Urteil des VerfGH Berlin vom 13.03.2017
VerfGH Berlin: rechtliches gehör, befangenheit, verfassungsbeschwerde, willkürverbot, bevollmächtigung, meinung, menschenwürde, aufspaltung, ausnahme, wohnung
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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
53 A/01, 53/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 15 Abs 5 S 2 Verf BE, § 42
Abs 2 ZPO, § 535 BGB
VerfGH Berlin: Keine Verletzung des Rechts auf gesetzlichen
Richter durch Ablehnung der Besorgnis der Befangenheit eines
Richters für Räumungsprozess trotz fehlerhafter
Rechtsanwendung im vorgehenden Rechtsstreit über die
Miethöhe
Gründe
I.
Die Beschwerdeführer sind Mieter einer Wohnung. Sie wenden sich mit ihrer
Verfassungsbeschwerde gegen Gerichtsentscheidungen über von ihnen in einem
mietrechtlichen Berufungsverfahren bei dem Landgericht Berlin angebrachte
Ablehnungsgesuche und erstreben mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung die Aussetzung jenes Verfahrens bis zur Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofs über die Verfassungsbeschwerde.
Die Beschwerdeführer waren Beklagte in einem Rechtsstreit über die Miethöhe vor dem
Amtsgerichts Schöneberg (109 C 22/99). Das Landgericht Berlin wies ihre Berufung
gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 26. Juli 1999 durch Urteil vom 23. Juni 2000 - 63
S 493/99 - zurück, sah von der Darstellung des Tatbestandes und der
Entscheidungsgründe ab und stellte fest, dass es den Gründen der angefochtenen
Entscheidung folge. Ergänzend fügte es hinzu: "Entgegen der Auffassung der Beklagten
ist die Klägerin alleinige Vermieterin (BGH MM 1999, 261) und die Kappungsgrenze
aufgrund der vereinbarten und nicht geänderten Mietzinsstruktur von der
Bruttokaltmiete zu berechnen."
Die Beschwerdeführer sind Berufungskläger des den Räumungsrechtsstreit über ihre
Wohnung betreffenden Verfahrens vor dem Landgericht Berlin (63 S 156/00). Sie lehnten
vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 24.Oktober2000 die an dem Urteil vom
23.Juni 2000 beteiligten Richter-Vorsitzende Richterin am Landgericht P.-S., Richter am
Landgericht V. und. Richterin am Landgericht S.- wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Zur Begründung gaben sie im Wesentlichen an: Es treffe nicht zu, dass sie die
Auffassung vertreten würden, die Klägerin beider Verfahren sei nicht alleinige
Vermieterin. Es sei die Klägerin selbst, die diese falsche Auffassung vertrete und auch
tatsächlich danach handele. Mit dem Urteil vom 23.Juni 2000 habe das abgelehnte
Richterkollegium diese Tatsache zum Nachteil der Beschwerdeführer umgekehrt.
Nachdem die Klägerin durch Schriftsatz vom 7. Februar 2000 im Räumungsstreit
entgegen ihrem vorprozessualen Verhaften ihre falsche Auffassung, nicht alleinige
Vermieterin zu sein; selbst widerlegt habe, habe der Prozessbevollmächtigte der
Beschwerdeführer dies durch Schriftsatz vom 19. Juli (gemeint wohl: Juni) 2000 im
Verfahren 63 S 493/99 vorgetragen und um Beiziehung der Akten des
Räumungsprozesses gebeten. Zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 23. Juni
2000 habe die Vorsitzende erklärt, die Akte sei beigezogen worden, die Vollmacht sei
hier nicht relevant, werde dies aber im Kündigungsprozess sein. Damit habe das
Richterkollegium klargestellt, dass es eine Entscheidung über die Bevollmächtigung der
Grundstücksverwaltung dem Räumungsprozess habe vorbehalten wollen. Da man erst
aus dem Urteil erfahren habe, dass die Kammer über die Bevollmächtigung doch
geurteilt habe, sei man von den Richtern überrumpelt worden: Darüber hinaus habe die
Kammer sich in einen krassen Widerspruch begeben, weil sie das
Mieterhöhungsverlangen hätte für unbegründet erachten müssen, wenn sie die Klägerin
als alleinige Eigentümerin betrachte; der krasse Widerspruch lasse den Schluss zu, dass
die Kammer zu dem umgekehrten Ergebnis gekommen wäre, wenn sie sich an ihre
Feststellung, die Klägerin sei alleinige Vermieterin, gehalten hätte. Stattdessen habe sie
Folgerungen zum Nachteil der Beschwerdeführer gezogen und diese verurteilt. Die
Kammer habe der Klägerin ein ihr günstiges Vorbringen an die Hand gegeben, das in
deren bisherigem Vortrag nicht einmal angedeutet gewesen sei und zu deren
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deren bisherigem Vortrag nicht einmal angedeutet gewesen sei und zu deren
vorprozessualen Handlungen in Widerspruch stehe; die Klägerin berufe sich indem
Räumungsprozess nunmehr darauf, in dem Urteil vom 23.Juni2000 sei rechtskräftig
festgestellt worden, dass sie alleinige Vermieterin sei. Da die Bevollmächtigung der
Grundstücksverwaltung in beiden Verfahren der identische Streitpunkt sei, dauerten die
Ablehnungsgründe im Räumungsprozess fort. Die Beschwerdeführer müssten
befürchten, dass die abgelehnten Richterin diesem den gleichen Sachverhalt
betreffenden Verfahren abermals Tatsachen umkehren, sie überrumpeln, sich in
Widersprüche begeben und letztlich die Klägerin begünstigen würden.
Durch Beschluss vom 27. November 2000 verwarf das Landgericht Berlin das
Ablehnungsgesuch gegen die der 63. Kammer nicht mehr angehörende Richterin am
Landgericht S. als unzulässig und erklärte die beiden weiteren Ablehnungsgesuche für
unbegründet Umstände, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei die
Besorgnis begründeten, die abgelehnten Richter träten ihr nicht unvoreingenommen
gegenüber, seien nicht hinreichend dargetan. Die Beschwerdeführer hätten sich hierzu
allein auf die Tätigkeit der abgelehnten Richterin einem vorangegangenen Verfahren
berufen. Frühere Tätigkeiten eines abgelehnten Richters begründeten eine Besorgnis der
Befangenheit aber nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, die hier nicht ersichtlich
seien. Das Ablehnungsgesuch könne grundsätzlich nicht auf die im Vorverfahren zum
Ausdruck gekommene Rechtsauffassung der abgelehnten Richter gestützt werden, da
im Ablehnungsverfahren nur über die Unparteilichkeit, nicht über die Richtigkeit des
Verfahrens und, der Rechtsanwendung zu befinden sei. lm Übrigen sei nicht ganz
nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführer sich in dem früheren Verfahren
"überrumpelt" gefühlt hätten, wenn die Richter sich dort doch ihre Rechtsauffassung zu
Eigen gemacht haben sollen. Zwar sei den Beschwerdeführern zuzugeben, dass die
Entscheidungsgründe des Urteils ihrem Wortlaut nach den Schluss ermöglichten, die
abgelehnten Richter hätten den Beschwerdeführern eine von ihnen nichtvertretene
Rechtsauffassung zugeschrieben; bei verständiger Würdigung erschließe sich jedoch
ohne weiteres, dass die Kammer lediglich der in dem damaligen Verfahren vertretenen
Ansicht der Beschwerdeführer nicht gefolgt sei, die Klägerin habe mit dem
Mieterhöhungsverlangen zugleich die Aufspaltung des Mietverhältnisses begehrt, weil die
von ihr bevollmächtigte Hausverwaltung zugleich seitens der Eigentümergemeinschaft
zur Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens bevollmächtigt worden und die Vollmacht
der Klägerin ausweislich der Vollmachtsurkunde auf ihr Sondereigentum beschränkt
gewesen sei. Die Beschwerdeführer seien auch nicht dadurch "überrumpelt" worden,
dass die abgelehnten Richter entgegen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung
über Umfang und Inhalt der Vollmachtsurkunde entschieden hätten. Denn in dem
amtsgerichtlichen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe das Urteil des Landgerichts
verweise, sei die von der Klägerin auf dem Mieterhöhungsverlangen selbstaufgebrachte
Unterschrift als Nachweis der umfänglichen Bevollmächtigung gewürdigt worden; auf die
Vollmachtsurkunde hätten die abgelehnten Richter bei ihrer Urteilsbegründung nicht
abgestellt.
Das Kammergericht wies die sofortige Beschwerde vom 13. Dezember 2000, mit der die
Beschwerdeführer ihre die Vorsitzende Richterin am Landgericht P.-S. und den Richter
am Landgericht V. betreffenden Ablehnungsgesuche weiter verfolgt hatten, durch
Beschluss vom 20. Februar 2001 unter Bezugnahme auf die als im Wesentlichen
zutreffend bezeichnete Begründung des angefochtenen Beschlusses zurück. Ergänzend
merkte es im Hinblick auf die Beschwerdebegründung an: Nach gefestigter
obergerichtlicher Rechtsprechung könne ein Ablehnungsgrund nur in demjenigen
Verfahren Berücksichtigung finden, in dem er sich tatsächlich ereignet habe. Eine
Ausnahme komme allenfalls bei sogenannten "übergreifenden Ablehnungsgründen" in
Betracht, die aber nicht daraus abgeleitet werden könnten, dass und aus welchen
Erwägungen der Richter in vorangegangenen Parallelverfahren zum Nachteil der
Beschwerdeführer entschieden habe. Darüber hinaus könne ohnehin dahingestellt
bleiben, ob die von den Beschwerdeführern angeführten Gründe geeignet seien,
verfahrensübergreifende Wirkung zu erzielen. Die Beschwerdeführer hätten mit ihren
Gründen die Verfahrensweise und die Rechtsauffassung der Richter beanstandet; auf
beides könne eine Ablehnung - abgesehen von Ausnahmefällen, die hier nicht vorlägen -
nicht gestützt werden. Zur Klärung der Frage nach einer Aufspaltung eines
Mietverhältnisses könne das Ablehnungsgesuch nichts beitragen. Soweit die
abgelehnten Richter im Rechtsstreit über die Miethöhe nach Darstellung der
Beschwerdeführer der Ansicht gewesen seien, es komme dort auf die Entscheidung
dieser Frage im Gegensatz zum Räumungsstreit nicht an, weil das
Mieterhöhungsverlangen auch von der Klägerin unterschrieben gewesen sei, sei dies als
Rechtsanwendung aus ablehnungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Für die
Prüfung der Besorgnis der Befangenheit sei es schließlich ohne Bedeutung, welche
Auffassung die Klägerin in ihrem Parteivortrag zum Umfang der Rechtskraft des Urteils
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Auffassung die Klägerin in ihrem Parteivortrag zum Umfang der Rechtskraft des Urteils
vom 23. Juni 2000 vertrete.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung der
Menschenwürde (Art.6 Abs. 1 VvB), einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und das in
diesem enthaltene Willkürverbot (Art.10 Abs. 1 VvB), eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art.15 Abs. 1 VvB) sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art.
15 Abs. 5 Satz 2 VvB). Ein Verstoß der abgelehnten Richter gegen das Willkürverbot sei
darin zu sehen, dass sie den Beschwerdeführern eine von diesen nicht vertretene
Rechtsansicht zugeschrieben und festgestellt hätten, dass diese Ansicht gegen eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs verstoße; dies sei unter keinem rechtlichen
Aspekt mehr vertretbar. Das Kammergericht und das Landgericht hätten ebenfalls
gegen Art. 10 Abs. 1 VvB verstoßen, da ihre Beschlüsse offensichtlich ohne nähere
Prüfung des Sachverhalts und mithin willkürlich ergangen seien; dies ergebe sich bereits
daraus, dass die willkürliche und unter keinem Aspekt haltbare Feststellung der
abgelehnten Richter als deren Verfahrensweise und Rechtsauffassung bezeichnet werde.
Es handele sich demgegenüber um ein inkorrektes Verhalten der abgelehnten Richter
zum Nachteil der Beschwerdeführer, mit dem das Ablehnungsgesuch und die sofortige
Beschwerde begründet worden seien. Neben dem Verstoß gegen das Willkürverbot liege
insofern eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die abgelehnten
Richter vor. Die willkürliche und falsche Feststellung der abgelehnten Richter entfalte
keine Wirkung auf das entschiedene Berufungsverfahren und diene folglich ausschließlich
dem Zweck, eine verfahrensübergreifende Festlegung ihrer Meinung hinsichtlich der
Aufspaltung des Mietverhältnisses in Hinblick auf den Räumungsstreit kundzugeben.
Unter diesen Umständen greife die Auffassung in den angegriffenen Beschlüssen, dass
diese Festlegung als Ablehnungsgrund im Räumungsstreit nicht geltend gemacht
werden könne, nicht durch. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit beruhe
ausschließlich darauf, dass die abgelehnten Richter sich in ihrer willkürlichen Meinung
festgelegt hätten und daher in dem anhängigen Rechtsstreit entgegen Art. 15 Abs. 5
Satz 2 VvB nicht unparteiisch sachlich entscheiden würden. Schließlich habe das
Kammergericht wie das Landgericht gegen Art. 6 Abs. 1 VvB verstoßen, da jede
Grundrechtsverletzung zugleich die Verletzung der Menschenwürde beinhalte.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig ist,
erweist sie sich jedenfalls als offensichtlich unbegründet.
Entscheidungen über die Ablehnung von Gerichtspersonen während eines vor dem
Landgericht als Berufungsgericht anhängigen Mietrechtsstreits können selbständig mit
der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ist die Verfassungsbeschwerde gegen solche
Entscheidungen in selbständigen Zwischenverfahren zulässig, die über eine für das
weitere Verfahren wesentliche Rechtsfrage abschließend befinden und in einem weiteren
Instanzenzug nicht mehr nachgeprüft oder korrigiert werden können (BVerfGE 24, 56, 61
m. w. N.; BVerfGE 25,336,344). Der Beschluss des Kammergerichts über die sofortige
Beschwerde gemäß §§ 46 Abs. 2, 577 ZPO kann mit Rechtsmitteln nicht angegriffen
werden (vgl. § 568 Abs. 2 Satz 1 ZPO), beendet ein selbständiges Zwischenverfahren
und ist für das weitere Verfahren bindend. Gegen ein von den abgelehnten Richtern
erlassenes Berufungsurteil des Landgerichts sind keine Rechtsmittel gegeben (vgl. § 545
ZPO). Unter diesen Voraussetzungen ist die Verfassungsbeschwerde (zumindest) gegen
die (letztinstanzliche) Entscheidung über die Ablehnung von Gerichtspersonen statthaft
(vgl. BVerfGE 24, 56, 60 f. zum Arbeitsgerichtsprozess).
Die Verfassungsbeschwerde ist, hinsichtlich eines Teils der Rügen bereits unzulässig.
Gemäß § 49 Abs. 1 und § 50 VerfGHG ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig,
soweit sich der Beschwerdeführer auf ihm in der Verfassung von Berlin gewährleistete
Rechte beruft und sich aus seinem Vorbringen zumindest die Möglichkeit einer
Verletzung dieser Rechte ergibt. Die Möglichkeit der Verletzung der Rechte aus Art. 6
Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 VvB haben die Beschwerdeführer nicht in einer dem
Begründungserfordernis des § 50 VerfGHG genügenden Weise dargetan. Für eine - nicht
bereits bei jeder Verletzung eines anderen Grundrechts vorliegende - Verletzung der
Menschenwürde ist nichts ersichtlich. Ferner ist für eine Verletzung rechtlichen Gehörs in
dem Verfahren über die Ablehnungsgesuche überhaupt nichts vorgetragen; die im
Zusammenhang mit Art. 15 Abs. 1 VvB vorgebrachten Rügen beziehen sich
ausschließlich auf Verhalten der abgelehnten Richter. Letztlich ist die Rüge einer
Verletzung des Willkürverbots (Art.10 Abs. 1 VvB) durch die abgelehnten Richter im
Rahmen des Rechtsstreits über die Miethöhe nicht geeignet eine Rechtsverletzung durch
die hier angegriffenen Entscheidungen zu begründen. Soweit die Beschwerdeführer in
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die hier angegriffenen Entscheidungen zu begründen. Soweit die Beschwerdeführer in
den hier verfahrensgegenständlichen Beschlüssen von Kammergericht und Landgericht
Verstöße gegen das Willkürverbot erblicken, liegt - wie nachfolgend im Kontext des
Rechts auf den gesetzlichen Richter ausgeführt - ein solcher Verfassungsverstoß -
unbeschadet der Frage hinreichender Darlegung - jedenfalls im Ergebnis offensichtlich
nicht vor.
Die Beschwerdeführer sind schließlich durch die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs
und der sofortigen Beschwerde nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 15
Abs. 5 Satz 2 VvB) verletzt. Auch wenn das verfassungsmäßige Recht auf den
gesetzlichen Richter das Recht auf einen neutralen, unabhängigen Richter umfasst (vgl.
BVerfGE 21, 139, 145 f.; BVerfG -1. Kammer des 1. Senats - Beschluss vom 5. Februar
1996 - 1 BvR 1487/89 - NVwZ 1996, 885 zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die Frage, ob
eine Partei eines Rechtsstreits zu Recht die Befangenheit eines Richters befürchtet und
diesen deshalb ablehnen kann, grundsätzlich eine Frage der Auslegung und Anwendung
der entsprechenden einfach-rechtlichen Verfahrensvorschriften (BVerfG, Beschluss vom
29. November 1979 - 2 BvR 1359/79 - NJW 1977, 1379). Verfassungsgerichtlicher
Überprüfung unterliegt deshalb insoweit nicht die richtige Anwendung der einschlägigen
Verfahrensvorschriften im Einzelfall, sondern lediglich die Einhaltung der durch das
Willkürverbot gezogenen Grenzen (BVerfGE, 31, 145, 164; BVerfG, Beschluss vom 29.
November 1979, a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 20. Dezember 1999 - VerfGH 38/99 -
NZM 2000, 231). Willkürlich können die angegriffenen Entscheidungen nur sein, wenn sie
sich bei Auslegung und Anwendung des hier maßgeblichen § 42 Abs. 2 ZPO so weit von
dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt haben, dass
sie bei verständiger Würdigung der die Verfassung von Berlin beherrschenden Gedanken
nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. zum
Bundesrecht BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 15. März 1984 - 1
BvR 200/84 - NJW 1984, 1874; BVerfGE 29, 45, 48 f). Wegen eines Verstoßes gegen das
Willkürverbot kommt daher ein verfassungsgerichtliches Eingreifen nur in seltenen
Ausnahmefällen in Betracht und nicht schon dann, wenn die Rechtsanwendung oder das
eingeschlagene Verfahren bei der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs Fehler
aufweisen (BVerfG, Beschluss vom 15. März 1984, a.a.0.). Eine Auslegung der
einfachgesetzlichen Ablehnungsregelungen dahingehend, dass frühere, möglicherweise
gesetzeswidrige oder ermessensfehlerhafte Entscheidungen eines abgelehnten Richters
zum Nachteil des Ablehnenden die Besorgnis der Befangenheit nur dann rechtfertigen,
wenn zugleich Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Richter gegenüber der
betroffenen Partei voreingenommen ist, ist mit Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB offensichtlich
vereinbar; sie gewährleistet, dass der nach Gesetz und Geschäftsverteilungsplan an sich
zuständige Richter nicht ohne triftigen Grund in einem Einzelfall von der Mitwirkung an
der Entscheidung ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 31, 145, 164 f. zu Art.101
Abs. 1 Satz 2 GG).
Im vorliegenden Fall ist die Auffassung von Kammergericht und Landgericht anhand
dieses Entscheidungsmaßstabes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass
beiden abgelehnten Richtern wegen des von. den Beschwerdeführern gerügten
Verhaltens im abgeschlossenen Rechtsstreit über die Miethöhe keine Befangenheit bei
Entscheidung des Räumungsstreits zu besorgen sei. Die in den angefochtenen
Beschlüssen zum Ausdruck kommende Auslegung des Begriffs der Besorgnis der
Befangenheit steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB. Dies gilt auch für die
Rechtsauffassung, dass frühere Tätigkeiten eines abgelehnten Richters eine Besorgnis
der Befangenheit nur bei Hinzutreten weiterer Umstände oder bei einem
"übergreifenden Ablehnungsgrund" begründen könnten. Als willkürliche Auslegung bzw.
Anwendung der Regelung über die Ablehnung von Gerichtspersonen ist es nicht
anzusehen, wenn das Kammergericht die Ablehnungsgründe der Beschwerdeführer als
eine Beanstandung von "Verfahrensweise" und "Rechtsauffassung" der abgelehnten
Richterin dem Rechtsstreit über die Miethöhe beurteilt. Das Kammergericht erkennt an,
dass es Ausnahmen von dem Grundsatz, eine Ablehnung nicht auf die Verfahrensweise
und die Rechtsauffassung der Richter stützen zu können, gibt. Darin, dass es eine
derartige Ausnahme hier nicht für gegeben hält, liegt ebensowenig ein
Verfassungsverstoß wie in der im Beschluss des Landgerichts vertretenen Auffassung,
es seien bei vernünftiger Betrachtung aus Sicht einer verständigen Prozesspartei keine
Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass die
abgelehnten Richterin dem anhängigen Verfahren ihrer Aufgabe, Rechtsstreite ohne
Ansehen der Person unparteiisch zu entscheiden, nicht nachkommen werden. Soweit die
Beschwerdeführer in der Begründung der Verfassungsbeschwerde geltend machen, die
Besorgnis der Befangenheit beruhe ausschließlich darauf, dass die abgelehnten Richter
sich in ihrer willkürlichen Meinung festgelegt hätten und daher den Räumungsrechtsstreit
nicht unparteiisch sachlich entscheiden werden, vermögen sie die Verfassungswidrigkeit
der angegriffenen Entscheidungen nicht darzutun. Das Landgericht hat in seinem Urteil
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der angegriffenen Entscheidungen nicht darzutun. Das Landgericht hat in seinem Urteil
vom 23. Juni 2000 die Meinung vertreten, die Klägerin sei auf der Grundlage der in einer
neueren Entscheidung des Bundesgerichtshofs (MM 1999, 261) vertretenen
Rechtsauffassung als alleinige Vermieterin anzusehen; dafür, dass diese - von den
Beschwerdeführern ausdrücklich geteilte - Rechtsauffassung willkürlich sein könnte, ist
nichts ersichtlich. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das
Kammergericht und das Landgericht in den vorliegend angegriffenen Entscheidungen
dem Umstand, dass den Beschwerdeführern in dem vorgenannten Urteil des
Landgerichts eine gegenteilige Auffassung zugesprochen wurde, offenbar keine
befangenheitsbegründende Wirkung zuerkannt haben; denn auch ein offenkundiger
Fehler in der Darstellung der Entscheidungsgründe lässt nicht notwendigerweise auf
Befangenheit schließen. Hinreichende Anhaltspunkte für eine willkürliche Handhabung
der Regelung über die Ablehnung der Gerichtspersonen durch Kammer- bzw.
Landgericht haben die Beschwerdeführer mit der Begründung ihrer
Verfassungsbeschwerde auch im Übrigen nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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