Urteil des VerfG Brandenburg vom 14.03.2017

VerfG Brandenburg: öffentliche bekanntmachung, zweckverband, konstitutive wirkung, verfassungsgericht, genehmigung, eingriff, verfassungskonforme auslegung, abwasserentsorgung, ddr, aufsichtsbehörde

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Gericht:
Verfassungsgericht
des Landes
Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
53/98, 3/99
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 28 Abs 1 S 2 GG, Art 28 Abs
2 GG, Art 2 Abs 1 Verf BB, Art 2
Abs 5 Verf BB, Art 22 Abs 1 Verf
BB
VerfG Potsdam: Rückwirkende Heilung von Gründungsmängeln
bei Abwasserzweckverbänden durch konstitutives Gesetz
verstößt weder gegen Recht auf kommunale Selbstverwaltung
noch gegen Rückwirkungsverbot - Kernbereich der
Selbstverwaltungsgarantie - Demokratieprinzip - Eingriff in
kommunale Organisationshoheit durch Gemeinwohlbelang der
Wasserversorgung und Wasserentsorgung gerechtfertigt
Gründe
A.
Gegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerden sind Vorschriften des Gesetzes zur
rechtlichen Stabilisierung der Zweckverbände für Wasserversorgung und
Abwasserbeseitigung (im Folgen den: ZwVerbStabG), die auf eine rückwirkende Heilung
von Mängeln bei der Gründung von Wasserzweckverbänden abzielen.
I.
Nach der Wiedererlangung ihrer kommunalen Selbstverwaltung durch das Gesetz über
die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (DDR-KV) vom 17. Mai
1990 gründeten zahlreiche Gemeinden zur Bewältigung des erheblichen Nachholbedarfs
im Bereich der Wasserwirtschaft Zweckverbände für Wasserversorgung und
Abwasserbeseitigung. Im Land Brandenburg bestehen derzeit etwa 80 derartige
Zweckverbände im Bereich der Wasserwirtschaft.
Als Rechtsgrundlage für die Gründung der Zweckverbände wurde - soweit dieser Aspekt
damals überhaupt Beachtung fand - entweder § 61 DDR-KV für sich oder ergänzt durch
das Reichszweckverbandsgesetz (RZwVerbG) vom 7. Juni 1939 in seiner letzten Fassung
angesehen. Am 31. Dezember 1991 ist das Gesetz über kommunale
Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKG) vom 19. Dezember 1991 in Kraft
getreten, das die Bildung und Rechtsstellung der Zweckverbände im einzelnen regelt.
Zahlreiche Verbandsgründungen ab dem 3. Oktober 1990 genügten nicht den
gesetzlichen Anforderungen. Zum Teil waren Zweckverbände ohne entsprechende
Beschlüsse der Gemeindevertretungen gebildet worden oder es fehlte an
Willenserklärungen der Außenvertretungsberechtigten zu der Verbandssatzung. Die
Verbandssatzungen selbst genügten häufig nicht den gesetzlichen
Mindestanforderungen. Daneben waren nicht selten die vorgeschriebenen öffentlichen
Bekanntmachungen entweder überhaupt nicht oder fehlerhaft erfolgt. Ungeachtet dieser
- zunächst nicht erkannten - Mängel nahmen die Zweckverbände in der Folgezeit ihre
Aufgaben wahr, investierten in häufig weit über den tatsächlichen Bedarf hinausgehende
Abwasserentsorgungsanlagen, nahmen Kredite und Fördergelder in Anspruch und
begannen mit der Erhebung von Abgaben. Etwa ab 1995 wurden die Mängel bei der
Gründung der Zweckverbände durch verschiedene verwaltungsgerichtliche
Entscheidungen offenbar: Ihnen lagen in der Regel Abgabenstreitigkeiten zugrunde, in
denen die Verwaltungsgerichte die Wirksamkeit der Gebührensatzungen über prüften
und dabei inzident feststellten, dass der Zweckverband nicht wirksam gegründet worden
war und deshalb keine Abgaben erheben konnte. Infolge dieser Gerichtsentscheidungen
entwickelten oder verstärkten sich in den Zweckverbänden, nicht zuletzt durch die
erheblichen Verbindlichkeiten gerade der Wasserzweckverbände bedingt, Bestrebungen
einzelner Verbandsmitglieder, sich vom Zweckverband zu lösen.
Mit dem Gesetz zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit von Zweckverbänden
(Zweckverbandssicherungsgesetz - ZwVerbSG -) vom 4. Dezember 1996 unternahm
das Land einen ersten Versuch zur nachträglichen Heilung der nach damaligem
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das Land einen ersten Versuch zur nachträglichen Heilung der nach damaligem
Erkenntnisstand unterlaufenen Gründungsfehler. Das ZwVerbSG ordnete sowohl für die
auf der Grundlage des GKG als auch für die vor dessen Inkrafttreten gegründeten
Zweckverbände die Unbeachtlichkeit von Verstößen gegen die Vertretungsberechtigung
sowie von Form- und Verfahrensfehlern an. Voraussetzung einer Heilung war unter
anderem, dass die Verbandsatzung selbst keine inhaltlichen Mängel aufwies und die
Gemeinden durch Entsendung stimmberechtigter Vertreter für die
Verbandsversammlung und deren mehrmalige Teilnahme an den Sitzungen als
Verbandsmitglieder aufgetreten waren (§ 1 Abs. 1 ZwVerbSG).
Im Laufe des Jahres 1997 stellte sich - wiederum durch verschiedene
Gerichtsentscheidungen - heraus, dass die Heilungsvorschriften zu kurz griffen. So
verneinte das Verfassungsgericht Sachsen-Anhalt für die Zeit bis zum Inkrafttreten des
dortigen GKG die Fortgeltung des RZwVerbG in Sachsen-Anhalt und sah auch in § 61
DDR-KV keine ausreichende Grundlage für die Bildung einer öffentlichen Körperschaft
(Urteil vom 3. Juli 1997 - LVG 12/97 -, LVerfGE 7, 251). Das hatte zur Folge, dass die
zwischen dem 3. Oktober 1990 und dem Inkrafttreten des dortigen GKG gegründeten
Zweckverbände mangels gesetzlich bestimmter Rechtspersönlichkeit nicht als
rechtsfähige Körperschaften hatten entstehen können und schon aus diesem Grunde
ungeachtet sonstiger Gründungsmängel und ihrer eventuellen Heilung rechtlich nicht
existierten. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg führte zu dem
brandenburgischen ZwVerbSG aus, dass eine Heilung nach diesem Gesetz nur in
Betracht komme, wenn die Vertreter der Gemeinden durch Beschlüsse der
Gemeindevertretungen zu einer Beitrittserklärung legitimiert gewesen seien. Im übrigen
könne das ZwVerbSG keine materiellen Mängel der Gründungssatzung heilen (Urteile
vom 14. August 1997 - 2 D 33/96.NE - und vom 18. Dezember 1997 - 2 D 16/97.NE -).
Der Landesgesetzgeber hat unter anderem als Reaktion auf diese
Gerichtsentscheidungen das hier in Teilen angegriffene ZwVerbStabG vom 6. Juli 1998
erlassen. Das Gesetz erfasst anders als das ZwVerbSG nur Zweckverbände im Bereich
der Wasserwirtschaft. Inhaltlich geht es über das ZwVerbSG hinaus, indem es den vor
dem Inkrafttreten des GKG gegründeten Wasserzweckverbänden die Rechtsstellung
eines Zweckverbandes nach dem RZwVerbG zuspricht (§ 1 Abs. 3 ZwVerbStabG).
Außerdem sieht es eine Heilung auch bei fehlenden Beschlüssen der
Vertretungskörperschaften zur Verbandsbildung vor (§ 2 Abs. 2 ZwVerbStabG), erfasst
in weiterem Umfang Mängel bei der Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer
Genehmigung (§§ 2 Abs. 1 Ziffer 5, 3 ZwVerbStabG) und heilt auch materielle
(inhaltliche) Mängel der Verbandssatzung (§§ 6 ff. ZwVerbStabG). Die Feststellung der
Heilung von Gründungsmängeln obliegt zufolge § 14 ZwVerbStabG der
Aufsichtsbehörde, deren Entscheidungen im Verwaltungsstreitverfahren angegriffen
werden können (§ 14 Abs. 2 ZwVerbStabG).
Die wesentlichen Vorschriften des Gesetzes (unter Hervorhebung der angegriffenen
Bestimmungen) lauten:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für die seit dem 3. Oktober 1990 bis zum Inkrafttreten dieses
Gesetzes fehlerhaft gegründeten Zweckverbände, denen Aufgaben der
Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung oder eine der beiden Aufgaben übertragen
worden sind.
(2) Wirksame Neugründungen von Zweckverbänden für Wasserversorgung und
Abwasserbeseitigung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bleiben unberührt. Mit dem
Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Neugründung gilt der vorherige Zweckverband als
aufgelöst und der neugegründete Zweckverband als sein Rechtsnachfolger, wenn der
neugegründete Zweck verband die gleichen Aufgaben und Mitglieder aufweist;
andernfalls besteht der vorherige Zweckverband mit seinen verbliebenen Aufgaben und
Mitgliedern fort. Ist eine Auseinandersetzung erforderlich und bisher unterblieben, ist sie
unverzüglich nachzuholen.
(3) Zweckverbände für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, die in der Zeit vom
3. Oktober 1990 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über kommunale
Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg gegründet worden sind, haben mit dem
Zeitpunkt ihres Entstehens, gegebenenfalls aufgrund dieses Gesetzes, die Eigenschaft
einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erlangt; sie besitzen seit diesem
Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Zweckverbandes nach dem Zweckverbandsgesetz
vom 7. Juni 1939 (RGBl. 1 S. 979), zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. Juli 1941
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vom 7. Juni 1939 (RGBl. 1 S. 979), zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. Juli 1941
(RGBl. 1 S . 464) .
§ 2
Form- und Verfahrensfehler
(1) Die Verletzung von Form- und Verfahrensvorschriften bei der Bildung und Entstehung
von Zweckverbänden ist unbeachtlich. Form- und Verfahrensvorschriften im Sinne des
Satzes sind insbesondere Vorschriften über:
1. die Beschlussfassung der künftigen Verbandsmitglieder über die Bildung des
Zweckverbandes,
2. die Vertretung der künftigen Verbandsmitglieder bei der Bildung des Zweckverbandes,
3. die Vereinbarung der Verbandssatzung zur Bildung des Zweckverbandes,
4. die Genehmigung der Verbandssatzung und
5. die öffentliche Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung.
(2) Fehlende oder nicht feststellbare Beschlüsse der Vertretungskörperschaft zur
Verbandsbildung stehen einer Verbandsbildung mit dieser Gemeinde nicht entgegen,
wenn die Gemeinde in der Folgezeit als Verbandsmitglied aufgetreten ist. Dies ist
insbesondere der Fall, wenn stimmberechtigte Vertreter mit Kenntnis der
Vertretungskörperschaft für die Gemeinde mehrmals an den Sitzungen der
Verbandsversammlung teilgenommen und sich an Beschlussfassungen beteiligt haben.
(3) Fehlende oder nicht feststellbare Willenserklärungen zur Bildung des
Zweckverbandes stehen einer Verbandsbildung mit denjenigen Gemeinden nicht
entgegen, die gemäß Absatz 2 als Verbandsmitglieder aufgetreten sind. Die Mitwirkung
von Gemeinden an der Bildung des Zweckverbandes, die nicht oder erst zu einem
späteren Zeitpunkt Verbandsmitglied geworden sind, steht einer Verbandsbildung der
anderen Gemeinden nicht entgegen.
(4) Die Genehmigung der Verbandssatzung gilt als erteilt, wenn die Aufsichtsbehörde
von dem Zweckverband Kenntnis erlangt und nicht innerhalb von sechs Monaten der
Verbandssatzung widersprochen hat. Ändert sich der Inhalt der Verbandssatzung
aufgrund der §§ 7 bis 13, bleibt die Wirksamkeit der Genehmigung dieser
Verbandssatzung unberührt.
§ 3
Zeitpunkt des Entstehens des Zweckverbandes
(1) Ist die öffentliche Bekanntmachung der Verbandssatzung vollständig oder in
wesentlichen Teilen unterblieben, so gilt als Zeitpunkt des Entstehens des Verbandes
der Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung der Genehmigung, sofern in der
Verbandssatzung kein späterer Zeitpunkt bestimmt ist.
(2) Ist die öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung der Verbandssatzung
unterblieben, so gilt als Zeitpunkt des Entstehens des Zweckverbandes der Tag, nach
dem die Verbandssatzung vollständig oder in ihren wesentlichen Teilen öffentlich
bekanntgemacht worden ist, sofern diese keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.
(3) Ist die öffentliche Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung
vollständig oder in wesentlichen Teilen unterblieben, so gilt als Zeitpunkt des Entstehens
des Zweckverbandes der Tag nach der vollständigen Bekanntmachung einer Satzung
zur Änderung der Verbandssatzung oder einer sonstigen Satzung des Verbandes. Diese
Satzungen sind auch dann wirksam, wenn die Beschlussfassung und die öffentliche
Bekanntmachung vor der Entstehung des Zweckverbandes erfolgt sind.
(4) Die öffentliche Bekanntmachung einer Satzung nach den Absätzen 1 bis 3 ist nicht
deshalb fehlerhaft, weil sie durch eine unzuständige Behörde oder in einer anderen als
der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Bekanntmachungsform erfolgt ist, sofern
diese Bekanntmachung geeignet war, die Satzung allen betroffenen Einwohnern zur
Kenntnis zubringen. Ist der Tag der Bekanntmachung nicht bestimmbar, gilt der letzte
Tag des Monats der Bekanntmachung als Tag der Bekanntmachung.
(5) Ist die öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung und der Verbandssatzung
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(5) Ist die öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung und der Verbandssatzung
vollständig oder in wesentlichen Teilen unterblieben, entsteht der Zweckverband zu dem
in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt erst mit der Bekanntmachung nach § 14 Abs. 1.
§ 4
Beitritt und Ausscheiden von Verbandsmitgliedern
(1) Die §§ 2 und 3 gelten für den Beitritt und das Ausscheiden von Verbandsmitgliedern
entsprechend, soweit in den Absätzen 2 und 3 keine abweichende Regelung getroffen
wird.
(2) Fehlende oder nicht feststellbare Beschlüsse der Vertretungskörperschaften zum
Verbandsbeitritt oder zum Ausscheiden aus dem Zweckverband, fehlende oder nicht
feststellbare Anträge von beitretenden oder ausscheidenden Gemeinden sowie fehlende
oder nicht feststellbare Satzungsänderungsbeschlüsse der Verbandsversammlungen
zum Beitritt oder Ausscheiden sind unbeachtlich, wenn die Beteiligten den Beitritt oder
das Ausscheiden tatsächlich vollzogen haben. Der Beitritt gilt als vollzogen, wenn die
Gemeinde entsprechend § 2 Abs. 2 als Verbandsmitglied aufgetreten ist. Das
Ausscheiden gilt als vollzogen, wenn die Auseinandersetzung der Beteiligten erfolgt ist
oder die ausscheidende Gemeinde nach Kundgabe ihres Ausscheidungswillens ohne
Widerspruch des Zweckverbandes über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr nicht
mehr als Verbandsmitglied aufgetreten ist.
(3) Änderungen im Mitgliederbestand, die nicht bekannt gegeben worden sind, macht
die Aufsichtsbehörde spätestens mit der Bekanntmachung nach § 14 Abs. 1 bekannt.
Die Änderungen werden mit der Bekanntmachung nach § 14 Abs. 1 zu dem Zeitpunkt
wirksam, zu dem der Beitritt oder das Ausscheiden vollzogen worden ist. Die
Aufsichtsbehörde stellt in ihrer Bekanntmachung den Zeitpunkt fest.
§ 6
Inhalt der Verbandssatzung
(1) Weist die Verbandssatzung eines Zweckverbandes einzelne Bestimmungen, die nach
dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg zum
notwendigen Satzungsinhalt gehören, nicht auf oder sind diese Bestimmungen
fehlerhaft, steht dies nach Maßgabe der §§ 7 bis 13 einer Verbandsbildung nicht
entgegen.
(2) Für Zweckverbände, die nach dem Zweckverbandsgesetz gegründet worden sind, gilt
Absatz 1 entsprechend. Entspricht die Verbandssatzung nicht den Vorschriften des
Zweckverbandsgesetzes, die an den notwendigen Satzungsinhalt höhere Anforderungen
stellen als das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg, gilt
die tatsächliche Übung des Zweckverbandes als vereinbart. Ist eine tatsächliche Übung
nach Satz 2 nicht feststellbar, gelten die Vorschriften des Gesetzes über kommunale
Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg als vereinbart.
...
§7
Verbandsmitglieder
(1) Fehlt in der Verbandssatzung ein Mitgliederverzeichnis oder ist das
Mitgliederverzeichnis nicht vollständig, gelten als Verbandsmitglieder die Gemeinden, die
in der Verbandssatzung oder einer späteren Satzung des Zweckverbandes aufgeführt
werden. Neben den Verbandsmitgliedern nach Satz 1 gelten die Gemeinden als
Verbandsmitglieder, die gemäß § 2 Abs. 2 als Verbandsmitglieder aufgetreten sind.
(2) Gemeinden, die keine Beschlüsse zur Verbandsbildung gefasst haben, keine
Willenserklärung zur Verbandsbildung abgegeben haben und auch nicht gemäß § 2 Abs.
2 als Verbandsmitglieder aufgetreten sind, gelten nicht als Verbandsmitglieder. Sind
solche Gemeinden in der Verbandssatzung als Verbandsmitglieder aufgeführt, steht dies
einer Verbandsbildung der anderen Gemeinden nicht entgegen.
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§ 14
Feststellung und Bekanntmachung der Zweckverbände und ihrer Verbandssatzung
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(1) Die zuständige Aufsichtsbehörde stellt unverzüglich nach Inkrafttreten dieses
Gesetzes fest und macht in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt bekannt:
1. die Zweckverbände, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes als entstanden gelten,
sowie den Zeitpunkt ihres Entstehens und, soweit erfolgt, ihrer Auflösung;
2. die Gründungssatzung der Zweckverbände, ihre Änderungssatzungen sowie ihre im
Zeitpunkt dieser Bekanntmachung geltenden Verbandssatzungen in der jeweils nach
den Vorschriften dieses Gesetzes gelten den Fassung.
Die Verbandsmitglieder haben in der für ihre Bekanntmachung vorgeschriebenen Form
auf die Bekanntmachungen nach Satz 1 hinzuweisen.
(2) Die Feststellungen nach Absatz 1 werden gegenüber den betroffenen
Zweckverbänden und Gemeinden durch Verwaltungsakt getroffen, der ihnen
bekanntzugeben ist. Der Verwaltungsakt kann unmittelbar mit der Klage im
Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden; die Klage hat keine aufschiebende
Wirkung. Fehlerhafte Feststellungen zur Verbandsmitgliedschaft sowie zum Inhalt der
Verbandssatzung berühren nicht die Entstehung des Zweckverbandes.
§ 16
Erleichterter Austritt
(1) Verbandsmitglieder, deren Vertretungskörperschaften keinen Beschluss zur
Verbandsbildung gefasst haben, sowie Verbandsmitglieder der Zweckverbände, deren
Verbandssatzung aufgrund des § 10 Abs. 2 geändert wird, können innerhalb eines
Monats nach der Bekanntmachung gemäß § 14 Abs. 1 ihren Austritt aus dem
Zweckverband erklären.
(2) Der Austritt bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist zu
erteilen, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen, die Auseinandersetzung
der Beteiligten geregelt ist und dringende Gründe des öffentlichen Wohls nicht
entgegenstehen. Falls sich die Beteiligten über die Auseinandersetzung nicht einigen,
entscheidet darüber die Aufsichtsbehörde.
(3) Ein Austritt nach den Vorschriften des Gesetzes über kommunale
Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg bleibt unberührt.
II.
Die drei beschwerdeführenden Gemeinden haben sich nach dem 3. Oktober 1990 in
unterschiedlicher Weise an Wasserzweckverbänden beteiligt.
1. Der Bürgermeister der Beschwerdeführerin zu 1. erklärte im Januar 1991 in einem
Schreiben gegenüber der Kreisverwaltung, dass die Gemeindevertretung dem Anschluss
an eine Abwasseranlage in Alt-Schadow zustimme. Im März 1991 unterzeichnete er
zusammen mit den Bürgermeistern von Nachbargemeinden eine Erklärung, wonach
dem Anschluss der Gemeinde an die Gemeinschaftskläranlage Alt-Schadow zugestimmt
werde. Die Verbandssatzung des Wasser- und Abwasserverbandes Alt-Schadow wurde
im April 1992 beschlossen und im Juli 1992 bekanntgemacht. Im Mitgliederverzeichnis
der Verbandssatzung ist die Beschwerdeführerin zu 1. als Mitglied aufgeführt. Ein
Beschluss ihrer Gemeindevertretung über die Mitgliedschaft im Zweckverband liegt
indes nicht vor. Gleichwohl haben Vertreter der Gemeinde in der Folgezeit an
Verbandsversammlungen und vergleichbaren Sitzungen des Zweckverbandes
teilgenommen und an Beschlüssen mitgewirkt. Zudem ist die Verbandsumlage gezahlt
und die Beschwerdeführerin zu 1. an das Abwassernetz des Verbandes angeschlossen
worden.
Die Aufsichtsbehörde hat im Feststellungsverfahren nach § 14 ZwVerbStabG mit
Verwaltungsakt vom 10. November 1999 festgestellt, dass der Wasserzweckverband Alt-
Schadow als am 4. Juli 1992 entstanden gilt und die Beschwerdeführerin zu 1. seitdem
Mitglied dieses Verbandes sei.
2. Im Fall der Beschwerdeführerin zu 2. haben die Gemeindevertretungen der
Beschwerdeführerin zu 2. und der Gemeinde Groß Machnow im März 1993 in einer
gemeinsamen Sitzung den Beschluss gefasst, die Aufgaben der Trinkwasserversorgung
und Abwasserentsorgung dem Amt Rangsdorf zu übertragen. Dem stimmte das Amt zu
und fasste den Beschluss, für die beiden Gemeinden dem Zweckverband
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und fasste den Beschluss, für die beiden Gemeinden dem Zweckverband
Komplexsanierung Mittlerer Süden (KMS) beizutreten. Der Zweckverband beschloss im
Juli 1993 die Aufnahme des Amtes Rangsdorf für die beiden Gemeinden. Als Mitglieder
wurden jedoch in der Verbandssatzung sowie den weiteren Unterlagen die beiden
Gemeinden selbst geführt. In der Folgezeit nahmen Vertreter der Beschwerdeführerin zu
2. regelmäßig an Verbandsversammlungen teil.
Bezüglich des Zweckverbandes KMS ist das Feststellungsverfahren nach § 14
ZwVerbStabG noch nicht abgeschlossen. Die zuständige Aufsichtsbehörde geht indes in
einer vorläufigen Einschätzung vom 4. Februar 1999 von einer Mitgliedschaft der
Beschwerdeführerin zu 2. im Zweckverband KMS seit 1993 aus.
3. Die Beschwerdeführerin zu 3. ist Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Gemeinde
Tuchen-Klobbicke. Im Februar 1991 verabschiedeten Vertreter verschiedener
Gemeinden, unter anderem der Gemeinde Tuchen-Klobbicke, eine Gründungserklärung
für den Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Eberswalde (ZWAE).
Im April 1991 wurde die Satzung des Zweckverbandes beschlossen. An der Sitzung
nahm für die Gemeinde Tuchen- Klobbicke ihr damaliger Bürgermeister teil. Dessen
Unterschrift unter der Satzung fehlt indes. Der Zweckverband ließ sich zunächst als
privatrechtlicher Verein in das Vereinsregister beim Amtsgericht Eberswalde eintragen.
Im Februar 1993 beschloss der Zweckverband eine Satzung, die vom Landrat genehmigt
und veröffentlicht wurde. Die Satzung wurde vom Bürgermeister der Gemeinde Tuchen-
Klobbicke nicht unterzeichnet. Ein entsprechender Beschluss der Gemeindevertretung
fehlt ebenfalls. Es findet sich allerdings eine vom damaligen Bürgermeister und dem
damaligen Amtsdirektor unterschriebene Erklärung für das Zweckverbandsmitglied
Tuchen-Klobbicke, wonach der Satzungsänderung zugestimmt werde. Nach der
Verbandsgründung hat der Bürgermeister kontinuierlich an den Versammlungen des
Zweckverbandes teilgenommen. Ferner hat die Gemeinde als Zweckverbandsmitglied
verschiedene verwaltungsgerichtliche Verfahren geführt.
Auch bezüglich des Zweckverbandes ZWAE ist das Feststellungsverfahren nach § 14
ZwVerbStabG noch nicht abgeschlossen. Die Aufsichtsbehörde geht in einer vorläufigen
Einschätzung vom 24. Februar 1999 davon aus, dass der Verband spätestens durch das
ZwVerbStabG rückwirkend den Status eines Zweckverbandes erlangt habe, in dem die
Gemeinde Tuchen-Klobbicke als Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 3. von
Anfang an Mitglied gewesen sei.
III.
Die Beschwerdeführerinnen machen mit ihren Kommunalverfassungsbeschwerden eine
Verletzung ihrer kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 97 der Landesverfassung (LV)
sowie des Demokratieprinzips und des Rückwirkungsverbots geltend. Im Kern rügen sie,
dass das ZwVerbStabG eine rückwirkende Heilung von Gründungsmängeln auch dann
bestimme, wenn die betreffende Gemeindevertretung keinen Beschluss zur
Verbandsgründung gefasst habe (§ 2 Abs. 2 ZwVerbStabG). Im einzelnen tragen sie vor:
1. Die Kommunalverfassungsbeschwerden seien zulässig. Sie - die
Beschwerdeführerinnen - seien durch die angegriffenen Vorschriften des ZwVerbStabG
in ihrer kommunalen Selbstverwaltung betroffen. Die durch das Gesetz herbeigeführte
Mitgliedschaft in einem Zweckverband beeinträchtige ihre. Organisationshoheit. Sie
könnten nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Ergebnisse der behördlichen
Feststellungsverfahren nach § 14 ZwVerbStabG vor den Verwaltungsgerichten
anzufechten.
2. Die Kommunalverfassungsbeschwerden seien auch begründet.
a. Indem das Gesetz einen Beschluss der Gemeindevertretung für entbehrlich erkläre,
werde das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Gemeinden verletzt. Ein Beschluss
der Gemeindevertretung sei unverzichtbare Voraussetzung für die Mitgliedschaft in
einem Zweckverband. Zwar gelte nach allgemeinen kommunalrechtlichen Regelungen
über das Außenvertretungsrecht der Gemeinden eine Willenserklärung ihres
gesetzlichen Vertreters auch dann als wirksam, wenn ihr kein entsprechender Beschluss
der Gemeindevertretung zugrundeliege. Dies gelte aber nicht für die Stellung des
Bürgermeisters nach der DDR-KV, auf deren Grundlage sie - die Beschwerdeführerinnen
- bei den Verbandsgründungen gehandelt hätten. Die Vertretungsmacht des
Bürgermeisters nach der DDR-KV sei durch die interne Beschlusslage beschränkt
gewesen. Dies müsse jedenfalls für die Gründung von Zweckverbänden gelten, da es
sich insoweit um "Verfassungsentscheidungen" der Gemeinde handele. Im übrigen
ersetze das ZwVerbStabG nicht nur den Beschluss der Gemeindevertretung, sondern
zusätzlich die Willenserklärung des Außenvertretungsberechtigten zur
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zusätzlich die Willenserklärung des Außenvertretungsberechtigten zur
Verbandsgründung. Damit setze sich der Gesetzgeber über die geltende Rechtslage in
verfassungswidriger Weise hinweg. Die auf gezwungene Erledigung von Aufgaben über
Zweckverbände ähnele der Hochzonung kommunaler Aufgaben und müsse deshalb
vergleichbaren Anforderungen genügen, die hier nicht erfüllt seien.
b. Indem § 2 Abs. 2 ZwVerbStabG für die Zweckverbandsgründung auf einen Beschluss
der Gemeinde verzichte und durch das bloße Auftreten von stimmberechtigten
Vertretern in Sitzungen der Verbandsversammlung ersetze, werde zugleich das die
kommunale Selbstverwaltung prägende Demokratieprinzip verletzt. Zwar sei die
Gemeindevertretung kein echtes Parlament. Sie sei jedoch auch nach der Europäischen
Charta der kommunalen Selbstverwaltung das maßgebliche Entscheidungsorgan der
Gemeinden. Jedenfalls in "Verfassungsfragen" wie dem Beitritt zu einem Zweckverband
sei ein Beschluss der Gemeindevertretung unverzichtbar. Der Beitritt führe zu einer
grundsätzlich nicht rückholbaren Verlagerung der Aufgabe auf den Zweckverband und
sei gegebenenfalls mit erheblichen Verpflichtungen verbunden. Für eine derart
weitgehende Festlegung der Gemeinde könne ein bloßes Auftreten der Gemeinde als
Verbandsmitglied nicht ausreichen. Die zivilrechtlichen Grundsätze der
Duldungsvollmacht seien auf die Außenvertretung der Gemeinden nicht übertragbar.
Auch in tatsächlicher Hinsicht lasse ein Duldungsverhalten der Gemeinde nicht auf einen
entsprechenden Willen der Gemeindevertretung schließen. Im Regelfall habe eine
Willensbildung gerade nicht stattgefunden; es handele sich gegebenenfalls um ein
"Hineinschlittern" ohne Beschluss.
c. Das ZwVerbStabG verstoße zudem gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip
abzuleitende Rückwirkungsverbot. Das Gesetz führe gegenüber den betroffenen
Gemeinden und Bürgern zu einer sog. echten Rückwirkung, die nicht durch zwingende
Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Jedenfalls bei Verbandsgründungen ohne
Beschluss der Gemeindevertretung habe die Eigenverantwortung der Gemeinde
unbedingten Vorrang gegenüber einem etwaigen Allgemeininteresse am Fortbestand
der bestehenden Abwasserverbände. Die zwangsweise rückwirkende
Zweckverbandsbildung lasse sich auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, dass der
Gesetzgeber zu folge § 13 GKG Pflichtverbände für die Zukunft auch gegen den Willen
der Gemeinden gründen dürfe. Bei einem Pflichtverband ersetze die
Kommunalaufsichtsbehörde eine Entscheidung der Gemeinde im Einzelfall aus Gründen
des öffentlichen Wohls und erst nach Beratung und ablehnender Entscheidung der
Gemeinde. Nach dem ZwVerbStabG werde demgegenüber eine Willenserklärung ohne
Einzelfallprüfung und ohne Beteiligung der Gemeindevertretung rückwirkend fingiert.
Insoweit seien mildere Mittel als eine zwangsweise Heilung gegen den Willen der
Gemeinden denkbar. So könne etwa auf die Regeln über den fehlerhaften Verband und
auf eventuelle Schadensersatzansprüche nach bisherigem Recht gegen die Organe der
Zweckverbände zurückgegriffen werden, gegebenenfalls auch auf
Schadensersatzansprüche gegen das Land Brandenburg. Im Gesetzgebungsverfahren
seien weitere Alternativen aufgezeigt worden.
d. Der Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung werde nicht hinreichend dadurch
gemildert, dass den Gemeinden nach § 16 ZwVerbStabG eine erleichterte
Austrittsmöglichkeit eröffnet werde. Es bleibe unbeschadet des Austrittsrechts der
Gemeinden bei einer Haftung für die Altschulden. Durch das ZwVerbStabG kämen auf
die Beschwerdeführerinnen zu 1. und 3. zusätzliche Belastungen in Höhe von 1 bis 2 Mio.
DM, für die Beschwerdeführerin zu 2. sogar in Höhe von 5 bis 10 Mio. DM zu.
Die Beschwerdeführerinnen beantragen,
festzustellen, dass Art. 1 § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 2 und 3, § 3, § 4 Abs. 2 und § 7 des
Gesetzes zur rechtlichen Stabilisierung der Zweckverbände für Wasserversorgung und
Abwasserbeseitigung und zur Änderung des Gesetzes über kommunale
Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg vom 6. Juli 1998 (GVBl. I S. 162) mit Art. 97
der Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar sind.
IV.
Die Landesregierung tritt den Ausführungen der Beschwerdeführerinnen entgegen.
1. Den angegriffenen Vorschriften komme schon keine Eingriffsqualität zu. Sie bewirkten
keinen den Willen der betroffenen Gemeinden missachtenden Zwangsverband, sondern
eine Absicherung des erkennbaren Willens der Gemeinden zur Bildung von
Zweckverbänden. Die Beschwerdeführerinnen hätten, ohne dazu gezwungen worden zu
sein, auf die Gründung eines Zweckverbandes bzw. den Beitritt zu einem solchen
Verband zielende Aktivitäten entfaltet. Der Gesetzgeber habe die tatsächlich ausgeübte
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Verband zielende Aktivitäten entfaltet. Der Gesetzgeber habe die tatsächlich ausgeübte
und gewollte Mitgliedschaft lediglich rechtlich abgesichert. Der Rückschluss von dem
tatsächlichen Mitgliedschaftsverhalten der Gemeinden auf ihren internen
Mitgliedschaftswillen sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Ein Eingriff in den
Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltung ergebe sich auch nicht unter dem
Gesichtspunkt einer rückwirkend begründeten Haftung der Gemeinden für alte
Verbindlichkeiten der Zweckverbände. Bei unwirksamen Zweckverbandsgründungen
wären die Gemeinden einer zivilrechtlichen Haftung ausgesetzt. Insoweit bewirke das
ZwVerbStabG keine rechtliche Schlechterstellung.
Selbst wenn man einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung annehme, sei dieser
verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das aus der kommunalen
Selbstverwaltungsgarantie möglicherweise abzuleitende Recht der demokratisch
gewählten Gemeindevertretung, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen,
werde nicht im Kern berührt. Mit dem rückwirkenden Festhalten der Gemeinde an dem
erkennbaren Willen ihrer Gemeindevertretung und ihrer Vertreter in den Sitzungen des
Zweckverbandes werde zwar für diesen besonderen Fall auf einen geordneten förmlichen
Willensbildungsprozess verzichtet. Dies geschehe aber nur für zurückliegende Vorgänge
und nur für den Bereich der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Das
umfassende Recht der Gemeindevertretung, entsprechend der Gemeindeordnung über
die wesentlichen Belange der Gemeinde selbst zu entscheiden, bleibe unangetastet.
Eventuelle Beeinträchtigungen im Randbereich der kommunalen Selbstverwaltung seien
durch überwiegende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt. Ende 1997/Anfang 1998 sei für
überragende Gemeinschaftsgüter, namentlich die ordnungsgemäße Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung mit ihren Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und die
natürlichen Lebensgrundlagen, eine kritische Situation entstanden. Infolge der
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg habe man
davon ausgehen müssen, dass mehr als 90 % der Wasserzweckverbände nicht wirksam
gegründet worden seien. Die eingetretene Verunsicherung habe zu einer zunehmenden
Verweigerungshaltung der Verbandsmitglieder und der Abgabenschuldner geführt.
Geschäftsgrundlage und finanzielle Basis der Zweckverbände hätten sich in einem
rapide fortschreitenden Erosionsprozess befunden. Es habe der Verlust hoher
Investitionen sowie die Auflösung gewachsener Strukturen gedroht. In dieser
zugespitzten Lage habe dem Land kein anderes eben so wirksames Mittel zum Schutz
der gefährdeten Rechtsgüter zur Verfügung gestanden. Die Eingriffsintensität des
ZwVerbStabG sei zudem gering. Der Gesetzgeber zwinge die Gemeinden nicht gegen
ihren Willen in einen Zweckverband, sondern rechne lediglich ein in Kenntnis der
Vertretungskörperschaft ausgeübtes Verhalten der stimmberechtigten Vertreter der
Gemeinde als eine eigene Entscheidung zu. Dies verstoße weder gegen Grundsätze des
kommunalen Verfassungsrechts noch gegen das Demokratieprinzip. Nach allgemeinen
kommunalrechtlichen Maßstäben sei ein Beschluss der Gemeindevertretung zur
wirksamen Außenvertretung nicht unabdingbar. Der Umfang der Vertretungsmacht des
Bürgermeisters sei auch nach der DDR-KV unabhängig von der internen Willensbildung
der Gemeinde. Auch mit Blick auf das Demokratieprinzip sei ein Beschluss der
Gemeindevertretung für die rückwirkende Heilung von Gründungsmängeln nicht
unverzichtbar. Die Kommunalvertretungskörperschaften repräsentierten zwar die
Bürgerschaft, seien aber kein Parlament, sondern Teil der Exekutive. Der Standard an
rechtsförmlicher Absicherung des Willenbildungsprozesses könne gegebenenfalls
zugunsten der Sicherheit des Rechtsverkehrs und im Interesse einer die
Lebensgrundlagen sichernden Wasserversorgung und Wasserentsorgung abgesenkt
werden.
3. Die rückwirkende Heilung von Gründungsmängeln verstoße nicht gegen das
verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Es fehle insoweit bereits an einer
Vertrauenssituation, die durch den Gesetzgeber hätte enttäuscht werden können. Die
Lage der beschwerdeführenden Gemeinden sei dadurch gekennzeichnet, dass sie
zunächst erkennbar eine Zweckverbandsgründung gewollt hätten, nun aber aufgrund
der nachträglich festgestellten Fehler und der strenger werdenden Rechtsprechung die
Chance sähen, von vertraglichen Verpflichtungen loszukommen. Das anfängliche
Vertrauen in die Wirksamkeit der Verbandsgründungen sei durch die vom Gesetzgeber
angeordnete nachträgliche Heilung nicht enttäuscht worden. Die später je nach
Interessenlage aufgekommene Hoffnung, von den Zweckverbänden loszukommen, habe
wegen der zeitgleich einsetzenden Heilungsanstrengungen des Landesgesetzgebers
nicht zu einer schützenswerten Vertrauensposition erstarken können, die durch das
ZwVerbStabG hätte enttäuscht werden können. Im übrigen entfalle die
Schutzbedürftigkeit des Vertrauens bei einer unklaren und verworrenen Rechtslage, wie
sie hier bestanden habe. Der Rechtsverkehr habe damit zu rechnen gehabt, dass sich
auch im Bereich des Kommunalrechts in den neuen Bundesländern angesichts der
Umbruchphase umfassende Rechtsänderungen ergeben würden.
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V.
Der Landtag hat von einer Äußerung abgesehen.
VI.
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat in, seiner Stellungnahme ausgeführt.,
dass es dem Gesetzgeber nicht schlechthin verwehrt sein könne, angesichts der
besonderen Verhältnisse der Nachwendezeit korrigierend in das Selbstverwaltungsrecht
der Gemeinden einzugreifen. Dies gelte gerade für den Bereich der
Abwasserentsorgung. Es sei nicht sachgerecht, wenn einzelne Gemeinden aus den
zunächst von ihnen gewollten Zweckverbänden ausscheiden könnten und die
verbleibenden Gemeinden in der Verantwortung für die Altschulden zurückließen. Die
weitgehend nicht wirksam gegründeten Zweckverbände hätten seit Jahren am
Rechtsverkehr teilgenommen und erhebliche Kreditverpflichtungen übernommen. Im
Falle einer Aufhebung der angegriffenen Vorschriften des ZwVerbStabG sei die
Daseinsvorsorge der Gemeinden im Bereich der Abwasserentsorgung in Frage gestellt.
B.
Die Kommunalverfassungsbeschwerden sind gemäß Art. 100 LV, § 51
Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zulässig.
I.
Die Beschwerdeführerinnen werden als amtsangehörige Gemeinden gemäß § 4 Abs. 3
Amtsordnung für das Land Brandenburg (AmtsO) durch das Amt und dieses gemäß § 9
Abs. 4 AmtsO durch den Amtsdirektor vertreten. Diese Vorschriften finden nach der
ständigen Spruchpraxis des Verfassungsgerichts auch in verfassungsgerichtlichen
Verfahren Anwendung, solange, wie hier, auf Seiten des Amtes kein Interessenkonflikt zu
besorgen ist (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 17. Juli 1997 -
VfGBbg 1/97 -, LVerfGE 7, 74, 83 f. m.w.N.). Soweit das Landesverfassungsgericht
Mecklenburg-Vorpommern zu der dortigen Rechtslage die Auffassung vertritt, die
Regelung über die Vertretung amtsangehöriger Gemeinden durch das Amt gelte nicht
für Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren (s. Urteil vom 4. Februar 1999 - LVerfG
1/98 -, S. 8 f. des Entscheidungsumdrucks, insoweit nicht abgedruckt in LKV 1999, 319
ff.; kritisch dazu bereits Darsow, LKV 1999, 308 f.), vermag sich das Verfassungsgericht
dem für die brandenburgische Rechtslage nicht anzuschließen. § 4 Abs. 3 AmtsO ordnet
ohne weitere Differenzierung eine Vertretung der amtsangehörigen Gemeinden durch
die Ämter "in gerichtlichen Verfahren" an. Dies gilt gleichermaßen für fachgerichtliche wie
verfassungsgerichtliche Verfahren. Hierzu ergibt sich aus Art. 100 LV und § 51 Abs. 1
VerfGGBbg nichts Abweichendes. Zwar setzen diese Vorschriften eine Gemeinde oder
einen Gemeindeverband als Beschwerdeführer voraus, wobei Ämter nicht zu den
Gemeindeverbänden zählen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss
vom 21. Januar 1998 - VfGBbg 8/97 -, NJ 1998,197 L, vorgesehen zur Veröffentlichung in
LVerfGE 8, Teil Brandenburg Nr. 1). Daraus folgt jedoch nur, dass die Ämter nicht selbst
Kommunalverfassungsbeschwerde erheben können. Hingegen lässt sich den
Vorschriften nicht entnehmen, wie eine amtsangehörige Gemeinde bei Geltendmachung
ihrer Selbstverwaltungsrechte vor dem Verfassungsgericht vertreten wird. Es verbleibt
hiernach für das Land Brandenburg auch vor dem Verfassungsgericht bei den
allgemeinen kommunalrechtlichen Bestimmungen über die Außenvertretung der
Gemeinden.
II.
Die Beschwerdeführerinnen sind gemäß Art. 100 LV beschwerdebefugt. Sie machen
geltend, durch die angegriffenen Vorschriften des ZwVerbStabG in ihrem Recht auf
Selbstverwaltung nach der Landesverfassung verletzt zu sein. Dies ist jedenfalls nicht
von vornherein ausgeschlossen. Im einzelnen:
1. Die angegriffenen Vorschriften entfalten konstitutive Wirkung und haben nicht nur -
was eine Rechtsbeeinträchtigung ausschließen würde - deklaratorischen Charakter.
a. Dies gilt zunächst für die mit den §§ 2 Abs. 2 und 3, 3, 4 Abs. 2 und 7 ZwVerbStabG
bewirkte rückwirkende Heilung von Gründungsmängeln. Ohne diese rückwirkende
Heilung wären die betroffenen Zweckverbände nicht wirksam entstanden. Für die
Entstehung eines Zweckverbandes müssen grundsätzlich sämtliche formellen und
materiellen Gründungsvoraussetzungen eingehalten sein (vgl. etwa Kollhosser, NJW
1997, 3265 f.; Pencereci/Bluhm, LKV 1998, 172; jeweils mit weiteren Nachweisen zur
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79
1997, 3265 f.; Pencereci/Bluhm, LKV 1998, 172; jeweils mit weiteren Nachweisen zur
Rechtsprechung). Soweit es in § 11 Abs. 2 GKG heißt, dass der Zweckverband am Tage
nach der Bekanntmachung von Satzung und Genehmigung "entsteht", lässt dies nicht
etwa den Schluss zu, dass die rechtliche Existenz eines Zweckverbandes allein von der
(ordnungsgemäßen) Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung
abhinge und sonstige Gründungsfehler keine Auswirkungen auf das Entstehen des
Verbandes hätten. Die Bekanntmachung ist nur eine Voraussetzung neben weiteren
(vgl. OVG Sachsen, SächsVBl. 1999, 14, 17; Pencereci, GKG, § 9 Erl. II und § 11 Erl. I, s.
auch VGH Mannheim, NVwZ-RR 1990, 215 f.). § 11 Abs. 2 Satz 1 GKG dient allein der
Festlegung des Entstehungszeitpunktes. Er ist in dem Sinne zu lesen, dass der
Zweckverband erst mit der Bekanntmachung von Verbandssatzung und Genehmigung
entsteht. Soweit dies vom Oberverwaltungsgericht Thüringen in einer neueren
Entscheidung für die dortige Rechtslage anders bewertet wird (Beschluss vom 15. Juli
1999, DÖV 1999, 1004 ff.), lässt sich diese Rechtsprechung auf Fälle der hier
zugrundeliegenden Art schon deshalb nicht übertragen, weil ein dem § 19 Abs. 1 Satz 4
ThürGKG entsprechender Rügeausschluss - auf den das OVG Thüringen maßgeblich
abgestellt hat - im Land Brandenburg erst mit Gesetz vom 6. Juli 1998 (GVBl. I, S. 162,
166 Nr. 3) in das GKG eingefügt worden ist (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 GKG) und nur für
Verbandsgründungen ab diesem Zeitpunkt gilt (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf
LT-Drs. 2/5171 S. 31 f.). Bei den hier in Rede stehenden Verbandsgründungen führen
Gründungsmängel ungeachtet einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung von
Verbandssatzung und Genehmigung zur Unwirksamkeit des Zweckverbandes.
Deshalb kommt den angegriffenen Heilungsvorschriften des ZwVerbStabG, die diese
Mängel rückwirkend heilen, rechtsbegründende Wirkung zu.
b. Gleiches gilt im Ergebnis für die Regelung in § 1 Abs. 3 ZwVerbStabG, derzufolge
Zweckverbände die in der Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum Inkrafttreten des GKG
gegründet worden sind, mit ihrer Gründung die Eigenschaft einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts erlangt haben und die Rechtsstellung eines Zweckverbandes nach
dem RZwVerbG besitzen. Hintergrund dieser Regelung sind die rechtlichen
Unsicherheiten über die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des GKG. Während § 5 GKG die
Rechtspersönlichkeit der Zweckverbände ausdrücklich bestimmt, ist die Rechtslage bei
Gründungen für die Zeit davor umstritten. Namentlich gibt es in Rechtsprechung und
Schrifttum unterschiedliche Auffassungen darüber, ob das RZwVerbG in den neuen
Bundesländern nach Art. 123 G fortgalt oder ob sich die Rechtsstellung der
Zweckverbände in dieser Zeit nach anderen Vorschriften, etwa § 61 DDR-KV, beurteilt
(vgl. hierzu die Darstellung des Streitstandes bei Klügel, LKV 1998, 168 ff. und die
Nachweise bei SächsOVG, SächsVBl. 1999, 14 ff.). Diesen Unsicherheiten wollte der
Gesetzgeber mit § 1 Abs. 3 ZwVerbStabG begegnen und die Rechtslage für
Brandenburg klarstellen (vgl. LT- Drs. 2/5171 S. 18). Es kann in diesem Zusammenhang
dahinstehen, ob der Gesetzgeber damit eine für die Gründung der in Rede stehenden
Zweckverbände notwendige rechtliche Grundlage nachträglich überhaupt erst
geschaffen hat. Es genügt in dem hier in Frage stehenden Zusammenhang, dass er mit
§ 1 Abs. 3 ZwVerbStabG eine bislang ungeklärte und unsichere Rechtslage verbindlich
festgeschrieben und da mit für das Land Brandenburg unterschiedlicher Deutung
entzogen hat. Jedenfalls unter diesem Aspekt kommt der Vorschrift eine die Gemeinden
berührende Rechtswirkung zu, weil sie unbeschadet der damalige Rechtslage jetzt (bei
Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 3 ZwVerbStabG) nicht mehr geltend machen
können, schon mangels Fortgeltung des RZwVerbG nicht Mitglied eine wirksam
gegründeten Zweckverbandes geworden zu sein (vgl. hierzu LVerfG Mecklenburg-
Vorpommern, LKV 1999, 319).
2. Eine Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung durch die angegriffenen
Vorschriften erscheint jedenfalls möglich. Zum Schutzbereich der kommunalen
Selbstverwaltung zählt die Befugnis der Gemeinden, in Ausübung ihrer
Organisationshoheit eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, ob sie eine ihnen
obliegende Aufgabe - hier die Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung (s. §§ 59,
66 Brandenburgisches Wassergesetz - BbgWG -) - selbst oder im Verbund mit anderen
Gemeinden wahrnehmen (vgl. BVerfG, NVwZ 1987, 123 f.). Indem das ZwVerbStabG
auch solche Kommunen rückwirkend zu Mitgliedern von Abwasserzweckverbänden
werden lässt, die dies nicht oder nicht mit Wirkung für die Vergangenheit wollen, greift es
insoweit in die Entscheidungsfreiheit der Gemeinden ein (vgl. LVerfG Mecklenburg-
Vorpommern, LKV 1999, 319 f.; LVerfG Sachsen-Anhalt, LVerfGE 7, 304, 315 f.).
Die Beschwerdeführerinnen können in diesem Zusammenhang zulässigerweise auch
eine Verletzung des Demokratieprinzips geltend machen. Das Demokratieprinzip gehört
zu den das kommunale Selbstverwaltungsrecht wesentlich prägenden
Verfassungsprinzipien (BVerfGE 91, 228, 244 m.w.N.; s. auch BVerfGE 79, 127, 149:
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Verfassungsprinzipien (BVerfGE 91, 228, 244 m.w.N.; s. auch BVerfGE 79, 127, 149:
Gemeinden als "Keimzelle der Demokratie"). Es findet für die kommunale Ebene seine
Verankerung in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 22 Abs. 1 LV, wonach die Gemeinden
eine gewählte Vertretung haben. Der durch § 2 Abs. 2 ZwVerbStabG bewirkte Verzicht
auf einen Beschluss der unmittelbar demokratisch legitimierten Gemeindevertretung
kann jedenfalls möglicherweise mit dem Demokratieprinzip in Konflikt geraten.
Die Beschwerdeführerinnen können sich weiter in zulässiger Weise auf eine
Beeinträchtigung des Rechtsstaatsgebots, nämlich unter dem Aspekt des
Rückwirkungsverbots, berufen. Auch das Rechtsstaatsgebot zählt zu den die kommunale
Selbstverwaltung mitprägenden Verfassungsgrundsätzen. Die Gemeinden brauchen
gesetzliche Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung nur dann hinzunehmen, wenn
das jeweilige Gesetz rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt, zu denen auch die
Verfassungsgrundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gehören
(LVerfG Mecklenburg- Vorpommern, a.a.0., S. 319). Es ist nicht auszuschließen, dass die
mit dem ZwVerbStabG bewirkte rückwirkende Heilung von Gründungsmängeln
hiergegen verstößt. Freilich können die Beschwerdeführerinnen insoweit zulässigerweise
nur zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung stellen, ob das Gesetz ihnen selbst
gegenüber gegen das Rückwirkungsverbot verstößt. Ob es gegenüber den Bürgern eine
zulässige oder unzulässige Rückwirkung darstellt kann nicht Gegenstand einer
Kommunalverfassungsbeschwerde sein.
3. Die Beschwerdeführerinnen sind durch das ZwVerbStabG selbst, gegenwärtig und
unmittelbar betroffen.
a. Die Beschwerdeführerinnen unterfallen dem Anwendungsbereich der angegriffenen
Vorschriften. In diesem Zusammen hang bedarf es keiner näheren Untersuchung durch
das Verfassungsgericht dazu, ob und gegebenenfalls welche konkreten
Verbandsgründungsmängel im Fall der Beschwerdeführerinnen unterlaufen sind und
gegebenenfalls vom ZwVerbStabG erfasst werden. Dies ist vielmehr Sache der
Aufsichtsbehörden im Feststellungsverfahren nach § 14 ZwVerbStabG und im weiteren
der Verwaltungsgerichte. Dem hat das Verfassungsgericht nicht vorzugreifen. Es
beschränkt sich vielmehr in der hier zugrundeliegenden besonderen Konstellation auf die
Prüfung, ob es angesichts der vielfältigen rechtlichen und tatsächlichen Unsicherheiten
mindestens möglich erscheint, dass die Beschwerdeführerinnen durch die einzelnen
Vorschriften betroffen sein können. Das ist hier bei allen Beschwerdeführerinnen der Fall:
§ 1 Abs. 3 ZwVerbStabG betrifft jedenfalls die Beschwerdeführerin zu 3., weil sie an einer
Verbandsgründung vor dem Inkrafttreten des GKG beteiligt ist . § 2 Abs. 2 und 3
ZwVerbStabG betrifft offenbar alle drei Beschwerdeführerinnen, weil die Beschlüsse der
Vertretungskörperschaften und die Willenserklärungen zur Verbandsgründung entweder
fehlerhaft waren oder ganz fehlen. Von § 3 ZwVerbStabG ist mangels Veröffentlichung
der erste Verbandssatzung jedenfalls die Beschwerdeführerin zu 3. betroffen. § 4
ZwVerbStabG betrifft jedenfalls die Beschwerdeführerin zu 2., weil sie einem
Zweckverband beigetreten ist. Von § 7 ZwVerbStabG ist nach Lage der Dinge zumindest
die Beschwerdeführerin zu 3. betroffen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerdeführerinnen zwar möglicherweise
nicht gleichermaßen durch sämtliche angegriffenen Vorschriften betroffen sind, dass
aber jede Beschwerdeführerin zumindest durch einzelne dieser Vorschriften betroffen ist
und mit den Kommunalverfassungsbeschwerden sämtliche angegriffenen Vorschriften.
"abdeckt" sind. Nachdem die Kommunalverfassungsbeschwerden von den
Beschwerdeführerinnen zu 1. und 2. von vornherein gemeinsam erhoben worden sind
und sich die Beschwerdeführerin zu 3. ihnen angeschlossen hat, ist dies dahin
auszulegen, dass die beschwerdeführenden Gemeinden jeweils die sie betreffenden
Vorschriften angreifen.*§ b. Die von dem ZwVerbStabG ausgehenden Rechtswirkungen
betreffen die Beschwerdeführerinnen gegenwärtig und unmittelbar. Dem steht nicht
entgegen, dass die Feststellung der Heilung von Gründungsmängeln in einem
besonderen Verwaltungsverfahren nach § 14 ZwVerbStabG erfolgt, welches im Falle der
Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. noch nicht abgeschlossen ist. Insoweit kann
dahinstehen, ob und in welchen Fällen aus verwaltungsrechtlicher Sicht der Feststellung
nach § 14 ZwVerbStabG konstitutive Wirkung zukommt (s. hierzu die Begründung des
Gesetzentwurfs, LT-Drs. 2/5171, S. 26). Aus verfassungsrechtlicher Sicht genügt, dass
das ZwVerbStabG selbst für den Fall, dass die Heilung von Gründungsmängeln
verbindlich erst durch die behördliche Entscheidung nach § 14 ZwVerbStabG erfolgen
sollte, für die betroffenen Gemeinden bereits insoweit Wirkungen entfaltet, als sie sich
auf die gegebenenfalls zu erwartende rückwirkende Zweckverbandsgründung,
insbesondere auf die zu erwartenden finanziellen Folgen, einzustellen haben. Derartige
Vorwirkungen begründen eine aktuelle rechtliche Betroffenheit (vgl. BVerfGE 77, 308,
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Vorwirkungen begründen eine aktuelle rechtliche Betroffenheit (vgl. BVerfGE 77, 308,
326; 45, 104, 118; 38, 326, 335).
III.
Die Beschwerdeführerinnen können nicht darauf verwiesen werden, dass der
Gesetzgeber in § 14 ZwVerbStabG ein behördliches Feststellungsverfahren vorgesehen
hat, dessen Ergebnis die Gemeinden vor den Verwaltungsgerichten angreifen können (s.
§ 14 Abs. 2 ZwVerbStabG). Das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung gilt für die
Kommunalverfassungsbeschwerde allenfalls in abgeschwächter Form. Dies findet seinen
Grund darin, dass für den Einzelnen nach Ausschöpfung des Rechtswegs vor den
Fachgerichten die Verfassungsbeschwerde zur Verfügung steht, mit der er eine
(inzidente) verfassungsgerichtliche Überprüfung des betreffenden Gesetzes am Maßstab
der für ihn gelten den Grundrechte erreichen kann, während die Gemeinden nicht die
Möglichkeit haben, die fachgerichtliche Endentscheidung vor dem Verfassungsgericht
mit der Behauptung anzugreifen, das zugrundeliegende Gesetz verletze ihr Recht auf
Selbstverwaltung. Einerseits entfällt eine Individualverfassungsbeschwerde, weil das
Recht auf kommunale Selbstverwaltung kein Grundrecht ist (vgl. Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, Beschluss vom 21. Oktober 1999 - VfGBbg 26/9 -, S. 7 des
Umdrucks, vorgesehen zur Veröffentlichung in LVerfGE 10, Teil Brandenburg Nr. 8).
Andererseits können die Gemeinden in diesen Fällen aber auch keine
Kommunalverfassungsbeschwerde erheben, weil diese zufolge Art. 100 LV nur gegen
Gesetze eröffnet ist. Hinzu kommt, dass vielfach nach Abschluss eines fachgerichtlichen
Verfahrens auch bereits die Jahresfrist zur Erhebung einer
Kommunalverfassungsbeschwerde gegen das Gesetz abgelaufen sein wird. Zur
Vermeidung einer Verkürzung des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes können
Gemeinden deshalb im allgemeinen nicht darauf verwiesen werden, vor Erhebung der
Kommunalverfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zunächst fachgerichtlichen
Rechtsschutz gegen etwaige Einzelakte in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerfGE 76, 107,
112 ff.; 71, 25, 35 f.). Entsprechendes gilt hier im Verhältnis zu dem
Feststellungsverfahren nach § 14 ZwVerbStabG.
IV.
Die Jahresfrist (§ 51 Abs. 2 VerfGGBbg) ist gewahrt. Das ZwVerbStabG ist am 8. Juli 1998
in Kraft getreten; die Kommunalverfassungsbeschwerden sind am 29. Dezember 1998
und am 16. Februar 1999 erhoben worden.
V.
Das Verfassungsgericht hat keinen Anlass gesehen, die zugrundeliegenden
Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 31 VerfGGBbg bis zu einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Normenkontrollverfahren 2 BvL
14/98, betreffend Vorschriften des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit des
Landes Sachsen-Anhalt, auszusetzen; die ebenfalls auf eine rückwirkende Heilung von
Mängeln bei der Gründung von Zweckverbänden abzielen (§§ 7 Satz 2 2. HS, 8a Abs. 1
GKG-LSA).
Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit von Landesrecht
Sachsen-Anhalts mit den Grundgesetz wirkt sich auf die hier zu prüfende Vereinbarkeit
von brandenburgischem Landesrecht mit der Landesverfassung nicht aus. Hiervon
abgesehen ist der Prüfungsgegenstand zwar verwandt, aber nicht identisch. Während §
8a Abs. 1 GKG-LSA nur in allgemeiner und insoweit auslegungsbedürftiger Weise die
Heilung von "Gründungsfehlern" anordnet, sieht das ZwVerbStabG eine nach den
möglichen Gründungsmängeln differenzierende Regelung vor und knüpft die Heilung
bestimmter Mängel ausdrücklich an das Auftreten der Gemeinde als Verbandsmitglied
(§§ 2 Abs. 2 und 3, 4 Abs. 2, 7 Abs. 1 ZwVerbStabG). Auch angesichts dieser
Unterschiede des Verfahrensgegenstandes erscheint hier eine Aussetzung nicht
veranlasst.
C.
Die Kommunalverfassungsbeschwerden bleiben im wesentlichen ohne Erfolg. Allerdings
greifen die angegriffenen Vorschriften des ZwVerbStabG in die kommunale
Selbstverwaltung ein; dieser Eingriff hält jedoch - hinsichtlich § 2 Abs. 2 Satz 1
ZwVerbStabG bei verfassungskonformer Auslegung, die dem Gericht Anlass zu einer
förmlichen Maßgabe gibt - der verfassungsrechtlichen Überprüfung stand (dazu I.). Die
angegriffenen Vorschriften bleiben auch im Einklang mit dem (relativen)
Rückwirkungsverbot der Landesverfassung (dazu II.).
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93
I.
1. Art. 97 Abs. 1 und 2 LV sichert die Gemeinden in einem grundsätzlich alle
Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie in der
Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich ab (vgl.
Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 19. Mai 1994 - VfGBbg 9/93 -,
LVerfGE 2, 93, 101; Urteil vom 17. Oktober 1996 - VfGBbg 5/95 -, LVerfGE 5, 79, 85;
BVerfGE 79, 127,143). Das ZwVerbStabG greift in dieses Recht ein. Es stellt sich als
Regelung der Art und Weise der Aufgabenerledigung dar, die in ihren Auswirkungen
einem Aufgabenentzug nahekommt und des halb erhöhten verfassungsrechtlichen
Anforderungen genügen muss. Im einzelnen:
a. Die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist gemäß §§ 59, 66 BbgWG eine
pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden. Dies wird durch das ZwVerbStabG
nicht in Frage gestellt; die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung bleibt in der
Zuständigkeit der Gemeinden. Das Gesetz gibt den betroffenen Gemeinden jedoch vor,
auf welche Art und Weise sie diese Aufgabe zu erledigen haben, nämlich mittels eines
Zweckverbandes. Darin liegt ein Eingriff in die gemeindliche Organisationshoheit (in ihrer
Ausprägung als Kooperationshoheit), derzufolge die Gemeinden selbst darüber
entscheiden, ob sie eine bestimmte ihnen obliegende Aufgabe selbst oder gemeinsam
mit anderen Gemeinden, etwa in der Form eines Zweckverbandes, erledigen (vgl.
BVerfG, NVwZ 1987, 123 f.; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Aufl. 1997, Rdn. 174).
Der hier in Frage stehende Eingriff ist allerdings, wie das Verfassungsgericht nicht
verkennt, einem Aufgabenentzug angenähert. Die betroffenen Gemeinden verlieren, so
weit ihnen die Aufgabenerledigung durch einen von ihnen lediglich mitgetragenen
Zweckverband vorgegeben wird, die eigene Wahrnehmungskompetenz für die Aufgabe.
Als eines von mehreren Mitgliedern des Zweckverbandes verfügen sie nur noch über
einen begrenzten Einfluss auf die Art und Weise der Erledigung der Aufgabe. Insoweit
findet eine Kompetenzverlagerung statt (Gern, a.a.0., Rdn. 935; vgl. auch Millgramm,
SächsVBl. 1998, 125, 129: "Aufgabenverlagerung auf der Horizontalen"). Sie ist in
gewisser Weise mit der gesetzlich angeordneten Verlagerung einer
Selbstverwaltungsaufgabe von den amtsangehörigen Gemeinden auf die Ämter
vergleichbar, wie sie das erkennende Gericht in anderem Zusammenhang beschäftigt
hat. Das Gericht hat sich hierzu auf den Standpunkt gestellt , dass eine
Aufgabenverlagerung auf das Amt unbeschadet des den Gemeinden über den
Amtsausschuss verbleibende Einflusses auf einen Entzug der Aufgabe hinauslaufe (Urteil
vom 17. Oktober 1996 - VfGBbg 5/95 -, LVerfGE 5, 79, 89 f.). Ähnlich ist es hier. Dass
eine im Rahmen eines Zweckverbandes wahrgenommene Aufgabe rechtlich eine solche
der Gemeinde bleibt und im Falle des Ausscheidens aus dem Zweckverband auf sie
zurückfällt, ändert nichts daran, dass die Gemeinde nicht mehr eigenständig über die Art
und Weise der Aufgabenerledigung entscheiden kann. Die gesetzlich angeordnete
Aufgabenerledigung durch einen Zweckverband stellt deshalb einen Eingriff in die
Organisationshoheit dar, der, wenn auch rechtlich kein Aufgabenentzug im Sinne einer
Hochzonung, wegen der damit verbundenen weitgehenden Kompetenzverlagerung in
den praktischen Auswirkungen in die Nähe eines Aufgabenentzuges gerät. Ein
solchermaßen weitgehender Eingriff in die gemeindliche Selbstverwaltung muss
besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.
b. Der dargestellte Eingriffscharakter des ZwVerbStabG besteht entgegen der
Auffassung der Landesregierung unbeschadet dessen, dass das Gesetz für die
rückwirkende Heilung fehlerhafter Verbandsgründungen an das bei der
(fehlgeschlagenen) Gründung zutage getretene Verhalten der Gemeinden anknüpft und
- so die Landesregierung sinngemäß - letztlich nur das rechtlich absichere, was die
Gemeinden ursprünglich gewollt hätten. Mögen auch die betreffenden Gemeinden
seinerzeit Aktivitäten zur Gründung von Zweckverbänden entfaltet haben, so hat sich
doch die Willensrichtung jedenfalls im Falle der Beschwerdeführerinnen im weiteren
Verlauf geändert. Nachdem die erheblichen finanziellen Belastungen offenbar geworden
sind, die sich für sie aus der Mitgliedschaft in den Zweckverbänden ergeben, wollen sie
diese Mitgliedschaft gerade nicht mehr und berufen sich deshalb darauf, dass die
Zweckverbandsgründung fehlerhaft und damit nicht rechtswirksam sei. Um ihnen eben
diese abzuschneiden, hat der Gesetzgeber die rückwirkende Heilung der
Gründungsmängel bestimmt. Damit hat er nicht dem Willen der Gemeinden zum
Durchbruch verholfen, sondern sie gegen ihren Willen rückwirkend zu Mitglieder von
Zweckverbänden gemacht, die sie ohne das ZwVerbStabG nicht wären. Angesichts der
geänderten Interessenlage auf seiten der Gemeinden stellt die mit dem ZwVerbStabG
bewirkte rückwirkende Zweckverbandsgründung - wovon auch die Landesregierung
selbst noch in ihrem Gesetzentwurf ausgegangen ist (vgl. LT-Drs. 2/5171, S. 15) - einen
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selbst noch in ihrem Gesetzentwurf ausgegangen ist (vgl. LT-Drs. 2/5171, S. 15) - einen
Eingriff in das kommunale Selbstverwaltungsrecht dar.
c.) Dass die Gemeinden auch im Falle unwirksamer Verbandsgründungen damit rechnen
müssen, für die Altschulden in Anspruch genommen zu werden, stellt den
Eingriffscharakter des ZwVerbStabG nicht in Frage. In der Tat wird in Rechtsprechung
und Schrifttum die Ansicht vertreten, dass unter bestimmten Voraussetzungen nach
einer fehlgeschlagenen Zweckverbandsgründung eine gesamtschuldnerische Haftung
der Gemeinden - ähnlich wie nach einer fehlgeschlagenen GmbH-Gründung eine
gesamtschuldnerische Haftung der Vor-Gesellschafter - auf Schadensersatz in Betracht
kommen kann (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, LKV 1999, 243, 246 ff.;
Pencereci/Bluhm, LKV 1998, 172; Kollhosser, NJW 1997, 3265, 3271). Dies ändert jedoch
nichts daran, dass die zwangsweise Zuordnung zu einem Zweckverband einen Eingriff in
die gemeindliche Selbstverwaltung bedeutet. Zum einen dürfte die zivilrechtliche Lage
bei unwirksamer bzw. unwirksam bleibender Verbandsgründung für die Gemeinden
günstiger sein als im Falle einer (rückwirkenden) Heilung der Verbandsgründung, weil
sich zivilrechtlich gegebenenfalls schwierige Zurechnungsfragen je nach den Umständen
des Einzelfalls stellen und darüber hinaus eine Minderung des Schadensersatzanspruchs
unter dem Gesichts punkt des Mitverschuldens des Vertragspartners in Betracht kommt
(vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.0. und LKV 1997, 426 f., wo jeweils ein
überwiegendes Mitverschulden von 70 % angenommen wurde). Aber auch unabhängig
von der zivilrechtlichen Lage bleibt es dabei, dass das ZwVerbStabG einen Eingriff in die
Selbstverwaltung der Beschwerdeführerinnen darstellt. Er ergibt sich unmittelbar daraus,
dass die Beschwerdeführerinnen gezwungen werden, sich zur Wahrnehmung eine
Selbstverwaltungsaufgabe eines Zweckverbandes zu bedienen, und der darin liegenden
Beschränkung der Wahrnehmungskompetenz.
2. Der Eingriff in das Recht der kommunalen Selbstverwaltung bleibt indes - mit den aus
dem Tenor ersichtlichen Maßgaben - im Rahmen der Landesverfassung. Die kommunale
Selbstverwaltung steht unter dem Vorbehalt gesetzlicher Ausgestaltung (Art. 97 Abs. 2
und 5 LV). Die angegriffenen Vorschriften des ZwVerbStabG sind in - mit den Maßgaben
des Tenors - formeller und materieller Hinsicht mit der Landesverfassung vereinbar.
a. Die formellen Anforderungen sind gewahrt. Das Zweckverbandsrecht fällt als Teil des
Kommunalrechts in die Gesetzgebungskompetenz des Landes (Art. 70 GG). Die sich aus
Art. 97 Abs. 4 LV ergebenden Anhörungspflichten sind beachtet worden; die
kommunalen Spitzenverbände (Städte- und Gemeindebund, Landkreistag) hatte im
Gesetzgebungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme (Anhörung im Innenausschuss
am 14. Mai 1998, Ausschussprotokoll 2/993-I).
b. In materieller Hinsicht sind die durch Art. 97 LV gesetzten Grenzen nicht
überschritten. Die zur Überprüfung gestellten Vorschriften greifen nicht in den
Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung ein. Sie sind durch hinreichend
gewichtige Gemeinwohlgründe legitimiert und wahren den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Insbesondere knüpft die rückwirkende Zweckverbandsbildung bei
verfassungskonformer Auslegung in ausreichendem Maße an die innergemeindliche
Willensbildung an. Im einzelnen:
aa. Das ZwVerbStabG greift nicht in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung
ein.
(1) Zu dem unantastbaren Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung zählen nur
die unverzichtbaren identitätsstiftenden Merkmale kommunaler Selbstverwaltung, die
das Bild der gemeindlichen Selbstverwaltung entscheidend prägen (vgl. BVerfGE 86, 90,
107; 83, 363, 381). Davon ausgehend ist die hier in Rede stehende Organisationshoheit
der Gemeinden nicht schlechthin und in allen ihren Ausprägungen, sondern nur in ihrem
Grundbestand für den Gesetzgeber unantastbar (vgl. BVerfGE 78, 331, 341; 52, 95, 117;
Gern, a.a.0., Rdn. 174). Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt:
"Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung verbietet Regelungen, die eine
eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis
ersticken würden. Dies wäre der Fall bei einer Regelungsdichte, die den Gemeinden die
Möglichkeit nähme, eine Hauptsatzung zu erlassen, oder ihnen hierbei keinerlei
Entscheidungsspielraum mehr beließe, oder wenn die Organisation der Gemeinden
durch staatliche Behörden beliebig steuerbar wäre."(BVerfGE 91, 228, 239).
Eine solche, die Organisationshoheit gleichsam erstickende Wirkung kommt den hier
angegriffenen Vorschriften nicht zu. Die Organisationshoheit wir nicht in Gänze, sondern
nur bezogen auf die Erledigung der Selbstverwaltungsaufgabe Wasserversorgung und
Abwasserentsorgung, und auch das nur für eine bestimmte historische - nämlich durch
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Abwasserentsorgung, und auch das nur für eine bestimmte historische - nämlich durch
Fehlgründungen von Zweckverbänden in der Nachwendezeit geprägte - Situation,
eingeschränkt. Außerhalb des durch das Gesetz bewirkten Zusammenschlusses mit
anderen Gemeinden zu einem Wasserzweckverband bleibt die organisatorische
Gestaltungsfähigkeit der betreffenden Gemeinden unberührt.
(2) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen ergibt sich ein Eingriff in den
unantastbaren Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung auch nicht daraus, dass der
Gesetzgeber hier an Stelle der Gemeinden eine Angelegenheit geregelt hat, die zufolge
§ 35 Abs. 2 Ziffer 29 Gemeindeordnung für das Land Brandenburg (GO) in die
Organkompetenz der Vertretungskörperschaft (Gemeindevertretung) fällt. Das
kommunale Selbstverwaltungsrecht schützt die Gemeinden, und zwar auch mit Blick auf
das Demokratieprinzip, nicht absolut davor, dass der Gesetzgeber eine Entscheidung an
Stelle der Gemeindevertretung trifft.
Kommunale Selbstverwaltung bedeutet mit Blick auf das Demokratieprinzip
Selbstbestimmung der eigenen Angelegenheiten durch die Bürger über die Wahl der
Gemeindevertretung sowie - im Land Brandenburg (s . Art. 22 Abs. 2 Satz 2 LV) -
gegebenenfalls Beteiligung an Einwohneranträgen, Bürgerbegehren und
Bürgerentscheiden. In diesem Sinne findet das Demokratieprinzip für die kommunale
Ebene seine Verankerung in Art. 28 Abs. Satz 2 GG, Art. 22 Abs. 1 und 2 LV, wonach in
den Gemeinden und Gemeindeverbänden gewählte Vertretungskörperschaften
bestehen und sich die Bürger an Einwohneranträgen, Bürgerbegehren und
Bürgerentscheiden beteiligen können. Konsequenz des Demokratieprinzips ist die
Notwendigkeit einer demokratischen Verfassung auch der kommunalen Ebene; die
handelnden Organe der Gemeinden müssen, soweit ihnen die Ausübung von
Staatsgewalt übertragen ist, demokratisch legitimiert sein (BVerfGE 47, 253, 272; 38,
258, 271). Das hiernach auch für die kommunale Ebene geltende Demokratieprinzip
wäre verletzt, wenn der Gesetzgeber auf kommunaler Ebene Organisationsstrukturen
einführen würde, die den genannten Grundsätzen zuwiderlaufen (vgl. hierzu etwa
BVerfGE 91, 228, 244; 52, 95, 109 ff.; 47, 253 ff.; 38, 258, 270). Indessen bedeutet es
nicht gleichsam automatisch eine Verletzung des Demokratieprinzips, wenn der
Gesetzgeber der Gemeindevertretung aus besonderen Gründen eine einzelne
Entscheidung aus der Hand nimmt. Das gilt auch für die von den Beschwerdeführerinnen
so genannten "Verfassungsfragen" der Gemeinde, zu denen sie die Entscheidung über
die Mitgliedschaft in einem Zweckverband zählen und für die sie eine Beschlussfassung
der Gemeindevertretung für schlechterdings unersetzbar halten (ähnlich Cromme, LKV
1999, 122, 124; Millgramm, SächsVBl. 1998, 125 ff.). Letztlich bedeutet jede gesetzliche
Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung, sei es durch den Entzug einer
Aufgabe oder durch die Regelung der Aufgabenerledigung, eine Beschneidung der
Kompetenzen der Gemeindevertretung, indem der Gesetzgeber insoweit an ihrer Stelle
(und gegebenenfalls gegen ihren Willen) eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft
regelt. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden und damit auch der
Gemeindevertretungen bestehen insgesamt nur im Rahmen der Gesetze, soweit diese
nicht ihrerseits verfassungswidrig in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen. Der
verfassungsrechtlich verankerte Parlamentsvorbehalt für Fragen von wesentlicher
Bedeutung für das Gemeinwesen (vgl. hierzu etwa Schulze-Fielitz in Dreier, Grundgesetz,
Band 2, 1998, Art. 20 Rdn. 103 ff.) lässt sich nicht auf kommunale
Vertretungen übertragen. Sie sind keine Parlamente, sondern - ungeachtet ihrer
Rechtsetzungsbefugnis, die in mancher Hinsicht legislatorischen Charakter aufweist (vgl.
BVerfGE 32, 346, 361) - Gremien der Selbst"verwaltung" (vgl. Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 1996 - VfGBbg 13/95 -, LVerfGE 4, 85, 94;
BVerfGE 65, 283, 289). Die Landesverfassung ordnet die Selbstverwaltungsorgane im
System der staatlichen Gewaltenteilung der Exekutive zu (Art. 2 Abs. 4 Satz 2 LV). Als
Teil der vollziehenden Gewalt müssen sie den Vorrang des Gesetzes beachten (vgl. Art.
2 Abs. 5 Satz 2, 97 Abs. 5 LV) und es gegebenenfalls - soweit die diesbezüglichen
Eingriffsvoraussetzungen vorliegen - hinnehmen, dass der Gesetzgeber auch in
"Verfassungsfragen" der Gemeinde eine Entscheidung trifft, die ansonsten in der
Entscheidungsgewalt der Gemeindevertretung stünde. Die Grenze des Zulässigen würde
mit Blick auf das Demokratieprinzip erst dann überschritten, wenn der Gesetzgeber die
Entscheidungsbefugnisse der Gemeindevertretung etwa flächendeckend gleichsam auf
Null zurückführen oder jedenfalls so weitgehend einschränken würde, dass die Funktion
als kommunalpolitisches Hauptorgan (vgl. Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Aufl.
1997, Rdn. 315) verloren ginge. Davon kann hier aber eine Rede sein. Die
Entscheidungsbefugnisse der betroffenen Gemeindevertretungen nach § 35 GO bleiben
bis auf die Frage der Mitgliedschaft in einem Wasserzweckverband in Bereinigung einer -
auch durch eigenes Tun der Gemeinden entstandenen - unklaren Rechtslage
ungeschmälert.
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Dass dem Gesetzgeber auch "Verfassungsfragen" der Gemeinden nicht entzogen sein
können, bestätigt sich im übrigen darin, dass sogar noch weitergehende Entscheidungen
bis hin zur Auflösung einer Gemeinde durch Gesetz in Betracht kommen (vgl. Art. 98
LV). Soweit es um Zweckverbände geht, kann der Gesetzgeber schon nach einfachem
Recht zufolge § 22 GKG, dessen Verfassungsmäßigkeit, nicht in Frage steht, Gemeinden
zur gemeinsamen Erledigung freiwilliger Aufgaben für die Zukunft zu einem
Zweckverband zusammenschließen. Soweit es um die Durchführung von Pflichtaufgaben
geht, steht eine solche Befugnis sogar der Aufsichtsbehörde zu (s. zum Pflichtverband §
13 GKG).
Auch soweit die Beschwerdeführerinnen auf allgemeine Grundsätze des
Kommunalrechts verweisen, lässt sich aus diesen nicht herleiten, dass hier ein
Beschluss der Gemeindevertretung nicht ersetzbar gewesen wäre. Insoweit ist zunächst
darauf hinzuweisen, dass einfachrechtliche Ausprägungen der kommunalen
Selbstverwaltung keinen unmittelbaren Rückschluss auf den unantastbaren Gehalt der
kommunalen Selbstverwaltung nach der Landesverfassung erlauben. Zum
verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung
zählen allein die unverzichtbaren identitätsstiftenden Merkmale kommunaler
Selbstverwaltung, die das Bild der gemeindlichen Selbstverwaltung prägen (s.o.).
Diesem hergebrachten Bild der kommunalen Selbstverwaltung ist aber in Rechtssatz
etwa des Inhalts, dass die Willensbildung in der Gemeindevertretung durch einen
förmlichen Beschluss schlechterdings unverzichtbar ist, nicht zu entnehmen Vielmehr
können sich auch nach hergebrachtem Kommunalrecht Konstellationen ergeben, in
denen es auf eine Beschlussfassung der Gemeindevertretung nicht ankommt. Es
entspricht insoweit nahezu allgemeiner Auffassung, dass das Außenvertretungsrecht
des Hauptverwaltungsbeamten aus Gründen des Vertrauensschutzes grundsätzlich
nicht durch die interne Beschlusslage beschränkt ist, die Gemeinde also aus einer
(formgültigen) Erklärung des Außenvertretungsberechtigten auch dann verpflichtet wird,
wenn diese nicht der innergemeindlichen Willensbildung entspricht (vgl. zum
Abstraktionsprinzip etwa BGHZ 92, 164; Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht, in: ders.,
Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, Rdn. 78; ebenso bereits RGZ 139, 59, 62
ff.; a.A. für die Rechtslage in Bayern BayObLG, NJW-RR 1986, 1080 f.). Für die
Beitrittserklärung des Bürgermeisters zu einem Zweckverband gilt nichts anderes (VGH
BW, VBlBW 1983, 210; Gern, a.a.0., Rdn. 433 m.w.N.). Dies ist zwar in bezug auf die
Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters nach § 27 DDR-KV, um die es hier geht,
vereinzelt anders gesehen worden (vgl. OLG Naumburg, LKV 1994, 303 f.; OLG Jena, DtZ
1996, 318). Diese Betrachtungsweise hat sich aber letztlich nicht durchgesetzt (vgl. etwa
BGH, NJW 1998, 3056 und DtZ 1997, 358 f .; Brandenburgisches OLG, LKV 1997, 426 f.;
OLG Dresden, OLG-NL 1996, 267; OLG Rostock, OLG-NL 1995, 145; Reuter, DtZ 1997, 15
ff.; Vietmeier, LKV 1995, 178 ff.). Jedenfalls lässt sich ein allgemeiner
kommunalrechtlicher Grundsatz dahin, dass die Willensbildung in der
Gemeindevertretung schlechthin unersetzlich sei, nicht ausmachen. Das gilt auch im
Lichte der von den Beschwerdeführerinnen weiter herangezogenen Europäische Charta
der kommunalen Selbstverwaltung vom 15. Oktober 1985 (BGBl. 1987 II S. 65), die in
dem hier interessierenden Zusammenhang nicht über die Landesverfassung
hinausgeht.
bb. Die angegriffenen Regelungen des ZwVerStabG sind durch hinreichende
Gemeinwohlgründe gerechtfertigt (vgl. zu dieser Voraussetzung Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, Urteil vom 15. Oktober 1998 - VfGBbg 38/97, 39/97, 21/98 und
24/98 -, NVwZ-RR 1999, 90; Gern, a.a.0., Rdn. 84 m.w.N.). Das gilt auch unter
Berücksichtigung dessen, dass in dieser Hinsicht angesichts der einem Aufgabenentzug
nahekommenden Eingriffsqualität (s.o. C.I.1.a.) und wegen der grundsätzlichen
Zuständigkeitspriorität der Gemeinden erhöhte Anforderungen gelten (vgl. für den Fall
eines "echten" Aufgabenentzugs: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil
vom 17. Oktober 1996 - VfGBbg 5/95 -, LVerfGE 5, 79, 91; Urteil vom 17. Juli 1997 -
VfGBbg 1/97 -; LVerfGE 7, 74, 91 ff.; zur Zwangsverbandsbildung: BVerfGE 26, 228, 240
f.; VerfGH NW, DVBl. 1979, 668 f.; Dreier in: ders., Grundgesetz, Band 2, 1998, Art. 28
Rdn. 128; s. auch StGH BW, DÖV 1976, 595 ff.). Hierbei ist dem Gesetzgeber allerdings
eine gewisse Einschätzungsprärogative zuzubilligen (vgl. Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Urteil vom 15. Oktober 1998 - VfGBbg 38/97, 39/97, 21/98 und 24/98 -,
NVwZ-RR 1999, 90). Das Verfassungsgericht kann die der gesetzlichen Regelung
zugrundeliegende Bewertung nur darauf überprüfen, ob sie unter Berücksichtigung der
Intensität des Eingriffs sachlich vertretbar oder offensichtlich fehlsam erscheint. Hiernach
sind die zur Überprüfung stehenden Regelungen nicht zu beanstanden; der Gesetzgeber
hat sich dabei auf hinreichend gewichtige Gemeinwohlgründe gestützt.
Ausweislich der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs hat sich der Gesetzgeber im
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Ausweislich der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs hat sich der Gesetzgeber im
wesentlichen davon leiten lassen, dass angesichts der rechtlichen Unsicherheit über die
Existenz zahlreicher Wasserzweckverbände eine funktionsfähige Wasserversorgung und
Abwasserentsorgung im Land Brandenburg gefährdet und zur Stabilisierung der
Situation in einem ersten Schritt eine rechtliche Absicherung der faktisch vorhandenen
Zweckverbände geboten sei. Hierzu heißt es im Gesetzentwurf (LT- Drs. 2/5171 S. 15):
"Die gesetzliche Regelung greift in die kommunale Selbstverwaltung, speziell in die
sogenannte Kooperationshoheit, der Gemeinden, ein (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 97
Abs. 1 Satz 1 LV). Mit den vorgesehenen Bestimmungen wird die freie
Willensentscheidung der Gemeindevertretungen unmittelbar berührt, insbesondere
indem die Gemeinden an der Verbandsbildung ungeachtet eines fehlenden Beschlusses
der Gemeindevertretungen (Art. 1 § 2 Abs. 2) und ungeachtet schwerwiegender
Satzungsmängel (Art. 1 §§ 6 - 13) festgehalten werden. Das rückwirkende Entstehen der
Zweckverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter punktueller
Einschränkung von Bekanntmachungserfordernissen berührt zugleich das
Rechtsstaatsprinzip.
Diese Eingriffe sind jedoch gerechtfertigt, weil sie den einzigen Weg darstellen, um die
Gefahr für die vorgenannten überwiegenden Gründe des Allgemeinwohls abzuwenden.
Unmittelbar gefährdet ist zunächst die ordnungsgemäße, den fachgesetzlichen
Vorgaben entsprechende Wasserversorgung und Abwasserentsorgung im Land. Zur
Sicherung der öffentlichen Aufgaben nach dem Brandenburgischen Wassergesetz ist es
erforderlich, dass die Gemeinden zunächst in den (faktischen) Zweckverbänden, die
über Jahre hinweg hohe Investitionen getätigt haben, verbleiben und kein ungeordneter
Auflösungsprozess stattfindet. Ein derartiger Prozess droht in erster Linie deshalb, weil
bei einer Vielzahl fehlerhaft gegründeter und nunmehr teilweise auseinanderstrebender
Zweckverbände sowohl die weitere Aufgabenwahrnehmung durch den Zweckverband als
auch die Auseinandersetzung und Aufgabenrückübertragung auf die gemeindlichen
Träger durch innerverbandliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Wirksamkeit
der Verbandsgründung und einzelner Akte des Zweckverbandes blockiert ist. Die
drohende unmittelbare Haftung der Gemeinden für die hohen Verbindlichkeiten ihrer
Zweckverbände, die infolge der zunehmenden Zahlungsverweigerungen seitens der
Abgabenschuldner kontinuierlich steigen, gefährdet in diesem Zusammenhang die
grundsätzlich Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Ebene als Träger eigener und
übertragener Verwaltungsaufgaben. Schließlich bestehen bei einem ungeordneten
Rückfall der Aufgaben de Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung auf gemeindliche
Träger, die nicht über die erforderlichen personellen, technischen und finanziellen Mittel
zur Aufgabenwahrnehmung verfügen, erhebliche Gefahren für die natürlichen
Lebensgrundlagen, insbesondere den Wasser- und Bodenschutz, deren Schutz
Verfassungsrang genießt (vgl. Präambel. Art. 2 Abs. 1 so wie Art. 39 f. LV)."
Diese Einschätzung der bei ungehindertem Lauf der Dinge zu besorgenden Gefahren für
das Gemeinwohl und des Gewichts dieser Gefahren erscheint sachlich vertretbar und ist
damit von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie ist von den im
Gesetzgebungsverfahren angehörten Sachverständigen geteilt worden (vgl. hierzu
Ausschussprotokoll 2/993-I, S. 2 f., Landeswasserverbandstag Brandenburg e.V.; S. 16 f.,
Städte- und Gemeindebund Brandenburg; S. 18 f., Landkreistag Brandenburg). Aus den
nämlichen Gründen und in vergleichbaren Situationen haben die Gesetzgeber auch in
den anderen neuen Bundesländern in die gleiche Richtung zielende Heilungsgesetze für
notwendig erachtet (vgl. etwa § 8a Abs. 1 Satz 1 GKG-LSA; § 170a Abs. 1 Satz 1
Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern; Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur
Ordnung der Rechtsverhältnisse der Verwaltungsverbände, Verwaltungsgemeinschaften
und Zweckverbände im Freistaat Sachsen; § 19 des thüringischen Gesetzes über die
kommunale Gemeinschaftsarbeit). Das Ausmaß der Gefahren für eine funktionierende
Wasserwirtschaft im Land Brandenburg tritt darin zutage, dass hier als Folge der
vielfachen Gründungsmängel die Existenz von mehr als 90 % der Zweckverbände für
Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung - nach Angaben der Landesregierung in der
mündlichen Verhandlung sind rund 80 % der Gemeinden im Lande in solchen Verbänden
organisiert - zweifelhaft geworden war. Zugleich belief sich bereits Ende 1996 die
Gesamtkreditsumme der Ausgabenträger im Abwasserbereich auf rund 2.500.000.000
DM (Angaben nach Hüppe/Zwölfer, LKV 1998, 436).
Die Abwendung der in Rede stehenden Gefahren für eine geordnete Wasserversorgung
und Wasserentsorgung der Bevölkerung - sowohl mit Blick auf die aktuellen Bedürfnisse
der Bevölkerung als auch wegen der langfristige Bedeutung für die natürlichen
Lebensgrundlagen, insbesondere den Wasser und Bodenschutz - ist ein
Gemeinwohlbelang von hohem Gewicht, der einen Eingriff in die kommunale
Organisationshoheit unbeschadet dessen rechtfertigt dass er einem Aufgabenentzug
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Organisationshoheit unbeschadet dessen rechtfertigt dass er einem Aufgabenentzug
nahekommt (so auch VerfG Sachsen- Anhalt, LVerfGE 7, 304, 316 ff.). Der Gesetzgeber
hatte Grund davon auszugehen, dass die Gemeinden, die nach den fehlgeschlagenen
Zweckverbandsgründungen ihrerseits Träger der Aufgabe wären, aus eigener Kraft zu
einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung nicht, jedenfalls nicht sofort und ohne
Übergangsschwierigkeiten, in der Lage waren. Dafür spricht bereits, dass sich die von
dem ZwVerbStabG betroffenen Gemeinden in der Nachwendezeit von sich aus zur
gemeinsamen Aufgabenerfüllung in (faktischen) Zweckverbänden
zusammengeschlossen hatten, eben weil sie sich aus eigener Kraft zur Wahrnehmung
der Aufgabe nicht in der Lage sahen. In der ab 1996 eingetretenen Situation wären diese
Gemeinden, darunter eine Vielzahl von Klein- und Kleinstgemeinden, mit der zügigen
Sicherstellung einer eigenen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die zunächst
die zeit- und kostenintensive Aufstellung eines Abwasserplans, sodann die wiederum
kostenaufwendige Planung, Erstellung und Finanzierung geeigneter Anlagen so wie eine
Neukalkulation der Entgelte erfordert hätte, unter gleichzeitiger Bewältigung der sich aus
den fehlerhaften Verbandsgründungen ergebenden Folgen (innerverbandliche
Streitigkeiten, mögliche unmittelbare Haftung für die Verbindlichkeiten, Schaffung von
Rechtsgrundlagen für die Beitrags- und Gebührenerhebung) jedenfalls bei typisierender
Betrachtungsweise, die der Gesetzgeber anzustellen befugt ist, überfordert gewesen.
cc. Die Vorgehensweise des Gesetzgebers genügt dem verfassungsrechtlichen Gebot
der Verhältnismäßigkeit.
(1) Der mit dem ZwVerbStabG eingeschlagene Weg durfte dem Gesetzgeber im Hinblick
auf die hier in Rede stehenden Gemeinwohlbelange - Sicherung einer geordneten
Wasserwirtschaft und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen - geeignet und
erforderlich erscheinen. Die mit dem ZwVerbStabG bewirkte rückwirkende Heilung von
Gründungsmängeln schafft die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufgabenerfüllung
(einschließlich Beitrags- und Gebührenerhebung) durch dafür zur Verfügung stehende
Aufgabenträger und trägt schon auf diese Weise zur Sicherung einer geordneten
Wasserwirtschaft und damit - in dem Maße, in dem eine unkontrollierte
Wasserbewirtschaftung, insbesondere eine unkontrollierte Abwasserentsorgung,
vermieden wird - zugleich zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bei. Der
grundsätzlichen Eignung des Gesetzes zur Erreichung der angestrebten Ziele steht nicht
entgegen, dass es gewissermaßen "blind" heilt, indem es unterschiedslos alle unwirksam
gegründeten Wasserzweckverbände, darunter gegebenenfalls auch solche, die über
Jahre hinaus unwirtschaftlich gearbeitet haben, rechtlich absichert und (zunächst)
fortexistieren lässt. Die "Rettung" auch solcher Zweckverbände mag zwar für sich
betrachtet einer dauerhaften Lösung des Problems nicht unbedingt dienlich sein. Eine
auf den Einzelfall abstellende und etwa je nach Geschäftsergebnis differenzierende
gesetzliche Regelung hätte jedoch Unstimmigkeiten anderer Art und
Abgrenzungsschwierigkeiten hervorgerufen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass
die rechtliche Absicherung der Wasserzweckverbände nach dem Gesamtkonzept nur
den ersten Schritt zu einer langfristigen Konsolidierung darstellt. Aufbauend auf dem
ZwVerbStabG sollen im Rahmen eines Schuldenmanagements in den nächsten 10
Jahren 380 Mio. DM, auch in Form verlorener Zuschüsse, zur finanziellen Unterstützung
der Zweckverbände zur Verfügung gestellt und mit dem Angebot fachkundiger Beratung
vor Ort verbunden werden, um so eine wirtschaftlich Sanierung zu befördern. Daneben
sollen nach dem Konzept des Landes weitere Schritte zur Verbesserung der rechtlichen
Rahmenbedingungen der Zweckverbände treten (vgl. zum Gesamtkonzept das
Programm der Landesregierung zur dauerhaften rechtlichen und wirtschaftlichen
Stabilisierung der Wasser- und Abwasserzweckverbände vom 27. August 1998, LT-Drs.
2/5597; vgl. speziell zum Schuldenmanagementprogramm die Richtlinie des
Ministeriums des Innern vom 18. Dezember 1998, AmtsBl. S. 1058; hierzu
Hüppe/Zwölfer, LKV 1998, 436, 438). Eingebunden in ein solches Gesamtkonzept
erscheint die rechtliche Absicherung selbst zur Zeit unwirtschaftlich arbeitender
Zweckverbände als ein geeigneter erster Schritt zur langfristigen Absicherung einer
geordneten Wasserwirtschaft.
Die rückwirkende rechtliche Absicherung der unwirksam gegründeten Zweckverbände
durfte der Gesetzgeber auch als erforderlich erachten, um die ab 1996 eingetretene
Situation zu bewältigen. Evident besser geeignete Mittel sind nicht ersichtlich. Das
gesetzliche Instrumentarium des GKG, insbesondere die Möglichkeit, für die Zukunft
Pflichtverbände zu bilden (§ 13 GKG), hätte die Schwierigkeiten der in der Vergangenheit
unwirksam gegründeten (faktischen) Zweckverbände und ihrer Mitgliedsgemeinden nicht
mindern können. Es wäre - anders als die Beschwerdeführerinnen wohl meinen - auch
kein probate Alternative gewesen, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Zwar hätte
sich für die Schwierigkeiten auf der finanziellen Ebene wohl letztlich, gegebenenfalls über
Schadensersatzansprüche unmittelbar gegen die Gemeinden, eine - irgendwie geartete,
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Schadensersatzansprüche unmittelbar gegen die Gemeinden, eine - irgendwie geartete,
wenn auch schwer kalkulierbare - zivilrechtliche "Lösung" gefunden (s.o.). Dem
Gesetzgeber ging es jedoch nicht um eine Abwicklung, sondern um eine Sicherung der
Aufgabenwahrnehmung in de vorhandenen Strukturen und auf dem schon bisher
eingeschlagenen Weg. Insoweit durfte er in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass die
von ihm vorgeschlagene Lösung einer nachträglichen rechtlichen Absicherung des
Bestehenden einer geordneten Wasserwirtschaft eher dienlich ist als ein fortschreitender
Erosionsprozess, wie er bereits im Gange war und den hinzunehmen mit der Gefahr
eines möglichen Zusammenbruchs einer geordneten Wasserwirtschaft im Lande
verbunden gewesen wäre.
Soweit die Beschwerdeführerinnen in diesem Zusammenhang geltend machen, dass der
Gesetzgeber die finanziellen Folgen der (durch ein Versagen seiner Aufsichtsbehörden
mit zu verantwortenden) fehlerhaften Zweckverbandsgründungen einseitig den
Gemeinden aufbürde, kann dies nicht zu einer anderen verfassungsrechtlichen
Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des Gesetzes führen. Die Gewährleistung
einer funktionierenden Wasserversorgung der Bevölkerung einschließlich der Entsorgung
des Abwassers ist eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden. Sie selbst -
und nicht in erster Linie das Land - sind für die ordnungsgemäße Erledigung dieser
Aufgabe verantwortlich und haben für die von ihnen verursachten finanziellen Folgen
einzustehen. Unbeschadet dessen beschränkt sich das Land - wie ausgeführt - nicht auf
eine bloße Heilung der Zweckverbände, sondern bietet den Gemeinden spürbare (auch
finanzielle) Hilfestellungen zur weiteren Bewältigung der ihnen obliege den Aufgaben im
Bereich der Wasserwirtschaft an.
(2) Die mit den angegriffenen Vorschriften des ZwVerbStabG verbundene
Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung gerät nicht außer Verhältnis zu den
damit verfolgten Gemeinwohlbelangen.
(a) Dies gilt - bei verfassungskonformer Auslegung nach Maßgabe des Tenors - zunächst
für den von den Beschwerdeführerinnen vorrangig angegriffenen § 2 Abs. 2 und 3
ZwVerbStabG, wonach fehlende oder nicht feststellbare Beschlüsse der
Vertretungskörperschaft zur Verbandsbildung und fehlende oder nicht feststellbare
Willenserklärungen zur Bildung des Zweckverbandes ("Außenerklärungen") einer
Verbandsbildung mit dieser Gemeinde nicht entgegenstehen, wenn sie in der Folgezeit
als Verbandsmitglied aufgetreten ist.
Freilich ist der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 2 und 3 ZwVerbStabG - entgegen der kurz
greifenden amtlichen Überschrift - über die Heilung von Form - und Verfahrensfehlern
deutlich hinausgegangen (vgl. zum Begriff der Form- und Verfahrensfehler OVG
Sachsen, SächsVBl. 1999, 14, 17). Er hat sich nicht darauf beschränkt, einzelne
Förmlichkeiten des Gründungsvorgangs zu beheben, was für sich betrachtet - wie auch
die Beschwerdeführerinnen einräumen - unbedenklich wäre und auf der Linie anderer
Vorschriften läge, mit denen die Folgen einzelner Satzungsmängel begrenzt werden (vgl.
etwa §§ 214 ff. Baugesetzbuch, § 5 Abs. 4 GO). Vielmehr hat der Gesetzgeber unter den
in der Vorschrift genannten Voraussetzungen auch den Beschluss der
Gemeindevertretung und die auf die Verbandsbildung gerichtete Willenserklärung des
Außenvertretungsberechtigten für verzichtbar erklärt, also nicht nur die Förmlichkeit des
Gründungsaktes ersetzt, sondern Teile des Gründungsaktes selbst. Es ist danach
denkbar, dass eine Gemeinde rückwirkend Mitglied eines Zweckverbandes wird (und für
die Verbindlichkeiten der Vergangenheit mit haftet), deren Vertretung keinen Beschluss
zur Verbandsgründung gefasst und deren Außenvertretungsberechtigter (keine
entsprechende Willenserklärung abgegeben hat.
Den Beschwerdeführerinnen ist zuzugestehen, dass sich der Gesetzgeber mit dieser
Regelung von den allgemeinen kommunalrechtlichen Vorschriften über die Gründung
von Zweckverbänden in weitgehender Weise entfernt. Dies gilt zwar isoliert betrachtet
nicht so sehr für den Verzicht auf die innergemeindliche Willensbildung; auch nach
allgemeinem Kommunalrecht sind formgültige Erklärungen des
Außenvertretungsberechtigten für die Gemeinde bindend, selbst wenn ihnen kein
dahingehender Beschluss der Gemeinde zugrunde liegt (zum Abstraktionsprinzip s.o.
I.2.b.aa. (2)). Der Gesetzgeber ersetzt aber durch § 2 Abs. 3 ZwVerbStabG zusätzlich
auch die formgültige Erklärung des Außenvertretungsberechtigten. In diese Koppelung -
mit der Folge, dass selbst solche Gemeinden zu Zweckverbandsmitgliedern werden, in
denen es hierzu nie einen Beschluss der Gemeindevertretung noch eine Willenserklärung
des gesetzlichen Vertreters gegeben hat - geht der Gesetzgeber durchaus an die
Grenzen des Vertretbaren.
Auch eine solche Regelung ist jedoch nach Auffassung des Gerichts unter
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Auch eine solche Regelung ist jedoch nach Auffassung des Gerichts unter
Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten noch hinnehmbar, wenn ausreichende
Sicherungen bestehen, dass wirklich nur solche Gemeinden erfasst werden, die sich
durch eigenes Verhalten auf die Aufgabenerfüllung in einer Zweckverbandsgemeinschaft
eingelassen haben. Der Gesetzgeber muss, wenn er schon einen Beschluss der
Gemeindevertretung und eine Willenserklärung des gesetzlichen Vertreters der
Gemeinde für verzichtbar hält, die Heilungswirkungen in anderer, verfassungsrechtlich
noch hinreichender Weise an eine zurechenbare Willensäußerung der jeweiligen
Gemeinde knüpfen. Dem wird das ZwVerbStabG indes gerecht.
(aa) § 2 Abs. 2 und 3 ZwVerbStabG koppelt die rückwirkende Heilung der
Zweckverbandsgründung nicht vollständig von dem Willen der Gemeinden ab und drängt
nicht auch solche Gemeinden nachträglich in einen Zweckverband, die mit dem
Zweckverband gleichsam nichts zu tun gehabt haben, sondern knüpft - für den Fall, dass
eine Beteiligung an der Verbandsgründung nicht dokumentiert ist - an das tatsächliches
Auftreten der Gemeinden als Zweckverbandsmitglied in der Folgezeit an. Von daher
werden die betreffenden Gemeinden nur so behandelt , wie sie selbst aufgetreten sind.
Dies erscheint im Grundsatz nicht als unverhältnismäßige Benachteiligung der
Gemeinden. Das ZwVerbStabG greift in dieser Weise der Sache nach auf die auch sonst
im Recht anerkannte Haftung nach Rechtsscheingesichtspunkten zurück und überträgt
diesen Gedanken für einen Sonderfall auf die Zurechnung von Handlungen und
Willenserklärungen im Kommunalrecht. Die Gemeinden werden festgehalten an dem
Rechtsschein, den sie selbst durch ihr Auftreten als Verbandsmitglied gegenüber den
anderen Verbandsmitgliedern und Dritten gesetzt haben. Richtig ist, dass im
allgemeinen Rechtsverkehr die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung die
kommunalrechtlichen Vertretungsregelungen nicht verdrängen können. Eine Gemeinde
kann nach allgemeinem Kommunalrecht grundsätzlich nur durch (formgültige)
Erklärungen ihres Außenvertretungsbefugten verpflichtet werden (vgl. hierzu etwa
Schuhmacher, Gemeindeordnung Brandenburg, § 67 Ziffer 3.6). Unbeschadet dessen
kann es dem Gesetzgeber aber nicht verwehrt sein, für eine besonders gelagerte
Konstellation auf den Gedanken der Rechtsscheinhaftung auch für den kommunalen
Bereich zurückzugreifen und eine diesen Gedanken aufgreifende Regelung zu treffen,
solange die Rechtsfolge an das von den Gemeinden tatsächlich Gewollte anknüpft.
(bb) Um letzteres sicherzustellen, bedarf allerdings das Zurechnungskriterium des § 2
Abs. 2 Satz 1 ZwVerbStabG - Auftreten der Gemeinde als Zweckverbandsmitglied - von
Verfassungs wegen der Präzisierung und verfassungskonformen Auslegung. Die
gesetzliche Formulierung stellt in auslegungsbedürftiger Weise nur darauf ab, ob "die
Gemeinde" in der Folgezeit als Verbandsmitglied aufgetreten ist. Das geht in dieser
Form zu weit. Das Handeln irgend eines Gemeindebediensteten kann nicht ohne
weiteres mit dem Willen "der Gemeinde" als Körperschaft gleichgesetzt werden. Die
eigentliche Willensbildung innerhalb der Gemeinde vollzieht sich über die
Gemeindevertretung. Das Auftreten einzelner Personen für die Gemeinde, die nicht ihr
gesetzlicher Vertreter sind, kann deshalb selbst unter Rechtsscheingesichtspunkten nur
dann die Mitgliedschaft in dem Zweckverband und eine Haftung der Gemeinde für die
Verbindlichkeiten des Zweckverbandes auslösen, wenn dieses Auftreten nicht ganz und
gar an der Gemeindevertretung vorbei erfolgt ist, sondern dieser bekannt war und sich in
dieser Weise zurechenbar im Rahmen einer dahingehenden Willenshaltung der
Gemeindevertretung hält. Der Gesetzgeber darf deshalb unter
Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine Gemeinde, bei der ein förmlicher Beschluss
der Gemeindevertretung über den Beitritt zu dem Zweckverband nicht erfolgt oder nicht
feststellbar ist, nur dann an einem tatsächlichen Auftreten "als Zweckverbandsmitglied"
festhalten, wenn diese Auftreten in irgendeiner Form, und sei es nur durch in
wissentliches Gewährenlassen des Auftretens für die Gemeinde, der für die
Willensbildung der Gemeinde zuständigen Gemeindevertretung zurechenbar ist.
Der Gesetzgeber hat dem zwar in § 2 Abs. 2 Satz 2 ZwVerbStabG in gewissem Umfang
bereits Rechnung getragen. Danach ist ein Auftreten der Gemeinde als
Verbandsmitglied "insbesondere" dann anzunehmen, wenn stimmberechtigte Vertreter
"mit Kenntnis der Vertretungskörperschaft" für die Gemeinde mehrmals an den
Sitzungen der Verbandsversammlung teilgenommen und sich an Beschlussfassungen
beteiligt haben. Damit hat der Gesetzgeber jedoch nur ein Beispiel formuliert
("insbesondere"'), das bei der Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwVerbStabG von den
Rechtsanwendern als Indiz für das Auftreten der Gemeinde als Verbandsmitglied
herangezogen werden kann. Dies schließt es aber dem Wortlaut nach nicht aus, im
Einzelfall die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwVerbStabG auch dann
anzunehmen, wenn sich der für die Gemeinde Auftretende nicht im Rahmen einer
zurechenbaren Duldung seines Auftretens durch die Gemeindevertretung bewegt hat.
Auch die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs lässt, wenn auch in diese Richtung
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Auch die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs lässt, wenn auch in diese Richtung
gehend (vgl. LT- Drs. 2/5171, S. 18 f.), nicht mit Sicherheit den Schluss zu, dass nach
den Vorstellungen des Gesetzgebers das Auftreten der Gemeinde als Verbandsmitglied
von der Gemeindevertretung zurechenbar geduldet gewesen sein muss.
Da § 2 Abs. 2 ZwVerbStabG somit eine einfachrechtliche Auslegung zulässt, die in
unverhältnismäßiger Weise in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen würde, ist eine
verbindliche verfassungskonforme Auslegung dahin vorzunehmen, dass ein Auftreten
der Gemeinde als Verbandsmitglied im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwVerbStabG ein
Handeln mit Kenntnis der Gemeindevertretung voraussetzt. Damit wird für das Auftreten
als Verbandsmitglied ein Mindestmaß an Zurechenbarkeit sichergestellt.
(cc) Einer weiteren Präzisierung bedarf § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwVerbStabG hinsichtlich der
Dauer und Häufigkeit des Auftretens einer Gemeinde als Verbandsmitglied. Auch in
soweit ist das "Auftreten als Verbandsmitglied" unterschiedlichen Wertungen zugänglich.
Es erschiene bedenklich, etwa aus der inaktiven Teilnahme an einer
Verbandsversammlung bloß zu Informationszwecken eine Mitgliedschaft der Gemeinde
und eine Haftung für die Verbindlichkeiten des Zweckverbandes abzuleiten. Unter
Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist vielmehr zu verlangen, dass sich das Auftreten
der Gemeinde als tatsächliche und gewollte Mitwirkung im Zweckverband darstellt, also
eine gewisse Kontinuität und Substanz aufweist. Nur dann kann aus dem Verhalten der
Gemeinde der Rückschluss gezogen werden, dass sie tatsächlich "als Verbandsmitglied"
aufgetreten ist. Auch dem trägt § 2 Abs. 2 Satz 2 ZwVerbStabG bereits in gewissem
Umfang Rechnung (" mehrmals teilgenommen und sich an Beschlussfassungen
beteiligt"). Auch insoweit ist jedoch wegen der Formulierung als Beispiel ("insbesondere")
nicht ausgeschlossen, dass ein Rechtsanwender im Einzelfall geringere Anforderungen
ausreichen lässt, zumal auch die Gesetzesbegründung nicht zu einer Auslegung in dem
hier für notwendig erachteten Sinne zwingt (vgl. LT-Drs. 2/5171, S. 18 f.). Auch
diesbezüglich ist deshalb eine verfassungskonforme Auslegung vorzugeben
dahingehend, dass ein Auftreten als Verbandsmitglied im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1
ZwVerbStabG ein auf Dauer angelegtes Mitwirken im Zweckverband voraussetzt.
(dd) Mit diesen Maßgaben bleibt die Verhältnismäßigkeit des in § 2 Abs. 2 und 3
ZwVerbStabG liegenden Eingriffs in die kommunale Selbstverwaltung jedenfalls unter
Mitberücksichtigung auch der weiteren Sicherungen gewahrt, mit denen der
Gesetzgeber den Eingriff abmildert.
Hierzu zählt zunächst § 4 Abs; 2 ZwVerbStabG. Danach ist - gleichsam spiegelbildlich
zur faktischen Gründung - ein faktischer Austritt aus dem Zweckverband möglich. Das
Ausscheiden gilt nach Satz 4 der Vorschrift als vollzogen, wenn die Auseinandersetzung
erfolgt ist oder die ausscheidende Gemeinde nach Kundgabe ihres Austrittswillens ohne
Widerspruch des Zweckverbandes über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr nicht
mehr als Verbandsmitglied aufgetreten ist. Der Gesetzgeber verzichtet also nicht nur zu
Lasten, sondern auch zugunsten der Gemeinden auf die Einhaltung der nach dem GKG
vorgeschriebenen Voraussetzungen. Dies kommt denjenigen Gemeinden zugute, die
sich in der Anfangsphase eines Zweckverbandes faktisch als Mitglieder engagiert und
dann wieder zurückgezogen haben. Sie haften nur für die bis zu ihrem faktischen
Ausscheiden nach § 4 Abs. 2 ZwVerbStabG entstandenen Verbindlichkeiten.
Des weiteren wird den Gemeinden durch 16 Abs. 1 ZwVerbStabG ein erleichterter
Austritt aus dem Zweckverband ermöglicht. Gemeinden, die keinen Beschluss zur
Verbandsbildung gefasst haben - also in den Fällen des § 2 Abs. 2 ZwVerbStabG -
können binnen eines Monats nach der Bekanntmachung des Ergebnisses des
behördlichen Feststellungsverfahrens durch einseitige Erklärung und damit unter
leichteren Bedingungen als nach dem GKG aus dem Verband wieder ausscheiden.
Freilich ändert dies nichts an der anteiligen Haftung für die bis dahin entstandenen
Verbindlichkeiten des Verbandes. Auch ein Austritt nach § 16 Abs. 1 ZwVerbStabG
erfordert ein vorherige Auseinandersetzung der Beteiligten, über die notfalls - wenn die
Beteiligten keine Einigung erzielen - von der Aufsichtsbehörde entschieden wird (vgl. 16
Abs. 2 ZwVerbStabG). Soweit die Beschwerdeführerinnen für den Austritt nach § 16
ZwVerbStabG eine Beschränkung der Haftung auf die tatsächlich gezogenen Vorteile
angeregt haben, war der Gesetzgeber zu einer solchen Regelung unter
Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht verpflichtet: Sie würde dazu führen, dass sich
die Gemeinden durch eine bloße Austrittserklärung von einem Großteil der Schulden
befreien könnten, die sie durch ihre faktische Mitarbeit in dem Zweckverband mit
verursacht haben. Eine dahingehende Regelung liefe sogar Gefahr, ihrerseits mit Art. 97
LV in Konflikt zu geraten, weil sie denjenigen Gemeinden, denen keine Gründungsfehler
unterlaufen sind und die deshalb nicht ohne weiteres austreten können,
überproportionale Lasten aufbürden würde.
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ee) Im übrigen ist über die Frage, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 und 3
ZwVerbStabG im Einzelfall gegeben sind, in dem Verfahren nach § 14 Abs. 2
ZwVerbStabG zu befinden. Das dort geregelte Verfahren ermöglicht die gerichtliche
Anfechtung der mit dem Feststellungsbescheid verbundenen Verbandszugehörigkeit
und gewährleistet für jede betroffene Gemeinde im Sinne effektive Rechtsschutzes die
einzelfallbezogene Überprüfung dieser behördlichen Entscheidung.
(b) Auch gegen die weiteren zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellten Vorschriften
des ZwVerbStabG ergeben sich unter dem Aspekt der Angemessenheit keine
verfassungsrechtlichen Einwände. Sie sichern die vom Gesetzgeber bezweckte
rückwirkende Heilung hinsichtlich weiterer denkbarer Verbandsgründungsfehler ab der
betreffen (lediglich) eher technische Modalitäten. Im einzelnen:
(aa) § 1 Abs. 3 ZwVerbStabG betrifft Gemeinden, die sich vor dem Inkrafttreten des GKG
zu einem faktischen Zweckverband zusammengeschlossen haben. Diese
Zweckverbände konnten nach zum Teil vertretener Ansicht (vgl. o. B.II. 1.b.) keine
Rechtsfähigkeit als juristische Personen des öffentlichen Rechts erlangen, weil es
insoweit nach damaliger Rechtslage (bis zum Inkrafttreten des GKG) an einer
ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage gefehlt habe. Ob diese Ansicht zutrifft, kann auch
in diesem Zusammenhang offenbleiben (vgl. zu einem solchen Vorgehen LVerfG
Mecklenburg-Vorpommern, LKV 1999, 319, 321 f.). Sofern schon vor Inkrafttreten des
GKG eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Bildung von Zweckverbänden bestanden
hat, käme § 1 Abs. 3 ZwVerbStabG lediglich eine - verfassungsrechtlich von vornherein
unbedenkliche - klarstellende Funktion zu. Geht man hingegen davon aus, dass eine
solche Rechtsgrundlage erst mit dem GKG geschaffen worden ist, käme § 1 Abs. 3
ZwVerbStabG konstitutive Wirkung zu:
Die Vorschrift würde den betreffenden Verbänden, obwohl bei ihnen die
Voraussetzungen für die Entstehung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
nie gegeben gewesen wären, rückwirkend Rechtspersönlichkeit verleihen, um sie auf
diesem Wege in den Anwendungsbereich des ZwVerbStabG einzubeziehen. Auch
hiergegen ergeben sich indes keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Vorschrift stellt für diesen Fall lediglich sicher, dass die Heilungsvorschriften des
ZwVerbStabG auf alle seit dem 3. Oktober 1990 gegründeten Wasserzweckverbände
unabhängig davon anwendbar sind, ob sie vor oder nach dem Inkrafttreten des GKG
gegründet wurden. Dies ist sachlich gerechtfertigt. Das Gemeinwohlbedürfnis einer
rechtlichen Absicherung der Wasserzweckverbände ist bei den vor dem 31. Dezember
1991 gegründeten Verbänden nicht geringer als bei den später gegründeten Verbänden.
Unter Umständen ist es bei den älteren Verbänden sogar größer, weil sie schon länger
am Rechtsverkehr teilnehmen und sich ihre Strukturen demgemäß in besonderer Weise
verfestigt haben. Es ist deshalb von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der
Gesetzgeber mit § 1 Abs. 3 ZwVerbStabG die Voraussetzungen für eine Heilung von
Gründungsmängeln auch bei den älteren, vor dem 31. Dezember 1991 gegründeten
Verbänden geschaffen hat.
(bb) § 3 ZwVerbStabG begegnet unter dem Gesichtspunkt der kommunalen
Selbstverwaltung ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift stellt
sich als Begleitregelung eher technischer Art dar. Sie dient der Bestimmung des
Zeitpunktes des Entstehens des Zweckverbandes für den Fall, dass entgegen § 11 Abs.
1 GKG die Bekanntmachung der Verbandssatzung und /oder ihrer Genehmigung
unterblieben ist. Da in diesen Fällen der Zeitpunkt der Entstehung nicht aus § 11 Abs. 2
Satz 1 GKG folgt, musste der Gesetzgeber den Entstehungszeitpunkt fingieren. Er hat
dabei auf das erstmalige Erscheinen des Zweckverbandes in einer öffentlichen
Bekanntmachung abgestellt. Ob mit dieser Regelung den Gesichtspunkten der
Rechtssicherheit und Publizität gegenüber dem Bürger, in dessen Interesse die
Vorschriften über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen vornehmlich liegen,
hinreichend Rechnung getragen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Eine
unangemessene Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung lässt das
Anknüpfen an den vom Gesetzgeber gewählten Zeitpunkt jedenfalls nicht erkennen.
(cc) Auch § 4 Abs. 2 ZwVerbStabG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Einwänden.
Die Vorschrift überträgt den für die Gründung von Zweckverbänden bestimmten Verzicht
auf einen Beschluss der Gemeindevertretung und einer entsprechenden Erklärung des
Außenvertretungsberechtigten auf den Beitritt einer Gemeinde zu einem (bestehenden)
Zweckverband. Für den Fall, dass Beschlüsse der Gemeindevertretung zum
Verbandsbeitritt, Beitrittsanträge sowie Satzungsänderungsbeschlüsse des Verbandes
fehlen oder nicht feststellbar sind, kommt es darauf an, ob die Gemeinde den Beitritt
tatsächlich vollzogen hat Hierzu bestimmt § 4 Abs. 2 Satz 2 ZwVerbStabG, dass der
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tatsächlich vollzogen hat Hierzu bestimmt § 4 Abs. 2 Satz 2 ZwVerbStabG, dass der
Beitritt als vollzogen gilt, wenn die Gemeinde entsprechend § 2 Abs. 2 ZwVerbStabG als
Verbandsmitglied aufgetreten ist. Über die Verweisung auf § 2 Abs. 2 ZwVerbStabG gilt
die für jene Vorschrift getroffene Maßgabe des erkennenden Gerichts zur Auslegung des
Zurechnungskriteriums "Auftreten der Gemeinde als Verbandsmitglied" (s. hierzu im
einzelnen oben I.2.b.cc. (2) (a) (bb) und (cc)) gleichermaßen für § 4 Abs. 2 Satz 2
ZwVerbStabG. Damit bleibt auch für den Fall des Beitritts zu einem Zweckverband
sichergestellt, dass das "Auftreten als Verbandsmitglied" tatsächlich zurechenbar ist. Im
Ergebnis werden vom Gesetzgeber, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist,
Gründungsmitglieder und später beigetretene Gemeinden rechtlich gleich behandelt.
Außerdem ermöglicht die Vorschrift zugunsten der Gemeinden einen faktischen Austritt
aus dem Zweckverband und mildert so die Eingriffsintensität des Gesetzes ab (s.o.
I.2.b.cc. (2) (a) (dd) ).
(dd) Der ferner angegriffene § 7 ZwVerbStabG betrifft fehlende oder unvollständige
Mitgliederverzeichnisse und damit einen inhaltlichen Mangel der Verbandsatzungen.
Auch insoweit knüpft der Gesetzgeber an dien Willen der Gemeinden an, indem neben
den in den Verbandsunterlagen aufgeführten auch diejenigen Gemeinden als Mitglieder
gelten, die gemäß § 2 Abs. 2 ZwVerbStabG als solche aufgetreten sind. Durch die
Verweisung auf § 2 Abs. 2 ZwVerbStabG ist die zu jener Vorschrift getroffene Maßgabe
des erkennenden Gerichts zur Auslegung des Zurechnungskriteriums "Auftreten der
Gemeinde als Verbandsmitglied" (s. hierzu wiederum I.2.b.cc. (2) (a) (bb) und (cc)) auch
für § 7 Abs. 1 Satz 2 ZwVerbStabG verbindlich. Damit bleibt gewährleistet, dass die
Rechtswirkungen des Gesetzes auch im Falle unvollständiger oder fehlender
Mitgliederverzeichnisse in hinreichender Weise an den Willen der Gemeinde anknüpfen.
Als weiteres Korrektiv erweist sich § 7 Abs. 2 ZwVerbStabG. Danach zählen Gemeinden,
deren Beteiligung an der Verbandsgründung nicht dokumentiert ist und die in der
Folgezeit auch nicht als Verbandsmitglieder aufgetreten sind, nicht als
Verbandsmitglieder, selbst wenn sie als solche im Mitgliederverzeichnis oder in der
Verbandssatzung aufgeführt sind. Auch von daher ist es also nicht etwa so, dass eine
gänzlich unbeteiligte Gemeinde in die Haftung genommen wird, nur weil sie, aus welchen
Gründen auch immer, in den Verbandsunterlagen als Mitglied geführt wird. Unter
Mitberücksichtigung dieser Sicherung verstößt auch § 7 ZwVerbStabG nicht gegen das
Recht der kommunalen Selbstverwaltung nach der Landesverfassung.
II.
Die angegriffenen Vorschriften des ZwVerbStabG verstoßen nicht gegen das aus dem
Rechtsstaatsprinzip der Landesverfassung ableitbare (relative) Rückwirkungsverbot.
1.a. Das in Art. 2 Abs. 1 und 5 LV verankerte Rechtsstaatsprinzip schützt auch die
Gemeinden vor rückwirkenden Gesetzen. Sie dürfen sich ebenso wie der Einzelbürger
jedenfalls grundsätzlich auf die Beständigkeit des Rechts verlassen und brauchen
jedenfalls grundsätzlich nicht damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber in der
Vergangenheit liegende Lebenssachverhalte nachträglich anders regelt (vgl. LVerfG
Sachsen-Anhalt, LVerfGE 7, 304, 323 ff,; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, LK 1999,
319, 322; Klügel, LKV 1998, 168, 171).
b. Die hier in Frage stehende rückwirkend Heilung von Verbandsgründungsmängeln stellt
sich als rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage dar. Es handelt sich um eine sog.
echte Rückwirkung in der Form einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. zur
Terminologie in der Rechtsprechung des 1. und 2. Senats des BVerfG Schultze-Fielitz in:
Dreier, Grundgesetz, Band II, Art. 20 Rdn. 144 ff.; Möller/Rührmair, NJW
1999, 908 ff.). Die Heilung der fehlgeschlagenen Zweckverbandsgründungen ändert die
Rechtsstellung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum. Gemeinden, die
bislang kein Zweckverbandsmitglieder waren, werden rückwirkend zu
Verbandsmitgliedern und verlieren damit nachträglich die Wahrnehmungskompetenz für
die Aufgabe der Abwasserbeseitigung. Gleichzeitig haften sie anteilig für die seit der
Gründung bzw. ihrem Beitritt entstandenen Verbindlichkeiten. Derartige
Rechtswirkungen sind entsprechend dem (relativen) Rückwirkungsverbot der
Landesverfassung unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes grundsätzlich nicht
zulässig.
2. Im Grundsatz des Vertrauensschutzes findet das Rückwirkungsverbot freilich nicht nur
seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, der sich das erkennende Gericht für die Auslegung des
Rückwirkungsverbotes nach der Landesverfassung anschließt, gilt das
Rückwirkungsverbot dort nicht, wo sich ausnahmsweise kein schutzwürdiges Vertrauen
bilden konnte. Das ist namentlich dann der Fall, wenn die Betroffenen schon in dem
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bilden konnte. Das ist namentlich dann der Fall, wenn die Betroffenen schon in dem
Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht mit dem Fortbestand der
Regelungen rechnen konnten. Ferner kommt der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes
nicht zum Tragen, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass ein Eingreifen
des Gesetzgebers erwartet werden musste. Diese vom Bundesverfassungsgericht
entwickelten Fallgruppen sind Ausprägungen des allgemeinen Grundsatzes, dass nur
schutzwürdiges Vertrauen einer Rückwirkung entgegen steht (vgl. LVerfG Mecklenburg-
Vorpommern, a.a.0.; BVerfGE 72, 200, 258; BVerfG, NJW 1998, 1547, 1548 vgl. auch -
seine bisherige Rechtsprechung zusammenfassend - BVerfGE 88, 384, 404) .
Danach ist die hier in Frage stehende rückwirkende Heilung der in der Nachwendezeit bei
der Gründung von Wasserzweckverbänden unterlaufenen Gründungsmängel
hinzunehmen. In dieser Hinsicht hat sich zu keiner Zeit ein schutzwürdiges Vertrauen auf
seiten der Gemeinden gebildet, das der Gesetzgeber hätte enttäuschen können.
Insoweit ist zu unterscheiden zwischen dem anfänglichen Vertrauen in die Wirksamkeit
der Verbandsgründungen (dazu a.) und der später - nach Kenntnis der Unwirksamkeit
zahlreicher Verbandsgründungen - aufkeimenden Hoffnung, von Rechts wegen nicht
Mitglied eines Zweckverbandes geworden zu sein (dazu b.).
a. Die Gemeinden sind zunächst davon ausgegangen, nicht nur faktisch, sondern auch
rechtlich wirksame Zweckverbände gegründet zu haben. Sie waren naheliegenderweise
der Meinung, durch Gründung oder Beitritt Mitglied eines Zweckverbandes geworden zu
sein. Dieses Vertrauen hat der Gesetzgeber des ZwVerbStabG nicht enttäuscht,
sondern bestätigt, indem er das seinerzeit Gewollte nachträglich rechtlich abgesichert
hat.
aa. Das gilt zunächst für § 1 Abs. 3 ZwVerbStabG, mit dem der Gesetzgeber
nachträglich den bis zum Inkrafttreten des GKG gegründeten Zweckverbänden
Rechtspersönlichkeit als juristische Personen des öffentlichen Rechts verliehen hat. In
der Nachwendezeit entsprach es zunächst nahezu allgemeiner Auffassung, dass
Zweckverbände als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts errichtet werden
konnten, sei es allein aufgrund des § 61 DDR-KV oder in Verbindung mit dem RZwVerbG.
Diese Auffassung wurde nicht nur in der Kommentarliteratur vertreten (s. etwa Schlemp,
Kommunalverfassung, 1990, Teil II, B 1, § 61; Bretzinger/Büchner-Uhder,
Kommunalverfassung, Handbuch für die kommunale Praxis in den neuen
Bundesländern, 1990, § 61 DDR-KV, Rdn. 2, 3 und 6; s. auch die Nachweise bei Klügel,
LKV 1998, 169 m.w.N.), sondern auch in der kommunalen Praxis (s. etwa die in
Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium entstandene Arbeitshilfe der
Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zur Gründung von
Zweckverbänden, 1991, S. 4), in der Rechtsprechung (s. zur Fortgeltung des RZwVerbG
etwa OVG Sachsen, LKV 1997, 223; LKV 1997, 418 und LKV 1997, 420;
Brandenburgisches OLG, LKV 1997, 426 f.; LG Potsdam, LKV 1997, 430 f.), nicht zuletzt
auch von den Landesgesetzgebern in den neuen Bundesländern, wie sich etwa darin
zeigt, dass mit der Einführung der Landesgesetze über die kommunale
Gemeinschaftsarbeit das RZwVerbG jeweils aufgehoben wurde (s. für das Land
Brandenburg § 32 Ziffer 1 GKG, für Mecklenburg-Vorpommern § 177 Abs. 3 Nr. 3
Kommunalverfassung MV). Erst mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts
Magdeburg vom 14. Mai 1997 (LKV 1997, 417 f.) und dem kurz darauf ergangenen Urteil
des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. Juli 1997 (LVerfGE 7, 251 ff.)
setzte sich die Auffassung durch, dass § 61 DDR-KV für sich genommen keine
ausreichende Grundlage für Zweckverbandsgründungen bilde und auch das RZwVerbG
für die neuen Bundesländer nicht die notwendige gesetzliche Ergänzung bereitstelle (vgl.
hierzu etwa Wellmann, LKV 1997, 402 ff.; Kollhosser, NJW 1997, 3266). Bis dahin aber
fehlte es den Gemeinden schon an dem Bewusstsein, dass Zweckverbände nicht
entstehen konnten. Die Gründung der Zweckverbände war vielmehr - rechtsirrig - im
Vertrauen darauf erfolgt, dass der Vorgang mit der Rechtslage in Einklang stehe. Dieses
Vertrauen hat der Gesetzgeber nicht enttäuscht, sondern nachträglich gerechtfertigt
(vgl. LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, LKV 1999, 319, 322 f.; LVerfG Sachsen-Anhalt,
LVerfGE 7, 304, 327 f.; vgl. auch - zur nachträglichen Heilung von Beurkundungsmängeln
- BVerfGE 72, 302 ff.).
bb. Ähnliches gilt für die weiteren angegriffenen Heilungsvorschriften des ZwVerbStabG.
Auch insoweit haben die betroffenen Kommunen - ablesbar an ihrem Auftreten als
Verbandsmitglieder - zunächst darauf vertraut, dass der Gründungsvorgang nicht mit
die rechtliche Wirksamkeit der Verbandsgründung in Frage stellenden Mängeln behaftet
sei. Dieses Vertrauen ist durch die rückwirkende Heilung der erst nachträglich erkannten
Mängel nicht enttäuscht worden.
Allerdings waren die wesentlichen kommunalrechtlichen Anforderungen an die Gründung
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Allerdings waren die wesentlichen kommunalrechtlichen Anforderungen an die Gründung
von Zweckverbänden - anders als die Frage, ob Zweckverbände nach damaligem Recht
Rechtspersönlichkeit erlangen konnten - auch schon vor dem Inkrafttreten des GKG
hinreichend klar geregelt. Es ist deshalb vorstellbar, dass einzelne Gemeinden, die
damals an unwirksamen Verbandsgründungen mitgewirkt bzw. in solchen Verbänden in
der Folgezeit als Mitglied aufgetreten sind, dies von Anfang an in dem Bewusstsein
getan haben, dass ihnen hieraus wegen der (von ihnen bereits erkannten)
Unwirksamkeit keine nachteiligen Folgen erwachsen und sie jederzeit wieder
"aussteigen" könnten. Solche Gemeinden hätten in der Tat von Anfang an auf den
Fortbestand der seinerzeit geltenden und von ihnen richtig verstandenen Vorschriften
über die Zweckverbandsgründung vertraut und wären in diesem Vertrauen durch die
rückwirkende Heilung der Gründungsmängel enttäuscht worden. Ob derartige Fälle
tatsächlich vorgekommen sind, kann indes dahinstehen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich,
dass die Beschwerdeführerinnen ein solches Vertrauen gehegt hätten. Ein so geartetes
"Vertrauen" wäre aber auch nicht schutzwürdig. Wenn eine Gemeinde die Unwirksamkeit
einer Verbandsgründung erkennt, aber gleichwohl weiterhin als Verbandsmitglied auftritt,
verhält sie sich arglistig, handelt jedenfalls wider besseres Wissen und verdient, insoweit
keinen Schutz (vgl. Klügel, LKV 1998, 168, 171).
b. Enttäuscht worden sind die Gemeinden durch die Heilungsregelungen allenfalls in der
später aufkeimenden Hoffnung, sich angesichts der nunmehr durch verschiedene
Gerichtsentscheidungen offenbar werdenden Gründungsmängel einerseits und der
immer kritischere Ausmaße annehmenden Verschuldung der Zweckverbände
andererseits aus dem Zweckverband zurückziehen zu können. In dieser Situation konnte
indes kein Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage entstehen. Die
damalige Rechtslage war nach dem Bekanntwerden ganz verschiedenartiger
Gründungsmängel insgesamt labil und unsicher und konnte keine Grundlage für
schutzwürdige Dispositionen bilden. Die Gemeinden mussten in dieser Lage von Anfang
an damit rechnen, dass der Gesetzgeber eingreifen würde (vgl. LVerfG Mecklenburg-
Vorpommern, LKV 1999, 319, 323). Die etwa doch bestehende Hoffnung einzelner
Gemeinden, als Folge von Gründungsmängeln nicht Mitglied eines Zweckverbandes
geworden zu sein, ist sodann bereits durch das – hier nicht zur verfassungsgerichtlichen
Überprüfung stehende - ZwVerbSG aus dem Jahre 1996 enttäuscht worden, mit dem der
Gesetzgeber alle bis dahin bekanntgewordenen Gründungsmängel zu heilen versucht
und damit seinen Willen zur Aufrechterhaltung der Zweckverbände zu erkennen gegeben
hat. Nunmehr hatten die Gemeinden damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber auf dem
einmal eingeschlagenen Weg fortfahren werde, sofern sich dieser erste Heilungsversuch
als unzureichend herausstellen würde. Dass abweichend hiervon die
beschwerdeführenden Gemeinden darauf vertraut hätten, dass das ZwVerbSG eine
abschließende Regelung darstelle und deshalb die Verbandsgründung aus von diesem
Gesetz nicht erfassten, von ihnen aber bereits erkannten Gründen endgültig unwirksam
bleibe, ist nicht ersichtlich. Dergleichen wird von den beschwerdeführenden Gemeinden
selbst nicht geltend gemacht. Hiervon abgesehen wäre eine derartige
Vertrauensposition nur schutzwürdig, soweit auf dieser Grundlage bereits Dispositionen
getroffen und durch das ZwVerbStabG im nachhinein entwertet worden wären (vgl. zur
sog. Vertrauensbetätigung LVerfG Sachsen-Anhalt, LVerfGE 7, 304, 328). Das wäre etwa
der Fall, wenn die Gemeinden im Vertrauen darauf, nicht Mitglied eines
Wasserzweckverbandes zu sein, schon damit begonnen hätten, eine eigene
Wasserversorgung und Abwasser aufzubauen. Dafür ist indes nichts ersichtlich.
c. Zusammenfassend stellt sich die Situation der Gemeinden hiernach so dar, dass ihr
anfängliches Vertrauen in die Wirksamkeit der Verbandsgründungen durch den
Gesetzgeber nicht enttäuscht, sondern bestätigt worden ist und sich in der Folge bis
zum Erlas des ZwVerbStabG ein schützenswertes neues Vertrauen, diesmal in die
Unwirksamkeit der Verbandsgründungen, nicht bilden konnte, das durch das
ZwVerbStabG hätte enttäuschen werden können. In dieser Situation war dem
Gesetzgeber eine rückwirkende Regelung deshalb nicht verwehrt (vgl. LVerfG
Mecklenburg-Vorpommern LKV 1999, 319, 323; LVerfG Sachsen-Anhalt LVerfGE 7, 304,
327 f.; Darsow, LKV 1999, 308 f.).
III.
Die Entscheidung über die teilweise Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf §
32 Abs. 7 Satz 2 VerfGGBbg.
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