Urteil des VerfGH Berlin vom 27.12.2000

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, verfassungsbeschwerde, eigenbedarf, verfügung, belastung, tod, haus, härte, grundstück, verfassungsrecht

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
199/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 15 Abs 1 Verf BE, Art 10
Abs 1 Verf BE, § 564b Abs 2 Nr
2aF BGB
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerdeführer sind seit 1983 Mieter einer 2-Zimmer-Erdgeschoss-Wohnung
eines Mietshauses in Berlin-Zehlendorf. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2000 kündigte
die Vermieterin den Beschwerdeführern wegen Eigenbedarfs für ihren Sohn zum 1.
Januar 2002. Dieser wolle nach Berlin ziehen, um die Vermieterin dort privat und
geschäftlich zu unterstützen. Im April 2001 berief sich die Vermieterin darüber hinaus
darauf, ihr Sohn sei schwer krebserkrankt und pflegebedürftig. Gleichzeitig mit der
Wohnung der Beschwerdeführer kündigte die Vermieterin die im 1. OG rechts gelegene
Wohnung wegen eigenen Eigenbedarfs und zog in diese Wohnung dann auch ein. Im
Kündigungsschreiben an die Beschwerdeführer wurde die Absicht erklärt, die zukünftigen
Wohnungen von Vermieterin und Sohn durch eine Wendeltreppe zu verbinden.
Das Amtsgericht Schöneberg verurteilte die Beschwerdeführer am 10. April 2002 zur
Räumung und Herausgabe der Wohnung, wogegen diese Berufung einlegten. Der Sohn
der Vermieterin, der seit Ende Mai/Anfang Juni 2002 in die Wohnung der Vermieterin im
1. OG rechts gezogen und dort von ihr gepflegt worden war, verstarb am 22. Juli 2002.
Während der Zeit der Pflege ihres Sohnes wohnte die Vermieterin als Untermieterin in
einer Wohnung außerhalb des Hauses. Nach dessen Tod wohnte sie zunächst bis Anfang
Oktober 2002 in der Wohnung im 1. OG rechts und wechselte dann wiederum in eine
Wohnung außerhalb des Hauses. Danach wurde die Wohnung im 1. OG rechts
gelegentlich vom Bruder der Vermieterin genutzt.
Mit Schreiben vom 12. September 2002 teilte die Vermieterin mit, sie halte an dem
Räumungsbegehren fest, das sie nunmehr auf eigenen Bedarf stütze, da es für sie eine
erhebliche psychische Belastung darstelle, in der Wohnung im 1. OG rechts zu
verbleiben, in der sie ihren Sohn gepflegt habe und ständig an diese Situation erinnert
werde. Darüber hinaus habe sie bereits einen Herzinfarkt erlitten, und es falle ihr immer
schwerer, Treppen zu steigen. Zudem wolle sie den Garten und die Terrasse nutzen. Die
Beschwerdeführer führten hiergegen aus, die Vermieterin könne nicht die Bedarfsperson
im Berufungsverfahren austauschen. Weiterhin bestritten sie, dass die Vermieterin
Probleme beim Treppensteigen habe, und rügten, dass ein Beweisangebot hierzu von
Seiten der Vermieterin nicht erfolgt sei. Sie erklärten, sie würden im Haus wohnen
bleiben wollen und wären auch bereit, die nunmehr freiwerdende, bisher von der
Vermieterin bewohnte Wohnung zu beziehen. Diese erklärte daraufhin, diese Wohnung
wolle sie nicht mehr vermieten, sondern für gelegentliche Aufenthalte ihres Bruders
sowie für etwaige Gäste zur Verfügung halten. Zudem erwäge sie, die Wohnung teilweise
als Ferienwohnung, d. h. gewerblich zu nutzen. In der mündlichen Verhandlung am 29.
Juli 2003 erhob das Landgericht Beweis durch Vernehmung des Bruders der Vermieterin,
der zu diesem Termin einen Mietvertrag für die Wohnung im 1. OG rechts vorlegte.
Das Landgericht wies die Berufung der Beschwerdeführer mit Urteil vom 29. Juli 2003
zurück. In seiner Begründung führte es aus, die Eigenbedarfskündigung vom 27.
Dezember 2000 habe das Mietverhältnis zum 31. Dezember 2001 beendet. Nach dem
Tod des Sohnes habe die Klägerin ihre Eigenbedarfskündigung in zulässiger Weise auf
sich als neue Bedarfsperson stützen können. Die Vermieterin habe einen ernsthaften,
vernünftigen und nachvollziehbaren Erlangungswunsch in zulässiger Weise dargelegt.
Zwar hätten die Gerichte allen Gesichtspunkten nachzugehen, die Zweifel an der
Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches begründeten, und einer missbräuchlichen
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Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches begründeten, und einer missbräuchlichen
Ausübung des Rechts zu begegnen. Sie seien jedoch nicht berechtigt, ihre Vorstellung
von angemessenem Wohnen an die Stelle der Vorstellungen und der Lebensplanung des
Eigentümers zu setzen. Die Tatsache, dass es für die Vermieterin eine psychische und
physische Belastung darstelle, in den Räumlichkeiten zu leben, in denen sie ihren Sohn
bis zu dessen Tod gepflegt habe, und dass sie aufgrund ihres Alters bevorzuge, im
Erdgeschoss zu wohnen, weil ihr zukünftig das Treppensteigen zunehmend schwerer
fallen werde, stelle einen ernsthaften, vernünftigen und nachvollziehbaren
Erlangenswunsch dar. Äußere Anhaltspunkte dafür, dass die Vermieterin entgegen
ihrem Vortrag tatsächlich nicht die Wohnung zu beziehen beabsichtige, lägen nicht vor.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass ihr das Treppensteigen zur Zeit noch nicht
schwer falle, sei der psychologische Grund für den Wohnungswechsel als ausreichend
anzusehen, da er nicht als von vorn herein schlechthin nicht nachvollziehbar erscheine.
Es läge auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten aufgrund eines weit überhöhten
Wohnungsbedarfes vor. Die Vermieterin handele auch nicht dadurch
rechtsmissbräuchlich, dass sie die eigene zuvor bewohnte Wohnung den
Beschwerdeführern nicht anbiete, da in ihrem Fall eine Anbietpflicht nicht bestehe. Die
Eigentumsgarantie umfasse nicht nur den Entschluss des Vermieters, eine bisher
vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen, sondern auch die Disposition,
Immobilien nicht mehr dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Dass
dies der Fall sei, sei aufgrund der Aussage ihres Bruders bestätigt worden. Seinen
Bekundungen zufolge habe er die Wohnung nach dem Ableben des Sohnes zwei bis drei
Mal im Monat für Übernachtungen genutzt und sei aufgrund einer Arbeitsstelle in
Rangsdorf auch auf eine nahe gelegene Unterkunft angewiesen. Er spreche sich jeweils
mit der Vermieterin ab, wann und wer von der Familie die Wohnung nutzen könne, und
habe seit Oktober 2002 auch einen Mietvertrag mit der Vermieterin abgeschlossen. Er
leiste hierauf Zahlungen und erbringe im Übrigen stattdessen Handwerkerleistungen am
Grundstück. Die Beschwerdeführer könnten sich hiergegen nicht auf eine unzumutbare
Härte berufen. Weder die lange Mietdauer von 20 Jahren noch die vermeintlich fehlende
Möglichkeit, vergleichbar preiswerten Ersatzwohnraum anzumieten, stelle eine solche
Härte dar. Denn das aus der Mietdauer eventuell resultierende immaterielle Interesse
am Fortbestand des Mietverhältnisses träte gegenüber dem konkreten Eigenbedarf der
Vermieterin zurück. Zudem hätten die Beschwerdeführer nicht ausreichend dargelegt,
dass sie sich um Ersatzwohnraum bemüht hätten. Es sei aber weder gerichtsbekannt,
dass vergleichbarer Ersatzwohnraum fehle, noch sei dies unmittelbar aus der Berliner
Marktlage abzuleiten. Auch die mit einem Umzug unter Umständen eintretenden
Unannehmlichkeiten aufgrund längerer Wege seien hinzunehmen.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer
Rechte aus Art. 10 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 der Verfassung von Berlin (VvB) in
Verbindung mit einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und der Gewährleistung
wirkungsvollen Rechtsschutzes. Das Landgericht habe hinsichtlich der psychischen
Beeinträchtigungen der Vermieterin, die von ihnen bestritten worden seien, keinen
Beweis erhoben, sondern sich bei der Zeugeneinvernahme des Bruders lediglich mit der
Frage der Anbietpflicht befasst. Das Landgericht habe die psychischen
Beeinträchtigungen der Vermieterin jedoch ohne Beweisaufnahme nicht als richtig
unterstellen dürfen. Die Begründung des Landgerichts, dass keine Anhaltspunkte für
einen Missbrauch der Eigenbedarfskündigung vorlägen, sei nicht nachvollziehbar. Es
gäbe insbesondere keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach Eigentümer oder Mieter
eine Wohnung verlassen, wenn ein naher Verwandter oder Lebenspartner sterbe. Auch
zur gesundheitlichen Situation der Vermieterin sei weder ein ordentliches Beweisangebot
erfolgt, noch habe das Landgericht eine Beweisaufnahme durchgeführt. Dabei handele
es sich zudem um einen Bedarfsgrund für die Zukunft. In Bezug auf die Anbietpflicht sei
das Landgericht den Widersprüchen im Vortrag der Vermieterin nicht nachgegangen,
insbesondere nicht der Behauptung, dass der Bruder Mieter sei, aber seit Februar 2003
keine Mietzahlungen leiste und auf die Nachfrage, welche Arbeitsleistungen er denn in
der Wohnung oder im Haus ausführe, nichts Konkretes angeben konnte. Es stelle einen
schweren Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und die Gewährleistung eines
wirkungsvollen Rechtsschutzes in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten dar, sofern eine
gebotene Beweisaufnahme unterbleibe und der bestrittene Sachvortrag einer
Prozesspartei als richtig und zutreffend unterstellt werde. Im Übrigen habe das
Landgericht die mehrfach von den Beschwerdeführern vertretene Rechtsauffassung,
dass es darauf ankomme, wann der zweite Eigenbedarf entstehe und ob er im laufenden
Verfahren geltend gemacht werden könne oder eine erneute Kündigung erforderlich sei,
nicht geklärt.
II. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die
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Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die
Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache
der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch den
Verfassungsgerichtshof grundsätzlich entzogen. Dieser greift nur bei der Verletzung von
Verfassungsrecht durch die Gerichte auf eine Verfassungsbeschwerde hin ein. Das ist
nicht schon dann der Fall, wenn eine Entscheidung nach einfachem Recht objektiv
fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen.
Die Schwelle eines Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht ist erreicht, wenn die
Entscheidungen der Fachgerichte Auslegungsfehler erkennen lassen, die auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts,
insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen
Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. für das
Bundesrecht: BVerfGE 68, 361 <372>).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist im Verfahren der Beschwerdeführer ein
Verfassungsverstoß nicht erkennbar:
1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör
vor Gericht rügen, liegt ein Grundrechtsverstoß nicht vor.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör erfordert, dass einer gerichtlichen Entscheidung nur
solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die
Beteiligten zuvor äußern konnten (Beschluss vom 15. November 2001 – VerfGH 127/00
–). Diesem Äußerungsrecht der Beteiligten entspricht die Pflicht des Gerichts, deren
Vorbringen einschließlich erheblicher Beweisanträge zur Kenntnis zu nehmen und in
seine Erwägungen einzubeziehen (Beschluss vom 16. November 1995 – VerfGH 48/94 –
LVerfGE 3, 113 <116>; st. Rspr.). Diese Berücksichtigungspflicht gewährt jedoch keinen
Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen
oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Das gilt auch für
Beweisanträge (Beschluss vom 18. Mai 2000 – VerfGH 117/98 –). Das Gericht ist
verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Beweisanträge zu berücksichtigen, wenn es die
angebotenen Beweise aus Rechtsgründen für unerheblich hält (Beschluss vom 14.
Oktober 1999 – VerfGH 115/98 –).
So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat in seiner Begründung dargelegt, die
Vermieterin habe nach seiner Auffassung einen ernsthaften, vernünftigen und
nachvollziehbaren Erlangungswunsch in zulässiger Weise dargelegt. Es hat dabei sowohl
die von der Vermieterin vorgetragene physische als auch die psychische Belastung
erwogen. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht den von
den Beschwerdeführern angebotenen Beweisen bezüglich der Möglichkeit der
Vermieterin, zum Zeitpunkt der Entscheidung noch Treppen steigen zu können, nicht
nachgegangen ist. Den Erwägungen des Landgerichts kann nicht entgegengehalten
werden, dass es auf einen zukünftigen Sachverhalt abgestellt und somit eine
„Vorratskündigung“ gerechtfertigt hat, da das Landgericht dies erörtert hat und selbst
ausführt, dass der psychologische Grund nach seiner Ansicht allein ausreicht, um den
Eigenbedarf als gerechtfertigt anzusehen. Das Landgericht war damit nicht verpflichtet,
der gesundheitlichen Situation der Vermieterin durch Beweisaufnahme nachzugehen.
Es verstößt auch nicht gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, dass das Landgericht
in dem Vorbringen der Vermieterin, es stelle eine psychische Belastung für sie dar, in
den Räumlichkeiten zu leben, in denen sie ihren Sohn bis zum Tode gepflegt habe, einen
ernsthaften, vernünftigen und nachvollziehbaren Erlangungswunsch gesehen hat. Eine
Nachprüfung des Entschlusses des Vermieters, seine Wohnung selbst zu nutzen, ist
nicht unbeschränkt zulässig (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 68, 361 <373 f.>; 79,
292 <303 ff.>). Bei der Eigenbedarfskündigung geht es für beide Vertragsteile um
Interessen mit starkem personalen Bezug. Die Wohnung eines Menschen ist Teil seines
persönlichen Lebenszuschnitts. Der Wunsch, eine bestimmte Wohnung zu nutzen, lässt
sich nicht ausschließlich oder in erster Linie an objektiven Kriterien messen. Er hängt
vielmehr eng mit dem bisherigen Lebensweg eines Menschen, seinen Zukunftsplänen
und seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen zusammen. Dies alles würde in
einem Räumungsprozess aufgrund einer Eigenbedarfskündigung durch die Gerichte
bewertet werden, wenn sie eine unbeschränkte Überprüfungsbefugnis hätten. Eine
solche Nachprüfung ginge über das Regelungsziel der Vorschrift des § 564 b Abs. 2 Nr. 2
BGB a. F. hinaus und wäre deshalb unverhältnismäßig (vgl. BVerfGE 79, a. a. O.). Es
kann daher entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht darauf ankommen, ob
im Sinne eines allgemeinen Erfahrungssatzes jeder nach dem Tod eines Angehörigen
die gemeinsame Wohnung nicht weiter bewohnen möchte. Verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden ist, dass das Landgericht das Vorbringen der Vermieterin nicht als von
vornherein nicht nachvollziehbar angesehen hat, da – auch nach der von den
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vornherein nicht nachvollziehbar angesehen hat, da – auch nach der von den
Beschwerdeführern in der Verfassungsbeschwerde zitierten Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 1993 (WuM 1993, 380 <383>) – hierin
durchaus Umstände zu sehen sind, die nach der Lebenserfahrung existieren. Tatsachen,
die auf einen nur vorgeschobenen Eigenbedarf hindeuten, haben die Beschwerdeführer
nicht vorgetragen. Das Landgericht hat auch keinen ausreichend substantiierten,
entscheidungserheblichen Vortrag der Beschwerdeführer begründungslos übergangen
(vgl. zu den Voraussetzungen: Beschluss vom 14. Februar 2005 – VerfGH 186/04 – GE
2005, 520 ff.).
Ein Gehörsverstoß besteht auch nicht darin, dass das Landgericht den Widersprüchen in
den Aussagen des als Zeugen gehörten Bruders der Vermieterin nicht im Einzelnen
nachgegangen ist, da das Landgericht einfachrechtlich vertretbar davon ausgegangen
ist, dass es nicht darauf ankommt, ob die Vermieterin die Wohnung an ihren Bruder
vermietet hat. Das Landgericht hat dabei ersichtlich die Ausführungen der
Beschwerdeführer zur Kenntnis genommen. Es hat nämlich ausgeführt, dass eine
Anbietpflicht deshalb nicht bestehe, da eine andere freie Wohnung der Vermieterin dem
Markt nicht zur Verfügung gestellt werde und zwar nicht lediglich zur Nutzung des
Bruders, sondern auch zur Überlassung zum Aufenthalt für Verwandte und Freunde. Das
Landgericht hat es auch, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer, nicht
unbegründet dahinstehen lassen, ob tatsächlich ein Mietverhältnis zwischen der
Vermieterin und ihrem Bruder besteht, also insbesondere auch entsprechende
Mietzahlungen oder Handwerksleistungen am Grundstück regelmäßig erfolgt sind. Das
Landgericht hat vielmehr maßgeblich darauf abgestellt, dass die Wohnung von
Verwandten der Klägerin tatsächlich genutzt wird, hierin die Aussage des Bruders als
glaubhaft angesehen. Insbesondere betont das Landgericht in diesem Zusammenhang,
dass die Beschwerdeführer eine Nutzung der Wohnung durch Angehörige der Klägerin
nicht in Abrede zu stellen vermocht hätten.
2. Die Entscheidung des Landgerichts verstößt auch nicht gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz.
Art. 10 Abs. 1 VvB gewährleistet, wie der gleichlautende Art. 3 Abs. 1 GG, eine
umfassende Gleichheitsgarantie für alle Menschen mit demselben Umfang wie die
Verbürgung in Art. 3 Abs. 1 GG und damit auch in der materiellen Ausprägung als
Willkürverbot (vgl. Beschluss vom 11. Januar 1995 – VerfGH 81/94 – LVerfGE 3, 3 <6>;
st. Rspr.). Das verfassungsrechtliche Willkürverbot wird indes durch eine gerichtliche
Entscheidung nur dann verletzt, wenn sie bei verständiger Würdigung der die Verfassung
beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss
aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Eine fehlerhafte Auslegung
eines Gesetzes allein macht eine Entscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst
dann vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt worden ist, d. h., wenn bei
objektiver Würdigung der Gesamtumstände die Annahme geboten ist, die vom Gericht
vertretene Rechtsauffassung sei im Bereich des schlechthin Abwegigen anzusiedeln.
Davon kann nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage
auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl.
ebenda, S. 7). So liegen die Dinge hier.
Wie unter 1. bereits ausgeführt, sind die auf Verfahrensrecht beruhenden
Entscheidungen des Landgerichts, bezüglich der Gesundheitssituation der Vermieterin
und den psychischen Gründen für ihren beabsichtigten Wohnungswechsel keine Beweise
zu erheben, nach den vorgenannten Voraussetzungen vertretbar.
Es ist auch keine Willkür darin zu sehen, dass das Landgericht zur Frage des Wechsels
der Bedarfsperson lediglich festgestellt hat, dass die Vermieterin ihre
Eigenbedarfskündigung in zulässiger Weise auf sich als Bedarfsperson stützen konnte.
Dass das Landgericht dieses Problem nicht gesehen hat, somit ein Verstoß gegen das
Gehörsrecht vorliegen könnte, behaupten die Beschwerdeführer schon selbst nicht.
Warum sie die Auffassung des Landgerichts, dass die Vermieterin sich im laufenden
Verfahren noch in der Berufungsinstanz auf einen neuen Eigenbedarf stützen konnte, als
willkürlich ansehen, legen die Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde nicht
dar. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, da nicht erkennbar ist,
worin nach den zuvor genannten Voraussetzungen der Verfassungsverstoß gesehen
werden könnte.
Es ist zudem nach den vorgenannten Voraussetzungen auch nicht als willkürlich
anzusehen, dass das Landgericht unter Berufung auf Rechtsprechung des
Oberlandesgerichts Karlsruhe und des Bundesverfassungsgerichts eine Anbietpflicht der
Wohnung der Vermieterin an die Beschwerdeführer mit der Begründung verneint hat, die
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Wohnung der Vermieterin an die Beschwerdeführer mit der Begründung verneint hat, die
zuvor von ihr bewohnte Wohnung stehe nicht mehr dem allgemeinen Wohnungsmarkt
zur Verfügung, sondern werde anderweitig genutzt. Denn die Gerichte haben nicht nur
den Selbstnutzungswunsch des Vermieters zu respektieren, sondern auch seine
Entscheidung, wie er über die Nutzung seiner sonstigen Eigentumsgegenstände
disponiert hat. Dazu gehört z. B. auch der Entschluss, weitere Immobilien gewerblich und
als finanzielle Grundlage für die eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu nutzen (vgl.
für das Bundesrecht: BVerfGE 81, 29 <34>). Rechtsmissbräuchlich verhält sich der
Vermieter nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls dann nicht, wenn er
eine freie Wohnung im selben Haus nicht anbietet, die nicht weiterhin vermietet werden
soll (vgl. BGH, NJW 2003, 2604; OLG Karlsruhe, WuM 1993, 105 f.; BVerfG, NJW 1990, 309
und NJW 1994, 435 f.; vgl. darüber hinaus zum Zeitpunkt einer gegebenenfalls
bestehenden Anbietpflicht BGH, NJW 2003, 2604 <2605>).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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