Urteil des VerfGH Berlin vom 13.03.2017

VerfGH Berlin: anspruch auf rechtliches gehör, verfassungsbeschwerde, rücknahme, daten, arbeitsgericht, einspruch, rechtsschutzinteresse, rüge, miete, wiederholungsgefahr

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Gericht:
Verfassungsgerichtshof
des Landes Berlin
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
115/02, 148/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 6 Verf BE, Art 7 Verf BE, Art
10 Abs 1 Verf BE, Art 15 Abs 1
Verf BE, Art 15 Abs 4 S 1 Verf
BE
Tenor
Die Verfahren werden unter dem führenden Aktenzeichen VerfGH 115/02 zur
gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. 1. Das Arbeitsgericht Berlin erließ gegenüber der Beschwerdeführerin einen
Mahnbescheid wegen einer Hauptforderung von 416,19 DM. Nachdem die
Beschwerdeführerin die Forderung bezahlt hatte, beantragte der Gläubiger (= späterer
Kläger) einen Vollstreckungsbescheid über 416,19 DM abzüglich geleisteter 416,19 DM;
dieser wurde am 31. Dezember 2001 antragsgemäß erlassen.
Auf den Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Vollstreckungsbescheid erklärte
der Gläubiger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Beschwerdeführerin
widersprach der Erledigungserklärung mit der Begründung, der Erlaß des
Vollstreckungsbescheids sei unzulässig gewesen, weil der im Mahnbescheid genannte
Betrag zu diesem Zeitpunkt schon bezahlt gewesen sei. Der Gläubiger erklärte
daraufhin, den Vollstreckungsbescheid nur im Hinblick auf die Gerichtskosten beantragt
zu haben. Mit Schreiben vom 15. April 2002 erwiderte die Beschwerdeführerin, daß dem
Gläubiger hierfür ein Rechtsschutzinteresse gefehlt habe, da keine Gerichtskosten
angefallen wären, wenn er den Mahnbescheidsantrag nach Eingang der Zahlung
zurückgenommen hätte. Der Einspruch wurde vom Arbeitsgericht am 16. April 2002
durch zweites Versäumnisurteil auf Kosten der – im Einspruchstermin säumigen –
Beschwerdeführerin verworfen. Den Streitwert setzte das Gericht auf 12,27 € fest.
Gegen dieses Urteil legte die Beschwerdeführerin Berufung ein und führte zur
Begründung aus: Das Arbeitsgericht habe weder eine Schlüssigkeitsprüfung
vorgenommen noch die Zulässigkeit des Antrags auf Erlaß eines
Vollstreckungsbescheids geprüft; auch sei ihr Schriftsatz vom 15. April 2002
unberücksichtigt geblieben. Wegen der Verfahrenskosten allein habe kein
Vollstreckungsbescheid erlassen werden dürfen. Die Beschwerdeführerin beantragte
ferner die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren.
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung mit Urteil vom 3. Juli 2002 zurück. Es könne
dahinstehen, ob der Beschwerdeführerin über den Wortlaut des § 514 Abs. 2 ZPO hinaus
ein Rechtsmittel gegen das zweite Versäumnisurteil zustehe, denn die Berufung sei
jedenfalls unbegründet. Aufgrund der besonderen Umstände des Falls habe das
Arbeitsgericht vor Erlaß des zweiten Versäumnisurteils die Schlüssigkeit der Klage nicht
prüfen müssen. Da der Kläger hier – anders als in einem Parallelverfahren, in welchem
die Tilgung der Hauptforderung erst nach dem Einspruch des dortigen Beklagten gegen
den Vollstreckungsbescheid mitgeteilt worden sei – bereits mit dem Antrag auf Erlaß
eines Vollstreckungsbescheids angegeben habe, daß die Hauptforderung erfüllt worden
sei, erfasse das zweite Versäumnisurteil die Hauptforderung nicht. Die Verwerfung des
Einspruchs der Beschwerdeführerin beziehe sich allein auf die vom Kläger im
Mahnverfahren geltend gemachten Zinsen. Das ergebe sich auch aus dem vom
Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert von 12,27 €.
Den Antrag auf Prozeßkostenhilfe wies das Landesarbeitsgericht mit folgender
Begründung zurück: Unter Berücksichtigung eines Streitwerts von 12,27 € erachte das
Gericht den Antrag bereits als unverschämt. Er sei aber auch unbegründet. Zum einen
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Gericht den Antrag bereits als unverschämt. Er sei aber auch unbegründet. Zum einen
biete die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, zum anderen sei nicht
davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin die Kosten der Prozeßführung nicht
aufbringen könne. Die Beschwerdeführerin wohne in ihrem eigenen Haus, dessen Wert
sie mit 250.000.- DM beziffere. Sie zahle sich selbst eine Miete nach ihren Angaben in
Höhe von 1.731,17 €. Es sei nicht nachvollziehbar, wovon die Beschwerdeführerin bei
einem monatlichen Nettoverdienst von 1.537,26 € und einer Arbeitslosenhilfe ihres
Ehemanns von 404,04 € bei dieser Miete ihren Lebensunterhalt für sich, ihren Ehemann
und die beiden Kinder – neben den sonst angegebenen Verpflichtungen – bestreite.
Diese Begründung wurde in das Terminsprotokoll aufgenommen; ferner existiert
mindestens eine – an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers adressierte –
Ausfertigung des Prozeßkostenhilfe ablehnenden Beschlusses mit vollständiger
Begründung. Diese Ausfertigung ging zusammen mit einer Abschrift des
Terminsprotokolls am 5. Juli 2002 bei dem Prozeßbevollmächtigen der
Beschwerdeführerin ein. Das Terminsprotokoll trägt den Vermerk „1 PA nebst Ausf. d.
PKH-Abl.beschl. gef. 3.7.2002 […]“ sowie einen Abvermerk vom gleichen Tag.
2. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wendet sich die Beschwerdeführerin zum einen
gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 3. Juli 2002 (a) und zum anderen gegen
den Beschluß des Landesarbeitsgerichts vom selben Tag sowie gegen die Weitergabe
ihrer persönlichen Daten aus dem Prozeßkostenhilfeantrag (b).
a) Das Urteil vom 3. Juli 2002 verstoße gegen das Willkürverbot (Art. 10 Abs. 1 der
Verfassung von Berlin – VvB –), da die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, das zweite
Versäumnisurteil habe ohne Schlüssigkeitsprüfung ergehen können, unhaltbar sei. Aus §
700 Abs. 6 ZPO i. V. m. § 46a ArbGG folge nach einhelliger Auffassung, daß ein Gericht
vor Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid eine
Schlüssigkeitsprüfung vornehmen müsse, da andernfalls ein endgültiger
Vollstreckungstitel ohne jegliche gerichtliche Prüfung der geltend gemachten Forderung
geschaffen werde. Hiermit habe sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt.
Nicht nachvollziehbar sei auch die Auffassung des Gerichts, es sei danach zu
differenzieren, ob die Schuld vor oder nach Erlaß des Vollstreckungsbescheids getilgt
worden sei. Außerdem hätte geprüft werden müssen, ob für den Erlaß eines
Vollstreckungsbescheids über 0,00 DM ein Rechtsschutzinteresse bestanden habe.
Richtigerweise sei dies zu verneinen; etwaige Gerichtskosten könnten im
Kostenfestsetzungsverfahren tituliert werden.
Gerügt werde ferner die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 15 Abs. 1
VvB). Das Landesarbeitsgericht habe entscheidungserheblichen Vortrag aus ihrem
Schriftsatz vom 18. Mai 2002 erkennbar nicht in seine Überlegungen einbezogen.
Hierbei handele es sich um die Ausführungen zur Erforderlichkeit einer
Schlüssigkeitsprüfung, zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers und dazu, daß
bei Rücknahme des Mahnbescheidsantrags keine Gerichtskosten angefallen wären. Eine
Auseinandersetzung mit diesem Vortrag sei auch deshalb geboten gewesen, weil das
Arbeitsgericht den Schriftsatz vom 15. April 2002 trotz rechtzeitigen Zugangs nicht zur
Kenntnis genommen habe.
Das Landesarbeitsgericht habe ferner das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 15 Abs.
4 Satz 1 VvB) außer Acht gelassen. Effektiver Rechtsschutz werde nur gewährt, wenn die
in Anspruch genommene Partei ihre Rechtsverteidigung gerichtlich überprüfen lassen
könne, also zumindest einmal ein Gericht die Berechtigung der geltend gemachten
Forderung prüfe.
Schließlich sei ihr dadurch, daß das Landesarbeitsgericht die Revision gegen sein Urteil
entgegen § 72 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 ArbGG nicht zugelassen habe, der gesetzliche Richter
(Art. 15 Abs. 2 Satz 2 VvB) entzogen worden. Die Zulassung hätte erfolgen müssen, weil
die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es sei keine Schlüssigkeitsprüfung notwendig
gewesen, von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des
Bundesarbeitsgerichts abweiche. Zudem fielen nach einem Beschluß des
Landesarbeitsgerichts Frankfurt a. M. bei Rücknahme eines Mahnbescheidsantrags keine
Gerichtskosten an. Damit habe für den Erlaß des Vollstreckungsbescheids kein
Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Habe das Landesarbeitsgericht dies anders sehen
wollen, hätte es die Revision wegen Divergenz zulassen müssen. Im übrigen sei die
Frage, ob bei Rücknahme eines Mahnbescheidsantrags die Gerichtskosten entfielen,
auch von grundsätzlicher Bedeutung.
b) Zur Behandlung ihres Prozeßkostenhilfeantrags führt die Beschwerdeführerin aus:
aa) Das Landesarbeitsgericht habe mit der Bezeichnung des Prozeßkostenhilfeantrags
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aa) Das Landesarbeitsgericht habe mit der Bezeichnung des Prozeßkostenhilfeantrags
als „unverschämt“ gegen Art. 6 und Art. 7 VvB verstoßen. Denn es gebe insoweit zu
erkennen, daß es sie als einen Staatsbürger „2. Klasse“ betrachte, der nicht für voll
genommen und dem Rechtsschutz gegenüber einer Klage verweigert werde.
Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts sei auch willkürlich, weil darin in unzulässiger
Weise zwischen dem Kläger und ihr differenziert werde. Wenn eine Klage wegen
angeblicher Gerichtskosten von 12,25 € zulässig sei, müsse es eine dagegen gerichtete
Rechtsverteidigung auch sein. Das Prozeßkostenhilferecht kenne keine Bagatellgrenze,
sondern nur die Bestimmung des § 115 Abs. 3 ZPO und eine etwaige Mutwilligkeit des
Antragstellers in § 114 ZPO. Ob diese Einschränkungen gegeben seien, könne das
Gericht nur nach inhaltlicher Prüfung der persönlichen Verhältnisse und des
Sachvortrags eines Antragstellers feststellen. Sie habe außerdem ein Interesse an der
Klärung gehabt, ob bei der Rücknahme eines Mahnbescheids von ihr zu tragende
Gerichtsgebühren angefallen wären. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß
Anwaltsgebühren einschließlich Reisekosten auch bei einem niedrigen Streitwert einen
Betrag von 100 bis 200 € erreichen könnten.
Gerügt werde ferner die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 15 Abs. 1
VvB). Zum einen habe das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung der persönlichen
Verhältnisse ihren Vortrag weitgehend nicht zur Kenntnis genommen. Andernfalls hätte
es gesehen, daß ausreichend Mittel für den Lebensunterhalt zur Verfügung stünden,
gleichwohl Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren gewesen wäre. Sie habe
Einnahmen von insgesamt 3.209,81 € angegeben, von denen nach Abzug der
Belastungen in Höhe von 1.731,17 € noch ein Betrag von 1.478,64 € verbleibe; hiervon
würde der Lebensunterhalt bestritten. Der Schluß des Landesarbeitsgerichts, es sei nicht
nachvollziehbar, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreite, beruhe demnach auf einer
offenkundigen Nichtbeachtung ihrer Angaben. Hinsichtlich ihres Eigenheims habe das
Gericht die auf diesem ruhenden Belastungen nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie
den Umstand, daß es sich um Schonvermögen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG
handele. Soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt habe, sie zahle 1.731,17 € Miete
an sich selbst, sei dies unzutreffend. Abgesehen davon, daß dies rechtlich gar nicht
möglich sei, handele es sich bei dem Betrag um Zahlungsverpflichtungen aus diversen
Krediten. Zum anderen habe das Landesarbeitsgericht ihre Rechtsausführungen zur
Zulässigkeit der Berufung und zu einer Entscheidung eines anderen
Landesarbeitsgerichts, wonach bei Rücknahme eines Mahnbescheids entstandene
Gerichtsgebühren wieder entfielen, nicht zur Kenntnis genommen.
Ferner sei Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB verletzt. Es müsse ihr ermöglicht werden, gerichtlich
überprüfen zu lassen, ob eine Rechtsverteidigung gegen das Begehren des Klägers
erfolgversprechend sei. Mittels Prozeßkostenhilfe solle Minderbemittelten ein
Rechtsschutz gesichert werden, der weitgehend den Rechtsschutzmöglichkeiten einer
bemittelten Partei entspreche.
bb) Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht mit seiner Verfahrensweise gegen
Art. 33 VvB i. V. m. § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO verstoßen. Ihre persönlichen Daten und die
ihres Ehemanns seien dem Kläger bekannt gegeben worden, da das Terminsprotokoll
ungekürzt übersandt worden und die Beschlußausfertigung an die
Prozeßbevollmächtigten des Klägers adressiert gewesen sei. Nachdem die Gegenseite
vom Terminsprotokoll und dem Beschluß bereits Kenntnis habe, könne entsprechend §
54 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG nur noch festgestellt werden, daß diese Handlungsweise
gegen Art. 33 VvB verstoßen habe, gegebenenfalls verbunden mit dem Ausspruch nach
Satz 2, daß jede Wiederholung ebenfalls gegen Art. 33 VvB verstoße.
II. Die Verfassungsbeschwerden haben keinen Erfolg.
1. a) Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
vom 3. Juli 2002 wendet, ist ihre Verfassungsbeschwerde allerdings nicht schon mangels
Erschöpfung des Rechtswegs (§ 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG) unzulässig. Zwar hätte die
Beschwerdeführerin nach § 72a Abs. 1 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG eine
Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht einlegen können und müssen,
wenn ihre Auffassung zuträfe, daß das Landesarbeitsgericht von Entscheidungen des
Bundesarbeitsgerichts und eines anderen Landesarbeitsgerichts abgewichen ist. Etwas
anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht aus dem von ihr
zitierten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 88, 259). Es betrifft ebenso wie die
weiteren angeführten Entscheidungen die Möglichkeit einer sog. außerordentlichen
Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit in Fällen, in denen nach der
Verfahrensordnung kein ordentlicher Rechtsbehelf mehr gegeben ist (vgl. hierzu
Beschluß vom 31. Juli 1998 – VerfGH 39/97 – LVerfGE 9, 29 <32> sowie vom 27.
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Beschluß vom 31. Juli 1998 – VerfGH 39/97 – LVerfGE 9, 29 <32> sowie vom 27.
September 2002 – VerfGH 63/02 u.63 A/02). Eine Nichtzulassungsbeschwerde gehört
demgegenüber zu den ordentlichen Rechtsbehelfen und muß daher zur Erschöpfung des
Rechtswegs eingelegt werden, sofern sie nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl.
Beschluß vom 16. Dezember 1993 – VerfGH 52/92 – JR 1994, 392; zum Bundesrecht vgl.
BVerfG, NZA 1998, 959).
Das Absehen von einer Nichtzulassungsbeschwerde steht der Zulässigkeit der gegen
das Urteil vom 3. Juli 2002 gerichteten Verfassungsbeschwerde aber deshalb nicht
entgegen, weil eine Divergenz im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG mangels
Entscheidungserheblichkeit der Urteile, von denen das Landesarbeitsgericht abgewichen
sein soll, nicht vorgelegen haben kann (dazu näher unter II. 1. b aa und dd), eine hierauf
gestützte Nichtzulassungsbeschwerde also offensichtlich aussichtslos gewesen wäre.
Ihre übrigen Rügen hätte die Beschwerdeführerin von vornherein nicht mittels einer
Nichtzulassungsbeschwerde vorbringen können. Denn auf Verstöße gegen
Verfahrensvorschriften konnte die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG im
Jahr 2002 auch dann nicht gestützt werden, wenn diese gleichzeitig einen
Verfassungsverstoß darstellten (vgl. BAG, NZA 1999, 503; vgl. aber auch § 72 a Abs. 3
Satz 2 Nr. 3 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG in der seit 1. Januar 2005 geltenden
Fassung und BAG, DB 2005, 1472).
b) Ihre Zulässigkeit im übrigen unterstellt, ist die gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts gerichtete Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.
aa) Eine Verletzung des durch Art. 10 Abs. 1 VvB begründeten Willkürverbots liegt nicht
vor.
(1.) Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt
rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß er auf sachfremden
Erwägungen beruht (Beschluß vom 19. März 1998 – VerfGH 21/97 – JR 1998, 454 <455>;
zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 89, 1 <14>). Eine fehlerhafte Rechtsanwendung allein
macht eine Gerichtsentscheidung noch nicht willkürlich. Art. 10 Abs. 1 VvB ist vielmehr
erst dann verletzt, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wurde, insbesondere
eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in
krasser Weise mißdeutet worden ist (Beschluß vom 25. April 1994 – VerfGH 34/94 –
LVerfGE 2, 16 <18>; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 87, 273 <279>).
(2.) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Landesarbeitsgericht
weder eine offensichtlich einschlägige Norm mißachtet noch eine schlechthin abwegige
Auffassung vertreten. Richtig ist zwar, daß in dem Termin zur mündlichen Verhandlung
über den Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid die Schlüssigkeit der Klage und
die Zulässigkeit des Erlasses des Vollstreckungsbescheids auch dann zu prüfen sind,
wenn der Einspruchsführer säumig ist. Das findet seinen Grund darin, daß eine
richterliche Prüfung der vollstreckbaren Entscheidung bis dahin nicht stattgefunden hat
(BGHZ 141, 351 <352 f.>). In dem angefochtenen Urteil wird dieser Grundsatz aber
nicht verkannt.
(a) Eine Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich der Hauptforderung von 416,19 DM hat das
Landesarbeitsgericht mit der Begründung für entbehrlich gehalten, diese sei nicht
Gegenstand des zweiten Versäumnisurteils gewesen. Seine Auffassung steht im
Einklang mit dem sich aus dem Gesetz und der dazu ergangenen Rechtsprechung
ergebenden Verfahrensablauf, wonach der Gläubiger im Antrag auf Erlaß eines
Vollstreckungsbescheids angeben muß, ob und welche Zahlungen auf den
Mahnbescheid geleistet worden sind (§ 699 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO), sich sein
Antrag um die entsprechenden Beträge ermäßigt (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 699
Rn. 8) und der Vollstreckungsbescheid dann nur den nach Angaben des Gläubigers noch
offenen Teil der Forderung erfaßt (vgl. KG, JurBüro 1983, 281 <282>). Im übrigen, d.h.
soweit der Gläubiger – wie hier – Zahlungen des Schuldners angegeben hat, ergeht kein
Vollstreckungsbescheid. Folglich ist nach einem Einspruch des Schuldners insoweit eine
Schlüssigkeitsprüfung mangels vollstreckbaren Titels nicht nur entbehrlich, sondern dem
Gericht – weil der nach Angabe des Gläubigers bezahlte Teil der Forderung aus dem
Mahnbescheid nicht in das streitige Verfahren gelangt (vgl. KG, a. a. O.) – auch nicht
möglich.
(b) Das angefochtene Urteil läßt auch hinsichtlich der gebotenen Prüfung, ob der Erlaß
eines Vollstreckungsbescheids zulässig war, keine Willkür erkennen. Zwar ist der
Beschwerdeführerin zuzugestehen, daß das Rechtsschutzinteresse eines Gläubigers,
einen Vollstreckungsbescheid über 0.- DM zu erwirken, zweifelhaft ist, wenn
außergerichtliche Kosten nicht entstanden sind und Gerichtskosten – wie für das
arbeitsgerichtliche Verfahren angenommen wird (vgl. LAG Frankfurt a. M., Beschluß vom
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arbeitsgerichtliche Verfahren angenommen wird (vgl. LAG Frankfurt a. M., Beschluß vom
17. November 1980 - 6 Ta 122/80 – juris; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl. 1993, §
692 Rn. 12 und Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 12 Rn. 19) – mit der Rücknahme des
Mahnbescheidsantrags entfallen.
Von einer solchen Konstellation ist das Landesarbeitsgericht aber nicht ausgegangen. Es
hat ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils angenommen, daß der
Mahnbescheid einen Betrag von 416,19 DM zuzüglich Zinsen umfaßte und – weil die
Beschwerdeführerin nur 416,19 DM gezahlt hat – die Zinsforderung noch offen war. Ob
diese Annahme zutrifft, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, denn die
Beschwerdeführerin macht insoweit, d.h. bezüglich der Feststellung des
entscheidungserheblichen Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht, keinen
Verfassungsverstoß geltend; sie erwähnt die Frage etwaiger Zinsen auf die
Hauptforderung nicht einmal.
Ist damit als richtig zu unterstellen, daß die Beschwerdeführerin neben der
Hauptforderung auch Zinsen schuldete, kann es nicht als willkürlich angesehen werden,
daß das Landesarbeitsgericht den Erlaß des Vollstreckungsbescheids wegen der noch
offenen Zinsen für zulässig erachtet hat. Vielmehr entspricht dies dem üblichen
Verfahrensgang nach Zahlung eines Teilbetrags auf die im Mahnbescheid geltend
gemachte Forderung (vgl. z.B. OLG Stuttgart, MDR 1984, 673).
bb) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, daß das angefochtene
Urteil die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Denn Art. 15 Abs. 1 VvB gewährt keinen Schutz dagegen, daß das Gericht Vorbringen
der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise
unberücksichtigt läßt (Beschluß vom 24. August 2000 – VerfGH 73/99 – NJW-RR 2000,
1609). Da das Landesarbeitsgericht – wie ausgeführt – davon ausging, daß sich das
zweite Versäumnisurteil auf die im Mahnverfahren geltend gemachten Zinsen bezog,
mithin weder die Hauptforderung noch die Gerichtskosten als Streitgegenstand des
Vollstreckungsbescheids und des zweiten Versäumnisurteils angesehen hat, mußte es
sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Frage, ob der Erlaß eines
Vollstreckungsbescheids über 0.- DM zulässig ist, mangels Entscheidungserheblichkeit
nicht auseinandersetzen.
cc) Entsprechendes gilt hinsichtlich des Gebots effektiven Rechtsschutzes. Selbst wenn
hieraus von Verfassungs wegen ein Recht auf eine gerichtliche Zulässigkeits- und
Schlüssigkeitsprüfung vor Verwerfung eines Einspruchs gegen einen
Vollstreckungsbescheid folgen sollte, wäre dieses nicht verletzt. Denn nach Auffassung
des Landesarbeitsgerichts waren weder die Hauptforderung noch die im Mahnverfahren
gegebenenfalls entstandenen Gerichtskosten – nur insoweit rügt die Beschwerdeführerin
eine unterbliebene Schlüssigkeitsprüfung – Streitgegenstand des zweiten
Versäumnisurteils.
dd) Schließlich kann die Nichtzulassung der Revision nicht als willkürlich und damit nicht
als Verletzung des gesetzlichen Richters (Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB) angesehen werden.
Ausgehend von seiner – mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffenen –
Annahme, daß der Vollstreckungsbescheid wegen der noch offenen Zinsen auf die
Hauptforderung erlassen worden war, hatte das Landesarbeitsgericht, weil sich die von
der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Rechtsfragen in diesem Fall nicht stellten, keinen
Anlaß, die Revision zuzulassen.
2. Die gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts vom 3. Juli 2002 gerichtete
Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet (a). Soweit die Beschwerdeführerin
die Feststellung beantragt, das Landesarbeitsgericht habe mit der Weitergabe ihrer
persönlichen Daten gegen Art. 33 VvB verstoßen, ist die Verfassungsbeschwerde
unzulässig (b).
a) Der Prozeßkostenhilfe versagende Beschluß verletzt die Beschwerdeführerin nicht in
den von ihr angeführten Grundrechten.
aa) Das aus Art. 7 i. V. m. Art. 6 VvB folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht, das
insbesondere das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre und die persönlich Ehre
schützt (Driehaus, Verfassung von Berlin, 2002, Art. 6 Rn. 7 f., Art. 7 Rn. 1; zu Art. 2 Abs.
1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 27, 1 <6>; 35, 202 <220>; 54, 148 <153>), ist
durch den angefochtenen Beschluß nicht beeinträchtigt. Der Beschwerdeführerin ist zwar
darin zuzustimmen, daß die Bezeichnung ihres Prozeßkostenhilfeantrags als
„unverschämt“ nicht dem Gebot der Sachlichkeit entspricht. Das Landesarbeitsgericht
hat hierdurch jedoch nicht zu erkennen gegeben, daß es die Beschwerdeführerin als
Staatsbürgerin „2. Klasse“ ansieht, deren Anliegen nicht geprüft werde. Es hat sich
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Staatsbürgerin „2. Klasse“ ansieht, deren Anliegen nicht geprüft werde. Es hat sich
vielmehr inhaltlich mit dem Antrag befaßt, die hinreichende Erfolgsaussicht der
Rechtsverteidigung und die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin jedoch nicht als
gegeben erachtet. Da das Gericht die Voraussetzungen des § 114 ZPO verneint hat,
beruht der angefochtene Beschluß – dessen Aufhebung die Beschwerdeführerin unter
Hinweis auf Art. 6 und Art. 7 VvB erreichen will – im übrigen nicht auf der Ansicht des
Landesarbeitsgerichts, der Prozeßkostenhilfeantrag sei unverschämt.
bb) Die Berufung auf Art. 10 Abs. 1 VvB, der verletzt ist, wenn ein Richterspruch unter
keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt,
daß er auf sachfremden Erwägungen beruht (Beschluß vom 19. März 1998 – VerfGH
21/97 – JR 1998, 454 <455>; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 89, 1 <14>), bleibt
ebenfalls ohne Erfolg. Die Beschwerdeführerin greift insoweit lediglich das
Begründungselement, ihr Antrag sei „unverschämt“, an, verkennt jedoch, daß der
Beschluß nicht allein hierauf beruht, sondern auch darauf gestützt ist, daß das Gericht
die Rechtsverteidigung als nicht erfolgversprechend und die Beschwerdeführerin als nicht
bedürftig angesehen hat. Deshalb führte die Rüge auch dann nicht zur Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses, wenn die Bezeichnung des Antrags als „unverschämt“ als
willkürlich anzusehen wäre. Aus diesem Grund kommt es auch auf die Ausführungen der
Beschwerdeführerin zur möglichen Höhe von Anwaltskosten bei nur geringem Streitwert
nicht an.
Daß die Beschwerdeführerin klären wollte, ob bei Rücknahme eine Mahnbescheids
Gerichtsgebühren anfielen, macht den angefochtenen Beschluß ebenfalls nicht
willkürlich. Zu dieser Frage mußte der Beschluß keine Ausführungen enthalten, da sie
aufgrund des vom Landesarbeitsgericht angenommenen Sachverhalts (Zahlung nur der
Hauptforderung, nicht aber der Zinsen), dessen Feststellung mit der
Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen worden ist, nicht entscheidungserheblich war
(vgl. oben II. 1. b aa).
cc) Unbegründet ist auch die Rüge der Verletzung von Art. 15 Abs. 1 VvB. Der Anspruch
auf rechtliches Gehör soll den Beteiligten die Möglichkeit geben, sich im gerichtlichen
Verfahren mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Das Gericht hat
dementsprechend die Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen
und in seine Erwägungen einzubeziehen (Beschluß vom 16. November 1995 – VerfGH
48/94 – LVerfGE 3, 113 <116>; st. Rspr.). Art. 15 Abs. 1 VvB gewährt allerdings keinen
Schutz dagegen, daß das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen
oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt läßt, und das Gericht muß
sich in den Entscheidungsgründen auch nicht mit jedem Einzelvorbringen
auseinandersetzen (Beschluß vom 24. August 2000 – VerfGH 73/99 – NJW-RR 2000,
1609).
Hiernach dringt die Beschwerdeführerin zum einen nicht mit ihrer Rüge durch, das
Landesarbeitsgericht habe seine Auffassung, die Rechtsverteidigung biete keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg, nicht begründet und habe ihre Ausführungen zur
Zulässigkeit der Berufung sowie zum Wegfall der Gerichtsgebühren bei Rücknahme eines
Mahnbescheidsantrags nicht zur Kenntnis genommen. Die Begründung für die fehlenden
Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung ist dem am gleichen Tag erlassenen Urteil des
Landesarbeitsgerichts zu entnehmen. Danach kam es weder auf die Zulässigkeit der
Berufung – sie hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich offen gelassen – noch auf die
Frage an, wie sich die Rücknahme des Mahnbescheidsantrags auf die Gerichtsgebühren
auswirkt. Denn nach Auffassung des Gerichts bestand für den Kläger kein Anlaß, den
Mahnbescheidsantrag zurückzunehmen, weil ein Teil der darin geltend gemachten
Forderung noch offen war. Diese Begründung ist nach den dagegen erhobenen
Einwendungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. oben II. 1. b).
Soweit die Beschwerdeführerin beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe bei der
Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihren Vortrag weitgehend
nicht zur Kenntnis genommen und diesen unzutreffend wiedergegeben, bleibt diese
Rüge ohne Erfolg, weil der angefochtene Beschluß hierauf nicht beruht. Die
Prozeßkostenhilfe ist, wie ausgeführt, auch versagt worden, weil das
Landesarbeitsgericht die Rechtsverteidigung in der Sache als aussichtslos angesehen
hat.
dd) Aus demselben Grund scheidet eine Verletzung von Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB aus.
Denn es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Gewährung von
Prozeßkostenhilfe davon abhängig gemacht wird, daß die beabsichtigte
Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, solange das Fachgericht die
Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt (Beschluß vom 8. Februar 1995 –
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Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt (Beschluß vom 8. Februar 1995 –
VerfGH 104/94 – LVerfGE 3, 10 <13> sowie BVerfGE 81, 347 <358> für das
Grundgesetz). Letzteres kann nach den von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen
nicht angenommen werden.
b) Der Antrag der Beschwerdeführerin, festzustellen, daß die Weitergabe ihrer
persönlichen Daten gegen Art. 33 VvB verstoßen hat, ist mangels
Feststellungsinteresses unzulässig.
aa) Sollte, entsprechend dem Vortrag der Beschwerdeführerin, das Terminsprotokoll
vom 3. Juli 2002 oder eine Ausfertigung des die Gewährung von Prozeßkostenhilfe
ablehnenden Beschlusses den Prozeßbevollmächtigten des Klägers in vollständiger Form
zugegangen sein, ist es unter Verletzung von Art. 33 VvB zu einer gegen § 64 Abs. 6
Satz 1 ArbGG i. V. m. § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO verstoßenden Preisgabe persönlicher
Daten der Beschwerdeführerin gekommen. Da diese nicht rückgängig zu machen ist, hat
die Beschwerdeführerin ihre Verfassungsbeschwerde zutreffend auf eine Feststellung
gerichtet. Jedoch setzt die Zulässigkeit einer solchen, auf die Feststellung der
Verfassungswidrigkeit eines erledigten Hoheitsakts gerichtete Verfassungsbeschwerde
voraus, daß im Zeitpunkt der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ein
Rechtsschutzinteresse für die begehrte Feststellung besteht. Das ist anzunehmen, wenn
die erledigte Maßnahme den Beschwerdeführer weiterhin beeinträchtigt oder eine
Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu besorgen ist oder andernfalls die Klärung
einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe und der
gerügte Grundrechtseingriff ein besonderes bedeutsames Grundrecht betrifft bzw.
besonders belastend ist (Beschluß vom 28. Mai 2004 – VerfGH 81/02 -; zum
Bundesrecht BVerfGE 9, 89 <93 f.>; 33, 247 <257 f.>; 50, 244 <247 f.>; 81, 138
<140>; 91, 125 <133>; 98, 169 <198>; 104, 220 <232 f.>).
bb) Solche, ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin
begründende Umstände, liegen nicht vor.
Es ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin durch die
Bekanntgabe ihrer persönlichen Daten an den Prozeßgegner – wenn dies erfolgt sein
sollte – noch heute beeinträchtigt ist.
Eine Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist auch nicht zur Klärung einer
verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung erforderlich. Die
datenschutzrechtlichen Anforderungen, die sich aus Art. 33 VvB für den Umgang mit
den persönlichen Daten eines Antragstellers im Prozeßkostenhilfeverfahren ergeben,
finden ihren Ausdruck in § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Danach dürfen die Gründe der
Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch, soweit sie Angaben über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dem Gegner nur mit
Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden (vgl. auch § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO;
zur Frage, wie den datenschutzrechtlichen Anforderungen nach § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO
in der Praxis Rechnung getragen werden kann, vgl. Brandenburgisches OLG, MDR 2000,
1095 <1096> sowie Dehn, in: Schoreit/ Dehn, Beratungshilfe, Prozeßkostenhilfe,
Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 117 ZPO Rn. 7). Da angesichts dieser Vorschrift die
Maßstäbe für die Weitergabe von im Prozeßkostenhilfeverfahren gemachten Angaben
über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse geklärt sind, fehlt die besondere
Voraussetzung der grundsätzlichen Bedeutung, unter der ein Rechtsschutzbedürfnis
ausnahmsweise bejaht werden könnte (zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 98, 169 <198>).
Ein Rechtsschutzbedürfnis ist schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt der
Wiederholungsgefahr dargelegt oder sonstwie ersichtlich. Den beigezogenen Strafakten
des Amtsgerichts Tiergarten (244 Ds – 56 Js 2526/02 – 505/03) ist zu entnehmen, daß
sich die im Ausgangsverfahren tätigen Bediensteten des Landesarbeitsgerichts darüber
im Klaren sind, daß eine Bekanntgabe von Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen dem geltenden Recht widerspricht, ein
etwaiger Verstoß hiergegen also auf einem bloßen Versehen beruhte. Dementsprechend
kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine Wiederholung des gerügten Verhaltens
des Landesarbeitsgerichts – sei es generell, sei es in einem etwaigen anderen Verfahren
der Beschwerdeführerin – zu besorgen ist (speziell zur Wiederholungsgefahr vgl. BVerfGE
21, 139 <143>; 56, 99 <106>; 81, 139 <141 f.>).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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