Urteil des VerfG Brandenburg vom 02.04.2017

VerfG Brandenburg: freistellung von der arbeit, jugend und sport, abstrakte normenkontrolle, urlaub, berufliche weiterbildung, abweichende meinung, begriff, wesensgehalt, verfassungsgericht

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Gericht:
Verfassungsgericht
des Landes
Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8/94
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 5 Abs 1 Verf BB, Art 5 Abs 2
Verf BB, § 14 Abs 1 WeitBiG BB,
§ 14ff WeitBiG BB, § 30 Abs 1
WeitBiG BB
Diese Entscheidung hat
Gesetzeskraft.
(VerfG Potsdam: Späteres Wirksamwerden des Anspruchs auf
bezahlte Weiterbildungsfreistellung iSv WeitBiG BB § 30 Abs 1
mit Verf BB Art 33 Abs 2 vereinbar – Handlungsauftrag an
Gesetzgeber bezüglich Regelung über Weiterbildung ohne
Lohnfortzahlung – abweichende Meinung: WeitBiG BB verstößt
gegen Grundrechtsbindung (Verf BB Art 5 Abs 1 ) und
Wesensgehaltsgarantie (Verf BB Art 5 Abs 2))
Tenor
§ 30 Abs. 1 des Brandenburgisches Weiterbildungsgesetzes ist mit der Verfassung des
Landes Brandenburg vereinbar.
Gründe
A.
Die Antragsteller, 18 Abgeordnete des Brandenburgischen Landtages, machen mit
ihrem Normenkontrollantrag die Frage zum Gegenstand verfassungsgerichtlicher
Überprüfung, ob § 30 Abs. 1 des Brandenburgischen Weiterbildungsgesetzes (BbgWBG)
mit Art. 33 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) vereinbar ist.
I.
§ 3O Abs. 1 BbgWBG hat folgenden Wortlaut:
(1) Der Anspruch auf Bildungsfreistellung gemäß §§
14 bis 26 besteht ab 1. Januar 1996. ...
Die §§ 14 bis 26 BbgWBG regeln die Ausgestaltung der Bildungsfreistellung. Die
wichtigsten Vorschriften lauten:
§ 14
Grundsätze
(1) Beschäftigte haben nach Maßgabe dieses Gesetzes unter Fortzahlung des
Arbeitsentgeltes gegenüber ihrer Beschäftigungsstelle Anspruch auf Freistellung von der
Arbeit zur Teilnahme an anerkannten Weiterbildungsveranstaltungen gemäß § 24 zum
Zwecke beruflicher, kultureller oder politischer Weiterbildung.
(2) Als Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes gelten Arbeiterinnen und Arbeiter,
Angestellte und Auszubildende, deren Arbeitsstätte im Land liegt, sowie die in
Heimarbeit Beschäftigten samt der ihnen gleichgestellten Personen, die wegen ihrer
wirtschaftlichen Unselbständigkeit als beschäftigte Personen anzusehen sind.
§ 15
Dauer der Bildungsfreistellung
(1) Die Bildungsfreistellung beträgt zehn Arbeitstage innerhalb eines Zeitraumes von
zwei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren.
(2) Wird regelmäßig an mehr oder weniger als fünf Tagen in der Woche gearbeitet, so
erhöht oder verringert sich der Anspruch gemäß Absatz 1 entsprechend. ...
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§ 22
Bildungsfreistellungsentgelt
Für die Berechnung des Bildungsfreistellungsentgelts und im Falle der Erkrankung
während der Bildungsfreistellung gelten die §§ 9, 11 und 12 des Bundesurlaubsgesetzes
entsprechend. ...
Das BbgWBG ist am 18. Dezember 1993 in Kraft getreten.
In der Begründung ihres Gesetzentwurfes hatte die Landesregierung dargelegt, dass mit
dem BbgWBG der Auftrag der LV zur Regelung und Förderung der Weiterbildung im Land
Brandenburg erfüllt werde (vgl. LTags-Drs. 1/1901, S. 1) . Die Übergangsregelung des §
30 Abs. 1 BbgWBG berücksichtige die besondere Aufbausituation des Landes
Brandenburg und der Weiterbildungseinrichtungen. Die Bildungsfreistellung könne mit
Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation erst ab 1. Januar 199 in Kraft treten (vgl.
LTags-Drs. 1/1901, S. 21) .
In den parlamentarischen Beratungen des von der Landesregierung eingebrachten
Gesetzentwurfes wurde kontrovers diskutiert, ob eine solche Regelung unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten überhaupt zulässig sei
(vgl. Abg. Petzold während der 1. Lesung des Entwurfes zum BbgWBG am 28. April 1993,
Plenarprotokoll 1/67, S. 5250f; Protokoll der 51. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft,
Mittelstand und Technologie, LTags-Drs. 1/840, S. 20f; Antrag der Fraktion der PDS-LL
auf Streichung des § 30 Abs. 1 BbgWBG, LTags-Drs. 1/2493; Abg. Reiche, Petzold und
Pracht während der 2. Lesung des Entwurfes des BbgWBG am 24. November 1993,
Plenarprotokoll 1/80, S. 6460ff)
bzw. zu welchem Zeitpunkt die Bildungsfreistellung nach Maßgabe der §§ 14 bis 26
BbgWBG wirksam werden sollte
(vgl. Minister für Bildung, Jugend und Sport, Resch, während der 1. Lesung des BbgWBG
am 28. April 1993, Plenarprotokoll 1/67, S. 5246f; Frau Abg. Müller, ebenda, S. 5249;
Protokoll der 51. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie,
LTags-Drs. 1/840, S. 20f; Abg. Reiche, Petzold und Pracht während der 2. Lesung des
Entwurfes des BbgWBG am 24. November 1993, Plenarprotokoll 1/80, S. 6460ff).
II.
Zur Begründung ihres Antrages auf abstrakte Normenkontrolle tragen die Antragsteller
vor:
Art. 33 Abs. 2 LV gewährleiste für jedermann das Recht auf Freistellung zur beruflichen,
kulturellen oder politischen Weiterbildung. Durch § 30 Abs. 1 BbgWBG werde dieser
verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch unzulässigerweise bis zum 1. Januar 1996
ausgesetzt. Auch ein Gesetzesvorbehalt wie er in Art. 33Abs. 2 LV enthalten sei, könne
eine - wenn auch zeitlich begrenzte - Aussetzung eines durch die Verfassung
gewährleisteten Grundrechts nicht rechtfertigen. Eine solche zeitliche Aussetzung taste
den Wesensgehalt des Art. 33 Abs. 2 LV an und verletze damit Art. 5 Abs. 2 Satz 2 LV. In
der mündlichen Verhandlung hat der Antragsteller Abg. Petzold ergänzend vorgetragen,
dass für den Bildungsausschuss des Landtages bei seiner Anregung, in dem
Verfassungsartikel statt von "Urlaub" von "Freistellung" zu sprechen, im Vordergrund
gestanden habe, die berufliche Weiterbildung nicht in die Nähe von Erholung und Freizeit
zu rücken.
III.
1. Für die Landesregierung hat sich der Minister für Bildung, Jugend und Sport geäußert:
§ 30 Abs. 1 BbgWBG stehe mit der LV in Einklang. Das BbgWBG begründe einen
Anspruch auf bezahlte Arbeitsfreistellung zu Weiterbildungszwecken und gehe damit
über die Gewährleistung des Art. 33 Abs. 2 LV hinaus. Diese Vorschrift der LV verbürge
lediglich ein Recht auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der
Weiterbildung.
Es stelle einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer
einerseits und der wirtschaftlichen Situation in dem neuen Bundesland Brandenburg
andererseits dar, wenn der Anspruch auf bezahlte Freistellung gem. §§ 14 ff, 30 Abs. 1
BbGWBG erst am 1. Januar 1996 rechtswirksam werde, da gerade mittelständische
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BbGWBG erst am 1. Januar 1996 rechtswirksam werde, da gerade mittelständische
Arbeitgeber in der Aufbauphase nicht über Gebühr belastet werden dürften.
Der Wesensgehalt des Art. 33 Abs. 2 LV werde also nicht angetastet.
2. Dem Landtag ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
B.
Der Normenkontrollantrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 30 Abs. 1
BbgWBG ist gem. §§ 39 ff des Gesetzes über das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg (Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg - VerfGGBbg - vom 8. Juli 1993,
GVBl. I S. 322) zulässig.
I.
Insbesondere sind die 18 Unterzeichner antragsbefugt. Sie erfüllen das in § 39
VerfGGBbg verlangte Quorum von einem Fünftel der Mitglieder des Landtages, dem 88
Abgeordnete angehören.
II.
§ 30 Abs. 1 BbgWBG eignet sich als Prüfungsgegenstand einer abstrakten
Normenkontrolle im Sinne des § 39 VerfGGBbg und stellt sich nicht lediglich als
gesetzgeberisches Unterlassen dar, das grundsätzlich nicht tauglicher Gegenstand einer
(abstrakten) Normenkontrolle sein kann (vgl. BVerfGE 18, 38 <45>). Der Gesetzgeber
hat bewusst und in Form eines Gesetzes, also durch aktives Handeln, das Inkrafttreten
der in Frage stehenden Regelungen hinausgeschoben. Solche Entscheidungen des
Gesetzgebers sind als positives Handeln im verfassungsgerichtlichen Verfahren
angreifbar (vgl. BVerfGE 15, 46 <60>; 16, 332 <337f>).
C.
Der Normenkontrollantrag ist unbegründet.
§ 30 Abs. 1 BbgWBG ist sowohl in formeller (I.) als auch in materieller Hinsicht (II.)
verfassungsmäßig, soweit er den Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit zur
beruflichen, kulturellen oder politischen Weiterbildung erst mit Wirkung vom 1. Januar
1996 wirksam werden lässt.
I.
§ 30 Abs. 1 BbgWBG ist formell verfassungsmäßig.
Die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergibt sich aus Art. 70, 72 Abs. 1, 74 Nr. 12
GG. Das Recht der Arbeitnehmerweiterbildung ist durch den Bund nicht abschließend
geregelt (vgl. BVerfGE 77, 308 <328ff>). Verfahrens- oder Formfehler sind weder
ersichtlich noch gerügt worden.
II.
§ 30 Abs. 1 BbgWBG steht auch in materieller Hinsicht mit der LV in Einklang. Maßstab
der verfassungsgerichtlichen Überprüfung ist Art. 33 Abs. 2 LV.
1. Art. 33 Abs. 2 LV verbürgt lediglich einen Anspruch auf Weiterbildungsfreistellung ohne
Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des
Art. 33 Abs. 2 LV. Der Verfassungsartikel sollte zunächst - als Art. 34 - folgenden
Wortlaut erhalten:
"Art. 34
(1) ....
(2) Jeder hat das Recht auf Urlaub zur beruflichen, kulturellen oder politischen
Weiterbildung. Näheres regelt ein Gesetz" (vgl. dazu Protokoll der 8. Sitzung des
Verfassungsausschusses, Unterausschuss 1, am 27. April 1991, Dokumentation zur
Verfassung des Landes Brandenburg, Band 2, S. 600).
Auf entsprechende Änderungsanträge mehrerer Fachausschüsse hin befasste sich der
Verfassungsausschuss II in seiner 2. Sitzung am 13. März 1992 erneut mit dem
"Weiterbildungsartikel". Die Fachausschüsse regten übereinstimmend die Ersetzung des
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"Weiterbildungsartikel". Die Fachausschüsse regten übereinstimmend die Ersetzung des
Wortes "Urlaub" durch "Freistellung" an. Es mag dahinstehen, welche Motive die
Fachausschüsse zu diesem Vorschlag veranlasst haben. Denn für die
verfassungshistorische Auslegung sind diejenigen Gründe maßgeblich, die die Wortwahl
des Verfassungsausschusses bestimmt haben. Hierbei kommt es auf denjenigen
Verfassungsausschuss an, der zuletzt mit der Materie befasst war. Dies war der sog.
Verfassungsausschuss II, der als parlamentarisches Gremium dem sog.
Verfassungsausschuss I, welchem auch Nichtparlamentarier angehört hatten,
nachfolgte. Ausweislich des Protokolls des Verfassungsausschusses II herrschte aber
dort "Übereinstimmung darüber, dass mit 'Urlaub' eine bezahlte Freistellung gemeint ist;
werde hingegen der Begriff 'Freistellung' gewählt, könne der Landesgesetzgeber
entscheiden, ob die Zeit der Weiterbildung bezahlt wird oder nicht." (vgl. dazu Protokoll
der 2. Sitzung des Verfassungsausschusses II am 13. März 1992, a.a.0., Band III, S. 496)
. Die Antragstellerin Stobrawa hielt dem entgegen, "..., dass durch den
Änderungsvorschlag ein Teil der Bürger des Landes Brandenburg von vornherein
ausgegrenzt werde, nämlich jene, die sich die unbezahlte Freistellung nicht leisten
könnten." Gleichwohl entschied sich der Verfassungsausschuss II in der anschließenden
Abstimmung mehrheitlich für folgende Formulierung:
"Jeder hat das Recht auf Freistellung zur beruflichen, kulturellen oder politischen
Weiterbildung. Näheres regelt ein Gesetz."
Abgesehen von einer kleinen redaktionellen Veränderung ("Das Nähere regelt ein
Gesetz") ist diese Formulierung in der Schlussabstimmung des Landtags über den
Verfassungsentwurf gebilligt und durch die Volksabstimmung über die Verfassung
geltendes Verfassungsrecht geworden. Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich,
dass Art. 33 Abs. 2 LV lediglich einen grundrechtlichen Anspruch auf unbezahlte
Freistellung zur Weiterbildung in den genannten Bereichen gewährleistet.
Dieses Ergebnis bleibt auch mit dem Sprachgebrauch zwanglos vereinbar. Während man
mit dem Begriff "Urlaub" in der Tat assoziiert, dass der Anspruch auf Gehalt weiterläuft,
legt sich der Begriff "Freistellung" in dieser Hinsicht nicht fest.
2. Das BbgWBG regelt demgegenüber ausschließlich die Weiterbildungs-Freistellung
unter Fortzahlung der Bezüge. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes wird
das BbgWBG zwar als Erfüllung des Regelungsauftrages gem. Art. 33 Abs. 2 LV
angesehen (vgl. LTags-Drs. 1/1901, S. 1). In der Begründung zu § 14 BbgWBG wird
ausgeführt:
§ 14 regelt den Anspruch der Beschäftigten, ..., auf Freistellung gegenüber ihrer
jeweiligen Beschäftigungsstelle . ... Diese Bestimmung verwirklicht Artikel 33 der
Verfassung des Landes Brandenburg. ..." (vgl. LTags-Drs. 1/1901, S. 16 der
Begründung). Unbeschadet dessen beschränkt sich die Regelung nach dem
unzweideutigen Wortlaut des § 14 BbgWBG auf die Freistellung "unter Fortzahlung des
Arbeitsentgelts". Dies bestätigt sich in § 22 BbgWBG mit der Regelung über das
Bildungsfreistellungsentgelt, die ebenfalls ausschließlich von der bezahlten Freistellung
ausgeht. Regelungen, die die unbezahlte Freistellung zum Gegenstand haben, sind im
BbgWBG nicht enthalten.
Betrifft das BbgWBG mithin über die LV hinausgehend allein die Weiterbildung unter
Fortzahlung des Arbeitsentgelts, so ergeben sich von Verfassungs wegen gegen das
Inkrafttreten der Regelung erst zum 1. Januar 1996 keine Bedenken. Der
Normenkontrollantrag war daher zurückzuweisen.
3. Aus dem Vorstehenden folgt, dass eine Regelung, die dem durch Art. 33 Abs. 2 LV
gewährleisteten Recht auf Weiterbildung ohne Lohnfortzahlung Gestalt verleiht, bisher
fehlt. Es handelt sich um ein gesetzgeberisches Versäumnis. Das Recht auch auf
unbezahlte Freistellung zur Weiterbildung kann ohne einfachgesetzliche Ausgestaltung
nicht wahrgenommen werden. Von daher begründet Art. 33 Abs. 2 LV einen
Handlungsauftrag an den Gesetzgeber. Ob und wann er ihm nachkommt, steht dabei
nicht in seinem Ermessen (vgl. BVerfGE 47, 85 <94>). Er ist vielmehr aufgrund seiner
Grundrechtsbindung (Art. 5 Abs. 1 LV) gehalten, ein unbedingt gewährleistetes
Grundrecht unverzüglich durchsetzbar auszugestalten.
Mit diesem Urteil erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung.
Die Entscheidung ist mit sechs Stimmen gegen eine ergangen.
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Dem Urteil im Verfahren VfG Bbg 8/94 kann m.E. aus folgenden Gründen nicht
zugestimmt werden:
1. Das Urteil legt den Art. 33 Abs. 2 dahingehend aus, dass die Verfassung des Landes
Brandenburg (LV) mit diesem Artikel lediglich einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung
zur beruflichen, kulturellen und politischen Weiterbildung gewährleiste.
Richtigerweise verweist die Urteilsbegründung darauf, dass im Verfassungsausschuss I
des Landtages, in dem neben 15 Parlamentariern auch 15 Nichtparlamentarier saßen,
das Recht auf Weiterbildung eindeutig als Weiterbildung unter Fortzahlung des
Arbeitsentgeltes geregelt war. Deshalb hieß es dort im damaligen Artikel 34:
Jeder hat das Recht auf Urlaub zur beruflichen, kulturellen oder politischen Weiterbildung.
Näheres regelt ein Gesetz".
Im Verfassungsausschuss II, dem dann nur noch die 15 Parlamentarier des
Verfassungsausschusses I angehörten, wurde der Begriff "Urlaub" in dem nunmehrigen
Art. 33 Abs. 2 durch den Begriff "Freistellung" ersetzt. Damit sollte m.E. ein Recht auf
Weiterbildung garantiert werden, dass mit dem Begriff "Urlaub" vermeiden sollte, dass
die Weiterbildungsrechte in die Nähe von Erholung oder Freizeitgestaltung gerückt
werden. Selbst wenn dieser Auslegung nicht gefolgt wird, so lassen die Protokolle des
Verfassungsausschusses II zumindest erkennen, dass die Grundrechtsgarantie der
Verfassung auf Weiterbildung sowohl die bezahlte wie die unbezahlte Freistellung zur
Weiterbildung ermöglichen wollte. Das Nähere sollte - wie bereits im Art. 34 der ersten
Fassung - ein Gesetz regeln.
2. Das im Dezember 1993 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung und Förderung der
Weiterbildung im Land Brandenburg (BbgWBG) geht ausdrücklich davon aus, den
Gesetzesauftrag des Art. 33 Abs. 2 der LV im Ganzen zu erfüllen (vgl. LTags-Drs. 1/1901,
S.1). Damit bekennt sich der Landesgesetzgeber offensichtlich dazu, dass Art. 33 Abs. 2
der LV die bezahlte Freistellung grundrechtlich gewährleistet, denn nur von bezahlter
Freistellung ist im BbgWBG die Rede. Die von den Antragstellern geforderte Überprüfung
der Vereinbarkeit des § 30 Abs. 1 BbgWBG mit Art. 33 Abs. 2 LV ist daher nicht nur
zulässig, sondern auch begründet. Indem der Landesgesetzgeber mit § 30 Abs. 1
BbgWBG die gesamte Freistellung zur Weiterbildung bis zum 1.1.1996 aussetzt, verstößt
er eklatant gegen den Wesensgehalt des Art. 33 Abs. 2 LV . Der Art. 33 Abs. 2 LV wird
als "unmittelbar geltendes Recht" für 2 Jahre außer Kraft gesetzt. Damit verletzt der
Gesetzgeber Art. 5 Abs. 1 und 2 der LV.
3. Hätte der Landesgesetzgeber den Inhalt des Art. 33 Abs. 2 LV als Grundrecht auf
bezahlte und unbezahlte Weiterbildung aufgefasst, so hätte er dem auch mit seinem
BbgWBG vom 15.12.1993 Rechnung tragen und Regelungen über die sofortige
unbezahlte Freistellung zum Zwecke der Weiterbildung treffen müssen. Indem er dies
unterließ, verstieß er mit diesem gesetzgeberischen Versäumnis gegen die
Landesverfassung (Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2).
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