Urteil des VerfG Brandenburg vom 14.03.2017

VerfG Brandenburg: unverletzlichkeit der wohnung, faires verfahren, verfassungsbeschwerde, verfassungsgericht, grundstück, willkürverbot, verdacht, rechtsschutzgarantie, entsorgung, satzung

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Gericht:
Verfassungsgericht
des Landes
Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
39/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 2 Abs 1 Verf BB, Art 5 Abs 1
Verf BB, Art 6 Abs 1 Verf BB, Art
15 Verf BB, Art 52 Abs 3 Verf BB
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Kostenentscheidung nach Erledigung
eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens.
A.
I. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Grundstücks, das im Verbandsgebiet des
Wasser- und Abwasserzweckverbandes „Nieplitz“ liegt und nicht an die zentrale
leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigungsanlage angebunden ist. Zwischen ihm
und dem Verband bestand langjähriger Streit über die Beseitigung des auf dem
Grundstück anfallenden Schmutzwassers. Während der Beschwerdeführer die
Entwässerung zunächst durch Eigenabfuhr und später mittels einer Kleinkläranlage
selbst vornehmen wollte, forderte der Verband die Errichtung einer
Entwässerungsanlage und deren Entleerung durch einen zugelassenen Abfuhrbetrieb.
Mit Bescheid vom 27. August 2009 gab er daher dem Beschwerdeführer unter
Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, bis zum 30. September 2009 auf seinem
Grundstück eine ordnungsgemäße Grundstücksentwässerungsanlage für die dezentrale
Entwässerung in Betrieb zu nehmen. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Widerspruch
ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Potsdam die Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes (Az.: VG 8 L 528/09). Nachdem die Sache zunächst am 9. Dezember
2009 vor dem Verwaltungsgericht Potsdam und sodann außergerichtlich erörtert worden
war, übertrug die am Eilverfahren nicht beteiligte untere Wasserbehörde dem
Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 3 Brandenburgisches Wassergesetz auf seinen
Antrag hin die Abwasserbeseitigungspflicht. Darauf erklärten der Beschwerdeführer und
der Verband das Eilverfahren für erledigt. Das Verwaltungsgericht Potsdam entschied
sodann mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss vom 7. Juni 2010, dem damaligen
Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers zugegangen am 9. Juni 2010, dass
der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Zur Begründung führte
es aus, die Kostenentscheidung entspreche billigem Ermessen, da der
Beschwerdeführer nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der
Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre. Denn der Beschwerdeführer sei
bis zur Genehmigung der von ihm beabsichtigten Kleinkläranlage verpflichtet gewesen,
die anfallenden Abwässer durch den Zweckverband entsorgen zu lassen.
II. Mit seiner am 9. August 2010 erhobenen Verfassungsbeschwerde macht der
Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 3 und 4 der
Verfassung des Landes Brandenburg (LV) geltend. Er ist der Ansicht, die
Kostenentscheidung verstoße gegen das Willkürverbot, weil sie mit der Aktenlage nicht
vereinbar sei. Für das Vorgehen des Verbandes fehle eine abwasserrechtliche
Legitimation. Das Gericht habe seine Anträge auf Übertragung der
Abwasserbeseitigungspflicht und deren schleppende Behandlung durch den Verband
ignoriert. Der Beschwerdeführer rügt weiter die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs.
1, Art. 6 Abs. 1, Art. 10 sowie Art. 15 LV und verweist auf Art. 111 LV.
B.
Die Akten des Verfahrens des Verwaltungsgerichts Potsdam (Az.: VG 8 L 528/09) wurden
beigezogen.
C.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
I. Ihrer Zulässigkeit steht allerdings nicht von vornherein entgegen, dass das Eilverfahren
vor dem Verwaltungsgericht Potsdam in der Hauptsache eingestellt wurde und nicht
Verfahrensgegenstand ist. Der behauptete Verfassungsverstoß betrifft gerade und
ausschließlich die Nebenentscheidung. Die grundsätzlichen Bedenken gegen die
Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Gerichtsentscheidung, die den
Beschwerdeführer nur noch in der Nebenentscheidung über die Kosten belastet,
bestehen in diesem Falle nicht (LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 185, 188).
II. Die Verfassungsbeschwerde ist aber unzulässig, weil das Beschwerdevorbringen und
die beigezogene Verfahrensakte nicht erkennen lassen, dass der Beschwerdeführer
durch den angegriffenen Beschluss in einem in der Verfassung des Landes Brandenburg
gewährleisteten Grundrecht verletzt sein könnte (§ 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz
Brandenburg).
1. Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren
nach Art. 52 Abs. 4 LV rügt, ist eine Grundrechtsverletzung weder ausreichend dargelegt
noch ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat dazu lediglich behauptet, es habe sich um
einen Schauprozess mit vorbestimmtem Urteil zugunsten einer Seite gehandelt, ohne
dass ein realer Hintergrund hierfür ersichtlich wäre. Konkrete Hinweise darauf, dass das
Gericht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine objektive und faire
Verfahrensführung und Entscheidungsfindung verkannt oder missachtet haben könnte,
ergeben sich weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus der beigezogenen Akte.
Zweifel an der Unparteilichkeit des Fachgerichts hätte der Beschwerdeführer außerdem
gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bereits im dortigen
Verfahren im Wege eines Befangenheitsantrags nach § 54 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung geltend machen
müssen(Beschluss vom 20. Mai 2010 - VfGBbg 2/10 -,).
2. Ein Verstoß gegen das aus Art. 52 Abs. 3 LV abgeleitete Willkürverbot liegt ebenfalls
ersichtlich nicht vor. Willkürlich ist eine Entscheidung – erst - dann, wenn sie unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und sich deshalb der Verdacht
aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Entscheidung muss ganz und
gar unverständlich erscheinen und das Recht in einer Weise falsch anwenden, die jeden
Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschreitet (Beschluss vom 15. April 2010 -
VfGBbg 5/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).Dies ist hier nicht der Fall. Im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren entscheidet das Gericht bei übereinstimmenden
Erledigungserklärungen der Beteiligten über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161
Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes. Dabei entspricht es in der Regel billigem Ermessen, gemäß
dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten
aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen
wäre. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht bei seiner
Einschätzung, der Beschwerdeführer wäre voraussichtlich mit seinem einstweiligen
Rechtsschutzbegehren unterlegen, den ihm eingeräumten Ermessensspielraum in nicht
nachvollziehbarer Weise überschritten hat. Die beanstandete Kostenentscheidung
beruht auf der Überzeugung des Verwaltungsgerichts, der Beschwerdeführer sei bis zur
Genehmigung der beabsichtigten Kleinkläranlage dazu verpflichtet, die auf seinem
Grundstück anfallenden Abwässer dem Verband zur Entsorgung zu überlassen. Dieser
Standpunkt ist im Hinblick auf die Regelungen in § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 sowie § 14
Abs. 1 der Satzung über die Schmutzwasserbeseitigung im Gebiet des Wasser- und
Abwasserzweckverbandes „Nieplitz“ vom 25. Januar 2006
(Schmutzwasserbeseitigungssatzung) nachvollziehbar, wonach bei Grundstücken, die
nicht an die zentrale Abwasserbeseitigung angeschlossen sind, grundsätzlich
Grundstücksentwässerungsanlagen zu errichten sind und das anfallende Schmutzwasser
dem Verband zur Entleerung anzudienen ist. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts
ist auch nicht deswegen völlig unverständlich, weil sie – wie der Beschwerdeführer meint
- im Widerspruch zur Aktenlage stehen würde. Insbesondere ergibt sich aus den
Unterlagen nicht, dass der Beschwerdeführer den Anforderungen des Anschluss- und
Benutzungszwangs Genüge getan hat. Zwar trägt dieser vor, er habe die Entsorgung
durch Eigenabfuhr selbst vorgenommen. Die Eigenabfuhr ist aber nach der
Schmutzwasserbeseitigungssatzung des Verbands keine zulässige Entsorgungsform
(vgl. §§ 14 ff der Satzung). Der Kostenbeschluss erscheint auch nicht vollkommen
unverständlich, soweit das Verwaltungsgericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung
auch in formeller Hinsicht nicht beanstandet hat. Diese Auffassung begründet
angesichts der jahrelangen Streitigkeiten zwischen dem Verband und dem
Beschwerdeführer über die Umsetzung des Anschlusszwangs jedenfalls nicht den
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Beschwerdeführer über die Umsetzung des Anschlusszwangs jedenfalls nicht den
Verdacht, das Gericht habe sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Ob die
Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts im einzelnen zutreffend ist, ist dabei nicht
maßgeblich. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts
begründet für sich genommen noch keinen verfassungsrechtlich relevanten Verstoß.
Denn es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, Gerichtsentscheidungen nach Art
eines Rechtsmittelgerichts zu überprüfen. Aus diesen Gründen ist auch für die Annahme
einer Verletzung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 10 LV
kein Raum.
3. Mangels Beschwerdebefugnis ist die Verfassungsbeschwerde weiter unzulässig, soweit
der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 LV geltend macht. Eine
Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung kommt nicht in Betracht.
Gegenstand des angegriffenen Beschlusses ist allein die Entscheidung über die Kosten
des erledigten Eilverfahrens; ein Eingriff in den von Art. 15 LV geschützten privaten
Lebensraum des Beschwerdeführers ist damit offenkundig nicht verbunden.
4. Das Beschwerdevorbringen lässt die Möglichkeit einer Verletzung der in Art. 6 Abs. 1
LV gewährleisteten Rechtsschutzgarantie nicht erkennen. Die Unanfechtbarkeit des
beanstandeten Kostenbeschlusses beruht auf § 158 Abs. 2 VwGO, die als
bundesrechtliche Regelung einer Überprüfung durch das Landesverfassungsgericht nicht
zugänglich ist (§ 45 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg). Überdies umfasst die
Rechtsschutzgarantie nicht das Recht des Bürgers auf Eröffnung eines Instanzenzuges
(Beschluss vom 20. August 2009 - VfGBbg 5/09 -,
www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
5. Der Beschwerdeführer kann seine Verfassungsbeschwerde auch nicht zulässigerweise
auf eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 LV stützten. Art. 2 LV beschreibt die
wesentlichen staatlichen Strukturelemente des Landes. Als Staatszielbestimmung
begründet sie keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Bürgers (vgl. Lieber in:
Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Kommentar, Februar 2008,
Anm. 1. zu Art. 2). Die Bestimmung ist deshalb im Verfassungsbeschwerdeverfahren –
ebenso wie Art. 5 LV - nicht rügefähig (Beschluss vom 28. September 2006 – VfGBbg
19/06 – www.verfassungsgericht. brandenburg.de).
6. Schließlich liegen die Voraussetzungen eines Verfahrens nach Art. 111 LV
(Richteranklage) ersichtlich nicht vor.
D.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
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