Urteil des VerfG Brandenburg vom 10.04.2009

VerfG Brandenburg: akteneinsicht, anspruch auf rechtliches gehör, schutzwürdiges interesse, einstellung des verfahrens, verfassungsbeschwerde, verfassungsgericht, strafakte, anklageschrift, daten

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Gericht:
Verfassungsgericht
des Landes
Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
37/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 475 Abs 1 StPO, § 406e StPO,
§ 33a StPO, Art 11 Verf BB
Tenor
1. Die Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus vom 10. April 2009, der ... Bank Einsicht
in die Strafverfahrensakten 72 Ls 1654 Js 23798/05 (50/08) zu gewähren, verletzt den
Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 11
der Verfassung des Landes Brandenburg) und wird aufgehoben.
2. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu
erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit
wird auf 4000 € festgesetzt.
Gründe
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Gewährung von Akteneinsicht durch das
Amtsgericht Cottbus.
I.
Das Amtsgericht Cottbus beschlagnahmte mit Beschluss vom 7. Juli 2005 in dem gegen
den Beschwerdeführer wegen Urkundenfälschung und Betrugs eingeleiteten
Ermittlungsverfahren die Unterlagen über seine sämtlichen Konten, unter anderen auch
über die bei der ... Bank geführten.
Unter dem 7. April 2008 vermerkte der ermittelnde Oberstaatsanwalt, ein Betrug zu
Lasten der ... Bank sei nicht nachweisbar; das Verfahren solle insoweit gemäß § 170 Abs.
2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt werden. Die Anklageschrift vom 6. April 2008
führt die ... Bank dementsprechend nicht als Geschädigte auf.
Mit Schreiben vom 7. April 2008 beantragte die ... Bank durch die Rechtsanwälte ... bei
der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Strafakte des Beschwerdeführers, da dieser
beabsichtige, die Bank wegen der Beschlagnahme seiner dort geführten Konten auf
Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Der Oberstaatsanwalt teilte darauf mit, dass
die Akte an das Amtsgericht Cottbus gesandt worden sei und gegebenenfalls
Akteneinsicht von dort gewährt werde (s. Vermerk vom 8. April 2008, Bl. 667 der
Strafakte). Das Anschreiben zur Übersendung von Anklageschrift und Akten (zwei Bände
Ermittlungsakten, 198 Tatbände sowie 10 Sonderbände) an das Amtsgericht Cottbus
enthält den Zusatz: „Auf das AE-Gesuch der Rechtsanwälte ... mache ich aufmerksam!“
(Blatt 588 der Strafakte). Am 10. April 2008 verfügte der zuständige Richter am
Amtsgericht Cottbus, den Rechtsanwälten der ... Bank unter Mitteilung des
Aktenumfangs mitzuteilen, dass die Einsichtnahme nur bei Gericht erfolgen könne (Blatt
669 der Strafakte).
Nachdem die ... Bank am 29. Juni 2009 durch ihren Rechtsanwalt Einsicht in alle Akten
und Beweismittelordner genommen sowie 79 Kopien gefertigt hatte, teilte sie dem
Beschwerdeführer unter dem 7. Juli 2009 mit, sie weise jegliche
Schadensersatzansprüche zurück. Die geltend gemachten Schäden seien nicht durch
die Kontosperre verursacht gewesen, sondern, „wie sich schon aus der Ermittlungsakte
ergibt“, auf andere Gründe zurückzuführen.
Darauf erhob der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Cottbus mit Schriftsatz vom 12.
Juli 2009 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs sowie auf dem Postweg
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Juli 2009 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs sowie auf dem Postweg
Gegenvorstellung mit dem Antrag festzustellen, dass die Gewährung von Akteneinsicht
an die ... Bank rechtswidrig gewesen sei. Das auf dem Postweg eingegangene Schreiben
trägt ebenso wie das elektronisch versandte keine Unterschrift (Blatt 730f bzw. 733f der
Strafakte). Die bei der elektronischen Übermittlung verwendete Signatur wurde geprüft
und verweist auf die Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers als Absender.
Unter dem 11. August 2009 vermerkte der Richter beim Amtsgericht Cottbus: „Die
‚Gegendarstellung’ Bl. 730 bis 734 ist nicht unterschrieben. AE ist ausweislich der Verf.
Bl. 669 auf Hinweis der StA (Bl. 588 unten) nur auf der GeschSt gewährt worden unter
Überlassung einer AS“ (Blatt 735 der Strafakte). Eine Mitteilung an den
Beschwerdeführer erfolgte nicht.
II.
Mit der am 5. September 2009 bei Gericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt
der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte auf informationelle
Selbstbestimmung gemäß Art. 10 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Verfassung des
Landes Brandenburg (LV) und auf rechtliches Gehör nach Art. 52 Abs. 3 LV.
Die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung seien nicht erfüllt gewesen. Aus der zum Zeitpunkt der Akteneinsicht
bereits vorliegenden Anklageschrift folge, dass die ... Bank nicht Verletzte von
Strafhandlungen des Beschwerdeführers im Sinne des § 406e StPO sei. Auch das für
eine Akteneinsicht nach § 475 StPO erforderliche berechtigte Interesse habe gefehlt. Die
Akteneinsicht habe allein dem Ziel gedient, der ... Bank einen Informationsvorsprung in
dem anhängigen Zivilverfahren zu verschaffen, in dem der Beschwerdeführer die Bank
wegen unberechtigter Kontosperrung und fehlender Information auf Schadensersatz in
Anspruch nehme. Jedenfalls sei die Gewährung vollständiger Akteneinsicht
unverhältnismäßig gewesen. Die Möglichkeit eines geringeren Eingriffs durch
Auskunftserteilung nach § 475 Abs. 1 StPO hätte beachtet werden müssen. Das
Amtsgericht Cottbus habe zudem Art. 52 Abs. 3 LV verletzt, da es den
Beschwerdeführer weder vor Gewährung der Akteneinsicht angehört noch ihn im
Nachhinein darüber informiert habe. Dieser habe erst durch das Schreiben der ... Bank
vom 7. Juli 2009 Kenntnis von der Akteneinsicht erlangt. Die nachträgliche Anhörung
nach § 33a StPO könne die Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
nicht heilen. Die Erhebung der Verfassungsbeschwerde sei erforderlich, um ein
Beweisverwertungsverbot im Zivilverfahren zu erlangen.
III.
Das Amtsgericht Cottbus und die ... Bank haben Gelegenheit zur Stellungnahme
erhalten.
1. Der Direktor des Amtsgerichts Cottbus verweist auf die dienstliche Äußerung des
befassten Richters. Dieser hat angegeben, aufgrund des staatsanwaltlichen Zusatzes
bei Übersendung der Anklageschrift, des Vermerks vom 8. April 2008 sowie der
summarischen Durchsicht der umfangreichen Anklageschrift davon ausgegangen zu
sein, dass die beantragende Bank zu den Geschädigten des Verfahrens gehöre. Er habe
auf die Gegenvorstellung lediglich mit Vermerken reagiert, da er weder Kenntnis davon
gehabt habe, dass die Gegenvorstellung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs
erhoben worden und daher möglicherweise ohne Unterschrift gültig sei, noch von der
zwischenzeitlich erfolgten Akteneinsicht.
2. Die ... Bank trägt vor, sie sei als Verletzte nach § 406e StPO zur Akteneinsicht
berechtigt gewesen. Nach den Sachverhaltsermittlungen von Polizei und
Staatsanwaltschaft sowie dem Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Cottbus
habe sie zum Zeitpunkt der Akteneinsicht davon ausgehen können, dass der
Beschwerdeführer Betrug und Urkundenfälschung auch zu ihren Lasten verübt habe.
Von der Einstellung des Verfahrens habe sie erst durch die Akteneinsicht erfahren.
Zudem habe ein Einsichtsrecht gemäß § 475 StPO bestanden, da die Akteneinsicht der
Verteidigung gegen einen vom Beschwerdeführer geltend gemachten zivilrechtlichen
Anspruch gedient habe. Schutzwürdige Belange des Beschwerdeführers, die zu einer
Versagung der Akteneinsicht hätten führen können, fehlten. Eine vorherige Anhörung sei
nur erforderlich, wenn die Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft und nicht wie
vorliegend durch das Gericht gewährt werde. Durch Urteil vom 12. Januar 2010 habe das
Landgericht Cottbus inzwischen die Zivilklage des Beschwerdeführers gegen die ... Bank
vollumfänglich abgewiesen.
IV.
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Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.
B.
Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Der Beschwerdeführer hat ein schutzwürdiges Interesse an der
verfassungsgerichtlichen Klärung. Die mit der Akteneinsicht verbundene Beschwer hat
sich nicht durch die Beendigung der Einsichtnahme erledigt, sondern wirkt – schon
aufgrund des Fortbestandes der durch die Akteneinsicht erlangten Kenntnisse – weiter.
2. Der Rechtsweg ist erschöpft (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg). Die Entscheidung des
Vorsitzenden über die Aktenüberlassung gemäß § 406e StPO bzw. § 475 StPO ist nicht
anfechtbar (§ 406e Abs. 3 Satz 2 bzw. § 475 Abs. 3 Satz 3 StPO). Es kann dahinstehen,
ob das Überprüfungsverfahren nach § 33a StPO, das seinem Wortlaut nach bei
Gehörsverstößen in Beschlüssen Anwendung findet, geboten war und auch statthaft ist,
wenn - wie vorliegend - Gehörsverletzungen durch richterliche Verfügungen geltend
gemacht werden. Der Beschwerdeführer hat mit seinem als „Gegenvorstellung“
bezeichneten Rechtsbehelf vom 12. Juli 2009 ausdrücklich die seiner Ansicht nach
fehlende Anhörung gerügt und daher der Sache nach einen etwa erforderlichen Antrag
nach § 33a StPO gestellt. Dieser Antrag war auch erhoben.
3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht aus Gründen ihrer Subsidiarität unzulässig.
Zwar verlangt das in § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität von
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vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alles im Rahmen seiner Möglichkeiten
Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von
vornherein zu verhindern (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des
Landes Brandenburg, s. nur Beschluss vom 17. September 2009 – VfGBbg 22/08 -,
www.verfassungsgericht. brandenburg.de). Dazu kann auch gehören, die Frage eines
Verwertungsverbotes für grundrechtswidrig erlangte Erkenntnisse zunächst von den
dazu berufenen Fachgerichten klären zu lassen (vgl. BVerfGE 42, 212, 218). Vorliegend
stand dem Beschwerdeführer mit dem anhängigen Schadensersatzprozess aber keine
zumutbare fachgerichtliche Klärungsmöglichkeit zur Verfügung. Da das
Verwertungsverbot für die durch die Akteneinsicht festgestellten Tatsachen weder
unmittelbarer Streitgegenstand des zivilgerichtlichen Verfahrens noch notwendigerweise
für seine Entscheidung erhebliche Vorfrage ist, bot es von vornherein keine hinreichende
Gewähr dafür, dass eine Entscheidung über die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen
der Einsicht in Strafakten ergehen würde. Dies ist im Zusammenhang mit der Abweisung
der Schadensersatzklage auch nicht geschehen.
4. Die Verfassungsbeschwerde ist schließlich nicht deswegen unzulässig, weil mit ihr die
Verletzung von Landesgrundrechten im Rahmen eines bundesrechtlich – hier: durch die
Strafprozessordnung - geordneten Verfahrens gerügt wird. Die insoweit erforderlichen
Voraussetzungen (vgl. nur Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom
16. Mai 2002 - VfGBbg 46/02 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Band 13, 106, 111) sind gegeben.
Ein Bundesgericht war mit der Akteneinsichtsgewährung nicht befasst. Eine
Rechtsschutzalternative zu der Verfassungsbeschwerde steht - wie ausgeführt - nicht zur
Verfügung. Die als verletzt gerügten Rechte auf informationelle Selbstbestimmung nach
Art. 11 LV und auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 52 Abs. 3 LV gewährleistet
das Grundgesetz (GG) inhaltsgleich durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1
GG (vgl. BVerfGE 80, 367, 373) sowie Art. 103 Abs. 1 GG. Die Anwendung der
Vorschriften des Grundgesetzes würde zu demselben Ergebnis führen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
1. Die Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus, der ... Bank Einsicht in die Strafakten 72
Ls 1654 Js 23798/05 (50/08) zu gewähren, verletzt den Beschwerdeführer in seinen
Rechten aus Art. 11 LV.
Nach Art. 11 Abs. 1 LV hat jeder das Recht, über die Preisgabe und Verwendung seiner
persönlichen Daten selbst zu bestimmen. Daten dürfen nur mit freiwilliger und
ausdrücklicher Zustimmung des Berechtigten erhoben, gespeichert, verarbeitet,
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ausdrücklicher Zustimmung des Berechtigten erhoben, gespeichert, verarbeitet,
weitergegeben oder sonst verwendet werden. Dementsprechend umfasst dieses
Grundrecht die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des
Einzelnen, grundsätzlich allein darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher
Grenzen er einen persönlichen Lebenssachverhalt offenbart und wie mit seinen
personenbezogenen Daten verfahren wird (vgl. Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Beschluss vom 15. November 2001 - VfGBbg 49/01 EA –, LVerfGE 12, 155,
159f. m. w. N.). Einschränkungen dieses Grundrechts sind nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 LV
nur im überwiegenden Allgemeininteresse durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes
im Rahmen der darin festgelegten Zwecke zulässig. Dabei ist zugleich der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg,
Beschluss vom 18. September 2008 – VfGBbg 13/08 -,
www.verfassungsgericht.brandenburg. de).
Die Gewährung von Akteneinsicht in strafrechtliche Ermittlungsakten nach § 406e StPO
bzw. § 475 StPO stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
derjenigen dar, deren personenbezogene Daten auf diesem Weg zugänglich gemacht
werden. Die Akteneinsicht gewährende Stelle hat daher die schutzwürdigen Interessen
dieser Personen gegen das Informationsinteresse abzuwägen und den Zugang zu den
Daten soweit erforderlich zu versagen oder angemessen zu beschränken (vgl. zum
Bundesrecht Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 18. März 2009 – 2
BvR 8/08 -, NJW 2009, 2876 mwN). Sie ist verpflichtet, ihre Entscheidung auf der Basis
einer zureichenden Sachaufklärung und unter Berücksichtigung der im jeweiligen
Einzelfall bedeutsamen Umstände zu treffen (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 103, 21,
35f; zu Art. 33 der Verfassung von Berlin Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin,
Beschluss vom 10. Februar 2009 – 132/08, 132A/08, juris Rn. 15).
Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung
über die Gewährung von Akteneinsicht ist insbesondere, ob grundrechtliche Positionen
des Beschwerdeführers außer Acht gelassen wurden (vgl. Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, u. a. Beschlüsse vom 21. April 2005 - VfGBbg 22/05 – und vom 22.
November 2007 – VfGBbg 37/06 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dies ist
vorliegend der Fall. Das Amtsgericht hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen an
die Gewährung von Einsicht in Strafakten nach § 406e StPO bzw. § 475 StPO nicht
beachtet. Weder die Verfügung vom 10. April 2009 noch der übrige Inhalt der Strafakte
lassen erkennen, dass das Amtsgericht die Entscheidung über die Akteneinsicht auf der
Grundlage einer zureichenden Ermittlung und Abwägung der schutzwürdigen Interessen
der ... Bank an der begehrten Akteneinsicht einerseits sowie des Beschwerdeführers an
der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten andererseits getroffen hat.
Vielmehr ergibt sich aus der dienstlichen Stellungnahme des Akteneinsicht gewährenden
Richters, dass seine Entscheidung allein mit der Annahme gerechtfertigt worden ist, die
... Bank gehöre zu den Geschädigten des Verfahrens und sei damit ohne Weiteres zu
umfassender Akteneinsicht berechtigt. Diese Ansicht wird der Bedeutung des
Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht gerecht, da ihr erkennbar die
Vorstellung zugrunde liegt, im Fall des Akteneinsichtsantrags eines Verletzten bedürfe
es keiner Abwägung. Dies jedoch steht mit den aus Art. 11 LV folgenden
verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht im Einklang. Eine Abwägung war vorliegend
auch nicht - ausnahmsweise – deswegen entbehrlich, weil Sachverhalt und
Interessenlage eindeutig gewesen wären. Ein eindeutiger Fall lag offenkundig nicht vor.
Angesichts der Aktenlage hätte sich im Gegenteil das Erfordernis einer (sorgfältigen)
Abwägung aufdrängen müssen. Schon aufgrund des nur ungenau formulierten
Akteneinsichtsantrages der ... Bank und des Umstandes, dass die Anklageschrift sie
nicht als Geschädigte aufführte, war ein schutzwürdiges Interesse an der Akteneinsicht
nicht ohne weiteres erkennbar. Einen hinreichenden Tatverdacht zu Lasten der ... Bank
hatte die Staatsanwaltschaft verneint. Zudem gab auch der erhebliche Umfang der
Akten Anlass zu weiterer Prüfung, um die Einsichtnahme entsprechend dem bei einem
Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachtenden Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit auf die für das Informationsinteresse wesentlichen Dokumente
beschränken zu können. Das Amtsgericht hat insofern nicht beachtet, dass die
überlassenen Verfahrensakten Dokumente enthielten, die nicht zur Kenntnisnahme
durch Dritte bestimmt und für das dargelegte Interesse der ... Bank – selbst unter
Berücksichtigung ihrer vom Amtsgericht angenommenen Verletzteneigenschaft –
offensichtlich ohne Bedeutung waren. Dies betrifft den Auszug aus dem
Bundeszentralregister und einen Strafbefehl wegen vorsätzlicher Gefährdung des
Straßenverkehrs ebenso wie die zahlreichen Vorgänge insbesondere aus dem Komplex
„... - Betrug“, die konkreten Geschädigten zugeordnet sind.
2. Da die Verfassungsbeschwerde schon wegen der Verletzung des durch Art. 11 LV
geschützten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung begründet ist, bedarf
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geschützten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung begründet ist, bedarf
die Frage, ob die gewährte Akteneinsicht auch gegen den Anspruch auf rechtliches
Gehör verstößt, keiner Entscheidung.
III.
Die angegriffene Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht war gemäß § 50
Abs. 3 VerfGGBbg aufzuheben.
C.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 32 Abs. 7
Satz 1 VerfGGBbg.
D.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
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