeinschaftseinrichtungen beider Länder. Die Frage, für welchen Hoheitsträger
diese Gerichte Rechtsprechungsgewalt ausüben, ist unter Berücksichtigung der zugrunde
liegenden (bundes-)gesetzlichen Ermächtigungsnormen zu beantworten. Danach übt das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Rechtsprechungsgewalt jeweils nur für eines der
Länder, in Berliner Fällen für Berlin, in Brandenburger Fällen für Brandenburg, aus. Berliner
Fälle sind solche beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängige
Rechtsstreitigkeiten, für die ohne die Existenz des gemeinsamen Obergerichts nach den
hierfür maßgeblichen bundes- und landesrechtlichen Verfahrensvorschriften das Berliner
Oberverwaltungsgericht zuständig gewesen wäre.
2. Es verstößt gegen das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, wenn das
Oberverwaltungsgericht bei einem Antrag auf Zulassung der Berufung die Zulässigkeit der
mit dem Rechtsmittel vorgebrachten Verfahrensrüge, das Verwaltungsgericht habe
Beweisanträge in prozessrechtswidriger und das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers
verletzender Weise abgelehnt, davon abhängig macht, dass eine entsprechende Rüge bereits
beim Verwaltungsgericht erhoben worden war. Die Annahme einer solchen generellen
Rügeobliegenheit - außerhalb im Einzelfall gegebener Korrekturmöglichkeiten gerichtlicher
Pannen, Irrtümer oder Missverständnisse bei Ablehnung eines Beweisantrages - stellt eine
unzumutbare, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigende Erschwernis für die
Beschreitung des eröffneten Rechtsweges dar.
Tenor
1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. November
2005 - OVG 3 N 160.05 - verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 15
Abs. 4 der Verfassung von Berlin. Er wird aufgehoben. Damit wird der Beschluss vom 4.
Januar 2006 gegenstandslos. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg zurückverwiesen.
2. ...
3. ...
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen
gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, durch den sein
Antrag auf Zulassung der Berufung in einem Asylstreitverfahren zurückgewiesen wurde.
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Antrag auf Zulassung der Berufung in einem Asylstreitverfahren zurückgewiesen wurde.
Der 1950 im Libanon geborene Beschwerdeführer ist Palästinenser mit ungeklärter
Staatsangehörigkeit. Seinen 1990 gestellten Asylantrag, den er hauptsächlich damit
begründete, als Mitglied der Fatah im Libanon und in Syrien an Kämpfen teilgenommen
und näher geschilderte Verfolgungsmaßnahmen erlitten zu haben, lehnte das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 9.
September 1994 als unbegründet ab.
Zur Begründung seiner hiergegen im Oktober 1994 beim Verwaltungsgericht Berlin
erhobenen Klage - VG 34 X 1270.94 - gab der Beschwerdeführer u. a. an, als Mitglied der
Fatah im Libanon an dem Angriff auf den syrischen Stützpunkt Al-Rmaileh beteiligt
gewesen zu sein.
Im Verhandlungstermin vom 7. Juli 2003 beantragte der Beschwerdeführer, den
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland im Libanon als Zeugen dafür zu hören,
dass seitens der Botschaft im Libanon mehrere - von ihm zuvor schriftsätzlich näher
geschilderte - Ermittlungen durchgeführt worden seien. Er gehe davon aus, dass sich
dabei positive Umstände zu seiner Stellung in der Fatah sowie seiner Beteiligung an dem
Überfall auf den Posten Al-Rmaileh ergeben hätten.
Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag sowie weitere Anträge in der Sitzung ab;
ausweislich des Protokolls begründete der Vorsitzende die Entscheidung mündlich. Der
Beschwerdeführer stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer und
begründete diesen mit der Weise, in der die Beweisanträge von der Kammer abgelehnt
worden seien. Unter anderem hätten die Richter es unterlassen, auf eine Aufklärung der
substantiiert dargelegten Nachforschungen der Botschaft in verschiedenen
Palästinenserlagern hinzuwirken. Den Ablehnungsantrag wies das Verwaltungsgericht
durch Beschluss vom 20. August 2003 als unbegründet zurück.
Im Verhandlungstermin vom 9. Dezember 2003 hörte das Verwaltungsgericht zur Frage,
ob der Beschwerdeführer an dem Gefecht in Al-Rmaileh beteiligt war, mehrere Zeugen.
Den vom Beschwerdeführer zuvor bereits schriftsätzlich angekündigten Antrag, zum
Beweis dafür, dass er an diesem Gefecht beteiligt gewesen sei und sich an diesem Ort
zum Zeitpunkt des Gefechts lediglich ein syrischer Stützpunkt befunden habe, bei dem
nicht zwischen dem Checkpoint Al-Awwali und dem Stützpunkt Al-Rmaileh zu
differenzieren sei, eine Auskunft des Auswärtigen Amts sowie ein
Sachverständigengutachten von amnesty international einzuholen, lehnte das
Verwaltungsgericht ebenso ab wie den Antrag, zum Beweis der Teilnahme des
Beschwerdeführers an dem oben genannten Gefecht eine Auskunft der
Palästinensischen Generaldelegation in Berlin einzuholen. Ausweislich des Protokolls
begründete der Vorsitzende die Entscheidung mündlich.
In der abschließenden Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 23. November 2004
äußerte der Beschwerdeführer, dass durch die Zeugenaussagen seine Beteiligung an
dem Überfall auf Al-Rmaileh belegt sei, ferner, dass es nicht zwei syrische Stützpunkte
gegeben habe. Am Schluss der Sitzung verkündete das Verwaltungsgericht das Urteil,
mit dem es die Klage abwies.
Im Tatbestand der Entscheidung legte das Gericht dar, dass es die in der Sitzung vom 7.
Juli 2003 gestellten Anträge, das Auswärtige Amt zum Nachbessern seiner Auskünfte
vom 30. April und 17. Juni 2003 aufzufordern sowie den Botschafter Deutschlands im
Libanon als Zeugen dafür zu laden, dass die Botschaft Ende 2001 mit einem
bestimmten Ermittlungsergebnis in der vorliegenden Sache ermittelt habe, unter
Hinweis auf bereits ausreichend vorhandene Sachkunde, auf einen nicht bestehenden
Anspruch des Beschwerdeführers auf unbegrenzte Nachbesserung eingeholter
Auskünfte und mit der Begründung abgelehnt habe, dass der Beschwerdeführer mit der
beantragten Zeugenvernehmung einen unzulässigen Ausforschungsbeweis beantragt
habe. Den Antrag, eine zusätzliche Auskunft und ein zusätzliches Gutachten hinsichtlich
der Belegenheit des Stützpunktes Al-Rmaileh einzuholen, habe die Kammer mit der
Begründung bereits ausreichend vorhandener Sachkunde abgelehnt. Bei der Ablehnung
des Antrags auf Einholung einer Auskunft der Palästinensischen Generaldelegation in
Deutschland habe die Kammer offen gelassen, ob dieser Antrag auf einen
Sachverständigen- oder einen Urkundenbeweis gerichtet gewesen sei. Die begehrte
Beweiserhebung, zum Nachweis der Teilnahme des Beschwerdeführers an dem Gefecht
in Al-Rmaileh eine dies bestätigende Auskunft der Palästinensischen Generaldelegation
einzuholen, stelle vor dem Hintergrund, dass nicht bekannt sei, ob und gegebenenfalls
mit welchem Inhalt bei der Generaldelegation verwertbare Unterlagen zu dem Gefecht
vorlägen, entweder als Urkundenbeweis einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar
oder komme als Sachverständigengutachten wegen der fehlenden Unabhängigkeit der
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oder komme als Sachverständigengutachten wegen der fehlenden Unabhängigkeit der
Palästinensischen Generaldelegation nicht in Betracht.
In den Entscheidungsgründen des Urteils verneinte das Verwaltungsgericht einen
Anspruch des Beschwerdeführers nach Art. 16a des Grundgesetzes. Es lasse sich nicht
feststellen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Libanon politische
Verfolgung drohe. Die Gefahr, in Anknüpfung an frühere Bürgerkriegsereignisse
Verfolgung zu erleiden, solle für ehemalige Kämpfer der Bürgerkriegsparteien dann noch
bestehen, wenn ihnen militärische Aktivitäten angelastet würden, die weit über den
Rahmen normaler Kampfhandlungen hinausgegangen seien. Hierzu werde auch der
Überfall auf einen Stützpunkt der Syrer in Al-Rmaileh gerechnet. Der Beschwerdeführer
habe die Kammer jedoch nicht davon überzeugen können, dass er an dem Überfall
tatsächlich beteiligt gewesen sei. Insbesondere habe dies die Beweisaufnahme durch die
Vernehmung mehrerer Zeugen nicht ergeben. Der Beschwerdeführer habe daher
allenfalls an einem dem normalen Bürgerkriegsgeschehen zuzuordnenden Angriff auf
den Checkpoint Al-Awwali teilgenommen, der mit dem tabuverletzenden Angriff auf den
Stützpunkt der Syrer in Al-Rmaileh nicht identisch gewesen sei. Insoweit müsse der
Beschwerdeführer in Ansehung der Amnestie vom August 1991 nicht damit rechnen,
wegen seiner Mitwirkung an allgemeinen Kampfhandlungen heute noch durch den
libanesischen Staat, die Syrer oder andere frühere Bürgerkriegsparteien zur
Rechenschaft gezogen zu werden.
Seinen Antrag, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen, begründete der
Beschwerdeführer damit, das Verwaltungsgericht habe dadurch, dass es mehrere
Beweisanträge in prozessrechtswidriger Weise abgelehnt habe, das rechtliche Gehör des
Beschwerdeführers verletzt.
So hätte der in der Sitzung vom 7. Juli 2003 gestellte Antrag, den deutschen Botschafter
im Libanon als Zeugen zu den von Botschaftsangehörigen über den Beschwerdeführer
durchgeführten Ermittlungen zu vernehmen, nicht unter Hinweis auf eigene Sachkunde
des Gerichts, einen nicht bestehenden Anspruch auf unbegrenzte Nachbesserung
eingeholter Auskünfte oder als unzulässiger Ausforschungsbeweis abgelehnt werden
dürfen. Insbesondere habe es sich nicht um einen Ausforschungsbeweis gehandelt, da
ausführlich und detailreich dargelegt worden sei, welche Erkenntnisse auf welchem Wege
der Beschwerdeführer über die Ermittlungen der Botschaftsangehörigen in
verschiedenen Lagern erhalten habe. Der Beweisantrag sei deshalb nicht ins Blaue
hinein gestellt, sondern es seien ein konkreter Sachverhalt geschildert und die
Erkenntnisquelle offen gelegt worden. Die Vernehmung des Botschafters als Zeuge
hätte ergeben, dass die Botschaft tatsächlich Erkundigungen über den
Beschwerdeführer eingeholt habe und dass diese die Beteiligung des Beschwerdeführers
an dem Gefecht in Al-Rmaileh bestätigt hätten.
Als Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers sei auch die Ablehnung
des Beweisantrags in der Sitzung vom 9. Dezember 2003 zu bewerten, eine Auskunft
des Auswärtigen Amts sowie ein Sachverständigengutachten von amnesty international
dazu einzuholen, dass zum Zeitpunkt des Gefechts nicht zwischen einem syrischen
Stützpunkt Al-Rmaileh und dem Checkpoint Al-Awwali habe differenziert werden können.
Das Verwaltungsgericht habe diesen Antrag zu Unrecht wegen ausreichender
Sachkunde abgelehnt. Die eigene Sachkunde beziehe das Verwaltungsgericht offenbar
aus Gutachten des Deutschen Orientinstituts sowie möglicherweise auch aus der
Vernehmung des Zeugen M. Hinsichtlich der Ausführungen des Deutschen
Orientinstituts habe der Beschwerdeführer erstinstanzlich mehrfach darauf hingewiesen,
dass dieses seine Erkenntnisse nach eigener Aussage lediglich aus Presseberichten
beziehe. Der Zeuge M. wiederum sei bei dem Gefecht nicht persönlich anwesend
gewesen. Hinzu kämen Widersprüche in den Angaben beider Quellen. So habe das
Deutsche Orientinstitut behauptet, es sei bei dem Angriff um die Befreiung von
Gefangenen gegangen und es habe einen kombinierten Angriff auf den Checkpoint El-
Awwali und den Stützpunkt Al-Rmaileh gegeben. Dem habe der Zeuge M.
widersprochen, wobei das Gericht dessen Einschätzung ausweislich des Urteils gefolgt
sei. Angesichts der unsicheren und widersprüchlichen Erkenntnisquellen habe das
Verwaltungsgericht daher nicht über ausreichend eigene Sachkunde verfügt, um den
Beweisantrag des Beschwerdeführers ablehnen zu dürfen.
Auch mit der Ablehnung des Beweisantrags in der Sitzung vom 9. Dezember 2003, eine
Auskunft der Palästinensischen Generaldelegation in Berlin zur Beteiligung des
Beschwerdeführers an dem Gefecht in Al-Rmaileh einzuholen, habe das
Verwaltungsgericht das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt. Es habe sich
ebenfalls nicht um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt. Auch das
Verwaltungsgericht sei im Laufe des Verfahrens mehrfach davon ausgegangen, dass die
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Verwaltungsgericht sei im Laufe des Verfahrens mehrfach davon ausgegangen, dass die
Palästinensische Generaldelegation Aussagen zu einer etwaigen Beteiligung des
Beschwerdeführers an dem Gefecht in Rmaileh machen könne, was auch naheliegend
sei. Dem stehe auch die angeblich fehlende Unabhängigkeit der Generaldelegation nicht
entgegen; insofern liege eine vorweggenommene Beweiswürdigung vor.
Mit Beschluss vom 1. November 2005 wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung zurück.
Zur Begründung führte das Gericht aus, der Beschwerdeführer habe den behaupteten
Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht in einer den
Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG gerecht werdenden Weise dargelegt.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung könne ein Verfahrensbeteiligter einen
Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs mit Erfolg nur rügen, wenn er
zuvor alle ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft habe, um sich Gehör
zu verschaffen. Dieses prozessuale Verhalten sei im Rahmen einer Gehörsrüge
substantiiert darzulegen. Dahingehende Ausführungen weise der Zulassungsantrag
jedoch nicht auf.
Ungeachtet dessen komme die Zulassung der Berufung jedoch auch deswegen nicht in
Betracht, weil der Beschwerdeführer sein Recht, die - vermeintlich - gehörswidrige
Ablehnung der Beweisanträge zu rügen, tatsächlich verloren habe. Nach § 295 Abs. 1
ZPO, der über § 173 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Anwendung
finde, hätte der behauptete Mangel spätestens jeweils in der nächsten mündlichen
Verhandlung gerügt werden müssen, wobei hierunter auch der Teil der mündlichen
Verhandlung zu verstehen sei, der sich unmittelbar an den Verfahrensabschnitt
anschließe, in dem der Verfahrensverstoß geschehen sei. Ausweislich der jeweiligen
Sitzungsniederschrift habe der Beschwerdeführer aber weder in der mündlichen
Verhandlung vom 7. Juli noch in derjenigen vom 9. Dezember 2003 auf die aus seiner
Sicht gehörswidrige Ablehnung der Beweisanträge hingewiesen oder neue, den
Bedenken des Verwaltungsgerichts Rechnung tragende Beweisanträge gestellt. Dies
habe er - im Hinblick auf den behaupteten Verfahrensverstoß vom 9. Dezember 2003 -
auch in der letzten mündlichen Verhandlung am 23. November 2004 unterlassen.
Der Annahme des Rügeverlusts stehe auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer
im Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2003 gestellten
Beweisantrag noch in der mündlichen Verhandlung einen Befangenheitsantrag gegen
die Kammer wegen der Weise gestellt habe, in der sie diese und andere Beweisanträge
abgelehnt habe. Die zur Besorgnis der Befangenheit gemachten Ausführungen richteten
sich nicht in einer das Rügerecht wahrenden Weise gegen die behauptete
Gehörswidrigkeit der Ablehnung der Beweiserhebung.
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge, die er im
Wesentlichen damit begründete, das Oberverwaltungsgericht überspanne die
Anforderungen daran, was einem Prozessbevollmächtigten zur Wahrung des
Grundrechts auf rechtliches Gehör abverlangt werden dürfe, wies das
Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 4. Januar 2006 zurück. Es entspreche
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die unterbliebene Ausschöpfung der
prozessualen Möglichkeiten zur Gehörsverschaffung den Verlust des diesbezüglichen
Rügerechts nach sich ziehe; dieser Grundsatz werde in der obergerichtlichen
Rechtsprechung auch im Falle der Ablehnung von Beweisanträgen angewendet. Auch die
Regelung des § 86 Abs. 2 VwGO spreche für eine entsprechende Rügepflicht, denn Sinn
dieser Bestimmung sei es, dem Verfahrensbevollmächtigten die zur Ablehnung seines
Beweisantrages führenden Erwägungen des Gerichts zur Kenntnis zu bringen, um ihm so
zu ermöglichen, sich darauf einzurichten, etwa einen erneuten oder veränderten
Beweisantrag zu stellen oder sich im abschließenden Vortrag mit der im Beschluss zu
Tage getretenen Auffassung des Gerichts auseinander zu setzen. Damit sei dem
Beteiligten die Möglichkeit eröffnet, das Gericht auf die - aus seiner Sicht - fehlerhafte
und gehörsverletzende Begründung für die Ablehnung eines Beweisantrages
hinzuweisen. Eine Überspannung der Anforderungen an die Wahrung des rechtlichen
Gehörs liege darin ersichtlich nicht; insbesondere folge hieraus nicht die Obliegenheit
des Beteiligten zu einem bloßen Wiederholen des zuvor abgelehnten Beweisantrages.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines
Grundrechts aus Art. 15 Abs. 1 der Verfassung von Berlin (VvB) durch das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.
Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, weil das Oberverwaltungsgericht in den
angefochtenen Entscheidungen als öffentliche Gewalt des Landes Berlin i. S. d. § 49 Abs.
1 VerfGHG gehandelt habe.
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Das Gericht habe gegen Art 15 Abs. 1 VvB verstoßen, weil es die Anforderungen daran,
was einem Prozessbeteiligten zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör im
Beweisantragsrecht abverlangt werden könne, überspannt habe. In den vom
Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung angeführten
Rechtsprechungsbelegen sei es um andere Fallkonstellationen gegangen, etwa die, dass
es an einer formalen Begründung für die Ablehnung eines Beweisantrages gemäß § 86
Abs. 2 VwGO gefehlt habe. Vorliegend habe es jedoch keine Hinweise darauf gegeben,
dass das Verwaltungsgericht bei den beanstandeten Beschlüssen über die Ablehnung
der Beweisanträge versehentlich von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei und
aufgrund eines Hinweises auf die fehlerhafte und gehörsverletzende Begründung seine
Entscheidung revidiert hätte. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht die Beweisanträge
zwar rechtlich fehlerhaft unter Missachtung der Rechte des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör abgelehnt, dies jedoch bei voller Kenntnis aller Umstände. Es habe
lediglich unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Frage gegeben, welche Anforderungen
an einen zulässigen Beweisantrag - insbesondere in Abgrenzung zu einem
Ausforschungsbeweisantrag - zu stellen seien; dagegen habe es an Anhaltspunkten
dafür gefehlt, wie das Verwaltungsgericht zur Änderung seiner Entscheidung hätte
bewegt werden können. In einer solchen Situation laufe die Forderung des
Oberverwaltungsgerichts darauf hinaus, bereits ausgetauschte Rechtspositionen
nochmals zu wiederholen. Dies sei jedoch sinnlos und finde auch im Prozessrecht keine
Stütze. Es müsse zulässig sein, die Rechtsposition des Verwaltungsgerichts im
Verfahren auf Zulassung der Berufung zu überprüfen, ohne zuvor das
Verwaltungsgericht für seine Begründung formal zu rügen oder den Beweisantrag zu
wiederholen. Eine derartige Förmelei führe zu unnötigen Belastungen und
Verzögerungen des erstinstanzlichen Verfahrens.
Das beteiligte Gericht hat gemäß § 53 Abs. 1 VerfGHG Gelegenheit zur Stellungnahme
erhalten.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
a) Der Verfassungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde
berufen. Bei den angegriffenen Beschlüssen handelt es sich um Entscheidungen des
Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, also eines gemeinsamen Obergerichts der
beiden Länder, bei denen das Ausgangsgericht ein Berliner Gericht war.
Die gemeinsamen Obergerichte (neben dem Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg mit Sitz in Berlin noch das gemeinsame Landessozialgericht Berlin-
Brandenburg mit Sitz in Potsdam sowie - ab 1. Juli 2007 - das gemeinsame Finanzgericht
Berlin-Brandenburg mit Sitz in Cottbus und das gemeinsame Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg mit Sitz in Berlin) sind aufgrund des am 1. Januar 2005 in Kraft
getretenen Staatsvertrages über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der
Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 (GVBl. Berlin 2004, 381; GVBl.
Brandenburg Teil I 2004, 283 - im Folgenden: FachogStV) errichtet worden.
Weder im Staatsvertrag noch in den begleitenden Gesetzen findet sich eine Regelung
zur Zuständigkeit der jeweiligen Landesverfassungsgerichte bei
Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen eines gemeinsamen Obergerichts.
Maßgebliche Vorschrift für die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes bleibt daher
auch in diesen Fällen Art. 84 Abs. 2 Nr. 5 VvB i. V. m. § 49 Abs. 1 VerfGHG, wonach die
Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde voraussetzt, dass der Beschwerdeführer eine
Verletzung von in der VvB verbürgten Rechten durch die öffentliche Gewalt des Landes
Berlin rügt. Dies tut der Beschwerdeführer. Damit wird klärungsbedürftig, ob und unter
welchen Voraussetzungen es sich bei Entscheidungen durch ein gemeinsames
Obergericht der beiden Bundesländer um öffentliche Gewalt des Landes Berlin i. S. d. §
49 Abs. 1 VerfGHG handelt.
Welchem Hoheitsträger die Ausübung öffentlicher, d. h. hoheitlicher Gewalt zuzuordnen
ist, richtet sich im Bundesstaat grundsätzlich nach dem handelnden Organ.
Landesgerichte üben daher - mit Ausnahmen etwa im Falle der Organleihe -
Landesstaatsgewalt, Bundesgerichte grundsätzlich Bundesstaatsgewalt aus und dies
unabhängig von dem jeweils zu entscheidenden Rechtsfall und dessen Wurzelung im
Landes- oder Bundesrecht (vgl. BVerfGE 96, 345 <366>; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG,
10. Aufl. 2004, Rn. 31 zu Art. 92 GG). Schwierigkeiten bei der Zuordnung des handelnden
Organs zu einem bestimmten Hoheitsträger können entstehen, wenn es sich um das
Tätigwerden länderübergreifender gemeinsamer Institutionen, Behörden oder - wie hier -
Gerichte handelt. Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, in welcher Weise
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Gerichte handelt. Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, in welcher Weise
eine solche Gemeinschaftseinrichtung strukturiert ist und Hoheitsbefugnisse im
Verhältnis zu Dritten und damit öffentliche Gewalt wahrnimmt (vgl. die
Zusammenstellung bei Pietzcker, in: Starck [Hrsg.], Zusammenarbeit der Gliedstaaten
im Bundesstaat, S. 17 <52 ff.>; Hempel, Der demokratische Bundesstaat, 1969, S. 31
ff.). Dies kann etwa dadurch geschehen, dass ein Land (in der Regel das "Sitzland" der
Einrichtung) die Aufgaben für alle Länder wahrnimmt und im Außenverhältnis allein
verantwortlich ist (sog. institutionelle Beteiligungsverwaltung, vgl. Pietzcker a. a. O., S.
52; Bleckmann, Staatsrecht I - Staatsorganisationsrecht, 1993, S. 526; Beispiele hierfür
sind die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, die Zentralstelle für die
Vergabe von Studienplätzen in Dortmund, die Filmbewertungsstelle Wiesbaden - vgl.
BVerwGE 23, 194 ff.); andere Möglichkeiten sind die Mehrländereinrichtung (ein
Nebeneinander von mehreren Landeseinrichtungen, das nur dadurch eine gewisse
faktische Einheit erlangt, dass es sich auf ein und denselben Bestand von sächlichen und
persönlichen Mitteln bezieht; anwendbares Recht und Aufsicht bestimmen sich danach,
für welches Land die Behörde handelt, und ihre Akte sind dem jeweiligen Land
zuzurechnen, vgl. Pietzcker, a . a. O., S. 17 <53>) oder die echte
Gemeinschaftseinrichtung, deren nach außen wirkende Hoheitsakte nicht die eines
bestimmten Landes sind, sondern unmittelbar der - i. d. R. rechtsfähigen - Einrichtung
zugerechnet werden (Beispiele: die gemeinsamen Rundfunkanstalten aller oder
mehrerer Länder, vgl. Pietzcker, a . a. O., S. 17 <54>).
Für die Frage, welches Landesrecht, insbesondere welches Landesverfassungsrecht für
das Handeln einer solchen echten Gemeinschaftseinrichtung maßgeblich oder
ergänzend heranzuziehen ist, sind in erster Linie die ihrer Errichtung zugrunde liegenden
Rechtsakte von Bedeutung. Fehlt eine Regelung, wird häufig wiederum auf das
Sitzprinzip zurückgegriffen (Maßgeblichkeit des Rechts und der Verfassung des Sitzlands
der Einrichtung; vgl. etwa BVerwGE 22, 299 <311>: ZDF-Entscheidung; kritisch dazu
Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik
Deutschland, 1967, S. 258 Fn. 71; Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1981, S. 236
<268>).
Andere Autoren gehen davon aus, dass nach Errichtung echter
Gemeinschaftseinrichtungen jedes daran beteiligte Land nur noch eingeschränkt,
nämlich nur im Verbund mit den übrigen Trägern der Gemeinschaftseinrichtung die
Verfügungsgewalt ausüben und entsprechende Hoheitsakte setzen kann. In diesem
Zusammenhang wird teilweise von einer Gesamthandsgemeinschaft der beteiligten
Länder gesprochen. Die "auf dritter Ebene" geschaffenen Rechtsgebilde und hoheitlich
handelnden Gemeinschaftseinrichtungen könnten nicht dem Recht eines einzelnen
Landes zugeordnet werden (vgl. Kisker, a. a. O, S. 234 <272 f.>; ähnlich Bachof/Kisker,
Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Staatsvertrages über die Errichtung der
Anstalt "Zweites Deutsches Fernsehen", 1965, S. 24 f.).
Für den verfassungsrechtlichen Status der gemeinsamen Fachobergerichte Berlins und
Brandenburgs bei Wahrnehmung ihrer Jurisdiktionsgewalt kommen demnach mehrere
Möglichkeiten in Betracht: Zu denken wäre daran, dass nur ein Land, nämlich das
jeweilige Sitzland des gemeinsamen Gerichts, die Organträgerschaft innehält und
öffentliche Gewalt ausübt, oder aber, dass eine getrennte Organträgerschaft je nach
Herkunft des zugrunde liegenden Rechtsfalls stattfindet; schließlich könnte auch
grundsätzlich von einer gemeinsamen Organträgerschaft im Sinne der oben genannten
Gesamthandsgemeinschaft auszugehen sein.
Zur Beantwortung dieser Frage sind zunächst die bundesrechtlichen Grundlagen für die
Errichtung länderübergreifender Gerichte heranzuziehen:
Gemäß Art. 92 Halbs. 2 i. V. m. Art. 30 Grundgesetz (GG) steht die Befugnis zur
Errichtung der Gerichte grundsätzlich den Ländern zu. Der Bund kann jedoch aufgrund
seiner aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG folgenden Gesetzgebungskompetenz nicht nur
weitgehend das von den Landesgerichten anzuwendende formelle und materielle Recht
vorgeben, sondern wegen seiner Zuständigkeit für den Bereich der Gerichtsverfassung
auch die Errichtung von Landesgerichten anordnen. Demgemäß sind die Länder
bundesgesetzlich durch § 2 VwGO, § 2 FGO, § 28 SGG sowie § 33 ArbGG verpflichtet,
jeweils ein Oberverwaltungsgericht, ein Finanzgericht, ein Landessozialgericht sowie ein
Landesarbeitsgericht zu errichten. Gleichzeitig werden die Länder durch § 3 Abs. 2
VwGO, § 3 Abs. 2 FGO, § 28 Abs. 2 SGG, § 33 Satz 2 i. V. m. § 14 Abs. 3 ArbGG
ermächtigt, solche Landesgerichte zusammenzulegen.
Nach Sinn und Zweck dieser bundesrechtlichen Ermächtigungsnormen üben die
zusammengelegten Gerichte Rechtsprechungsgewalt nicht nur für alle beteiligten
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zusammengelegten Gerichte Rechtsprechungsgewalt nicht nur für alle beteiligten
Länder, sondern auch als Teil von deren Landesgerichtsbarkeit aus (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 14. Juli 2006 - 2 BvR 1058/05 -, unter www.bundesverfassungsgericht. de,
Rn. 23: "Entscheidend ist, dass es sich bei dem vorgesehenen Finanzgericht Berlin-
Brandenburg [Anm.: in Cottbus] um ein Gericht handelt, welches [auch] zur Berliner
Landesgerichtsbarkeit gehört."; vgl. auch Stelkens/Clausing, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner [Hrsg.], VwGO, Kommentar, Band I, Stand April 2006, Rn. 18 zu § 3:
"gemeinsame Justizhoheit"). Damit scheidet die Möglichkeit einer Organträgerschaft
nach dem Sitzprinzip aus, was im Rahmen des FachogStV zur Folge gehabt hätte, dass
die in Berlin angesiedelten gemeinsamen Fachobergerichte lediglich Hoheitsbefugnisse
für Berlin, die in Brandenburg angesiedelten Obergerichte dagegen nur öffentliche
Gewalt für Brandenburg ausüben würden. Die Ausübung von Rechtsprechungsgewalt
jeweils nach dem Sitzprinzip widerspräche aber auch dem erklärten Willen der
Vertragspartner des FachogStV, wonach "nicht einfach bestehende Fachobergerichte in
Berlin und Brandenburg Zuständigkeiten auch für das andere Land mitübernehmen…"
(vgl. Vorlage - zur Beschlussfassung -, Abgeordnetenhaus-Drs. 15/2828 vom 24. April
2004, S. 9). Nicht erheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Vertragspartner bei
der näheren Ausgestaltung des Binnenrechts der gemeinsamen Obergerichte zum Teil
auf das Sitzprinzip zurückgegriffen haben (vgl. etwa Art. 4, Art. 7, Art. 8, Art. 11, Art. 12
FachogStV).
Nicht gefolgt werden kann ferner der Ansicht, die gemeinsamen Fachobergerichte für
Berlin und Brandenburg bildeten Gemeinschaftseinrichtungen "zur gesamten Hand", und
Hoheitsbefugnisse könnten nur gemeinsam durch beide Länder wahrgenommen
werden. Dies hätte die Konsequenz, dass die gemeinsamen Fachobergerichte weder Teil
der öffentlichen Gewalt Berlins noch Brandenburgs wären, sondern ein "tertium"
darstellten (so aber Finkelnburg, Anmerkungen zu dem gemeinsamen
Oberverwaltungsgericht für die Länder Berlin und Brandenburg, in: Festschrift für
Driehaus, 2005, S. 454 <460 ff.>; ähnlich - bezüglich des früheren
Oberverwaltungsgerichts Lüneburg als gemeinsamem Oberverwaltungsgericht der
Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein - Kisker, Kooperation im Bundesstaat,
1971, S. 272 f.). Die gemeinsamen Obergerichte wären nach dieser Auffassung bei ihrer
Rechtsprechungstätigkeit - auch mangels entsprechender Transformationsnorm im
Staatsvertrag - an keine der beiden Landesverfassungen gebunden; Handlungsmaßstab
(insbesondere im Hinblick auf die Verfahrensgrundrechte) für die gemeinsamen
Obergerichte bliebe nur das Grundgesetz. Zur Begründung dieser Ansicht wird u. a. auf
den Wortlaut und den Zweck des FachogStV verwiesen: Die Errichtung gemeinsamer
Obergerichte habe nach dem Willen der Vertragspartner die erstrebte Fusion beider
Bundesländer ein Stück weit vorwegnehmen sollen (vgl. Vorlage - zur Beschlussfassung -
, Abgeordnetenhaus-Drs. 15/2828 vom 24. April 2004, S. 10), der Begriff "gemeinsam"
durchziehe den Staatsvertrag (Finkelnburg a. a. O., S. 454 <458>), die planmäßigen
Richter würden durch einen gemeinsamen Richterwahlausschuss gewählt und stünden
im Dienste beider Länder (Art. 1 Abs. 2 FachogStV). Nach § 1 Abs. 3 AGVwGO Berlin
werde etwa auch das Verfahren zur Bestimmung der Zahl der Senate beim
gemeinsamen OVG staatsvertraglich geregelt. Zudem führten die gemeinsamen
Fachobergerichte nach Art. 1 Abs. 2 FachogStV ein Siegel mit dem Berliner und dem
Brandenburger Landeswappen (Finkelnburg a. a. O.).
Gegen die Annahme einer derartigen gesamthänderischen Trägerschaft beider Länder
für die gemeinsamen Fachobergerichte und die Konstruktion eines von beiden
Landesverfassungen abgekoppelten " tertiums " sprechen zum Einen bereits
verfassungsrechtliche Bedenken, die auch sonst gegen eine "dritte Ebene" neben Bund
und (Einzel-)Land vorgebracht werden, etwa ein möglicher Verstoß gegen das
Demokratieprinzip (vgl. Hempel, Der demokratische Bundesstaat, 1969, S. 51, S. 273;
Kölble, NJW 1962, 1081 <1084>; Bleckmann a. a. O, S. 515). Art. 30 GG weist die
Erfüllung der staatlichen Aufgaben dem Bund und den Ländern zu und meint hierbei die
einzelnen Länder. Das Grundgesetz begründet die verfassungsunmittelbare
Verantwortung für die Erfüllung der in ihrem Gebiet entstehenden staatlichen Aufgaben,
wovon sich Bund und Land nicht freizeichnen können. Zwar sind verschiedene Formen
der Zusammenarbeit zwischen den Ländern verfassungsrechtlich möglich, wozu - in
bestimmten Grenzen - auch die Wahrnehmungsübertragung von Hoheitsrechten auf
Gemeinschaftseinrichtungen gehört (vgl. etwa BVerwGE 22, 299 <306 f.>: ZDF-
Entscheidung). Allerdings muss stets eine konkrete Zurechenbarkeit der staatlichen
Aufgabenwahrnehmung auf den Verfassungskreis des Bundes oder eines einzelnen
Landes möglich sein (vgl. Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz,
in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.], Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, S. 517 <608 f.,
617>; Hempel a. a O., S. 261). Auch dann, wenn - etwa bei Rundfunk- und
Fernsehanstalten der Länder - die Gemeinschaftseinrichtung (was bei
gemeinschaftlichen Gerichten nicht möglich ist) mit eigener Rechtspersönlichkeit
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gemeinschaftlichen Gerichten nicht möglich ist) mit eigener Rechtspersönlichkeit
ausgestattet ist, muss klar sein, in welchem Rechts- und Verfassungskreis sie agiert
(etwa - wie beim ZDF - als Anstalt des Sitzlandes, so dass die Verfassungsordnung des
Landes Rheinland-Pfalz maßgebend ist). Eine generelle Freistellung der
Wahrnehmungszuständigkeiten der gemeinschaftlichen Einrichtungen von den
verschiedenen Landesverfassungen würde dagegen bedeuten, dass die
Maßgeblichkeiten der Verfassungskreise der Vertragspartner und damit ihre
Trägerzuständigkeiten in bedenklicher Weise verneint werden müssten (vgl. Hempel a. a.
O., S. 273).
Im Übrigen dürfte es trotz der in Art. 96 VvB grundsätzlich vorgesehenen Möglichkeit,
mit anderen Ländern gemeinsame Behörden, Gerichte und Körperschaften zu bilden,
verfassungsrechtlich nicht zulässig sein, dass Berlin im Wege staatsrechtlicher
Vereinbarungen einen bedeutsamen Teil seiner ihm grundgesetzlich zustehenden
Rechtsprechungskompetenz und die damit verbundene verfassungsrechtliche
Verantwortung gegenüber seinen Bürgern preisgibt, was bei einer Übertragung auf ein
von der VvB gänzlich abgekoppeltes "tertium" der Fall wäre (vgl. etwa Isensee a. a. O., S.
617: "Grundsatz der Unverfügbarkeit der Kompetenz"). Insoweit wären auch die damit
verbundenen Folgen für den Bürger, nämlich Verlust seines
landesverfassungsrechtlichen und -gerichtlichen Schutzes, zu berücksichtigen.
Die Entstehungsgeschichte des FachogStV und der hieraus ableitbare und in den
Grenzen des Verfassungsrechts zu respektierende Wille der Vertragspartner belegen vor
diesem rechtlichem Hintergrund, dass Berlin und Brandenburg bei der Errichtung der
gemeinsamen Fachobergerichte und deren Ausstattung in sächlicher und personeller
Hinsicht zwar ein enges Zusammenwirken anstrebten, das über das eher lockere Band
einer sog. Mehrländereinrichtung hinaus geht, dabei jedoch trotz der organisatorischen
Zugehörigkeit der gemeinsamen Fachobergerichte zu beiden Ländern davon ausgingen,
dass diese Gerichte bei ihrer Rechtsprechungstätigkeit die damit verbundene öffentliche
Gewalt jeweils unabhängig nur für eines der Länder ausüben würden. So lag den
Stellungnahmen der von beiden Landesregierungen gebildeten Arbeitsgruppe I
("Rechtliche Probleme") die Vorstellung zugrunde, die Gerichte seien in Berliner Fällen
nur für Berlin, in Brandenburger Fällen nur für Brandenburg tätig. Zugleich sei damit
auch die landesverfassungsgerichtliche Zuständigkeit bei Verfassungsbeschwerden
geklärt, da das jeweilige gemeinsame Obergericht in Berliner Fällen der Kontrolle des
Verfassungsgerichtshofs Berlins und in Brandenburger Fällen der Kontrolle des
Verfassungsgerichts Brandenburgs unterliegen würde. Diese Vorstellung erschien
offenbar so eindeutig, dass von einer entsprechenden (auch nur klarstellenden)
Regelung im Staatsvertrag abgesehen wurde.
Der Wille der Vertragspartner zu einer getrennten Organträgerschaft im Außenverhältnis
kommt an einzelnen Stellen des FachogStV hinreichend zum Ausdruck. So können etwa
nach Art. 13 des FachogStV Berlin und Brandenburg, soweit die VwGO landesrechtliche
Regelungen zulässt, diese unabhängig voneinander treffen. Nach der
Gesetzesbegründung (vgl. Vorlage - zur Beschlussfassung -, Abgeordnetenhaus-Drs.
15/2828 vom 24. April 2004, S. 15) soll den beiden Ländern damit ausdrücklich die
Möglichkeit erhalten bleiben, eigene Regelungen u. a. über die Besetzung des
Oberverwaltungsgerichts (§ 9 Abs. 3 VwGO), die Bestimmung eines Vertreters des
öffentlichen Interesses oder im Hinblick auf die Beteiligungsfähigkeit von Behörden (§ 61
Nr. 3 VwGO) zu treffen oder beizubehalten. Diese Wahlmöglichkeiten waren von Berlin
und Brandenburg zuvor zum Teil unterschiedlich ausgeübt worden, wofür es triftige
Gründe (Stadtstaat, Flächenstaat) gab. Die Länder sollten insoweit bei ihrer Wahl bleiben
und die Wahlmöglichkeit auch künftig unabhängig voneinander ausüben können. Dies
sollte für alle Wahlmöglichkeiten, die die VwGO bietet, gelten.
Da es somit z. B. - je nach Berliner oder Brandenburger Landesverfahrensrecht -
möglich ist, dass der Spruchkörper des gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts
unterschiedlich, also entweder mit drei oder fünf Richtern (§ 9 Abs. 3 VwGO) besetzt ist,
wird schon hieraus die vom FachogStV ersichtlich vorausgesetzte Notwendigkeit einer
Trennung der Rechtsprechungstätigkeit in Berliner Fälle und Brandenburger Fälle
deutlich.
Als Berliner Fälle haben - ohne dass dies im FachogStV oder in den vorbereitenden
Arbeitsgruppenvermerke ausdrücklich definiert wäre - ersichtlich solche vor den
gemeinsamen Obergerichten anhängige Rechtsstreitigkeiten (zumeist
Berufungssachen) zu gelten, für die ohne die Existenz des gemeinsamen Obergerichts
das jeweilige frühere Berliner Obergericht nach den hierfür maßgeblichen bundes- und
landesrechtlichen Verfahrensvorschriften zuständig gewesen wäre. Entsprechendes gilt
für Brandenburger Fälle. Entscheidend ist daher in den meisten Fällen, ob das
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für Brandenburger Fälle. Entscheidend ist daher in den meisten Fällen, ob das
Eingangsgericht (also das Verwaltungsgericht, das Arbeitsgericht oder das Sozialgericht)
der Berliner Landesgerichtsbarkeit angehört. War etwa das Verwaltungsgericht Berlin
nach Maßgabe des § 52 VwGO als Eingangsinstanz zuständig, so richtet sich die
Zuständigkeit des zweitinstanzlich angerufenen Oberverwaltungsgerichts nach § 2 und §
3 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 1 Abs. 1 des Berliner Gesetzes zur Ausführung der
Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO Berlin), d. h. das gemeinsame
Oberverwaltungsgericht wird in diesem Fall als Berliner Gericht tätig, übt demnach nach
dem Willen der Vertragspartner öffentliche Gewalt (nur) für Berlin aus. In den übrigen
Fällen (etwa hinsichtlich erstinstanzlicher Zuständigkeiten gemeinsamer Obergerichte,
auch bezüglich des gemeinsamen Finanzgerichts) wird es in der Regel auf die
Zugehörigkeit der Landesbehörde (zu Berlin oder Brandenburg) ankommen, deren
Entscheidung angegriffen wird.
Die gemäß dem FachogStV errichteten gemeinsamen Obergerichte Berlins und
Brandenburgs stellen somit eine Art Mischform zwischen einer echten
Gemeinschaftseinrichtung - in organisatorischer und personeller Hinsicht - und einer
Mehrländereinrichtung - weiterhin getrennte Wahrnehmung der
Rechtsprechungskompetenz - dar. Eine ähnliche Konstruktion wurde seinerzeit auch für
das frühere OVG Lüneburg als gemeinsamem Oberverwaltungsgericht der Länder
Niedersachsen und Schleswig-Holstein angenommen (vgl. Bachof/Kisker a. a. O., S. 57
f.; Bleckmann a. a. O., S. 527; Hempel, Der demokratische Bundesstaat, 1969, S. 270).
Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs bei Verfassungsbeschwerden gegen
Entscheidungen der gemeinsamen Obergerichte ist demnach in Berliner Fällen und
somit gegen Ausübung öffentlicher Gewalt des Landes Berlin gegeben.
Diese Voraussetzung liegt hier vor, denn den angegriffenen Beschlüssen lag ein
erstinstanzliches Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zugrunde, so dass sich die
Zuständigkeit des zweitinstanzlich angerufenen Oberverwaltungsgerichts nach § 2 und §
3 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 1 Abs. 1 AGVwGO Berlin richtete und das gemeinsame
Oberverwaltungsgericht demnach als Berliner Gericht entschieden hat.
b) Die mit der Verfassungsbeschwerde erhobene Rüge des Beschwerdeführers, das
Oberverwaltungsgericht habe im Rahmen der Nichtzulassung der Berufung die
Anforderungen daran, was ein Prozessbeteiligter zur Wahrung seines Anspruchs auf
rechtliches Gehör zu tun habe, überspannt, versteht der Verfassungsgerichtshof
entsprechend dem Sinngehalt und der näheren Begründung der
Verfassungsbeschwerde dahin, dass ein Verstoß gegen den Anspruch auf effektiven
Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 VvB geltend gemacht wird. Dagegen ist eine Verletzung
des vom Beschwerdeführer bezeichneten Art. 15 Abs. 1 VvB durch den Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts vom 1. November 2005 nicht dargetan. Denn der
Beschwerdeführer trägt keine Umstände vor, wonach das Oberverwaltungsgericht selbst
durch seine Verfahrensweise gegen den Anspruch des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör verstoßen haben könnte, sondern er rügt - wie aus der Begründung
der Verfassungsbeschwerde deutlich wird -, dass das Oberverwaltungsgericht bei der
Auslegung und Anwendung der Berufungszulassungsregelungen den Zugang des
Beschwerdeführers zu dieser Instanz in unzumutbarer Weise erschwert habe. Damit ist
trotz falscher Bezeichnung des Grundrechts in zulässiger Weise ein Verstoß gegen Art
15 Abs. 4 VvB geltend gemacht (vgl. zu einer solchen Auslegung der
Verfassungsbeschwerde für das Bundesrecht BVerfG, InfAuslR 1992, 288 <289>).
c) Die am 9. März 2006 erhobene Verfassungsbeschwerde wahrt auch die Zwei-Monats-
Frist des § 51 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG. Allerdings ist der den Antrag auf Zulassung der
Berufung zurückweisende Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. November
2005 dem Beschwerdeführer bereits am 9. November 2005 zugegangen; der Beginn der
Frist des § 51 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG war jedoch durch die Erhebung der Anhörungsrüge
beim Oberverwaltungsgericht bis zur Zustellung des diese zurückweisenden Beschlusses
am 9. Januar 2006 hinausgeschoben. Zwar gehört die Anhörungsrüge nach § 152a
VwGO vor der verfassungsgerichtlichen Geltendmachung einer Verletzung von Art. 15
Abs. 4 VvB nicht zum erforderlichen Rechtsweg gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG; sie
war hier jedoch auch kein offensichtlich unzulässiger Rechtsbehelf, da die genaue
Abgrenzung zwischen einer Verletzung des Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 4 VvB nicht
ohne weiteres erkennbar war; auch das Oberverwaltungsgericht ging von der
Statthaftigkeit der Anhörungsrüge aus.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den
Antrag auf Zulassung der Berufung unter Verletzung von Art. 15 Abs. 4 VvB
zurückgewiesen.
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Zwar gewährleisten weder die Rechtsweggarantie des Art. 15 Abs. 4 VvB noch andere
Verfassungsbestimmungen einen Instanzenzug. Sehen aber prozessrechtliche
Vorschriften Rechtsbehelfe oder - wie vorliegend § 78 AsylVfG - die Möglichkeit vor, die
Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 15 Abs. 4 VvB eine
Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten
Rechtsweges in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden
Weise erschwert (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 41, 23 <26>; 41, 232 <326 f.>; 42,
128 <130>; 69, 381 <385>; 78, 88 <99>; 96, 27 <39>; BVerfG, DVBl 1995, 36, 847;
BVerfG, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 1 BvR 1710/02 -, nach
www.bundesverfassungsgericht.de).
Gegen diesen Grundsatz verstößt der angegriffene Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts.
Der Beschwerdeführer hat den Antrag, die Berufung gegen das seine Asylklage
abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG
i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO damit begründet, das Verwaltungsgericht habe durch
prozessrechtswidrige Ablehnung mehrerer Beweisanträge seinen Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt. Das Oberverwaltungsgericht hat in den angegriffenen
Entscheidungen angenommen, der Beschwerdeführer habe sein diesbezügliches
Rügerecht jedoch dadurch verloren, dass er das Verwaltungsgericht nicht spätestens in
der jeweils nächsten mündlichen Verhandlung auf die aus seiner Sicht gegen den
Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßende Ablehnung der Beweisanträge hingewiesen
oder neue, den Bedenken des Verwaltungsgerichts Rechnung tragende Beweisanträge
gestellt habe. Zudem hätte er entsprechende Maßnahmen, sich Gehör zu verschaffen,
im Zulassungsantrag vortragen müssen.
Damit überspannt das Oberverwaltungsgericht in einer mit Art. 15 Abs. 4 VvB
unvereinbaren Weise die Anforderungen daran, was einem Prozessbeteiligten zur
Vorbereitung eines in zulässiger Weise auf eine erstinstanzliche Gehörsverletzung
gestützten Berufungszulassungsantrags zugemutet werden kann.
a) Der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, ein Verfahrensbeteiligter
könne einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehörs im
Berufungszulassungsverfahren mit Erfolg nur rügen, wenn er zuvor alle ihm zu Gebote
stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft habe, um sich Gehör zu verschaffen, was zudem
substantiiert darzulegen sei, entspricht den vom Bundesverwaltungsgericht (für das
Revisionszulassungsverfahren) und den Oberverwaltungsgerichten entwickelten
allgemeinen Grundsätzen (vgl. etwa BVerwGE 19, 231 <237>; vgl. ferner BVerwG,
Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 5 sowie BVerwG, Beschlüsse vom 8. November 2005
- 10 B 45/05 - und 6. April 2004 - 9 B 21/04 -, nach JURIS; Hessischer
Verwaltungsgerichtshof, AuAS 2003, 69 ff. sowie AuAS 2001, 203; Hamburgisches
Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23. September 1998 - Bs I 29/96 -, nach JURIS;
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Februar 2006 - 1 ZB 06.30093 -,
nach JURIS). Die so begründeten Anforderungen an die Verfahrensbeteiligten stimmen
damit weitgehend mit dem vom Bundesverfassungsgericht für das
verfassungsprozessuale Verfahren entwickelten Grundsatz der (materiellen)
Subsidiarität überein, wonach ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungs-
beschwerde - ggf. auch außerhalb formeller Rechtsbehelfe - alle geeigneten und ihm
zumutbaren fachgerichtlichen Möglichkeiten, eine Grundrechtsverletzung zu verhindern
oder zu heilen, ausgeschöpft haben muss (vgl. BVerfGE 5, 9 <10>; 15, 256 <267>; 28,
10 <14>; 74, 220 <225>; 79, 80 <83 f.>; 107, 395 <414>). Während der Grundsatz
der Subsidiarität allerdings für das Verhältnis der Verfassungsgerichtsbarkeit zur
Fachgerichtsbarkeit entwickelt wurde (BVerfGE 107, 395 <414>) und nicht zuletzt auch
der Entlastung der Verfassungsgerichte dienen soll, führt seine Vorverlagerung auf die
fachgerichtliche Ebene zu einer Verschärfung der Obliegenheitsanforderungen für eine
erfolgreiche Grundrechtsrüge (offen gelassen, ob und in welchem Umfang der
Subsidiaritätsgrundsatz auch im fachgerichtlichen Verfahren Geltung beanspruchen
kann: BVerfG, NVwZ, Beil. 8/1995, 57).
Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die "Erarbeitung einer allen Beteiligten
zumutbaren Entscheidung…auf die Mitarbeit aller Beteiligten" angewiesen ist (vgl.
BVerwGE 8, 149 <150>) und daher die Beteiligten im Rahmen ihrer allgemeinen
Mitwirkungs- und Prozessförderungspflicht die ihnen zumutbaren und greifbaren
Möglichkeiten, ihre Verfahrensrechte wahrzunehmen und auszuüben, auch ergreifen
sollen. Zudem - so das Bundesverwaltungsgericht - liege bereits begrifflich keine
Gehörsverletzung vor, wenn es einer Partei zwar zunächst aufgrund von gerichtlichen
Verfahrensfehlern - etwa versehentlich unterbliebenen Zustellungen und Mitteilungen
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Verfahrensfehlern - etwa versehentlich unterbliebenen Zustellungen und Mitteilungen
oder sonst nicht gewährten Stellungnahmemöglichkeiten (sog. "Pannenfälle") -
erschwert gewesen sei, von ihrem Äußerungsrecht Gebrauch zu machen, dieser Mangel
aber dadurch "überholt" werde, dass der Betroffene von ihm Kenntnis erlange und damit
die Möglichkeit zurückgewinne, sich Gehör zu verschaffen (BVerwGE 19, 231 <237>). So
sei es Haupt- oder Nebenzweck zahlreicher Verfahrensvorschriften, den Anspruch auf
rechtliches Gehör zu sichern und damit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Art.
103 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Würden solche Verfahrensvorschriften verletzt, so
müssten sich die betroffenen Beteiligten zunächst im Rahmen des Prozessrechts das
rechtliche Gehör verschaffen. Nur dann, wenn ihnen dies nicht möglich sei, könne der
Verfahrensverstoß zugleich zu einer andauernden und mit Rechtsmitteln angreifbaren
Versagung rechtlichen Gehörs führen (BVerwGE 19, 231 <237>; vgl. ferner BVerwG,
Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 5 sowie BVerwG, Beschlüsse vom 8. November 2005
- 10 B 45/05 - und 6. April 2004 - 9 B 21/04 -, nach JURIS).
Bei der prozessrechtswidrigen Ablehnung von Beweisanträgen geht es dagegen nicht -
wie in den eben genannten Konstellationen - darum, dass ein Beteiligter zu einem
bestimmten in den Prozess eingeführten Sachverhalt oder zu einer Rechtsfrage gar
nicht erst zu Wort kommen konnte, denn durch das Stellen des Beweisantrages mit der
darin enthaltenen Behauptung eines bestimmten Beweisergebnisses hat er von seinem
Äußerungsrecht bereits Gebrauch gemacht. Vielmehr steht eine andere Form des
Anspruchs auf rechtliches Gehör in Rede, dass nämlich das Gericht das Vorbringen eines
Verfahrensbeteiligten nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und bei seiner
Entscheidung erwogen hat (sog. Negligenzentscheidung, vgl. Zuck, NVwZ 2006, 119
<120>). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs scheidet in diesen Fällen also aus,
wenn die Beweisanträge vom Gericht ernsthaft geprüft, mit einem vor Erlass des Urteils
begründeten Beschluss jedoch abgelehnt worden sind (vgl. BVerwG, NJW 1988, 722
<723>). Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich
angesehenen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches
Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfGE 50, 32 <36>; 69, 141
<144>; 69, 145 <148>; BVerwG, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 313; Buchholz 310 §
86 Abs. 2 VwGO Nr. 55; Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60). Die derart fehlerhafte
Ablehnung eines Beweisantrages wird mit einem Übergehen desselben, d. h. mit einem
Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen gleichgestellt, was mit der Anhörungsrüge beanstandet
werden kann. Die Übergänge zwischen einer einfach-rechtlich fehlerhaften Ablehnung
eines Beweisantrages und einer den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden
Ablehnung, die im Prozessrecht keine Stütze findet, sind allerdings nicht immer leicht zu
bestimmen und für die Beteiligten zu erkennen.
Die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Obliegenheit, einen ablehnenden
Beweisbeschluss stets auf mögliche Gehörsverstöße im Sinne einer
Prozessrechtswidrigkeit der Ablehnungsgründe zu überprüfen und (spätestens im
nächsten Verhandlungstermin) zu rügen, um das Beanstandungsrecht für die nächste
Instanz nicht zu verlieren (vgl. auch Redeker, AnwBl. 2005, 518 <523>; Marx,
Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2005, Rn 694 ff. zu § 78), liefe in vielen
Fällen auf eine Obliegenheit zur Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Gerichts
und zur Wiederholung der bereits vorgebrachten Argumente hinaus mit nur geringen
Chancen, dass das Gericht deshalb seine Rechtsauffassung ändert und den beantragten
Beweis erhebt. Die vom Oberverwaltungsgericht erwogene Alternative zur Erfüllung
dieser Obliegenheit, nämlich neue, den Bedenken des Gerichts Rechnung tragende
Beweisanträge zu stellen, würde in den Fällen, in denen der Partei dies nicht möglich ist,
ebenfalls zu einer chancenlosen und redundanten Umformulierung bereits
vorgetragenen Prozessstoffes zwingen.
Auch nach dem verfassungsprozessualen Grundsatz der (materiellen) Subsidiarität kann
von einem Beschwerdeführer jedoch kein aussichtsloses oder sonst unzumutbares
Verhalten erwartet werden, um einen möglichen Gehörsverstoß vor den Fachgerichten
zu korrigieren (vgl. etwa BVerfGE 74, 220 <225>; BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 -
1 BvR 2622/05 -, www.bundesverfassungsgericht.de). Zumutbar im Sinne einer
Pannenkorrektur wäre ein Hinweis an das Gericht nach der Ablehnung eines
Beweisantrages etwa dann, wenn der Prozessbeteiligte erkennt, dass das Gericht seinen
Beweisantrag nicht richtig verstanden oder ausgeschöpft hat oder sonst einem
offensichtlichen Irrtum oder Missverständnis erlegen ist, weil ein solcher Mangel leicht
behebbar wäre (in diesem Sinne etwa Hamburgisches Oberverwaltungsgericht,
Beschluss vom 23. September 1998 - Bs I 29/96 - nach JURIS; vgl. auch Hessischer
Verwaltungsgerichtshof, AuAS 2003, 69).
Eine generelle Rügeobliegenheit beim Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches
Gehör im Zusammenhang mit der Ablehnung von Beweisanträgen ist in der
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Gehör im Zusammenhang mit der Ablehnung von Beweisanträgen ist in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung - soweit erkennbar - dagegen bislang nicht
angenommen worden:
Soweit das Bundesverwaltungsgericht in den veröffentlichten Entscheidungen die
Ablehnung von Beweisanträgen in der Vorinstanz darauf geprüft hat, ob die jeweilige
Begründung im Prozessrecht keine Stütze findet und deshalb ein Verstoß gegen das
rechtliche Gehör anzunehmen ist, findet sich zumeist kein Hinweis darauf, ob der
jeweilige Revisionsführer eine entsprechende Rüge bereits in der Vorinstanz angebracht
hat (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 5. August 2005, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.
313; Beschluss vom 29. September 2005, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr.
3; ferner grundsätzlich für die verfahrensfehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen:
BVerwG, NVwZ 2000, Beilage Nr. 9, 99 ff. ; BVerwG, NJW 1989, 1233; NJW 1989, 678 f.;
DVBl 1986, 148; in der Entscheidung vom 22. März 2001 - BVerwG 7 B 3/01, nach JURIS -
wird im Sachverhalt beiläufig eine Gegenvorstellung des Revisionsführers in der
Vorinstanz erwähnt, ohne dass dies in den Entscheidungsgründen als etwaiges
Zulässigkeitserfordernis aufgegriffen wird). Ausführungen hierzu wären jedoch zu
erwarten gewesen, wenn eine solche beim Vordergericht anzubringende Rüge auch nach
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts eine unverzichtbare Voraussetzung für die
Zulässigkeit des Rechtsmittels wäre; dann wären etwa auch Entscheidungen zu erwarten
gewesen, in denen das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit des Rechtsmittels
mangels einer solchen Rüge verneint hätte.
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet sich kein Hinweis auf
eine derartige im Rahmen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde etwa
anzunehmende generelle Rügeobliegenheit bei der verfassungswidrigen Ablehnung von
Beweisanträgen. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung,
in der es darum ging, ob das Verwaltungsgericht durch Ablehnung von
Hilfsbeweisanträgen im Urteil gegen seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 2 VwGO) und die
Pflicht zur verfassungsgemäßen Behandlung von Beweisanträgen (im Rahmen von Art.
16a GG) verstoßen hat, unter dem Aspekt des Subsidiaritätsgrundsatzes keinen Anstoß
daran genommen, dass die Beweisanträge nicht unbedingt gestellt waren und zur
Begründung ausgeführt:
"Im übrigen spricht nichts dafür, daß ein in mündlicher Verhandlung verkündeter
Beschluss anders ausgefallen wäre als seine Urteilsgründe. Die Beschwerdeführer hätten
daher ihre Anträge voraussichtlich lediglich erfolglos wiederholen können. Aus den
genannten Gründen folgt zugleich, dass den Beschwerdeführern nicht vorgehalten
werden kann, sie hätten im Ausgangsverfahren nicht alle Möglichkeiten erschöpft, um
einen Verfassungsverstoß zu vermeiden oder zu heilen (Grundsatz der Subsidiarität; vgl.
BVerfGE 81, 97 <102>; st. Rspr.)."
Auch in der oberverwaltungsgerichtlichen Judikatur findet sich die Annahme einer
generellen Rügeobliegenheit hinsichtlich der gehörswidrigen Ablehnungsgründe eines
Beweisantrages lediglich in einer vereinzelten Entscheidung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs (AuAS 2003, 69) und - ansatzweise - noch in einem Beschluss
des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (AuAS 1998, 141); beiden
Entscheidungen lag jedoch kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Dagegen hat etwa
das Sächsische Oberverwaltungsgericht in einer Entscheidung aus dem Mai 2005
(NVwZ-RR 2006, 741) anlässlich der (von ihm verneinten) Frage, ob durch das bloß
hilfsweise Stellen eines Beweisantrages das späteres Rügerecht hinsichtlich einer
Gehörsverletzung verloren gehen könnte, ausgeführt:
"Es kommt hinzu, dass der Betroffene im Falle eines unbedingt gestellten Beweisantrags
zur Wahrung der Gehörsrüge nicht verpflichtet ist, die Ablehnung des Antrags noch in
der mündlichen Verhandlung ausdrücklich als prozessrechtswidrig zu beanstanden,
geschweige denn wäre er gehalten, den solchermaßen fehlerhaft abgelehnten Antrag
nachzubessern, da es ja für ihn nichts nachzubessern gäbe." (NVwZ-RR 2006, 741)
Für eine generelle Rügeobliegenheit bei der Ablehnung von Beweisanträgen als
Berufungszulassungsvoraussetzung spricht auch nicht - wie das Oberverwaltungsgericht
meint - die Regelung des § 86 Abs. 2 VwGO, wonach ein in der mündlichen Verhandlung
gestellter Beweisantrag nur durch begründeten Gerichtsbeschluss abgelehnt werden
kann. Sinn und Zweck dieser Norm ist es zwar, wie das Oberverwaltungsgericht im
Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausführt, dem
Verfahrensbeteiligten die zur Ablehnung seines Beweisantrages führenden Erwägungen
des Gerichts zur Kenntnis zu bringen, um ihm so zu ermöglichen, sich darauf
einzurichten und etwa "neue oder veränderte Beweisanträge zu stellen oder sich im
abschließenden Vortrag mit der im Beschluß zu Tage getretenen Auffassung des
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abschließenden Vortrag mit der im Beschluß zu Tage getretenen Auffassung des
Gerichts auseinanderzusetzen" (BVerwG, NJW 1989, 1233 <1234>; vgl. auch BVerwG,
Buchholz 310 § 86 Abs. 2 Nr. 26; BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1997 - 7 B 175/97 -,
nach JURIS). Wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 26.
Mai 2005 (NVwZ-RR 2006, 741) ausgeführt hat, bietet § 86 Abs. 2 VwGO dem
Verfahrensbeteiligten bei Stellung eines unbedingten Beweisantrags damit jedoch nur
den prozessualen Vorteil, einen unzulänglichen Beweisantrag im Sinne des Gerichts
nachbessern zu können. Hierfür besteht bei einer fehlerhaften Ablehnung aber kein
Anlass, weil der Verfahrensbeteiligte damit unter Umständen gleichzeitig auf ein seiner
Ansicht nach ordnungsgemäßes und Erfolg versprechendes Beweisangebot verzichten
würde.
Eine Obliegenheit zu einer im Stil einer Anhörungsrüge zu führenden
Auseinandersetzung mit den rechtlichen Erwägungen des Gerichts ist dem § 86 Abs. 2
VwGO nicht zu entnehmen. Dagegen spricht auch, dass die Ablehnung eines
Beweisantrages nach § 86 Abs. 2 VwGO zwar vor Verkündung des Urteils durch zu
begründenden Beschluss zu erfolgen hat, weder das Gesetz noch die Rechtsprechung
(vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. August 2003 - 4 B 69/03 -, nach JURIS) jedoch eine
schriftliche und ins Protokoll aufzunehmende Begründung fordert, diese vielmehr auch -
wie im vorliegenden Fall geschehen - zunächst nur mündlich erfolgen kann und schriftlich
(zum Zweck der Nachprüfbarkeit in der Rechtsmittelinstanz) erst in den späteren
Urteilsgründen nachgeholt werden muss (so BVerwG, BayVBl. 2004, 94 f.). Es
widerspräche deshalb auch dem Gebot der Waffengleichheit, den Verfahrensbeteiligten
gleichwohl im Sinne einer Obliegenheit zu "zwingen", noch vor Vorlage der genauen
schriftlichen Urteilsgründe - insoweit kann es auf jedes Wort ankommen - die vom
Gericht nur mündlich vorgetragene Ablehnung eines Beweisantrages seinerseits in
protokollfester Art und Weise noch während der mündlichen Verhandlung rügen oder
jedes Mal den Antrag stellen zu müssen, das Gericht möge seine Ablehnungsgründe
zum Zwecke der Rechtsüberprüfung schriftlich formulieren. Dies würde - gerade in
Asylverfahren - vielfach zu (weiteren) Vertagungen und damit vom Gesetzgeber nicht
beabsichtigten Verzögerungen des Verfahrens führen, weil ein sorgfältiger
Verfahrensbeteiligter die genannten Maßnahmen zur Vermeidung eines späteren
Rügeverlusts vorbeugend ergreifen müsste, also auch dann, wenn er trotz der
abgelehnten Beweiserhebung aufgrund des bisherigen oder künftigen Verfahrensverlaufs
auf eine ihm günstige Entscheidung hoffen kann und deshalb noch nicht feststeht, ob
und in welcher Weise sich ein möglicher Gehörsverstoß auf die spätere Entscheidung
überhaupt auswirkt.
Auch der Umstand, dass das Gericht - insbesondere in Asylverfahren im Rahmen des
Art. 16a GG - ohnehin seiner aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden Verpflichtung genügen
muss, die Erheblichkeit des Beweisangebots zu beurteilen und sogar unabhängig von
Beweisanträgen geeignete und erforderliche Beweismittel in Erwägung zu ziehen (vgl.
BVerfG, NVwZ 1992, 659 <660>; BVerwG, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 177, 42),
spricht gegen eine grundsätzliche Rügeobliegenheit, denn das Unterbleiben führte auch
von Verfassungs wegen gerade nicht dazu, dass die Nichterhebung eines erforderlichen
Beweises dadurch generell - also auch im Rahmen des Art. 16a GG - "geheilt" wäre; die
mögliche Heilung wäre auf den Gehörsverstoß beschränkt.
Entscheidend ist schließlich, dass die Annahme einer grundsätzlichen Rügeobliegenheit
bei Ablehnung von Beweisanträgen unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches
Gehör auch mit dem seit dem 1. Januar 2005 geltenden gesetzlichen Rechtsmittel- und
Rechtsbehelfssystem der VwGO nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Als
prozessuale Möglichkeiten, die durch eine gerichtliche Entscheidung erfolgte Verletzung
des rechtlichen Gehörs zu beanstanden und zu korrigieren, sieht der Gesetzgeber in
erster Linie - bei noch anfechtbaren Entscheidungen - die Einlegung des entsprechenden
Rechtsmittels und nur subsidiär - bei unanfechtbaren Entscheidungen - den
Sonderrechtsbehelf der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO beim iudex a quo vor (zur
Alternativität von Sonderrechtsbehelf und Rechtsmittel vgl. auch BVerfGE 107, 395 <411
f.>; siehe auch BVerwG, NVwZ 2003, 1132 <1133>; vgl. ferner die Begründung zum
Entwurf des Anhörungsrügengesetzes - BT-Drs. 15/3706, S.13 - : "Der Entwurf geht
davon aus, dass die Überprüfung von Anhörungsverstößen zunächst im vorhandenen
Rechtsmittelzug stattfindet").
Für die der Endentscheidung vorausgehenden und zumeist unanfechtbaren
Entscheidungen (Zwischenentscheidungen), wozu auch der Beschluss über die
Ablehnung eines Beweisantrags gehört (vgl. § 146 Abs. 2 VwGO), schließt § 152a Abs. 1
Satz 2 VwGO die Möglichkeit, eine Anhörungsrüge beim iudex a quo anzubringen,
ausdrücklich aus. Grund für diese gesetzgeberische Einschränkung war die Erwägung, "…
dass erst zum Zeitpunkt der Endentscheidung feststellbar ist, ob die Partei, deren
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dass erst zum Zeitpunkt der Endentscheidung feststellbar ist, ob die Partei, deren
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde, durch die Entscheidung beschwert ist …
und ob die Gehörsverletzung entscheidungserheblich war…" (BT-Drs. 15/3706, S.16).
Zudem würde die Einbeziehung von Zwischenentscheidungen in den Bereich der
Anhörungsrüge nicht angemessen berücksichtigen, dass die Prozessordnung die
isolierte Anfechtung von Zwischenentscheidungen im Interesse einer zügigen Erledigung
des Rechtsstreits bewusst einschränke (BT-Drs. 15/3706, S.16). Nach der Systematik
des § 152a VwGO sollen deshalb Gehörsverletzungen bei Zwischenentscheidungen erst
durch eine gegen die Endentscheidung gerichtete Anhörungsrüge (förmlich) zu
beanstanden sein, da erst dann feststehe, ob sich die Gehörsverletzung überhaupt noch
auswirke (vgl. auch Guckelberger, NVwZ 2005, 11 <12>); bei noch anfechtbaren
Endentscheidungen steht hierfür statt der Anhörungsrüge das Rechtsmittel zur
Verfügung (so auch Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2005, Rn. 7 zu § 152a).
Dieses gesetzgeberische System würde durch eine (richterrechtlich entwickelte)
grundsätzliche Rügeobliegenheit bei gehörsverletzenden Zwischenentscheidungen - wie
sie das Oberverwaltungsgericht für das Beweisantragsverfahren der ersten Instanz
vertritt - jedoch unterlaufen; sie verstieße zudem gegen den vom
Bundesverfassungsgericht gerade für Gehörsverletzungen geforderten Grundsatz der
Rechtsmittelklarheit (BVerfGE 107, 395 <417>; vgl. auch BVerfG, NJW 2006, 2907 f.,
OVG Berlin - 2. Senat -, NVwZ 2005, 470 <471>). Daran ändert nichts, dass es den
Verfahrensbeteiligten in jeder Phase des Verfahrens unbenommen bleibt, die Änderung
einer als prozessrechtswidrig befundenen Zwischenentscheidung formlos, etwa im
Rahmen eines Rechtsgesprächs, anzuregen (Kopp/ Schenke a. a. O.).
b) Eine generelle Rügeobliegenheit bei der Ablehnung von Beweisanträgen als
Berufungszulassungsvoraussetzung lässt sich ohne Verstoß gegen Art. 15 Abs. 4 VvB
auch nicht - wie das Oberverwaltungsgericht annimmt - mit einer entsprechenden
Anwendung des § 295 Abs. 1 2. Alt. ZPO (Rügeunterlassung) rechtfertigen.
Nach § 295 ZPO kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form
einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn die
Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet (Alt. 1) oder bei der nächsten
mündlichen Verhandlung in dem betreffenden Verfahren den Mangel nicht gerügt hat,
obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder hätte bekannt sein müssen
(Alt. 2). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 295 ZPO (über §
173 VwGO) auch im Verwaltungsprozess anwendbar; dies ergebe sich auch aus den
allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts, das die Erarbeitung einer allen Beteiligten
zumutbaren Entscheidung zum Gegenstand habe und deshalb auf die Mitarbeit aller
Beteiligten angewiesen sei (so BVerwGE 8, 149 <150>).
§ 295 ZPO liegt der Gedanke zugrunde, dass Verfahrensvorschriften, die ein rechtlich
geordnetes Verfahren unter Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Beteiligten
ermöglichen sollen, kein Selbstzweck sind, sondern letztlich der Durchsetzung des
materiellen Rechts und nicht dessen Verhinderung zu dienen haben (vgl. die Darstellung
bei Kohlndorfer, DVBl 1988, 474 <475>). Bei verzichtbaren Verfahrensvorschriften (vgl.
§ 295 Abs. 2 ZPO) kommt daher zur Sicherung eines geregelten und möglichst
schnellen Verfahrens eine Heilung von Verfahrensverstößen durch Verzichtserklärung
oder Rügeunterlassung in Betracht. Als heilbare Verfahrensmängel sind in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. die Zusammenstellung bei
Kohlndorfer, DVBl 1988, 474 <476 f.>) insbesondere Verstöße gegen formale Ladungs-,
Benachrichtigungs- oder Protokollierungsvorschriften angesehen worden (vgl. etwa
BVerwGE 8, 149 <150 f.>; 50, 344 <345>; Buchholz Nr. 28 zu § 105 VwGO; NJW 1977,
313 <314>; DÖV 1981, 840; NJW 1983, 2275), aber auch Verstöße gegen das Gebot der
Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 96 VwGO (BVerwGE 41, 174 <176>) oder
Verstöße gegen § 55 VwGO i. V. m. § 185 Abs. 1 GVG bei Übersetzungsmängeln im Falle
eines zugezogenen Dolmetschers (NVwZ 1983, 668 f.), wobei einige der betroffenen
Verfahrensvorschriften zugleich der prozessualen Sicherung des rechtlichen Gehörs
dienen.
Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur entsprechenden
Anwendung des § 295 Abs. 1 ZPO wird deutlich, dass ein Rügeverlust insbesondere bei
Verstößen gegen solche den äußeren Prozessablauf regelnden Verfahrensvorschriften
der VwGO angenommen wurde, denen ein Irrtum oder ein Missverständnis des Gerichts
zugrunde lagen, so dass bei entsprechenden Hinweisen des Verfahrensbeteiligten an
das Gericht der entsprechende Fehler leicht zu beheben gewesen wäre. Dies gilt auch,
soweit es dabei um die Anwendbarkeit des § 295 ZPO auf Verstöße gegen das rechtliche
Gehör sichernde Verfahrensvorschriften ging (insbesondere bei Ladungs-, Zustellungs-
und Übersetzungsmängeln).
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Fälle dagegen, in denen das Rügerecht auch für die inhaltlich fehlerhafte,
prozessrechtswidrige Ablehnung von Beweisanträgen aufgrund einer entsprechenden
Anwendung des § 295 Abs. 1 ZPO für ausgeschlossen gehalten worden wäre, finden sich
in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und auch - mit Ausnahme der oben bereits
genannten zwei Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (AuAS 2003,
69) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (AuAS 1998, 141) - in der
obergerichtlichen Rechtsprechung nicht. Einen Rügeverlust entsprechend § 295 Abs. 1
ZPO im Zusammenhang mit der Ablehnung von Beweisanträgen hat das
Bundesverwaltungsgericht lediglich bei Verstößen gegen die (formale)
Begründungspflicht des § 86 Abs. 2 VwGO angenommen, Fälle also, in denen
vorgebracht wurde, das Gericht habe versäumt, die Ablehnung der Beweisanträge in der
mündlichen Verhandlung (überhaupt) zu begründen (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 86
Abs. 2 VwGO Nr. 53; NJW 1989, 1233 <1234>, ferner Beschluss vom 21. Juli 1997 - 7 B
175/97 - nach JURIS).
Soweit das Oberverwaltungsgericht die entsprechende Anwendung des § 295 Abs. 1 ZPO
auch auf die inhaltlich fehlerhafte, prozessrechtswidrige Ablehnung von Beweisanträgen
erstreckt, überdehnt es den Anwendungsbereich der Vorschrift in einer mit Art. 15 Abs. 4
VvB nicht mehr zu vereinbarenden Weise: Bei § 295 Abs. 1 ZPO handelt es sich um eine
Präklusionsvorschrift, die auch die Möglichkeit zur Wahrnehmung oder Geltendmachung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör einschränkt; derartige Vorschriften müssen wegen
der einschneidenden Folgen, die sie für die säumige Partei nach sich ziehen,
Ausnahmecharakter haben. Die verfassungsgerichtliche Überprüfung geht daher über
eine bloße Willkürkontrolle hinaus. So hat das Bundesverfassungsgericht Art. 103 Abs. 1
GG dann als verletzt angesehen, wenn eine solche Vorschrift offenkundig unrichtig
angewendet worden ist (BVerGE 69, 145 <149>). Daneben sind aber auch Grundsätze
rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung in die Prüfung einbezogen worden (vgl. BVerfGE
55, 72 <93 f.>; 69, 126 <149>).
Vorliegend ist das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 15 Abs. 4 VvB bei der
entsprechenden Anwendung des § 295 Abs. 1 ZPO nicht ausreichend beachtet worden.
So fehlt es bei der vom Beschwerdeführer angenommenen prozessrechtswidrigen
Ablehnung eines Beweisantrags bereits an einer "Verfahrensvorschrift" der VwGO, deren
Verletzung hätte gerügt werden müssen. § 295 ZPO betrifft, wie bereits der Wortlaut
zeigt, insbesondere die Missachtung formaler Verfahrensvorschriften, im
verwaltungsgerichtlichen Beweisantragsrecht etwa § 86 Abs. 2 VwGO (formale
Begründungspflicht). Für die materielle Entscheidung über Beweisanträge dagegen, um
die es hier geht, fehlt es an entsprechenden Regelungen in der VwGO. Die
Rechtsprechung behilft sich insoweit mit einer Heranziehung allgemeiner Grundsätze
und Regeln, wie sie in § 244 Abs. 3 StPO ihren Ausdruck gefunden haben (vgl. BVerwG,
VerwRspr. 24, 413; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1983 - 7 CB 96.81 - nach JURIS;
BVerwG, Buchholz 310 § 86 I Nr. 112; vgl. auch Höfling/Rixen, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.],
Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 2. Aufl. 2006, Rn. 95 zu § 86; Störmer, in:
Fehling/Kastner/Wahrendorf [Hrsg.], Verwaltungsrecht, VwVfG und VwGO,
Handkommentar, 2006, Rn. 75 zu § 86 VwGO; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004,
Rn. 29 zu § 86 VwGO). Daran gemessen lässt sich zwar beurteilen, ob die Begründung
für die Ablehnung eines Beweisantrags im Verwaltungsprozess fehlerhaft ist; um die
Verletzung einer das Verfahren betreffenden "Vorschrift" des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens geht es dabei jedoch nicht. Im Zivilprozess, für den § 295 Abs. 1 ZPO in
erster Linie geschaffen wurde, gibt es im Übrigen schon deshalb keine Rügepräklusion im
Zusammenhang mit der Ablehnung von Beweisanträgen, weil es an einer Regelung wie §
86 Abs. 2 VwGO fehlt, die Ablehnung also erst im Urteil erfolgt.
Denkbar wäre schließlich noch, wovon das Oberverwaltungsgericht auszugehen scheint,
den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör selbst als verletzte
"Verfahrensvorschrift" i. S. d. § 295 Abs. 1 ZPO anzusehen (vgl. auch Redeker, AnwBl.
2005, 518 <523>). Es kann offen bleiben, ob eine derart weite Auslegung des § 295 Abs.
1 ZPO, wonach der grundrechtlich geschützte Anspruch auf rechtliches Gehör als solcher
- also unabhängig von der Verletzung konkreter Vorschriften der jeweiligen
Prozessordnung - der präkludierenden Wirkung einer Rügeunterlassung unterfallen soll,
mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Ausnahmecharakter von
Präklusionsvorschriften sowie der vom Bundesverfassungsgericht geforderten
Rechtsmittelklarheit bei Verstößen gegen das rechtliche Gehör zu vereinbaren wäre, und
ob nicht - wofür vieles spricht - der Gesetzgeber durch Schaffung des formalisierten und
ausdrücklich nur auf eine bestimmte Fallgruppe gerichtlicher Entscheidungen
(unanfechtbare Endentscheidungen) begrenzten Anhörungsrügeverfahrens des § 152a
VwGO einer derartigen entsprechenden Anwendung des § 295 Abs. 1 ZPO (i. V. m. § 173
VwGO) jedenfalls für Zwischenentscheidungen wie die Ablehnung von Beweisanträgen
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VwGO) jedenfalls für Zwischenentscheidungen wie die Ablehnung von Beweisanträgen
ohnehin den Boden entzogen hat (§ 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO als mögliche lex
specialis). Jedenfalls könnte eine solche Präklusion ohne Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1
und Abs. 4 VvB nicht strenger und weitergehender gehandhabt werden, als es auch der
allgemeine Subsidiaritätsgrundsatz für die Geltendmachung von Gehörsverletzungen
erlauben würde. Da hiernach - wie oben dargestellt - eine fachgerichtliche
Rügeobliegenheit bei Verletzungen von Art. 15 Abs. 1 VvB ihre Grenze dort findet, wo
von dem Verfahrensbeteiligten ein ersichtlich aussichtsloses oder sonst unzumutbares
Handeln verlangt würde, müssen jedenfalls diese Grenzen auch bei Anwendung und
Auslegung des § 295 Abs. 1 ZPO in Zusammenhang mit Gehörsverletzungen beachtet
werden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass in Fällen, bei denen - wie hier - die
prozessrechtswidrige Ablehnung von Beweisanträgen in Rede steht, nicht von einer
formalisierten Rügeobliegenheit des betroffenen Verfahrensbeteiligten auszugehen ist,
eine entsprechende Beanstandung vielmehr nur im konkreten Einzelfall - wenn es etwa
um Fälle ersichtlicher "Pannenkorrektur" geht - im Rahmen der prozessualen
Mitwirkungspflicht erwartet werden kann.
c) Im vorliegenden Fall konnte der Beschwerdeführer, wie von ihm in der
Verfassungsbeschwerde substantiiert dargelegt, nicht von einem Irrtum, einem
Missverständnis oder sonst einem offenkundigen Versäumnis des Verwaltungsgerichts
bei der Ablehnung der in Rede stehenden drei Beweisanträge ausgehen. Dem Gericht
waren der Sachverhalt und die Begründung des Beschwerdeführers für die
Beweisanträge bekannt; es lehnte sie aus Rechtsgründen zum Teil als unzulässig
(Ausforschungsantrag/Ungeeignetheit des Beweismittels) oder wegen ausreichender
eigener Sachkunde (Beweisantrag vom 9. Dezember 2003 hinsichtlich einer
einzuholenden Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. eines Sachverständigengutachtens
von amnesty international) ab. Es gab für den Beschwerdeführer (oder seinen
Verfahrensbevollmächtigten) auch keinen Anlass anzunehmen, dass das Gericht seine
Beweisanträge missverstanden oder nicht ausgeschöpft haben könnte. Demnach lag
auch keine Situation vor, in der der Beschwerdeführer das Gericht durch einen einfachen
Hinweis auf einen offensichtlichen Fehler oder Irrtum bei der Behandlung der
Beweisanträge hätte aufmerksam machen können. Vielmehr hätte er lediglich im Stile
eines Rechtsbehelfs die Ablehnungsgründe des Gerichts als - aus seiner Sicht -
prozessrechtswidrig angreifen und ggf. seine Beweisanträge wiederholen können. Ein
solches Verhalten aber konnte von ihm nach den eben dargelegten
verfassungsrechtlichen Vorgaben weder im Rahmen allgemeiner Subsidiarität bei
Beanstandungen von Gehörsverletzungen noch bei entsprechender Heranziehung des §
295 Abs. 1 ZPO verlangt und brauchte daher auch im Zulassungsantrag von ihm nicht
dargelegt zu werden.
Der angegriffene Beschluss beruht auch auf der Verletzung des Art. 15 Abs. 4 VvB, denn
es ist nicht ausgeschlossen, dass das Oberverwaltungsgericht zu einer für den
Beschwerdeführer günstigen Entscheidung über den Zulassungsantrag gekommen
wäre, wenn es sich mit den vom Beschwerdeführer behaupteten Verstößen inhaltlich
befasst hätte.
Nach § 54 Abs. 3 VerfGHG ist der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts
aufzuheben und die Sache in entsprechender Anwendung des § 95 Abs. 2 Halbs. 2
BVerfGG an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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